05.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233078
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 14.11.2022 – NotSt(Brfg) 1/22
Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 14. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterinnen Dr. Roloff und Dr. Böttcher, die Notarin Dr. Brose-Preuß und den Notar Dr. Hahn
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Celle vom 5. April 2022 - Not 6/21 - zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Präsidentin des Oberlandesgerichts, durch die wegen Verstoßes gegen seine Amtspflichten aus § 14 Abs. 1 und Abs. 3 BNotO (unzulässige Aufspaltung von Angebot und Annahme in zwei Fällen), § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO (Vermeidung des Anscheins der Abhängigkeit und Parteilichkeit) und § 18 Abs. 1 BNotO (Verschwiegenheitspflicht) eine Geldbuße in Höhe von 5.000 € verhängt worden ist. Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung hat es nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Zulassung des Rechtsmittels.
II.
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Ein Grund zur Zulassung der Berufung ( § 124a Abs. 5 Satz 2 , § 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 64 Abs. 2 BDG und § 105 BNotO ) ist nicht gegeben
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1. Es bestehen nach den dafür geltenden Maßgaben (dazu zuletzt Senat, Beschluss vom 11. Juli 2022 - NotZ(Brfg) 3/22,WM 2022, 2097, Rn. 12 mwN) keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung ( § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ).
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a) Zu Recht hat das Oberlandesgericht angenommen, dass der Kläger durch die Beurkundung des Testaments des A. (nachfolgend: Erblasser) den Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit gesetzt hat. Soweit der Kläger eine unzureichende Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts rügt, greift das nicht durch.
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aa) Der Kläger meint, das Oberlandesgericht zitiere unrichtig und verfälschend aus dem Protokoll der Beweisaufnahme vor dem Amtsgericht - Nachlassgericht - vom 1. März 2018. Es lasse unberücksichtigt, dass der Kläger schriftsätzlich Berichtigung dieses Protokolls beantragt und zudem erneut vor dem Amtsgericht ausgesagt habe.
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bb) Eine erhebliche Tatsachenfeststellung stellt der Kläger mit seinem Vorbringen aber nicht in Frage. Auch seinen Vortrag in der Zulassungsbegründung zugrunde gelegt, hatte der nach einem Schlaganfall an Sprachschwierigkeiten leidende Erblasser, dessen Lebensgefährtin am 31. März 2017 durch einen von ihm verschuldeten Unfall zu Tode gekommen war, sich vom Kläger bei einem Gespräch über die Person des einzusetzenden Erben am 3. April 2017 verschiedene Organisationen und Stiftungen - darunter auch den als Erben eingesetzten Verein - namentlich benennen lassen, wobei die Person des Erben bei Beginn der Beurkundung am 6. April 2017 noch nicht feststand und handschriftlich eingefügt wurde. Mitglieder des am 4. Dezember 2015 von 10 Personen gegründeten Vereins waren der Kläger, seine Ehefrau und deren Söhne, wobei diese 1. Vorsitzender und Schatzmeister des Vereins waren. Die Ehefrau des Klägers war bis drei Wochen vor der Beurkundung als Schriftführerin tätig. Sitz des Vereins war die Privatanschrift des Klägers und Mitgliederversammlungen wurden mehrfach in der Kanzlei des Klägers abgehalten. Die Wertung des Oberlandesgerichts, zwischen dem Verein und dem Kläger und seiner Familie habe eine ganz besondere Nähe bestanden, und der Kläger habe sich mit dem Verein in großem Maße identifiziert sowie an der Entscheidungsfindung des Erblassers aktiv mitgewirkt, ist auf der Grundlage des vom Kläger selbst vorgetragenen Sachverhalts auch nach Ansicht des Senats zutreffend. Die Annahme, dass aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters (dazu BGH, Beschluss vom 22. März 2021 - NotSt(Brfg) 4/20,WM 2021, 1255Rn. 6 mwN) der böse Schein der Abhängigkeit und Parteilichkeit entstanden ist, ist daher nicht zu beanstanden.
