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  • 21.05.2024 · IWW-Abrufnummer 241605

    Landgericht Bremen: Urteil vom 05.04.2024 – 4 O 189/17

    1. Abrechnung der Testamentsvollstreckervergütung nach der „Neuen Rheinischen Tabelle.

    2. In der Regel besteht kein Entnahmerecht der Vergütung des Testamentsvollstreckers vor Schlussrechnung.


    Landgericht Bremen

    Im Namen des Volkes

    Urteil

    4 O 189/17
     
    Verkündet am 05.04.2024

    In dem Rechtsstreit
    1.    
    2.    
    3.    
            - Kläger -

    Prozessbevollmächtigte zu 1. und 3.:
    Prozessbevollmächtigter zu 2.:

    gegen

    RAin als Testamentsvollstreckerin,
        - Beklagte -

    Prozessbevollmächtigte:

    hat das Landgericht Bremen ‒ 4. Zivilkammer ‒ durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht , die Richterin am Landgericht  und den Richter  auf die mündliche Verhandlung vom 09.02.2024 für Recht erkannt:

    1. Es wird festgestellt, dass der Beklagten für ihre Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass von Herrn X, geb. am ……, verstorben am …….., eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von EUR 281.370,55 (brutto) zusteht.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger EUR 220.000,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.03.2017 sowie weitere EUR 129.886,20 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.06.2020 jeweils auf das Konto bei der Y-Bank mit der IBAN DE………….. zu zahlen.
    3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu 1) und 3) außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 4.045,41 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.03.2017 zu zahlen.
    4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 25 % und die Beklagte zu 75 %.
    6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten um die Festsetzung und Rückforderung von Testamentsvollstreckervergütung.

    Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

    Die Kläger sind die Erben des am …….. verstorbenen Herrn X (nachfolgend „Erblasser“). Die Klägerin zu 2) ist Erbin zu 1/2, die Kläger zu 1) und 3) sind jeweils Erben zu 1/4. Die Klägerin zu 2) war mit dem Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in dritter Ehe verheiratet. Der Erblasser hatte vier Kinder, neben den Klägern zu 1) und 3) noch A und B.

    In seinem Testament bestimmte der Erblasser seinen Sohn A zum Testamentsvollstrecker, welcher das Amt allerdings nur bis zum 24.04.2012 ausübte. Die Beklagte nahm das Amt der Testamentsvollstreckerin dann im Mai 2012 an und übt es bis zum heutigen Tag aus.

    Mit Rechnung vom 29.06.2016 (Anl. B1) machte die Beklagte Gebühren in Höhe von EUR 349.886,20 als Vorschuss geltend. Diesen Betrag entnahm sie bereits zuvor in Höhe von EUR 220.000,00 mit mehreren Abbuchungen von den Konten des Erblassers. Die ausstehenden EUR 129.886,20 entnahm sie im Januar 2017. Sämtliche Entnahmen erfolgten dabei ohne Genehmigung der Kläger.

    Die Testamentsvollstreckung war zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 09.02.2024 in der Sache abgeschlossen und der Nachlass vollständig abgewickelt. Eine Schlussrechnung erteilte die Klägerin bislang noch nicht.

    Der Wert des Nachlasses wurde vom Finanzamt im Erbschaftssteuerbescheid vom 14.01.2020 (Bl. 639 ff. d. A.) mit EUR 4.757.076,00 angesetzt. In diesem ist der Wert für den Betrieb „XYZ“, welcher zwischen den Parteien streitig ist, mit EUR 1.284.836,00 angesetzt Die Kläger behaupten unter Berufung auf ein Privatgutachten des Gutachters T. (Bl. 171 ff. d. A.), dass der „Betrieb XYZ“ lediglich einen Wert von EUR 242.000,00 habe. Die Beklagte behauptet dagegen, der von dem Finanzamt angesetzte Wert sei korrekt. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2024 unstreitig gestellt, dass die Photovoltaikanlage auf dem Dach des „Betriebs XYZ“ einen Wert von EUR 140.000,00 habe. Ferner haben sie unstreitig gestellt, dass bestimmte Fondbeteiligungen in dem Nachlass (CFB Fond … sowie die Schifffonds) einen Wert von EUR 80.000,00 hätten.

    Die Kläger sind der Ansicht, dass der Beklagten auf Grundlage der Empfehlungen des Deutschen Notarvereins für die Vergütung des Testamentsvollstreckers (Fortentwicklung der „Rheinischen Tabelle“) (nachfolgend „DNotV-Tabelle“) nur ein Anspruch auf Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von höchstens EUR 98.202,40 zustehe. Ein Zuschlag nach der DNotV-Tabelle sei allenfalls für komplexe Nachlassverwaltung (2/10) anzusetzen.

    Außerdem sind die Kläger der Ansicht, dass die Testamentsvollstreckervergütung der Beklagten erst mit Beendigung ihres Amtes fällig werde. Sie habe keinen Anspruch auf einen Vorschuss.

    Mit der Klageschrift vom 01.02.2017 haben die Kläger zu 1) und zu 3) zunächst beantragt, ……
    Mit Schriftsatz vom 04.06.2020 ist die Klägerin zu 2) dem Verfahren auf Klägerseite beigetreten.

