Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.07.2019 · IWW-Abrufnummer 210071

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 22.05.2019 – 7 K 802/18 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.
     
    1

    Tatbestand
    2

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ihren – zuvor verkleinerten – (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb auf eine ihrer Töchter übertragen oder diesen durch die zeitgleiche Übertragung sämtlichen Grundbesitzes zerschlagen hat.
    3

    Die Klägerin war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die sie als Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 2007 verstorbenen Ehemannes geerbt hatte und im Rahmen eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs verpachtete. Sie betrieb keine aktive Land- und Forstwirtschaft. Mit notariellem Vertrag übertrug sie sämtliche zu ihrem Betrieb gehörenden Grundstücke auf ihre Töchter T1 und T2:
    4

    Die Entscheidung enthält an dieser Stelle ein Bild oder eine Grafik.
    5

    Laut der notariellen Urkunde erfolgten die Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Übernehmerinnen. Der Besitzübergang wurde auf den Tag des Vertragsabschlusses bestimmt. Die Tochter T2 erklärte sich im Hinblick auf den ihr übertragenen Grundbesitz für abgefunden und verzichtete für sich und ihre Abkömmlinge auf alle Ausgleichs-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Übertragungsvertrag vom 25.11.2013 verwiesen.
    6

    Daraufhin gingen bei dem Beklagten entsprechende Veräußerungsanzeigen ein. Er teilte der Klägerin mit, dass ihr Betrieb nicht als Einheit vollständig auf eine der Töchter übertragen worden sei. Folglich liege keine Übertragung eines Betriebs zu Buchwerten, sondern eine Betriebszerschlagung vor. Soweit die Verkehrswerte der übertragenen Flächen die Buchwerte übersteigen würden, seien sie als Privatentnahme zu versteuern. Demzufolge berücksichtigte der Beklagte in dem streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid einen Entnahmegewinn i. H. v. rd. 274.000 € (Einkünfte aus Land- und Fortwirtschaft aus Veräußerungsgewinnen).
    7

    Hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt. Zur Begründung führte sie zunächst an, dass sie ihren Töchtern jeweils einen landwirtschaftlichen Teilbetrieb gemäß § 6 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übertragen habe. Jede der Töchter habe mehr als 3.000 m2 erhalten.
    8

    Während des Einspruchsverfahrens wurde das BFH-Urteil vom 16.11.2017 VI R 63/15, BFHE 260, 138 veröffentlicht. Hierin führt der BFH aus, dass landwirtschaftliche Nutzflächen von mehr als 3.000 m2 nicht allein im Hinblick auf ihre Größe landwirtschaftliche Teilbetriebe darstellen.
    9

    Hierauf änderte die Klägerin ihre Einspruchsbegründung dahingehend, dass ihre Tochter T1 ihren landwirtschaftlichen Betrieb erhalten habe. Zur Abfindung ihrer Tochter T2 als weichende Erbin habe sie ein Grundstück aus dem Betrieb entnommen und ihr dies im Anschluss übertragen. Im Ergebnis liege nach wie vor keine Betriebsaufgabe vor. Lediglich das auf die Tochter T2 übertragene Grundstück sei steuerpflichtig entnommen worden (Teilwert zum Stichtag: 77.663 € ./. Buchwert: 28.281 € = 49.832 €).
    10

    Der Beklagte hielt an seiner Auffassung fest und wies den Einspruch als unbegründet zurück.
    11

    Hiergegen hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie ergänzend vor, wie es zur Erstellung der notariellen Urkunde kam und dass hierdurch ein verkleinerter Betrieb auf die Tochter T1  übertragen werden sollte. Es sei ihr wichtig gewesen, dass der landwirtschaftliche Betrieb in der Familie gehalten werde und eine Übertragung dieses Betriebs nicht zu Streit nach ihrem Tod und zwischen ihren Töchtern führe. Ihre Töchter seien sich einig gewesen, dass die Tochter T1  ihre Versorgung im Alter übernehme und hierfür den landwirtschaftlichen Betrieb bekommen solle. Obwohl die Tochter T2  auf ihren Anteil am Erbe verzichten wollte, habe sie (Klägerin) darauf bestanden, dass sie auch etwas bekomme. Sollten diese zur Übertragung führenden Umstände und Absichten nicht in den Formulierungen der notariellen Urkunde zu erkennen sein, sei dies jedenfalls für die Klägerin und die beteiligten Familienmitglieder nicht erkennbar gewesen. Im Ergebnis sei der angefochtene Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass lediglich eine steuerpflichtige Entnahme hinsichtlich des auf ihre Tochter T2 übertragenen Grundstücks zu erfassen sei. Den lediglich flächenmäßig verkleinerten ruhenden landwirtschaftlichen Betrieb, der entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zerschlagen worden sei, habe ihre Tochter T1 erhalten.
    12

