04.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146293
Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 15.10.2015 – 9 U 149/14
1. Bittet die Erbin die pflichtteilsberechtigte Enkelin der Erblasserin, den Pflichtteil vorläufig nicht geltend zu machen, da die Erbin ansonsten ihre Eigentumswohnung veräußern müsse, kann darin ein Stundungsersuchen liegen. Verhält sich die pflichtteilsberechtigte Enkelin entsprechend dieser Bitte, liegt eine - verjährungshemmende - konkludente Stundungsvereinbarung nahe.
2. Die Stundung des Pflichtteils umfasst im Zweifel auch die Stundung des mit dem Pflichtteil verbundenen Auskunftsanspruchs.
Oberlandesgericht Karlsruhe
Urt. v. 15.10.2015
Az.: 9 U 149/14
Im Rechtsstreit
XXX
gegen
XXX
wegen Auskunft und Forderung
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 01. Oktober 2015 durch
Vors. Richter am Oberlandesgericht Büchler
Richter am Oberlandesgericht Schulte-Kellinghaus
Richterin am Oberlandesgericht Coen
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 07.11.2014 - 5 O 166/14 - aufgehoben.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Nachlass der am 08.02.2001 verstorbenen Frau L. H., geb. F., durch Vorlage einer nach Aktiva und Passiva gegliederten Aufstellung des Vermögens der Erblasserin zum Todestag, und über alle der Beklagten bekannten unentgeltlichen Zuwendungen der Erblasserin, bezüglich derer zum Todestag noch nicht zehn Jahre seit der Leistung des zugewandten Gegenstandes verstrichen waren.
3.
Das Verfahren wird zur Verhandlung und Entscheidung über die weiteren Anträge der Klägerin zurückverwiesen an das Landgericht Freiburg.
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach dem Tod der am 08.02.2001 verstorbenen L. H. (Erblasserin) geltend.
Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes verwitwet. Sie hatte zwei Kinder, den Vater der Klägerin und die Beklagte. Der Vater der Klägerin war bereits im Jahr 1993 vorverstorben. Er hatte außer der Klägerin keine weiteren Kinder. Die Beklagte wurde auf Grund einer letztwilligen Verfügung der Erblasserin vom 18.07.1992 Alleinerbin.
Die Klägerin erfuhr bereits kurz nach dem Tod ihrer Großmutter, dass weder ihr Vater noch sie selbst als Erben eingesetzt waren. Bei einem Treffen mit der Beklagten, welches noch im Jahr 2001 stattfand, sprach sie die Beklagte auf den ihr wegen der Enterbung zustehenden Pflichtteilsanspruch an. Die Beklagte bat die Klägerin, diesen Pflichtteilsanspruch nicht geltend zu machen. Denn sie befürchtete, die von ihr selbst bewohnte Wohnung in der R.straße in F. nicht halten zu können, wenn sie zur Auszahlung des Anspruchs gezwungen wäre. Gleichzeitig äußerte die Beklagte, die Klägerin werde nach dem Tod der Beklagten ihrerseits Erbin der Beklagten. Auf diese Weise komme der Klägerin beim Tod der Beklagten nicht nur der Pflichtteil, sondern das gesamte Erbe der Erblasserin zu Gute. Die Klägerin machte daraufhin zunächst keinen Pflichtteilsanspruch gegen die Beklagte geltend.
Am 01.01.2008 richtete die Beklagte ein handschriftliches Schreiben an die Klägerin mit folgendem Inhalt:
"Liebe S.,
um den unverständlichen Aberglaube aus der Welt zu schaffen, der mich tief getroffen hat, bescheinige ich Dir hiermit nochmals unser Gespräch auf der L. und beim Notar bezüglich des Todes von Omi.
Du bist und bleibst nach wie vor meine Alleinerbin, zumal ja der Pflichtteil Deines Vaters in diesem Erbe verankert ist.
Dir gehören die Eigentumswohnung, Wertpapiere, Bausparvertrag, den ich übrigens nach wie vor mit € 100,- monatlich für Dich aufrecht erhalte. (........). Dort bis Du auch als Begünstigte eingetragen.
Ebenso Mobiliar, Schmuck usw.
Mit all diesen Angaben liegt ein Testament beim Notar vor.