    Die Kläger beantragen nunmehr,
    1.    festzustellen, dass der Beklagten für ihre Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin über den Nachlass von Herrn X, geb. am ……, verstorben am ……., eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von nur EUR 98.202,40 zusteht;
    2.    die Beklagte zu verurteilen, einen Betrag in Höhe von EUR 220.000,00 an die Erbengemeinschaft nach Herrn X, geb. am ….., verstorben am ……, nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und zwar auf das Nachlasskonto des Erblassers bei der Bank mit der IBAN DE……….;
    3.    die Beklagte zu verurteilen, einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 129.886,20 an die Erbengemeinschaft nach Herrn X, geb. am ….., verstorben am ,,,,, nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen, und zwar auf das Nachlasskonto des Erblassers bei der Bank mit der IBAN DE……….;
    4.    die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger EUR 4.045,41 außergerichtliche Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen auf diese Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.

    Die Beklagte ist der Ansicht, dass ihr auf Grundlage der DNotV-Tabelle ein Anspruch auf eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von EUR 417.066,51 zustehe. Zuschläge nach der DNotV-Tabelle seien für aufwendige Grundtätigkeit (7/10), Auseinandersetzung (5/10), komplexe Nachlassverwaltung (7/10), aufwendige/ schwierige Gestaltungsaufgaben (6/10) und Steuerangelegenheiten (2/10) anzusetzen.

    Sie ist ferner der Ansicht, dass sie zur Entnahme der Vergütung aus dem Nachlass auch ohne Genehmigung der Erben berechtigt gewesen sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage verwiesen.

    Die Klage ist der Beklagten am 14.03.2017 und die Klageerweiterung am 04.06.2020 zugestellt worden.

    Das Gericht hat Beweis erhoben über den Wert des „Betreibs XYZ“ durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Gutachterausschusses. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das das Gutachten vom 17.10.2022, das Ergänzungsgutachten vom 06.07.2023 und die Stellungnahme vom 07.08.2023 und Bezug genommen

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.

    I.
    Die Klage ist zulässig.

    1.
    Die Parteierweiterung auf Klägerseite durch den Beitritt der Klägerin zu 2) ist zulässig. Die Voraussetzungen der Streitgenossenschaft nach §§ 59 f. ZPO liegen vor (vgl. Zöller/Greger, 35. Aufl. 2024, ZPO § 263 Rn. 27). Auch die erforderliche Sachdienlichkeit (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1975, Az.: VII ZR 186/73, BGHZ 65, 264) ist gegeben, da durch den Beitritt der Klägerin zu 2) als Teil der Erbengemeinschaft nach Herrn X neben den Klägern zu 1) und 3) ein weiterer Prozess vermieden wird (vgl. Zöller/Greger, 35. Aufl. 2024, ZPO § 263 Rn. 27, 13).

    2.
    Der Feststellungsantrag zu 1) ist zulässig.

    Die Kammer legt diesen dahingehend aus (§ 133 BGB analog), dass zumindest eine Feststellung desjenigen Betrages begehrt wird, welcher der Beklagten maximal als Testamentsvollstreckervergütung zusteht, sofern die Kammer von der Rechnung der Kläger bei der Bewertung der Vergütung abweichen sollte.

    Klageanträge sind auslegungsfähig (und -bedürftig). Die Auslegungsregeln des materiellen Rechts (insbesondere § 133 BGB) finden grundsätzlich entsprechende Anwendung. Entscheidend ist also der objektive, dem Empfänger vernünftigerweise erkennbare Sinn. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der erklärenden Partei entspricht (BVerfG, Beschluss vom 08.08.2013, Az.: 1 BvR 1314/13, NJW 2014, 291; BGH, Urteil vom 01.08.2013, Az.: VII ZR 268/11, NJW 2014, 155).

    Die Kläger beantragen wörtlich die Feststellung, dass der Beklagten eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von nur EUR 98.202,40 zusteht. Aus der als Auslegungsmittel heranzuziehenden Klagebegründung (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 20. Aufl. 2023, ZPO § 256 Rn. 36) ist klar erkennbar, dass das Interesse der Kläger zum einen auf ihre Vergütungsbemessung, zum anderen zumindest aber auch auf die Feststellung der maximalen Höhe der Testamentsvollstreckervergütung gerichtet ist, um abschließend beurteilen zu können, welchen Betrag die Beklagte rechtmäßig geltend machen könnte.

    Auch das für die Feststellungsklage nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Es besteht vorliegend, weil sich die Beklagte eines Rechts, konkret eines Anspruchs auf eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von inzwischen EUR 417.066,51, gegen-über den Klägern berühmt (vgl. Zöller/ Greger, 35. Aufl. 2024, ZPO § 256 Rn. 12).

    II.

    Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.

    1.
    Auf den Klageantrag zu 1) war festzustellen, dass der Beklagten eine Testamentsvollstreckervergütung in Höhe von EUR 281.370,55 (brutto) zusteht.

    a)
    Nach § 2221 BGB kann der Testamentsvollstrecker für die Führung seines Amts eine angemessene Vergütung verlangen, sofern nicht der Erblasser ein anderes bestimmt hat. Mangels einer Bestimmung des Erblassers ist vorliegend die angemessene Vergütung einschlägig.

