27.02.2017 · IWW-Abrufnummer 192129
Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 31.08.2016 – I-3 Wx 192/15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 3. Aug. 2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Nachlassgericht – Ratingen vom 23. Juni 2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert des Streitgegenstandes: 29.000 €
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G r ü n d e
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I.
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Die Beteiligten zu 1 – 3 sind die Kinder des Erblassers, die Beteiligten zu 4 und 5 sind die Kinder des Beteilgiten zu 3, also die Enkel des Erblassers.
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Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten am 7. Mai 1991 einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und zu Erben des Längstlebenden ihre gemeinschaftlichen Kinder – ersatzweise deren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Teilen – zu je 1/3 Anteil berufen.
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Mit Notarvertrag vom 13. Okt. 1995 schenkten die Eheleute dem Beteiligten zu 3 eine Teilfläche von ca. 266 qm aus dem ihnen gehörenden Grundbesitz in Düsseldorf, auf der der Beteiligte zu 3 auf eigene Kosten ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung errichtet hatte. Im Gegenzug erklärte der Beteiligte zu 3 sich für vollständig abgefunden an den künftigen Nachlässen seiner Eltern und verzichtete auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht und auf die Zuwendungen, die ihm im Erbvertrag vom 7. Mai 1991 ausgesetzt worden waren. Weiter heißt es in dem Schenkungsvertrag:
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„Der amtierende Notar hat darauf hingewiesen, dass dieser Zuwendungsverzicht nicht gilt für die Abkömmlinge von ... (dem Beteiligten zu 3), die im Erbvertrag für ihn als Ersatzerben berufen wurden. Der amtierende Notar empfiehlt deshalb den ... (Eltern des Beteiligten zu 3), den Erbvertrag in der Weise zu ändern, dass ...(der Beteiligte zu 3) nicht mehr zum Miterben nach dem Ableben des Längstlebenden ... berufen ist.“
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Dies haben die Eltern der Beteiligten zu 1 – 3 nicht getan.
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Die Beteiligte zu 1 hat am 4. Aug. 2014 einen Erbschein für sich und die Beteiligte zu 2 als Miterben zu je ½ beantragt.
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Sie hat gemeint, der Zuwendungsverzicht des Beteiligten zu 3 erstrecke sich auch auf dessen Kinder, die Beteiligten zu 4 und 5, nachdem durch die Erbrechtsreform zum 1. Jan. 2010 § 2349 BGB (Erstreckung auf Abkömmlinge) in die Verweisungskette des § 2352 Satz 3 BGB (Verzicht auf Zuwendungen) aufgenommen worden sei. Seit dem könne der Zuwendungsverzicht auf ersatzberufene Abkömmlinge erstreckt werden; ob dies geschehen sei, sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung festzustellen. Jedenfalls wenn der Verzichtende eine vollwertige Abfindung erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die Abfindung ihm als „Repräsentant seines Stammes“ gewährt worden sei, so dass auch er mit der Erstreckung auf seine Abkömmlinge einverstanden gewesen wäre, hätte es diese Möglichkeit bei Vertragsschluss bereits gegeben. Hier seien auch die Beteiligten zu 4 und 5 aus der Erbfolge ausgeschieden, weil der Beteiligte zu 3 sich „für vollständig abgefundena“ erklärt habe.
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Die Beteiligten zu 4 und 5 sind dem entgegen getreten. Die Eltern seien vom Notar belehrt worden, dass der Verzicht sich nicht auf die Abkömmlinge erstrecke. Dennoch hätten sie von der empfohlenen Änderung des Erbvertrages keinen Gebrauch gemacht, eben weil sie gewollt hätten, dass ihre Enkel, die Beteiligten zu 4 und 5 nach dem zuletzt Versterbenden Miterben werden sollten.
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Das Nachlassgericht hat nach Beweisaufnahme über den Willen der Eltern den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Erblasser und seine Ehefrau eine Beteiligung ihrer Enkelkinder, der Beteiligten zu 4 und 5, an ihrem Erbe zu gleichen Teilen wie ihre Töchter, die Beteiligten zu 1 und 2, gewollt hätten. Dies werde bestätigt dadurch, dass der Erblasser und seine Ehefrau trotz des notariellen Hinweises zu dem vereinbarten Zuwendungsverzicht ihren Erbvertrag nicht geändert hätten.
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Die Beschwerde beanstandet, dass der Beteiligte zu 3 nicht als Zeuge hätte gehört werden dürfen. Die beiden anderen Zeuginnen seien von ihm massiv beeinflusst worden. Bei einem Zuwendungsverzicht entfalle die Ersatzerbfolge, wenn der Verzichtende – wie hier - vollständig abgefunden worden sei.
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Die Beteiligten zu 4 und 5 sind dem entgegen getreten.
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Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
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II.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist statthaft und auch im übrigen zulässig, §§ 58, 59 FamFG.
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Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Gemäß Art. 229 § 36 EGBGB sind auf Verfahren zur Erteilung von Erbscheinen nach einem Erblasser, der vor dem 17. August 2015 verstorben ist, das Bürgerliche Gesetzbuch und das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung weiterhin anzuwenden. Hiernach finden auf den vorliegenden Fall die Vorschriften des „alten“ Rechts Anwendung, da der Erblasser bereits im Jahre 2010 verstorben ist.