Freiburg 1. Neujahrstag 2008
Anita"
Im Jahr 2014 entstanden bei der Klägerin Unsicherheiten, ob die Beklagte sie tatsächlich zur Alleinerbin eingesetzt hatte, bzw. ob sie eine solche Erbeinsetzung aufrechterhalten wollte. Mit Schreiben vom 28.04.2014 (Anlage K1) forderte die Klägerin daher die Beklagte auf, zu erklären, ob sie Einwände gegen den Pflichtteilsanspruch der Klägerin nach dem Tod der Erblasserin habe. Außerdem forderte sie die Beklagte auf, eine Aufstellung über die Nachlasswerte der im Jahr 2001 verstorbenen Erblasserin zu übersenden. Die Beklagte reagierte darauf mit einem Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 14.05.2014, mit welchem sie einen Pflichtteilsanspruch der Klägerin wegen Verjährung zurück wies. Für den Verjährungseintritt spiele es keine Rolle, ob die Klägerin in der Erwartung gelebt habe, eines Tages Erbin ihrer Tante, der Beklagten, zu werden.
Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.06.2014 hat die Klägerin Stufenklage zum Landgericht Freiburg erhoben. Sie hat Auskunft über den Nachlass und über unentgeltliche Zuwendungen zu Lebzeiten ihrer im Jahr 2001 verstorbenen Großmutter verlangt, und für den Fall, dass diese Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt wird, die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung, sowie - noch unbeziffert - Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden Betrages, den die Beklagte als Pflichtteil nach dem Tod der Erblasserin zu leisten habe. Die Beklagte ist den Anträgen entgegengetreten und hat sich auf Verjährung berufen.
Mit Urteil vom 07.11.2014 hat das Landgericht die Stufenklage abgewiesen. Pflichtteilsansprüche der Klägerin seien verjährt, so dass auch ein Auskunftsanspruch nicht mehr geltend gemacht werden könne. Die Beklagte sei auch nach Treu und Glauben nicht gehindert, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Zwar habe sie die Erwartung geweckt, die Klägerin werde später Erbin der Beklagten. Dadurch sei die Klägerin von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen abgehalten worden. Die Beklagte habe die Klägerin jedoch nicht getäuscht. Denn früher habe sie tatsächlich die Klägerin zur Erbin bestimmen wollen. Die Beklagte sei an eine solche frühere Absicht jedoch nicht gebunden. Wenn die Beklagte nach Eintritt der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs ihre Vorstellungen über eine Erbeinsetzung der Klägerin geändert habe, ergebe sich daraus keine (frühere) Täuschungshandlung. Andere Gesichtspunkte, die zu einer Hemmung der Verjährung hätten führen können, seien nicht gegeben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die an ihren erstinstanzlichen Anträgen festhält. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien sowohl der Pflichtteilsanspruch als auch der Anspruch auf Auskunftserteilung nicht verjährt. Zum einen ergebe sich aus dem unstreitigen Sachverhalt eine die Verjährung hemmende Stundungsvereinbarung. Zum anderen stehe der Grundsatz von Treu und Glauben der Verjährungseinrede auch dann entgegen, wenn die Beklagte ohne Täuschungsabsicht durch ein bestimmtes Verhalten die Klägerin von einer früheren Geltendmachung ihrer Ansprüche abgehalten habe.
Die Klägerin beantragt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 7. November (5 O 166/14), zugestellt am 12.11.2014 abgeändert und die Beklagte verurteilt,
1.
der Klägerin durch Vorlage einer nach Aktiva und Passiva gegliederten Aufstellung des Vermögens der am 8.2.2001 verstorbenen Frau L. H., geb. F., zum Todestag Auskunft über den Nachlass und über alle der Beklagten bekannten unentgeltlichen Zuwendungen der Erblasserin zu geben, bezüglich derer zum Todestag noch nicht zehn Jahre seit der Leistung des zugewandten Gegenstands verstrichen waren,
2.
für den Fall, dass die Aufstellung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt errichtet wird, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über Zuwendungen nach bestem Wissen so vollständig abgegeben hat, wie sie in der Lage war,
3.
an die Klägerin den sich an Hand der nach Ziffer 1. zu erstellenden Aufstellung errechnenden Pflichtteilsanspruch nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts. Eine Stundungsvereinbarung, welche zur Hemmung der Verjährung hätte führen können, habe es nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergebe sich eine solche Vereinbarung nicht aus den Feststellungen im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Die Klägerin hat im Senatstermin beantragt, das Verfahren wegen der weiteren Anträge der Stufenklage zur Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet. Sie kann nach dem Tod ihrer verstorbenen Großmutter L. H. im Jahr 2001 von der Beklagten die Auszahlung des Pflichtteils verlangen. Die Beklagte ist zur Auskunftserteilung verpflichtet, um der Klägerin eine Berechnung des Pflichtteilsanspruchs und eines eventuellen Pflichtteilergänzungsanspruchs zu ermöglichen.