    Die Festlegung der Höhe der angemessenen Testamentsvollstreckervergütung obliegt dabei dem Gericht. Dem Testamentsvollstrecker steht kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zu (Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 3; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 5).

    Maßgebend für die Vergütung des Testamentsvollstreckers sind der ihm im Rahmen der Verfügung von Todes wegen nach dem Gesetz obliegende Pflichtenkreis, der Umfang der ihn treffenden Verantwortung und die von ihm geleistete Arbeit, wobei die Schwierigkeit der gelösten Aufgaben, die Dauer der Abwicklung oder der Verwaltung, die Verwertung besonderer Kenntnisse und Erfahrungen und auch die Bewährung einer sich im Erfolg auswirkenden Geschicklichkeit zu berücksichtigen sind (BGH, Urteil vom 28.11.1962, NJW 1963, 487; BGH, Urteil vom 26.06.1967, NJW 1967, 2400; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 8). Daher sind bei der Bemessung der Angemessenheit der Vergütung folgende Aspekte zu berücksichtigen: die Art der Testamentsvollstreckung und der daraus resultierende Pflichtenkreis (Abwicklungsvollstreckung, Verwaltungsvollstreckung, Dauervollstreckung), deren Gegenstand (Art, Strukturierung, Umfang und Wert, etwa bei einer Unternehmensverwaltung), die Dauer und die Besonderheiten bei der Durchführung, wie Umfang und Schwierigkeiten der zu erwartenden Geschäfte, die Zahl der beteiligten Personen und ihr Alter, die Größe der Verantwortung und die Notwendigkeit von Vorkenntnissen, Fachwissen und Erfahrungen sowie auch der erzielte Erfolg (BeckOK BGB/Lange, 69. Ed. 01.02.2024, BGB § 2221 Rn. 6 m.w.N.).

    Die Kammer bestimmt die Höhe der angemessenen Testamentsvollstreckervergütung in Übereinstimmung mit der Rechtsauffassung der Parteien nach den Grundsätzen der DNotV-Tabelle.
    Als Grundlage zur Konkretisierung einer angemessenen Testamentsvollstreckervergütung können dabei die Grundsätze der DNotV-Tabelle herangezogen werden, was sich in der obergerichtlichen Rechtsprechung entsprechend durchgesetzt hat (so auch OLG Schleswig, Urteil vom 25.8.2009, ZEV 2009, 625; OLG Köln, Beschluss vom 19.03.2007; vgl. Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 5; Roth/Maulbetsch, NJW-Spezial 2010, 295; Tomoj, ErbR 2022, 438, 440; Bonefeld, ZEV 2021, 153, 153). Auch der Bundesgerichtshof geht grundsätzlich davon aus, dass solche tabellarischen Empfehlungen eine akzeptable Grundlage für die Bestimmung der Testamentsvollstreckervergütung bilden, wobei diese Richtsätze nicht schematisch ohne Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit der Verhältnisse angewandt und die Besonderheiten des Einzelfalls nicht außer Acht gelassen werden dürfen (noch für die „alte“ Rheinische Tabelle: BGH, Urteil vom 26.06.1967, NJW 1967, 2400; BGH, Beschluss vom 27.10.2004, ZEV 2005, 22).

    Bei der DNotV-Tabelle werden entsprechend ihrer Zielsetzung neben einem fixen Vergütungsgrundbetrag variable Zuschläge für die einzelnen Tätigkeiten vorgesehen, damit die Vergütung der individuellen Arbeit und der Verantwortung des konkreten Falles angepasst werden kann, andererseits aber auch kalkulierbar bleibt. Nach Auffassung der Kammer kann dieses Vorgehen dem Einzelfall besser gerecht werden als die „alte“ Rheinische Tabelle, welche sich ausschließlich am Nachlasswert orientiert. Zudem dient eine somit für die Parteien nachvollziehbare Vorgehensweise der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.1967, NJW 1967, 2400).

    b)
    Der Beklagten steht für ihre Tätigkeit als Testamentsvollstreckerin zunächst ein Vergütungsgrundbetrag in Höhe von EUR 78.815,28 (netto) zu.

    Der Vergütungsgrundbetrag deckt die einfache Testamentsvollstreckung (normale Verhältnisse, glatte Abwicklung) ab, d.h. die Nachlassverwaltung bis zur Abwicklung der erbschaftssteuerlichen Fragen, einschließlich der Freigabe des Nachlasses an die Erben (Abschnitt I. DNotV-Tabelle).

    Die Bemessungsgrundlage für den Vergütungsgrundbetrag ist der am Todestag des Erblassers bestehende Bruttowert des Nachlasses. Verbindlichkeiten sind nur dann vom Bruttowert des Nachlasses abzuziehen, wenn der Testamentsvollstrecker nicht mit den Verbindlichkeiten befasst ist (vgl. auch Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 4). Die Höhe des Vergütungsgrundbetrages entspricht bei einem Nachlasswert von bis zu EUR 5.000.000,00 einem Anteil von 2,0 % von ebendiesem (Abschnitt I. DNotV-Tabelle).