    Die Klägerin beantragt,
    13

    den Bescheid für 2013 über Einkommensteuer vom 04.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2018 nach Maßgabe der Klagebegründung zu ändern.
    14

    Der Beklagte beantragt,
    15

                  die Klage abzuweisen.
    16

    Zur Begründung trägt er vor, dass die persönlichen Beweggründe der Klägerin glaubhaft und nachvollziehbar, aber nicht entscheidungsrelevant seien. Entscheidend sei, dass die Klägerin ihren landwirtschaftlichen Betrieb mit allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang zeitgleich auf ihre beiden Töchter aufgeteilt habe.
    17

    In der Sache hat am 29.10.2018 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter und am 22.05.2019 eine mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die beiden Protokolle Bezug genommen.
    18

    Entscheidungsgründe
    19

    Die Klage ist unbegründet.
    20

    Der Bescheid für 2013 über Einkommensteuer vom 04.12.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.02.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
    21

    Eine Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger entschließt, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen, und wenn er in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußert oder in das Privatvermögen überführt. Diese Definition gilt nach § 14 Satz 2 EStG auch für die Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs.
    22

    Ein landwirtschaftlicher (Eigentums-)Betrieb wird mit der Übertragung sämtlicher landwirtschaftlicher Nutzflächen an Dritte aufgegeben. Denn der Grund und Boden ist für dessen Betriebsfortführung unerlässlich. Die bloße Verkleinerung eines Eigentumsbetriebs führt demgegenüber nicht zur Betriebsaufgabe. Das gilt auch dann, wenn die verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen eine ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr ermöglichen (BFH-Urteile vom 17.05.2018 VI R 66/15, BFHE 262, 33 und 16.11.2017 VI R 63/15, BFHE 260, 138).
    23

    Eine Betriebsaufgabe liegt insbesondere dann vor, wenn im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden. Von einer solchen Betriebszerschlagung ist die Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs abzugrenzen, die nach § 6 Abs. 3 EStG unter Fortführung der Buchwerte stattfindet. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens, etwa in Gestalt von Entnahmen oder Veräußerungen, stehen der Buchwertfortführung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben (BFH-Urteil vom 14.07.2016 IV R 19/13, BFH/NV 2016, 1702).
    24

    Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall eine – in vollem Umfang steuerpflichtige – Betriebsaufgabe (Betriebszerschlagung) und keine Übertragung eines durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs vor.
    25

        26

        1.                Unmittelbar vor dem wirtschaftlichen Übergang des landwirtschaftlichen Grundbesitzes von der Klägerin auf ihre Töchter unterhielt die Klägerin einen landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betrieb. Dieser umfasste ausschließlich den in dem notariellen Übertragungsvertrag aufgeführten Grundbesitz. Demzufolge übertrug die Klägerin die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Sachgesamtheit zeitgleich auf mehrere Personen, ihre beiden Töchter. Diese Übertragung auf ihre – unstreitig nicht mitunternehmerschaftlich verbundenen – Töchter erfolgte im Wege der vorweggenommenen Erbfolge, in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Töchter.

    27

        28

        2.                Die möglicherweise von der Klägerin beabsichtigte Verkleinerung ihres landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betriebs durch eine Entnahme eines Grundstücks zur Abfindung einer weichenden Erbin – ihrer Tochter T2 – und Übertragung dieses verkleinerten Betriebs auf ihre Tochter T1 findet in der notariellen Urkunde keinen Anklang.