1. Der Klägerin steht ein Pflichtteil zu in Höhe von 1/4 des Wertes des Nachlasses. Der Anspruch beruht auf § 2303 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1924 Abs. 1, 3, 4 BGB.
2. Die Beklagte ist verpflichtet, über den Bestand des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalles Auskunft zu erteilen gemäß §§ 2314 Abs. 1 Satz 1, 260 Abs. 1 BGB. Im Hinblick auf einen möglichen Pflichtteilsergänzungsanspruch bei Schenkungen (§ 2325 BGB) erstreckt sich die Auskunftspflicht auch auf den sogenannten fiktiven Nachlassbestand (vgl. Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage 2015, § 2314 BGB, RdNr. 9).
3. Die Beklagte könnte die Zahlung des Pflichtteils verweigern, wenn der Anspruch verjährt wäre. Da die von der Klägerin geltend gemachte Auskunft lediglich der Bezifferung des Pflichtteils dient, bestünde bei Verjährung des Pflichtteils kein Rechtschutzbedürfnis mehr für die Geltendmachung der Auskunft. Die Verjährung des Pflichtteils würde daher zu einem Leistungsverweigerungsrecht auch hinsichtlich der Auskunftspflicht führen (vgl. Palandt/Weidlich a.a.O., § 2314 BGB, RdNr. 12). Ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten besteht jedoch nicht. Denn der Pflichtteilsanspruch der Klägerin ist nicht verjährt.
a) Bis zum 31.12.2009 war für die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen § 2332 Abs. 1 BGB a.F. maßgeblich. Danach betrug die Verjährungsfrist drei Jahre, gerechnet von dem Zeitpunkt, in welchem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Eintritt des Erbfalles und der ihn beeinträchtigenden Verfügung erlangte. Da die Klägerin bereits im Jahr 2001 nicht nur vom Tod ihrer Großmutter, sondern auch von der Erbeinsetzung der Beklagten durch das Testament der Verstorbenen erfahren hat, begann die Verjährungsfrist bereits im Jahr 2001 zu laufen. Ohne eine zwischenzeitliche Hemmung wäre die Verjährung mithin bereits im Laufe des Jahres 2004 abgelaufen. Der Ablauf der Verjährung wurde jedoch gehindert, da bereits 2001 eine Verjährungshemmung eingetreten ist.
b) Die Parteien haben bei einem Gespräch im Jahr 2001 vereinbart, dass der Pflichtteilsanspruch gestundet werden sollte. Daraus ergibt sich - ab dem Zeitpunkt dieser Vereinbarung - für die Dauer der Stundung eine Verjährungshemmung gemäß § 205 BGB bzw. § 202 Abs. 1 BGB a.F..
aa) Die Stundungsabrede ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt, den bereits das Landgericht im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils festgestellt hat. Als die Klägerin die Beklagte wegen des Pflichtteilsanspruchs ansprach, bat diese sie, den Anspruch nicht geltend zu machen, weil die Beklagte ohne Veräußerung ihrer Eigentumswohnung die erforderliche Zahlung voraussichtlich nicht leisten konnte. Das in dieser Bitte liegende Stundungsersuchen hat die Klägerin angenommen, indem sie sich anschließend entsprechend der Bitte der Beklagten - keine Geltendmachung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs - verhalten hat. Dass es sich um eine Stundungsabrede handelte und nicht etwa um einen Erlassvertrag, ergibt sich daraus, dass die Parteien lediglich eine vorläufige Regelung getroffen haben. Die Klägerin sah - wie schon im Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wiedergegeben - nur "zunächst" von der Geltendmachung ihrer Ansprüche ab. Auch aus dem späteren Schreiben der Beklagten vom 01.01.2008 ergibt sich, dass beide Parteien von einem Weiterbestehen des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin ausgingen ("... Pflichtteil Deines Vaters in diesem Erbe verankert ..."). Für den übereinstimmenden Willen zur Stundung spielt es entgegen der Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 07.10.2015 keine Rolle, ob sie mögliche Schwierigkeiten bei einem späteren Streit über den Pflichtteil mit bedacht hat. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Eigentumswohnung zum Nachlass gehörte oder ob die Wohnung der Beklagten schon vor dem Tod der Erblasserin unentgeltlich übertragen wurde.