    Die Kammer geht bei der Berechnung des Vergütungsgrundbetrags von einem Bruttowert des Nachlasses am …… (Stichtag) von EUR 3.940.764,00 aus.

    aa)
    Ausgangspunkt für die Bestimmung des Nachlasswertes ist der vom Finanzamt im Erbschaftssteuerbescheid vom 14.01.2020 angesetzte Wert von EUR 4.757.076,00 (inklusive der Immobilie ……).

    bb)
    Von diesem Betrag ist zunächst ein Abzug in Höhe von EUR 567.836,00 für den Betrieb „XYZ“ vorzunehmen. Die Kammer setzt den Wert des „Betriebs XYZ“ nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme mit EUR 717.000,00 statt EUR 1.284.836,00 an. Dieser Wert besteht aus den vom Sachverständigen in seinem Gutachten und Ergänzungsgutachten ermittelten Verkehrswert von insgesamt EUR 577.000,00 sowie einem Aufschlag in Höhe von EUR 140.000,00 für die Photovoltaikanlage entsprechend der Einigung der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2024.

    Die Kammer folgt dabei den Feststellungen des Sachverständigen in seinem Gutachten und Ergänzungsgutachten sowie der Stellungnahme. Bei ihrer Überzeugungsbildung hat die Kammer zu Grunde gelegt, dass es für den Vollbeweis im Sinne von § 286 ZPO keiner absoluten oder unumstößlichen Gewissheit im Sinne des wissenschaftlichen Nachweises, sondern nur eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit bedarf, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 44. Aufl. 2023, ZPO § 286 Rn. 2; Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl. 2024, ZPO § 286 Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Februar 1970, Az.: III ZR 139/67, BGHZ 53, 245; BGH, Urteil vom 14.01.1993, Az.: IX ZR 238/91, NJW 1993, 935; BGH, Urteil vom 16.04.2013, Az.: VI ZR 44/12, NJW 2014, 71). Der Sachverständige hat in seinen schriftlichen Gutachten die Ermittlung des Verkehrswertes in sich geschlossen, plausibel und widerspruchsfrei skizziert. Die Ausführungen des Sachverständigen waren anhand der vorgelegten Anknüpfungstatsachen für die Kammer nachvollziehbar. Der Sachverständige hat alle wertbildenden (insbesondere den objektspezifisch angepassten Bodenwert und den Ertragswert der baulichen Anlagen) sowie wertmindernden (insbesondere den Wasserschaden und die Brandschutzmängel) Faktoren angemessen berücksichtigt. Sämtliche Nachfragen der Parteien konnte der Sachverständige umfassend und für die Kammer stimmig beantworten. Die Kammer hat auch kein Zweifel an der von dem Sachverständigen verwendeten Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts. Der Sachverständige hat auf die Einwendungen der Beklagten nachvollziehbar erläutert, warum er sich für die Pachtwertmethode entschieden hat anstatt der vom Privatgutachter T. verwendeten fiktiven Einnahmen. 

    Auch nach Auffassung der Kammer ist es vorzugswürdig, die Ertragswertberechnung anhand von tatsächlichen Umsätzen in der Vergangenheit zu bestimmen anstatt sich auf theoretisch mögliche, tatsächlich aber nie erzielte, Einnahmen zu stützen. Die von Beklagtenseite als Begründung für die aus ihrer Sicht in der Vergangenheit zu niedrigen Einnahmen her-angezogene Behauptung, dass der „Betrieb XYZ“ in erheblichen Ausmaß mit „Schwarzgeld“ arbeiten würde, ist mangels hinreichend substantiierter Begründung nicht geeignet, Zweifel an dem Ergebnis des Sachverständigen zu sähen. Die Beklagte hat für ihre Behauptung keine konkreten Anhaltspunkte vorgelegt, die ihre Behauptung stützen würde. Allein das „Schwarzgeldkonto“ des Erblassers in Luxemburg genügt der Kammer nicht, vielmehr schließt sie sich der Einschätzung des Sachverständigen an, dass es sich soweit um bloße Spekulation handelt. Die Gründe für „buchmäßig zu gering erzielte Pachteinnahmen“ im Verhältnis zu „theoretisch erzielbaren Pachteinnahmen“ sind im Wirtschaftsleben vielfältig und können neben „Schwarzgeld“ auf einer Vielzahl anderer Ursachen beruhen, z.B. schlechter Führung einer Gaststätte, fehlendem Personal, dem konkreten Publikum, dem Wetter etc. Vor diesem Hintergrund sieht die Kammer auch keine Veranlassung, ein beklagtenseits beantragtes Obergutachten einzuholen. Die Einholung eines neuen Gutachtens (§ 412 ZPO) bzw. eines Obergutachtens setzt voraus, dass das erste Gutachten mangelhaft, d.h. widersprüchlich, unvollständig bzw. nicht überzeugend ist oder das erste Gutachten von falschen tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder der beauftragte Sachverständige nicht über die notwendige Sachkunde verfügt oder sich die Anknüpfungstatsachen durch neuen Sachvortrag ändern oder ein anderer Sachverständiger über überlegene Forschungsmittel und Erfahrung verfügt (vgl. Zöller/Greger, 35. Aufl. 2024, § 412 Rn. 2; Musielak/Voit/Huber, 20. Aufl. 2023, ZPO § 412 Rn. 1; Thomas/Putzo/Seiler, 44. Aufl. 2023, § 412 Rn. 1; BeckOK ZPO/Scheuch, 52. Ed. 01.03.2024, ZPO § 412 Rn. 4; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 412 Rn. 2). Keine dieser Voraussetzungen ist gegeben.