    29

    Der Übertragungsvertrag beginnt mit einer Darstellung des Grundbesitzes der Klägerin, den sie auf ihre Tochter T1 überträgt. Hieraus kann der Senat nicht ohne weiteres ableiten, dass die Klägerin sich bei Abschluss des Übertragungsvertrags als Eigentümerin eines Hofes versteht und den hofzugehörigen Grundbesitz – als betriebliche Sachgesamtheit – auf ihre Tochter T1 übertragen möchte.
    30

    Nachfolgend wird in dem Übertragungsvertrag der Grundbesitz der Klägerin dargestellt, den sie auf ihre Tochter T2 überträgt. Zwar wird an dieser Stelle vermerkt, dass die Übertragung im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche erfolgt. Jedoch kann der Senat diesen Ausführungen nicht ohne weiteres entnehmen, dass diese Übertragung zum Zwecke der Abfindung einer weichenden Erbin im Hinblick auf die Übertragung eines sodann verkleinerten landwirtschaftlichen Betriebs erfolgt. Dass sich die Tochter T2 in Hinblick auf den ihr übertragenen Grundbesitz für abgefunden erklärte und für sich und ihre Abkömmlinge auf alle Ausgleichs-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche verzichtete, führt zu keiner anderen Bewertung. Nach dem Verständnis des Senats dient dieser Passus ausschließlich der Vermeidung einer erbrechtlichen Auseinandersetzung zwischen den Töchtern. Hieraus ergibt sich jedoch jedenfalls nicht, dass die Klägerin ihrer Tochter T1 einen (verkleinerten) landwirtschaftlichen Betrieb übergeben wollte.
    31

        32

        3.                Weiter spricht gegen eine Übertragung einer betrieblichen Sachgesamtheit i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG, dass die Klägerin jedenfalls infolge der Übertragung von rd. 28 % - 11.524 m2 bzw. 1,15 ha – des landwirtschaftlichen Grundbesitzes auf ihre Tochter T2 nicht (mehr) die wesentlichen Betriebsgrundlagen ihres landwirtschaftlichen Betriebs auf ihre Tochter T1 übertragen hat.

    33

    Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger bei einer Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs Einzelwirtschaftsgüter zurückbehalten. Diese Zurückbehaltung von Einzelwirtschaftsgütern steht einer Betriebsübertragung nicht entgegen, soweit es sich bei diesen zurückbehaltenen (Einzel-)Wirtschaftsgütern nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Behält ein Steuerpflichtiger hingegen wesentliche Betriebsgrundlagen zurück, so liegt keine Betriebsübertragung im Ganzen i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG, sondern eine Betriebsaufgabe vor (Schmidt/Kulosa EStG § 14 Rz. 24 m. w. N.).
    34

    Behält ein Steuerpflichtiger bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs Grundbesitz zurück, ist dies für eine Betriebsübertragung im Ganzen i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG schädlich, wenn es sich bei diesem Grundbesitz um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH stellen geringfügige Teilflächen (bis zu 10 %) keine wesentlichen Betriebsgrundlagen dar (BFH-Urteil vom 24.02.2005 IV R 28/00, BFH/NV 2005, 1062; Schmidt/Kulosa EStG § 14 Rz. 3).
    35

    In dem vorliegenden Fall hat die Klägerin von ihrem gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz rd. 72 % auf ihre Tochter T1 und rd. 28 % auf ihre Tochter T2 übertragen. Der Anteil des auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitzes beträgt gemessen an dem auf die Tochter T1 übertragenen Grundbesitz sogar rd. 39 %. Auch nach der absoluten Größe handelt es sich bei dem auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitz nicht um eine geringfügige Teilfläche. Die auf sie übertragene Fläche beträgt 11.524 m2 bzw. 1,15 ha. Anhaltspunkte für eine geringfügige Bonität (Güte, Wert) dieses Grundbesitzes sind nicht ersichtlich.
    36

    Im Ergebnis geht der Senat mithin davon aus, dass die Klägerin durch die Übertragung der Grundstücke auf ihre beiden Töchter den (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb zerschlagen hat.
    37

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.
    38

    Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die einzelnen Kriterien zur Abgrenzung einer Betriebszerschlagung einerseits und einer Übertragung eines (zuvor) lediglich verkleinerten Betriebs andererseits sind noch nicht hinreichend durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt.