26.02.2025 · IWW-Abrufnummer 246804
Oberlandesgericht Celle: Urteil vom 27.01.2025 – 6 W 148/24
1.
Die Vorschrift des § 2077 BGB ist auf einen vier Tage vor der geplanten Eheschließung zwischen den künftigen Ehegatten geschlossenen Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung entsprechend anwendbar.
2.
Eine im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren erfolgte Ankündigung einer Zustimmung zum beabsichtigen Ehescheidungsantrag des anderen Ehegatten kann im hier vorliegenden Fall als vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden und genügt daher der Anforderung von § 2077 Abs. 2 Satz 2 BGB
In der Nachlasssache
betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem zwischen dem 19.12.2023 und 06.01.2024 verstorbenen F. B., mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in S.,
Beteiligte:
1. C. B., Im F. ## in H.,
Antragstellerin, Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt v. B. in H.
2. S. T., ##weg # in S.,
Antragsgegnerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. C. in S.,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 20. September 2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Soltau vom 26. August 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht S. am 27. Januar 2025 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtkosten des Beschwerdeverfahrens und hat der Beteiligten zu 2 die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Gründe
I.
Der am 25. August 1960 geborene und zwischen dem 19. Dezember 2023 und 6. Januar 2024 verstorbene Erblasser war seit dem 18. September 2015 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet (Kopie der Heiratsurkunde Bl. 21 Testamentsakten 7 IV ##/24 Amtsgericht Soltau). Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers aus einer anderen Verbindung. Vier Tage vor der Eheschließung, am 14. September 2015, hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vor dem Notar A. I. in T. sowohl einen Erbvertrag, Urkundenrollen-Nr. ###/ 2015 (Bl. 15 f. der vorgenannten Testamentsakten), als auch einen Ehevertrag (Bl. 3 der beigezogenen Scheidungsakten 13 F ###/21 S Amtsgericht - Familiengericht - Soltau) miteinander geschlossen. In dem Erbvertrag haben der Erblasser und die Beteiligte zu 1 gegenüber dem Notar ihren letzten Willen wie folgt erklärt:
Wir widerrufen hiermit alle bisherigen letztwilligen Verfügungen.
Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.
Ich, die (Beteiligte zu 1) setze meiner behinderten Tochter (...) ein Vermächtnis in Höhe eines Viertels des Nachlasses aus. Das Vermächtnis ist in Geld zu gewähren.
Die Verwaltung des Vermächtnisses soll durch meinen Ehemann, den Erschienenen zu 2, erfolgen, im Verhinderungsfalle durch den amtlich bestellten Vormund meiner Tochter. (...)
Dieser Erbvertrag soll auch schon vor unserer Eheschließung gelten.
Am 29. Dezember 2021 reichte die Beteiligte zu 1 bei dem Familiengericht einen "Verfahrenskostenhilfeantrag und Antrag auf Scheidung" ein und gab an, die Parteien lebten spätestens seit 23. August 2020 voneinander getrennt. Der Erblasser, anwaltlich vertreten durch Rechtsanwältin B., nahm im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten) Stellung und erklärte
"1. Auch der Antragsgegner hält die Ehe der Beteiligten für gescheitert und möchte geschieden werden.
Er wird einer Ehescheidung zustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag stellen.
2. Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen."
Am 7. März 2022 wurde dem Erblasser der Scheidungsantrag zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellt (Bl. 31 der Scheidungsakten). Der Erblasser hat im Scheidungsverfahren die Unwirksamkeit der Regelungen im Ehevertrag geltend gemacht, weil sie ihn einseitig belasteten und auf ungleicher Verhandlungsbasis erfolgt seien. Er machte die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich im Scheidungsverbund anhängig.