    cc)
    Schließlich sind weitere Abzüge für bestimmte Fondbeteiligungen vorzunehmen. Die Parteien haben sich in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2024 darauf geeinigt, dass für den CFB Fond ….. sowie die Schifffonds ein Abzug in Höhe von insgesamt EUR 248.476,00 (Wert: EUR 80.000,00 statt EUR 328.476,00) in Ansatz gebracht werden soll.

    c) Zuschläge     und Begrenzung
    Der Beklagten stehen zusätzlich zu dem Vergütungsgrundbetrag Zuschläge in Höhe von insgesamt EUR 157.630,56 (netto) zu, was 20/10 des Vergütungsgrundbetrages entspricht.

    Die Zuschläge dienen der Differenzierung nach Art der Testamentsvollstreckung, damit die Testamentsvollstreckervergütung der individuellen Arbeit des Testamentsvollstreckers und der Verantwortung des konkreten Falles angepasst werden kann (vgl. Einleitung DNotV-Tabelle; Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 5). Nach der DNotV-Tabelle können Zuschläge in fünf unterschiedlichen Bereichen jeweils mit in einer Spanne von 2/10 bis 10/10 des Vergütungsgrundbetrages entstehen. Die Entlastung des Testamentsvollstreckers durch die Hinzuziehung externer Sachverständiger (z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater) ist bei Bemessung der Zuschläge angemessen zu berücksichtigen. Bei der Bemessung der Zuschläge ist mangels besonderer Anhaltspunkte vom Mittelwert der Spanne auszugehen (= 6/10) (Abschnitt II.1. DNotV-Tabelle). Die Gesamtvergütung (inklusive Vergütungsgrundbetrag) soll in der Regel insgesamt das Dreifache des Vergütungsgrundbetrages nicht überschreiten, sodass die Zuschläge im Regelfall 20/10 nicht überschreiten sollen (Abschnitt II.2. DNotV-Tabelle).

    Im Einzelnen sind nach Auffassung Kammer die folgenden Zuschläge gegeben:

    aa)
    Für „aufwendige Grundtätigkeit“ hält die Kammer einen Zuschlag in Höhe von 5/10 für angemessen.

    Dieser Zuschlag ist gegeben, wenn die Konstituierung des Nachlasses aufwendiger als im Normalfall ist, etwa durch besondere Maßnahmen zur Ermittlung, Sichtung und Inbesitznahme des Nachlasses, Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, Bewertung des Nachlasses, Regelung von Nachlassverbindlichkeiten einschließlich inländischer Erbschaftsteuer. Der Normalfall ist dabei ein aus Bargeld, Wertpapierdepot oder Renditeimmobilie zusammengesetzter Nachlass, der z.B. durch bloßes Einholen von Kontoauszügen, Grundbucheinsichten und Sichtung von Mietverträgen konstituiert ist (Abschnitt II.1.a) DNotV-Tabelle).

    Die aufwändige Grundtätigkeit wird nach Auffassung der Kammer durch ein erhebliches Abweichen von dem in der DNotV-Tabelle exemplarisch geschilderten Normalfall deutlich. Der streitgegenständliche Nachlass enthielt unter anderem Gesellschaftsbeteiligungen in Deutschland und Polen (vgl. S. 22 ff. Klageerwiderung), ein umfassendes Immobilienportfolio (vgl. S. 31 ff. Klageerwiderung), den Betrieb „XYZ“ (vgl. S. 102 ff., 132 ff. Klageerwiderung) und ein Schwarzgeldkonto in Luxemburg (vgl. S. 19 ff. Klageerwiderung). Insbesondere die Befassung mit einer ausländischen Gesellschaft, einem laufenden Betrieb und Fondbeteiligungen, deren Wert über Jahre zwischen den Parteien streitig war, begründen einen Aufwand, der einen entsprechenden Zuschlag rechtfertigt. Außerdem hat die Beklagte ein Nachlassverzeichnis (Anla-ge B123) erstellt.

    Die Kammer sieht den Aufwand der Beklagten auch nicht durch etwaige Vorarbeiten von A als Testamentsvollstrecker geschmälert. Der klägerische Vortrag ist nicht hinreichend konkret, um das tatsächliche Ausmaß der zweieinhalb Monate Tätigkeit zu beurteilen. Es ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich auch in vorbereitete Unterlagen vertieft einarbeiten musste, da sie als alleinige Testamentsvollstreckerin die entsprechenden Haftungsrisiken zu tragen hat.

