20.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134042
Oberlandesgericht München: Beschluss vom 20.11.2013 – 31 Wx 413/13
Die Bestellung eines Nachlasspflegers für die unbekannten Erben zum Zweck der Fortsetzung der zu Lebzeiten des Erblassers begonnenen Zwangsvollstreckung in das Nachlassvermögen kann auch dann nicht beantragt werden, wenn dem Gläubiger Nachlassgegenstände, in die er vollstrecken könnte, nicht bekannt sind.
Oberlandesgericht München
Beschl. v. 20.11.2013
Az.: 31 Wx 413/13
In Sachen
xxx
verstorben am 09.10.2012
- Erblasser -B
eteiligte:
xxx
- Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte:
xxx
wegen Nachlassbeschwerde
erlässt das Oberlandesgericht München - 31. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Stackmann, den Richter am Oberlandesgericht Wimmer und den Richter am Oberlandesgericht Gierl am 20.11.2013 folgenden
Beschluss
Tenor:
1.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen - Nachlassgericht -vom 20.8.2013 wird zurückgewiesen.
2.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.050 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Erblasser ist am 9.10.2012 im Alter von 43 Jahren verstorben. Er war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Eine letztwillige Verfügung wurde von ihm nicht errichtet. Die bisher von dem Nachlassgericht ermittelten gesetzlichen Erben haben alle die Erbschaft ausgeschlagen.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22.3.2013 beantragte der Beschwerdeführer unter Bezugaufnahme auf die bereits vorgelegte Ausfertigung eines Versäumnisurteils des Landgericht K. vom 29.9.2011 (Verurteilung des Erblassers u.a. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 6.000 € und außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 867, 84 € sowie weiterer Kosten in Höhe von 67,03 €) sowie eines Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 13.12.2011 (Festsetzung der vom Erblasser zu erstattenden Kosten in Höhe von 1.317,34 €) die Bestellung eines Nachlasspflegers zum Zwecke der Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass.
Nach seinem Vortrag wurden solche bereits im November 2011 eingeleitet: Nachdem zunächst ein vorläufiges Zahlungsverbot erwirkt worden sei, habe das Amtsgericht S. einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, der dem Arbeitgeber des Erblassers zugestellt worden sei. Anschließend sei eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen worden, woraufhin die Pfändungen ruhend gestellt worden seien. Bis zu seinem Tod habe der Erblasser jedoch lediglich einen Teilbetrag in Höhe von 1.200 € bezahlt. Eine Fortsetzung der Zwangsvollstreckung sei nach dem Tod des Erblassers nicht mehr möglich, da keine Nachlassgegenstände bekannt seien. Insofern bestünde ein Rechtsschutzbedürfnis zur Bestellung eines Nachlasspflegers im Sinne des § 1961 BGB.
Mit Beschluss vom 20.8.2013 wies das Nachlassgericht den Antrag mit der Begründung zurück, dass ein Rechtsschutzinteresse für die Bestellung eines Nachlasspflegers nicht vorliege, da der gegen den Nachlass gerichtete Anspruch bereits gerichtlich geltend gemacht worden sei und dem Gläubiger selbst nicht bekannt sei, in welche Nachlassgegenstände vollstreckt werden soll. Aufgabe eines Pflegers im Sinne des § 1961 BGB sei es nicht, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zu Recht ist das Nachlassgericht zu dem Schluss gelangt, dass die Voraussetzungen für die von dem Beschwerdeführer erstrebte Bestellung eines Nachlasspflegers im Sinne des § 1961 BGB nicht vorliegen.
1. Das Nachlassgericht hat gemäß § 1961 BGB in den Fällen des § 1960 Abs.1 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.