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b) Der Rüge des Klägers, das Oberlandesgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt in Bezug auf die Verschwiegenheitspflicht unzutreffend festgestellt, ist kein Erfolg beschieden. Der Kläger meint, das Oberlandesgericht gehe unrichtig davon aus, Hintergrund für den vom Kläger erteilten Auftrag an den Schriftsachverständigen vom 19. Dezember 2017 sei die in dem Nachlassverfahren erhobene Behauptung gewesen, dass die Unterschrift unter dem Testament nicht von dem Erblasser stammen könne. Richtig sei, dass der Kläger den Auftrag erteilt habe, um sich gegen die Presseveröffentlichungen vom 16. und 18. Dezember 2017 zur Wehr zu setzen. Eine erhebliche Tatsachenfeststellung stellt der Kläger mit diesem Vorbringen nicht in Frage. Das Oberlandesgericht setzt sich mit dem Vortrag des Klägers, er habe sich veranlasst gesehen, wegen der Presseveröffentlichungen seine Rechtsverteidigung vorzubereiten, ausdrücklich auseinander. Es nimmt an, dass eine Wahrnehmung berechtigter Interessen ( § 193 StGB ) nicht in Betracht komme, weil eine Notwendigkeit zur Offenbarung der von dem Kläger dem Schriftsachverständigen preisgegebenen Information nicht bestanden habe. Dem tritt der Kläger nicht entgegen.
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c) Aus den genannten Gründen ist eine Zulassung auch nicht wegen eines vom Kläger geltend gemachten Verfahrensfehlers ( § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ) geboten.
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2. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache ( § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) ist nach den dafür geltenden Maßgaben (Senat, Beschluss vom 20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 3/20,WM 2021, 1245Rn. 17 mwN) nicht gegeben.
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a) Der Kläger macht geltend, besonders schwierig sei die Frage, ob ein Verstoß gegen § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO bejaht werden könne, auch wenn kein Mitwirkungsverbot gemäß § 3 BeurkG , kein Ausschließungsgrund gemäß §§ 6 , 7 BeurkG und zudem auch kein in den Richtlinien der zuständigen Notarkammer geregelter Fall vorgelegen habe. Diese Frage stellt sich so indes nicht.
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aa) Wie der Senat bereits entschieden hat (Senat, Beschluss vom 13. November 2017 - NotSt(Brfg) 3/17, BGHZ 216, 368 Rn. 25 f. mwN), können sich erhebliche Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars auch aus anderen, nicht durch besondere Tätigkeitsbeschränkungen erfassten Gründen ergeben. Aus dem Vorhandensein spezifischer, jeweils der Sicherung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit notarieller Tätigkeit dienender gesetzlicher Regelungen in Gestalt von Tätigkeitsbeschränkungen kann daher nicht rückgeschlossen werden, von solchen ausdrücklichen Beschränkungen nicht erfasste Verhaltensweisen bei der Ausübung der notariellen Amtstätigkeit seien mit der allgemeinen Pflicht zu unabhängiger und unparteilicher Amtsführung von vornherein vereinbar. Der Gesetzgeber hat durch das Anscheinsverbot in § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO dem Notar auch außerhalb von spezifischen Tätigkeitsverboten und -beschränkungen auferlegt, jegliches Verhalten zu vermeiden, durch das der Anschein der Abhängigkeit oder der Parteilichkeit entstehen könnte. Bei der Frage, ob aus der maßgeblichen Sicht des objektiven, mit den konkreten Gegebenheiten vertrauten Beobachters ein solcher Anschein entstehen kann, sind allerdings die in die gesetzlichen Tätigkeitsverbote und -beschränkungen eingeflossenen gesetzgeberischen Wertungen über die mit der fraglichen Tätigkeit generell verbundenen Gefahren für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Notars zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. September 2003 - 1 BvR 1717/00, DNotZ 2003, 65, 67 [BVerfG 23.09.2002 - 1 BvR 1717/00] ). Darüber hinaus fließen in die aus dem Anscheinsverbot folgenden Verhaltensanforderungen Konkretisierungen durch die jeweiligen Richtlinien der Notarkammern ein.