    Einen über den Mittelwert hinausgehenden Aufwand sieht die Kammer nicht erfüllt. Dabei berücksichtigt sie insbesondere, dass das Abweichen vom Normalfall bereits erforderlich ist, um den Zuschlag überhaupt auszulösen. Ein darüber noch hinausgehender Umfang kann nur bei außergewöhnlich aufwendiger Tätigkeit denkbar sein. Dies ist vorliegend nicht ersichtlich. Dagegen nimmt die Kammer einen Abzug vor, da sich die Beklagte für die Erbschaftssteuer der Unterstützung eines Steuerberaters bedient hat.

    bb)
    Für die „Auseinandersetzung“ hält die Kammer einen Zuschlag in Höhe von 3/10 für angemessen.

    Dieser Zuschlag ist gegeben, wenn der Nachlass auseinander zu setzen ist (Aufstellung eines Teilungsplans und dessen Vollzug) oder Vermächtnisse zu erfüllen sind (Abschnitt II.1.b) DNotV-Tabelle).

    Vorliegend waren sowohl eine Nachlassauseinandersetzung (vgl. S. 187 ff. Klageerwiderung und Bl. 150 f. d. A.) als auch Vermächtnisse (vgl. S. 229 Klageerwiderung und Bl. 150 f. d. A.) gegeben.

    Die Kammer berücksichtigt für eine Abweichung vom Mittelwert nach unten, dass die Kläger und ihre Prozessbevollmächtigten in die Vorbereitung der Teil-Erbauseinandersetzung stark involviert waren. Dazu war die Anzahl der Erben sowie Vermächtnisse überschaubar.

    cc)
    Für die „komplexe Nachlassverwaltung“ hält die Kammer einen Zuschlag in Höhe von 7/10 für angemessen.

    Dieser Zuschlag ist gegeben bei komplexem Nachlass, d.h. für aus der Zusammensetzung des Nachlasses resultierende Schwierigkeiten seiner Verwaltung, z.B. bei Auslandsvermögen, Gesellschaftsbeteiligung, Beteiligung an Erbengemeinschaft, im Bau befindlicher oder anderer Problemimmobilie, hohen oder verstreuten Schulden, Rechtsstreitigkeiten, Besonderheiten im Hinblick auf die Beteiligten (z.B. Minderjährige, Pflichtteilsberechtigte, Erben mit Wohnsitz im Ausland) (Abschnitt II.1.c) DNotV-Tabelle).

    Wie auch die Kläger anerkennen, handelte es sich vorliegend um einen komplexen Nachlass. Nahezu sämtlich in der DNotV-Tabelle aufgeführten Beispiele sind erfüllt: Auslandsvermögen in Luxemburg (vgl. S. 19 ff. Klageerwiderung), Gesellschaftsbeteiligungen im In- und Ausland (vgl. S. 22 ff. Klageerwiderung), Beteiligung an der Erbengemeinschaft Ratingen (vgl. S. 127 ff. Klageerwiderung), eine Problemimmobilie in der Elbestraße (vgl. S. 35 ff. Klageerwiderung), Pflichtteilsberechtige (vgl. S. 227 ff. Klageerwiderung) und diverse Rechtsstreitigkeiten (vgl. S. 229 ff. Klageerwiderung).

    Die Kammer sieht aufgrund der Vielzahl von erfüllten, die Komplexität begründenden Merkmal eine Abweichung vom Mittelwert nach oben als gerechtfertigt an. Diese wird dadurch eingeschränkt, dass sich die Beklagte für die Rechtsstreitigkeiten in erheblichen Umfang der Unterstützung eines Rechtsanwalts bedient hat.

    dd)
    Für „aufwendige bzw. schwierige Gestaltungsaufgaben“ hält die Kammer einen Zuschlag in Höhe von 3/10 für angemessen.

    Dieser Zuschlag ist gegeben für aufwendige oder schwierige Gestaltungsaufgaben im Vollzug der Testamentsvollstreckung, die über die bloße Abwicklung hinausgehen, z.B. Umstrukturierung, Umschuldung, Verwertung („Versilbern des Nachlasses“, Verkäufe) (Abschnitt II.1.d) DNotV-Tabelle).

    Der Zuschlag ist durch die Veräußerung der Anteile an der polnischen Firma M. an den Mitgesellschafter (vgl. S. 22 ff. Klageerwiderung und Bl. 151 d. A.) sowie die Veräußerung der Immobilien ……. (vgl. S. 77 ff. Klageerwiderung und Bl. 151 d. A.) gegeben.

    Da jedoch keine Umstrukturierungen oder Umschuldungen erforderlich waren und auch nur ein überschaubarer Teil des Nachlasses „versilbert“ wurde, hält die Kammer ein Abweichen vom Mittelwert nach unten für geboten. Darüber hinaus ist das in der DNotV-Tabelle vorgebende Zusammenspiel von lit. cc) und dd) zu beachten, die zusammen nicht mehr als 15/10 betragen sollen. Es soll also eine Doppelberücksichtigung vermieden werden, was vorliegend insbesondere für die Auslandsbeteiligung gilt. Dieser Grundgedanke gilt nach Auffassung der Kammer auch unter der Grenze von 15/10 und hat hier einen niedrigen Ansatz zur Folge.

    ee)
    Für „Steuerangelegenheiten“ hält die Kammer einen Zuschlag in Höhe von 2/10 für angemessen.