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Etwaige Verfahrensfehler des Nachlassgerichts verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Selbst wenn die mit der Rechtsmittelbegründung gerügte Beeinträchtigung des rechtlichen Gehörs vorgelegen haben sollte, ist dieser Fehler jedenfalls dadurch geheilt worden, dass sich die Beteiligte zu 1 im Beschwerdeverfahren in vollem Umfang hat äußern können und das Beschwerdegericht dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen hat. Auf die Frage, ob der Beteiligte zu 3 als Zeuge hätte vernommen werden dürfen, kommt es nicht an.
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Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zu Recht zurückgewiesen. Denn sie und die Beteiligte zu 2 sind nicht zu je ½ Erben des Erblassers geworden.
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Im Ergebnis zu Recht hat das Nachlassgericht entschieden, dass die Beteiligten zu 1 und 2 nach dem Erbvertrag vom 7. Mai 1991 nicht zu je ½ als Erben eingesetzt worden sind.
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Aufgrund des Erbvertrages sind– zunächst – die Beteiligten zu 1 – 3 zu gleichen Teilen zu Erben berufen worden. Richtig ist, dass der Beteiligte zu 3 infolge seines Zuwendungsverzichts im notariellen Vertrag vom 13. Okt. 1995 als Erbe ausscheidet. Die Wirkung des Zuwendungsverzichtes erstreckt sich jedoch nicht – wie das Nachlassgericht mit Recht ausgeführt hat – auf die Beteiligten zu 4 und 5.
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Zwar erstreckt sich in Erbfällen nach dem 1. Jan. 2010 die Wirkung eines Zuwendungsverzichts grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, §§ 2352 S. 3, 2349 BGB, und zwar auch dann, wenn der Zuwendungsverzicht vor dem 1. Jan. 2010 vereinbart worden ist (vgl. Staudinger/Schotten, BGB, Neubearbeitung 2016, § 2352, Rdnr. 45). Dies gilt allerdings nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, § 2349 2. Halbsatz BGB. Fehlt im Vertrag über den Zuwendungsverzicht jeglicher Hinweis darauf, dass sich die Wirkung des Verzichts nicht auf die Abkömmlinge erstrecken soll, bleibt regelmäßig für eine anderweitige Auslegung kein Raum (ders., a.a.O., Rdnr. 46).
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Etwas anderes muss allerdings für die Fälle gelten, in denen sich – wie hier – aus dem Inhalt der Urkunde ergibt, dass die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss - zB aufgrund einer entsprechenden notariellen Belehrung, die in der Urkunde ihren Niederschlag gefunden hat - davon ausgegangen sind, dass sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstrecke. In solchen Fällen wird eine auf den Inhalt der Urkunde gestützte Auslegung des Willens der Beteiligten in der Regel dazu führen, dass die Vertragsparteien diese Rechtsfolge – möglicherweise auch notgedrungen – in ihren Willen aufgenommen haben – anderenfalls hätten sie den Zuwendungsverzicht nicht vereinbaren dürfen – und dadurch die Erstreckung der Wirkung des Zuwendungsverzichts auf die Abkömmlinge des Verzichtenden ausgeschlossen wurde (ders., a.a.O., m.w.N.; Litzenburger in Beck’scher online-Kommentar BGB, Stand 01.05.2016, § 2352, 22 m.N.; OLG Schleswig, NJW-RR 2014, 1356; Keim, Anm. zu OLG Schleswig, ZEV 2014, 428 ff.).
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Selbst wenn man den hypothetischen Willen der Beteiligten für maßgebend hält und trotz entsprechender Belehrung in der Urkunde im Wege ergänzender Vertragsauslegung immer prüfen will, was die Beteiligten vereinbart hätten, wenn die Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge möglich gewesen wäre (so Litzenburger FD-EbR 2014, 359919), ergibt sich hier nichts anderes.
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Denn ein solcher (Erstreckungs-)Wille lässt sich hier eben sowenig feststellen wie der Wille, dass die Beteiligten zu 4 und 5 trotz des unmissverständlichen Hinweises des Notars, der Zuwendungsverzicht gelte für sie gerade nicht, dennoch von der Erbfolge ebenso ausgeschlossen sein sollten wie ihr Vater aufgrund seines Verzichtes. Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Beteiligte sich selbst in dem notariellen Schenkungsvertrag für vollständig abgefunden erklärt hat. Dies mag er vielleicht subjektiv so erklärt haben, nach Aktenlage spricht allerdings objektiv nichts dafür. Im übrigen folgt – trotz dieser subjektiven Erklärung über eine vollständige Abfindung – aus dem notariellen Hinweis eindeutig, dass der Verzicht sich auf die Beteiligten zu 4 und 5 eben nicht erstrecken sollte.
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Da die Auslegung in jedem Fall vom Inhalt der Urkunde abhängt, spielt die – von der Beteiligten zu 1 beanstandete – Beweisaufnahme keine entscheidungstragende Rolle.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
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Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 40 Abs. 1 GNotKG (maßgebend ist das wirtschaftliche Interesse, Senat FGPrax 2016, 131).