bb) Aus dem Vorbringen der Parteien ergibt sich keine ausdrückliche Regelung der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt der Pflichtteilsanspruch gestundet sein sollte. Die Dauer der Stundung ist durch Auslegung der Absprache zu ermitteln. Unter den gegebenen Umständen kommen zwei Möglichkeiten in Betracht. Da beide Alternativen für die Entscheidung des Rechtstreits zum selben Ergebnis führen, kann die Auslegung der Vereinbarung zu diesem Punkt offenbleiben.
aaa) Man kann die Absprache als eine unbefristete Stundung verstehen. In diesem Fall hatte die Klägerin das Recht, später den Leistungszeitpunkt nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB zu bestimmen (vgl. zur Vereinbarung einer unbefristeten Stundung Palandt/Grüneberg a.a.O., § 271 BGB, RdNr. 14).
bbb) Das Motiv für die Stundungsvereinbarung war die Erwartung der Klägerin, beim Tod der Beklagten deren Erbin zu werden. Das könnte es nahelegen, die Stundung dahingehend zu verstehen, dass sie bis zum Tod der Beklagten Gültigkeit haben sollte, allerdings begrenzt auf einen früheren Zeitpunkt, wenn sich bereits vorher die Aussicht der Klägerin als Erbin eingesetzt zu werden, zerschlagen sollte (vgl. zur Auslegung entsprechender Stundungsvereinbarungen im Arbeitsrecht BAG, NJW 1978, 444 [BAG 28.09.1977 - 5 AZR 303/76]). Eine solche Auslegung würde an die Interessenlage der Klägerin anknüpfen, die mit einer späteren Erbeinsetzung rechnete. Die Situation ist vergleichbar mit der Interessenlage einer Gläubigerin, die eine Leistung erfüllungshalber erhält, die mit einer Stundungsvereinbarung verknüpft wird (vgl. zur Auslegung von Stundungsvereinbarungen bei Leistungen erfüllungshalber BGH, NJW-RR 1992, 254 [BGH 24.10.1991 - IX ZR 18/91]).
cc) Umstände, die zu einer anderen Auslegung der mündlichen Vereinbarung im Jahr 2001 führen könnten - keine Stundungsvereinbarung -, sind nicht ersichtlich. Das spätere Schreiben der Beklagten aus dem Jahr 2008 ist ein zusätzliches Indiz für den übereinstimmenden Stundungswillen der Parteien im Jahr 2001. Die gesetzliche Regelung in § 2331 a BGB macht zudem deutlich, dass eine Stundungsvereinbarung bei einem Pflichtteilsanspruch naheliegt, wenn - wie vorliegend - eine Befriedigung des Pflichtteilsanspruchs für die Erbin voraussichtlich nur durch Veräußerung des wichtigsten Vermögensgegenstandes, der von ihr genutzten Eigentumswohnung, möglich wäre.
c) Verjährung ist nicht eingetreten, weil die Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der erneuten Hemmung durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Ziffer 1 BGB am 02.07.2014 nicht abgelaufen war.
aa) Geht man von einer unbefristeten Stundung aus (siehe oben b, bb, aaa), dann endete die Stundung in dem Zeitpunkt, in welchem die Klägerin erstmals den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hatte. Das war die Klageerhebung; denn zu einem früheren Zeitpunkt hat die Klägerin von einer Bestimmung der Leistungszeit gem äß § 315 Abs. 1 BGB nicht Gebrauch gemacht. Zur Forderung des Pflichtteils war die Klägerin mit der Klageerhebung berechtigt. Denn aus dem vorgerichtlichen Schreiben der Gegenseite vom 14.05.2014 ergab sich, dass sich die Grundlage für die Stundung, nämlich die Erwartung der Klägerin als Erbin der Beklagten eingesetzt zu werden, zerschlagen hatte. An das Ende der Verjährungshemmung wegen der Stundung schloss sich - wenn man von einer unbefristeten Stundung ausgeht - mithin die Hemmung durch Klageerhebung unmittelbar an.
bb) Die Verjährungsfrist ist auch dann nicht abgelaufen, wenn man die Vereinbarung als eine befristete Stundung (siehe oben b, bb, bbb) versteht. In diesem Fall wäre die verjährungshemmende Stundung mit dem Schreiben der Gegenseite vom 14.05.2014 entfallen, weil sich mit diesem Schreiben für die Klägerin die für die Stundung maßgebliche Aussicht auf eine Erbeinsetzung zerschlagen hatte. Ein früherer Zeitpunkt, zu welchem die Klägerin eine Enttäuschung ihrer Erwartung hätte annehmen müssen, ist aus dem Vorbringen der Beklagten nicht ersichtlich. Die ab dem Schreiben vom 14.05.2014 weiterlaufende Verjährungsfrist war bei Klagezustellung am 02.07.2014 nicht abgelaufen (vgl. zur Verjährungsfrist § 2332 Abs. 1 BGB a.F., §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 23 EGBGB).