    Dieser Zuschlag ist gegeben für die Erledigung von Steuerangelegenheiten. Die durch den Erbfall entstehenden inländischen Steuern (Erbschaftsteuer) ist dabei bereits unter lit. aa) erfasst, nicht jedoch zuvor bereits entstandene oder danach entstehende Steuern oder ausländische Steuerangelegenheiten (z.B. nachträgliche Bereinigung von Steuerangelegenheiten, Einkommensteuererklärungen) (Abschnitt II.1.e) DNotV-Tabelle).

    Ein Zuschlag ist durch das Konto in Luxemburg (vgl. S. 19 ff. Klageerwiderung) sowie die laufenden Steuerangelegenheiten des „Betriebs XYZ“ gegeben.

    Da sich die Beklagte hierzu in erheblichen Ausmaß der Unterstützung von Steuerberatern bedient hat, fällt dieser Zuschlag mit dem kleinsten Wert aus.

    d) Umsatzsteuer
    Nach Abschnitt IV. DNotV-Tabelle ist der Summe aus Vergütungsgrundbetrag und Zuschlägen (EUR 236.445,84) noch die Umsatzsteuer von 19 % hinzuzufügen.

    2.
    Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung von EUR 349.886,20 aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

    Die Beklagte hat durch ihre eigenmächtigen Entnahmen von insgesamt EUR 349.886,20 von den Konten des Erblassers zwischen September 2012 und Juni 2016 sowie im Januar 2017 in sonstiger Weise etwas auf Kosten der Kläger als Erbengemeinschaft erlangt.

    Ein Rechtsgrund für die Entnahmen war entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegeben.

    a)
    Der Beklagten stand kein Entnahmerecht zu. Dieses setzt eine Fälligkeit der Testamentsvollstreckervergütung voraus (MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 33; BeckOK BGB/Lange, 69. Ed. 01.02.2024, BGB § 2221 Rn. 29). Das war vorliegend nicht der Fall.

    Regelmäßig ist die Vergütung erst nach Beendigung des Amts in einem Betrag zur Zahlung fällig (§ 614 BGB), wenn der Testamentsvollstrecker alle seine Pflichten, insbesondere seine Pflicht zur Rechnungslegung (§§ 2218 Abs. 1, 666 BGB), erfüllt hat (Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 13; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 31; BeckOK BGB/Lange, 69. Ed. 01.02.2024, BGB § 2221 Rn. 28; jeweils m.w.N.). Eine Schlussrechnung lag selbst zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 09.02.2024 unstreitig noch nicht vor.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich vorliegend um eine länger dauernde Verwaltung (§ 2218 Abs. 2 BGB) handelte. Bei einer solchen kann der Testamentsvollstrecker seine Vergütung nach Zeitabschnitten, meist jährlich und nachträglich, verlangen (Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 13; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 31). Auch für die Fälligkeit einer solchen (Zwischen-)vergütung ist eine ordnungsgemäße Rechnungslegung des Testamentsvollstreckers entsprechend § 2218 Abs. 2 BGB erforderlich (vgl. BeckOGK/Tolksdorf, Stand: 01.04.2023, BGB § 2221 Rn. 65). Diese Vorsetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Eine entsprechende Rechnung lag zu keinem Zeitpunkt vor. Die erste Rechnungslegung erfolgte mit der so überschriebenen „Vorschussrechnung“ vom 29.06.2016 in Höhe von EUR 349.886,20. Diesen Betrag entnahm die Beklagte bereits zuvor in Höhe von EUR 220.000,00 mit mehreren Abbuchungen von den Konten des Erblassers, im Einzelnen am 27.09.2012 (EUR 5.000,00), am 14.12.2012 (EUR 25.000,00), am 25.10.2013 (EUR 30.000,00), am 01.06.2016 (EUR 10.000,00) und am 29.06.2016 (EUR 150.000,00). Entnahmen erfolgten also bereits mehrere Jahre vor Rechnungslegung, außerdem sind solche in den Jahren 2012 und 2016 mehrfach erfolgt. Für die Entnahme der weiteren EUR 129.886,20 im am 30.01.2017 lag überhaupt keine Rechnung vor.

    Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs letztlich eine vom Gericht zu beurteilende Frage der Angemessenheit ist (MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 31). Auch unter Berücksichtigung der Dauer der Testamentsvollstreckung und dem damit verbundenen, oben dargestellten Aufwand, hält die Kammer eine Abrechnung erst nach Erteilung der Schlussrechnung für angemessen. Ausschlaggebend ist dabei, dass gerade die lange Dauer der Testamentsvollstreckung bereits vor Klageerhebung ein Streitpunkt zwischen den Parteien war. Dadurch, dass die Beklagte sich bereits im Juni 2016 einen Betrag entnommen hat, der fast 80 % der angemessenen Testamentsvollstreckervergütung ausmacht, und im Januar 2017 dann einen Gesamtbetrag, der sogar über die angemessene Testamentsvollstreckervergütung hinausgeht, hat sie selbst jeglichen (finanzielle) Anreiz, die Tätigkeit zu Ende zu bringen, genommen.

    b)
    Die Beklagte durfte die Entnahmen auch nicht als Vorschuss beanspruchen, wie es die Überschrift der Rechnung vom 29.06.2016 nahelegt. Ein Anspruch auf Vorschuss besteht bei Testamentsvollstreckervergütung nicht, da § 669 BGB nicht in § 2218 Abs. 1 BGB angeführt wird (Grüneberg/Weidlich, 83. Aufl. 2024, BGB § 2221 Rn. 13; MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2221 Rn. 32; BeckOK BGB/Lange, 69. Ed. 01.02.2024, BGB § 2221 Rn. 29 m.w.N.).