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bb) Zutreffend hat das Oberlandesgericht in Anwendung dieser Grundsätze angenommen, dass Nummer II. Satz 1 der Richtlinien der zuständigen Notarkammer, wonach der Notar das Beurkundungsverfahren so zu gestalten hat, dass die vom Gesetz mit dem Beurkundungserfordernis verfolgten Zwecke erreicht werden, insbesondere die Schutz- und Belehrungsfunktion der Beurkundung gewahrt und der Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit vermieden wird, eine solche Konkretisierung enthält. Im Hinblick auf die Vielzahl der Fallgestaltungen, in denen der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit entstehen kann, ist eine darüberhinausgehende Konkretisierung weder möglich noch geboten. § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO in Verbindung mit Nummer II. Satz 1 der Richtlinie lässt sich vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Bestrebens, die Unabhängigkeit des Notaramts so weit wie irgend möglich zu sichern und jeder Beeinflussung der Unparteilichkeit durch wirtschaftliche Interessen entgegenzuwirken (zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit als Fundament des Notarberufs Senat, Beschluss vom 13. November 2017, aaO Rn. 25), mit ausreichender Klarheit entnehmen, welche Verhaltensweisen dem Anscheinsverbot unterfallen. Im vorliegenden Fall bestehen angesichts der festgestellten Umstände - insbesondere der großen Nähe zwischen dem Verein und dem Notar sowie dessen Familie, der geringen Mitgliederzahl des erst 16 Monate vor der Beurkundung gegründeten Vereins, der Aufgabe des die Beurkundung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 6 BeurkG hindernden Amts der Schriftführerin durch die Ehefrau des Notars lediglich drei Wochen vor der Beurkundung wie auch der persönlichen und gesundheitlichen Verfassung des Erblassers nach einem Schlaganfall und dem wenige Tage zuvor von ihm verschuldeten Tod seiner Lebensgefährtin und der Höhe seines Vermögens - keine Zweifel, dass für einen objektiven Beobachter der Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit entstehen musste. Aus diesem Grund stehen auch die gesetzgeberischen Wertungen der §§ 3 , 6 und 7 BeurkG der Annahme eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO nicht entgegen.
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b) Der Kläger macht ferner geltend, der ihm gegenüber erhobene Vorwurf der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht des § 18 Abs. 1 BNotO weise besondere Schwierigkeiten auf. Er habe den Schriftsachverständigen nur zur Rechtsverteidigung gegen die Presseveröffentlichungen beauftragt, wobei lediglich Einzelheiten erkennbar geworden seien, aus denen auf Beteiligte habe geschlossen werden können. Damit zeigt der Kläger indes besondere Schwierigkeiten im obigen Sinn nicht auf. Der Annahme des Oberlandesgerichts, dass eine Notwendigkeit zur Offenbarung der von dem Kläger dem Schriftsachverständigen preisgegebenen Information nicht bestanden habe, tritt der Kläger - wie bereits ausgeführt - nicht entgegen.
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3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung ( § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ). Wie sich aus den obigen Ausführungen zu 2. ergibt, liegen die dafür bestehenden Voraussetzungen (Senat, Beschluss vom 20. Juli 2020 - NotZ(Brfg) 3/20,WM 2021, 1245Rn. 18 mwN) im Hinblick auf die von dem Kläger als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage, ob die unmittelbare Anwendung der Generalklausel des § 14 Abs. 3 Satz 2 BNotO ohne weitere konkretisierende Richtlinien der zuständigen Notarkammer zulässig sei, nicht vor. Aus dem gleichen Grund ist auch die von dem Kläger gerügte Divergenz ( § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ) nicht gegeben.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 BNotO , § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO . Eine Wertfestsetzung ist nicht veranlasst ( § 109 BNotO , § 78 Satz 1 BDG ).
Herrmann
Roloff
Böttcher
Brose-Preuß
Hahn