4. Nicht nur der - noch unbezifferte - Pflichtteilsanspruch der Klägerin, sondern auch der in der ersten Stufe der Stufenklage geltend gemachte Auskunftsanspruch ist nicht verjährt. Die Verjährung des Auskunftsanspruchs ist selbstständig zu prüfen.
a) Bis zum 30.12.2009 galt für den Auskunftsanspruch die 30-jährige Verjährungsfrist gemäß § 197 Abs. 1 Ziffer 2 BGB a.F. Mit der Neuregelung des Erb- und Verjährungsrechts zum 01.01.2010 wurde die Verjährung für erbrechtliche Auskunftsansprüche auf drei Jahre verkürzt, wobei die Verjährung für alte Erbfälle am 01.01.2010 zu laufen begann (§ 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 23 Abs. 2 Satz 1 EGBGB). Der Auskunftsanspruch der Klägerin wäre mithin - unabhängig vom Pflichtteilsanspruch - am 31.12.2012 verjährt, wenn keine Hemmung erfolgt wäre.
b) Auch die Verjährung des Auskunftsanspruchs war durch die Stundungsvereinbarung der Parteien im Jahr 2001 gemäß § 205 BGB gehemmt. Denn die Stundungsvereinbarung ist im Wege ergänzender Vertragsauslegung dahingehend zu verstehen, dass nicht nur die Erfüllung des Zahlungsanspruchs, sondern auch die Erfüllung des vorbereitenden Auskunftsanspruchs gestundet werden sollte.
Aus dem Sachvortrag der Parteien ergibt sich keine ausdrückliche Absprache im Jahr 2001, ob und wann die Beklagte Auskunft über den Nachlass und unentgeltliche Zuwendungen der Erblasserin erteilen sollte. Die Absprache der Parteien im Jahr 2001 enthält insoweit eine Regelungslücke. Es ist davon auszugehen, dass die Parteien nicht daran gedacht haben, dass mit einem Pflichtteilsanspruch auch Auskunftsansprüche zusammenhängen. Wenn die Parteien damals an die Frage einer möglichen Auskunft über den Bestand des Nachlasses gedacht hätten, dann hätten sie nach Auffassung des Senats für diese Auskunftspflicht in gleicher Weise eine Stundung vereinbart, wie für die Zahlungspflicht der Beklagten. Denn die Auskunft war nur sinnvoll und erforderlich im Zusammenhang mit einer möglichen Zahlung des Pflichtteils. Aus diesen Umständen ergibt sich, dass auch eine Erfüllung der Auskunftspflicht gestundet war. Mithin war auch die selbständig für den Auskunftsanspruch laufende Verjährung in gleicher Weise gehemmt wie für den Zahlungsanspruch (dazu siehe oben).
5. Da die Verjährung von Pflichtteils- und Auskunftsanspruch wegen einer Stundungsabrede gehemmt war, spielt der Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Zusammenhang mit der Verjährungsfrage keine Rolle. Es kommt daher nicht darauf an, unter welchen Umständen sich ein Gläubiger, der seine Ansprüche auf Grund bestimmter Erwartungen längere Zeit nicht geltend macht, auch dann auf Treu und Glauben berufen kann, wenn keine Täuschungshandlung des Schuldners vorliegt.
6. Die im Jahr 2001 vereinbarte Stundung berechtigt die Beklagte nicht zur Leistungsverweigerung. Denn die Stundung ist beendet entweder durch die Geltendmachung der Forderung durch die Klage oder - kurze Zeit vorher - bereits durch das vorgerichtliche Schreiben des Beklagtenvertreters vom 14.05.2014 (zum Ende der Stundung siehe oben 3. c).
7. Zur Verhandlung und Entscheidung über die zweite und dritte Stufe der Stufenklage hat der Senat von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 538 Abs. 2 Ziffer 4 ZPO analog Gebrauch gemacht (vgl. zur Zurückverweisung im Berufungsverfahren bei einer Stufenklage Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 30. Auflage 2014, § 538 ZPO, RdNr. 48). Die Klägerin hat im Senatstermin einen Antrag auf Zurückverweisung gestellt.
8. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht im Schlussurteil vorbehalten.
9. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
10. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.