    3.
    Die Kläger zu 1) und 3) haben einen Anspruch auf Zahlung von angefallenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe der beantragten EUR 4.045,41.

    Die Kammer legt den Klageantrag zu 4) dahingehend aus, dass eine Zahlung nur an die Kläger zu 1) und 3) gefordert wird und eine Anpassung des ursprünglichen Antrags bei dem Beitritt der Klägerin zu 2) schlicht übersehen wurde. Dies entspricht auch der Interessenlage der Kläger, da die Klägerin zu 2) einen anderen Rechtsanwalt hat (und bezahlt) als die Kläger zu 1) und 3).

    Der Anspruch ergibt sich aus § 280 Abs. 1 BGB. Zwischen dem Testamentsvollstrecker und den Erben besteht ein gesetzliches Schuldrechtsverhältnis eigener Art (MüKoBGB/Zimmermann, 9. Aufl. 2022, BGB § 2218 Rn. 1). Eine Pflichtverletzung der Beklagten liegt in der rechtsgrundlosen Entnahme einer zudem in der Höhe überzogenen Testamentsvollstreckervergütung vor. 

    Das Verschulden wird vermutet, Exkulpationsgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein schuldloser Rechtsirrtum vor, an den ein sehr hoher Sorgfaltsstandard gestellt wird (vgl. BeckOGK/Riehm, Stand: 01.08.2023, BGB § 280 Rn. 189). Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Entnahme vor Beendigung des Amts und Rechnungslegung hätte die Beklagte als Rechtsanwältin selbst erkennen können oder jedenfalls qualifizierten Rechtsrat einholen müssen. Dass ein Testamentsvollstrecker keinen Vorschuss entnehmen darf, ist ganz herrschende Meinung.

    Der Schadensersatzanspruch umfasst auch Rechtsverfolgungskosten (vgl. Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, BGB § 249 Rn. 57 m.w.N.).

    Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich dabei auf EUR 4.259,61 (1,5 Ge-schäftsgebühr nebst Auslagen nach einem Gegenstandwert von EUR 288.465,65).

    Der Gegenstandswert, nach dem die als Schaden erstattungspflichtigen Rechtsverfolgungskosten zu vergüten sind, richtet sich dabei nach dem begründeten Forderungsbetrag. Er setzt sich vorliegend zusammen aus der außergerichtlich verlangten Rückzahlung der entnommenen EUR 220.000,00 und einem Betrag von EUR 68.465,65, welcher der Differenz zwischen der von der Beklagten vorprozessual geltend gemachten Summe (EUR 349.836,20) und der ihr nach den Feststellungen der Kammer tatsächlich zustehenden Testamentsvollstreckervergütung (EUR 281.370,55), somit dem negativen Feststellungsinteresse der Kläger zu 1) und 3), entspricht.

    Die volle Geschäftsgebühr ist bei dem vorliegend überdurchschnittlich aufwendigen und komplexen Verfahren mit 1,5 anzusetzen. Die Kammer teilt diesbezüglich die Auffassung der Kläger zu 1) und 3). Die Erwägungen betreffend die Zuschläge zum Vergütungsgrundbetrag spiegeln sich hier konsequenterweise zugunsten des Klägervertreters zu 1) und 3).

    Der Schadensersatzanspruch ist allerdings gemäß § 308 Abs. 1 BGB der Höhe nach auf den beantragten Betrag in Höhe von EUR 4.045,41 zu begrenzen.

    4.
    Der Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

    IV.

    Der Gebührenstreitwert wird gemäß §§ 43, 48 GKG, §§ 3 ff. ZPO auf EUR 538.864,11‬ bis zum 22.05.2020 und auf EUR 668.750,71 ‬seit dem 23.05.2020 festgesetzt.

    Den Wert des Feststellungsantrags zu 1) legt die Kammer als negative Feststellungsklage dahingehend aus, dass der Beklagten die Differenz von ihrer Forderung (EUR 417.066,51) zu dem in dem Klageantrag zu 1) genannten Betrag (EUR 98.202,40) nicht zusteht. Er ist deswegen mit EUR 318.864,11‬ festzusetzen.

    Da es sich bei dem Feststellungsantrag zu 1) um die endgültige Festsetzung der Testamentsvollstreckervergütung handelt, während die Klageanträge zu 2) und 3) ausschließlich die Rückzahlung der vorzeitigen Entnahmen betreffen, besteht keine Identität zwischen den Ansprüchen und sie sind für die Streitwertfestsetzung isoliert zu betrachten.

    Aufgrund der Klageerhöhung war der Streitwert gestaffelt festzusetzen.

    RechtsgebietBGBVorschriften§§ 2221, 2218 BGB