Dies setzt zum einen voraus, dass der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat oder die Annahme ungewiss oder der Erbe unbekannt ist (§ 1960 Abs. 1 BGB). Statt eines Fürsorgebedürfnisses im Sinne des § 1960 Abs. 1 BGB erfordert die Bestellung eines Nachlasspflegers im Sinne des § 1961 BGB zudem ein Rechtsschutzbedürfnis des Gl äubigers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will (Palandt/Weidlich BGB 72. Auflage <2013> § 1961 Rn. 2; Soergel/Stein BGB 13. Auflage § 1961 Rn. 2 bis 4; MüKoBGB/Leipold BGB 6. Auflage <2013> § 1961 Rn. 4 und 8; Staudinger/Marotzke BGB <2007> § 1961 BGB Rn. 3, 4, 8). Antragsberechtigt ist damit, wer die Absicht vorträgt, einen Anspruch gegen den Nachlass notfalls gerichtlich geltend machen zu wollen (Palandt/Weidlich a.a.O. Rn. 2; MüKoBGB/Leipold a.a.O. Rn. 5). Auch das Betreiben der Zwangsvollstreckung stellt insofern eine gerichtliche Geltendmachung in diesem Sinne dar, doch ist für eine Pflegerbestellung danach zu unterscheiden, ob die Zwangsvollstreckung schon begonnen hat oder erst eingeleitet werden soll. Stirbt der Erblasser vor Beginn der Zwangsvollstreckung, scheitert die notwendige Klauselerteilung gegen den Erben an § 1958 BGB, wenn dieser die Erbschaft noch nicht angenommen hat. Insofern ermöglicht die Pflegerbestellung nach § 1961 BGB dem Gläubiger die Zwangsvollstreckung. Zur Fortsetzung einer schon gegen den Erblasser begonnenen Zwangsvollstreckung bedarf es hingegen keiner Klausel gegen den Erben (§ 779 Abs. 1 ZPO). Soweit die Zuziehung des Schuldners bei Vollstreckungshandlungen notwendig ist, sieht § 779 Abs. 2 ZPO die Bestellung eines besonderen Vertreters vor.
2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze teilt der Senat die Auffassung des Nachlassgerichts, dass der Vortrag des Beschwerdeführers das für die Bestellung eines Nachlasspflegers im Sinne des § 1961 BGB erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht belegt. Der Beschwerdeführer ist durch den Tod des Erblassers nicht gehindert, die Zwangsvollstreckung in dessen Nachlass zu betreiben, da der Anwendungsbereich des § 779 Abs. 1 ZPO eröffnet ist.
a) Hierfür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass vor Eintritt des Erbfalls eine konkrete Vollstreckungsmaßnahme von dem Gläubiger gegen den Erblasser eingeleitet worden ist (vgl. Hk-ZPO/Kindl, 5. Auflage <2013> § 779 Rn. 2; Zöller/Stöber ZPO 30. Auflage <2013> § 779 Rn. 4). Dies ist hier der Fall, da der Beschwerdeführer nach eigenem Sachvortrag u.a. bereits einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Erblasser erwirkt hatte, der dem Arbeitgeber des Erblassers zugestellt worden ist.
b) Die von dem Beschwerdeführer beabsichtigte Durchführung weiterer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Nachlass gebietet nicht die Bestellung eines Nachlasspflegers im Sinne der §§ 1961, 1960 BGB.
aa) Da der Anwendungsbereich des § 779 Abs. 1 ZPO eröffnet ist, kann der Beschwerdeführer die Vollstreckung ohne Umschreibung der gegen den verstorbenen Schuldner (= Erblasser) lautenden Ausfertigung weiter in den Nachlass (vgl. § 778 Abs. 1 ZPO) betreiben. Es bedarf insofern keiner Bestellung eines Nachlasspflegers in der Funktion eines "passivlegitimierten Platzhalters" (vgl. Trimborn von Landenberg in: Burandt/Rojahn Erbrecht <2011> § 1960 Rn. 1).
bb) Dass ihm keine Nachlassgegenstände bekannt sind und er sich insoweit nicht in der Lage sieht, weitere Vollstreckungsmaßnahmen durchführen zu können, begründet entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht das im Sinne der §§ 1961, 1961 erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die von ihm beantragte Bestellung eines Nachlasspflegers.
Die insofern von Behr (Rpfleger 2002, 2/4) vertretene Meinung wird - soweit ersichtlich und erörtert - von der Literatur zu § 1961 BGB im Ergebnis zu Recht abgelehnt (vgl. Staudinger/Marotzke a.a.O. § 1961 Rn. 15; MüKoBGB/Leipold a.a.O. Rn. 7; vgl. aber auch Zöller/Stöber a.a.O. § 779 Rn. 6 und Nk-Erbrecht/Krug 3. Auflage <2010> § 1962 Rn. 9 sowie Timborn von Landenberg a.a.O. § 1961 Rn. 6: Wahlrecht des Gläubigers in den Fällen des § 779 Abs. 2 ZPO zwischen Bestellung eines Nachlasspflegers i. S. d. § 1961 BGB und eines Vertreters i. S. d. § 779 Abs. 2 ZPO).
Die Vorschrift des § 1961 BGB korrespondiert mit § 1958 BGB, wonach der Nachlassgläubiger den Erben nicht vor Annahme der Erbschaft verklagen kann und eine Klage gegen den Erben als unzulässig abzuweisen wäre (Trimborn von Landenberg in: Burandt/Rojahn a.a.O. § 1961 Rn. 1; Nk-Erbrecht/Krug a.a.O. § 1961 Rn. 3). Die Funktion des § 1961 BGB liegt somit darin, dem Nachlassgläubiger einen passivlegitimierten "Platzhalter" als Anspruchsgegner zu geben (s.o.), um so zu verhindern, dass der Nachlassgläubiger durch die ungeklärte Rechtsnachfolge nach dem Tod seines Schuldners Rechtsnachteile erleidet. Der Vorschrift kommt damit allein verfahrensrechtliche Bedeutung zu. Für die Bestellung eines Nachlasspflegers ist aber dann kein Raum, wenn der Gläubiger den von ihm geltend gemachten Anspruch verfahrensrechtlich geltend machen kann und er aufgrund eines bereits gegen den Erblasser erwirkten Titels die Zwangsvollstreckung in das Schuldnervermögen (= Nachlass des Erblassers; vgl. § 778 Abs. 1 ZPO) betreiben kann. Denn insofern ist er an der "gerichtlichen Geltendmachung" seines Anspruchs nicht deswegen gehindert, weil derzeit der Erbe des Erblassers nicht feststeht.
Dies hier der Fall, da nach § 779 Abs. 1 ZPO die Zwangsvollstreckung in den Nachlass ohne Umschreibung der vollstreckbaren Ausfertigung fortgesetzt werden kann (s.o). Insoweit kann aus dem Titel weiter in den Nachlass vollstreckt werden, wobei die fortgesetzte Vollstreckung auch Gegenstände erfassen kann, die bisher nicht erfasst waren (Karsten Schmidt/Brinkmann in: MüKoZPO 4. Auflage <2012> § 779 Rn. 6; HK-ZPO/Kindl, a.a.O, § 779 Rn. 3). Ob dem Vollstreckungsgläubiger solche Gegenstände bekannt sind, ist insofern unmaßgeblich. § 779 Abs. 1 ZPO ordnet generell, unabhängig von einer subjektiven Kenntnis des Gläubigers von weiteren der Vollstreckung unterliegenden Gegenstände die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung an.
Das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers gebietet nicht, den grundsätzlichen Vorrang des § 779 Abs. 1 ZPO vor § 1961 BGB für den Fall einzuschränken, dass dem Gläubiger Nachlassgegenstände nicht bekannt sind, in die er vollstrecken könnte. Denn der Gläubiger hat es bereits zu Lebzeiten des Erblassers selbst in der Hand, sich Kenntnis über dessen verwertbares Vermögen zu verschaffen. Führt(e) die von ihm durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme nicht zu einer vollständigen Befriedigung, besteht für ihn nach § 807 Abs. 1 i.V.m. § 900 ZPO a.F. bzw. §§ 802c, 807 Abs. 1 i.V.m. § 802f ZPO n.F. die Möglichkeit, die Erstellung eines Vermögensverzeichnisses (§ 807 ZPO a.F.) bzw. die Abnahme einer Vermögensauskunft durch den Erblasser (§ 807 i.V.m. §§ 807 Abs. 1, 802f, 802c ZPO n.F.) zu erwirken.
III.
Der Beschwerdeführer hat kraft Gesetzes die Gerichtskosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen (§ 22 Abs. 1 GNotKG). Für die Festsetzung des Geschäftswerts ist das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers am Erfolg seines Rechtsmittels maßgebend. Dieser entspricht dem Betrag, den der Beschwerdeführer im Wege der Zwangsvollstreckung beizutreiben erstrebt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.