Die Beteiligte zu 1 erklärte mit Schriftsatz vom 9. März 2022 (Bl. 27 der Scheidungsakten) in dem Ehescheidungsverfahren hilfsweise die Anfechtung der Eheschließung und beantragte die Aufhebung der Ehe gemäß § 1314 Abs. 1 BGB. Der Erblasser nahm mit Schriftsatz vom 8. April 2022 zu den Schriftsätzen "vom 01.03., 09.03. und 23.03.22 wie folgt Stellung" und beantragte, "die mit Schriftsatz der Antragstellerin gestellten Anträge zurückzuweisen", weil ein Aufhebungsgrund nicht vorliege und die Antragsfrist des § 1317 BGB auch nicht eingehalten sei. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen am 13. Juli 2023 (Bl. 114 f. der Scheidungsakten) stellte die Beteiligte zu 1 ihren Scheidungsantrag und wurde persönlich von der Familienrichterin angehört. Der Erblasser war zu dem Termin nicht erschienen und ließ sich durch seine Verfahrensbevollmächtigte vertreten, die ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 weder widersprach, noch zustimmte, noch einen eigenen Scheidungsantrag für den Erblasser stellte. In der Sitzungsniederschrift heißt es, dass der Erblasser "aus gesundheitlichen Gründen" nicht zum Termin erschienen sei und dass die Familienrichterin beabsichtigte, den Erblasser in einem neuen Termin ggf. online anzuhören, da in absehbarer Zeit auch die dreijährige Trennungszeit ablaufe und ggf. auch auf die Anhörung ganz verzichtet werden könne. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2023 beraumte die Familienrichterin neuen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen auf den 6. Februar 2024 an. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 (Bl. 156 der Scheidungsakten) teilte die Verfahrensbevollmächtigte des Erblassers mit, dass der Erblasser verstorben ist, woraufhin die Familienrichterin den Termin vom 6. Februar 2024 aufhob und mitteilte, dass sich die Ehesache gemäß § 131 FamFG erledigt habe.
Die Beteiligte zu 1 hat ebenso wie die Beteiligte zu 2 bei dem Nachlassgericht einen sie jeweils als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Die Beteiligte zu 1 hat sich zur Begründung ihres Antrags auf den Erbvertrag vom 14. September 2015 berufen, die Beteiligte zu 2 auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, der Erbvertrag sei entsprechend § 2077 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 2279 BGB unwirksam, weil die Voraussetzungen der Ehescheidung zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen hätten und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. Damit sei auch das gesetzliche Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1 entfallen (§ 1933 Satz 1 und 2 BGB). Die Beteiligte zu 1 hat unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, gemeint, § 2077 BGB würde auf den vorliegenden Erbvertrag keine Anwendung finden, weil der Erbvertrag vor der Eheschließung erfolgt sei. Selbst wenn man die grundsätzliche Anwendbarkeit bejahte, seien die Voraussetzungen der §§ 2077, 2279 BGB nicht erfüllt, weil der Erblasser als Antragsgegner im eigentlichen Scheidungsverfahren weder einen eigenen Scheidungsantrag gestellt noch dem Scheidungsantrag zugestimmt habe.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Seine Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: das bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Soltau rechtshängige Ehescheidungsverfahren habe sowohl nach § 1933 BGB zum Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts als auch zur Unwirksamkeit der in dem notariell beurkundeten Erbvertrag vom 14. September 2015 enthaltenen vertragsmäßigen Zuwendung des Erblassers in entsprechender Anwendung der §§ 2077 Abs. 1 Satz 2, 1, 2279 Abs. 1 BGB geführt. Die Voraussetzungen für den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und für die Unwirksamkeit der erbvertraglichen Verfügung seien erfüllt. Zwar setze die direkte Anwendung des § 2077 Abs. 1 BGB das Bestehen einer Ehe oder eines Verlöbnisses im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung voraus und der Erblasser und die Beteiligte zu 1 hätten den Erbvertrag vier Tage vor der Eheschließung geschlossen. Vorliegend sei aber der zeitliche enge Bezug zwischen Eheschließung und Abschluss des Erbvertrages offensichtlich gegeben. Dass der Erbvertrag nach dem Willen der Vertragschließenden auch schon vor der Eheschließung gelten sollte, sei für die hier vorzunehmende Auslegung des Erblasserwillens ohne entscheidende Bedeutung. Vielmehr habe der Erblasser seine künftige Ehefrau vier Tage vor der Heirat nur aus den Gründen der bevorstehenden Eheschließung bedacht wissen wollen und umgekehrt. Für den Fall der Ehescheidung sei am selben Tag in dem Ehevertrag ein Verzicht auf Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche sowie den Versorgungsausgleich vorgenommen worden. Zugewinnausgleichsansprüche hätten dem jeweiligen Ehepartner nur im Falle des Todes zu stehen sollen. Ferner sei davon auszugehen, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vier Tage vor der Eheschließung miteinander verlobt gewesen seien. Die in dem Verfahrenskostenhilfeverfahren zum Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 erfolgte Erklärung des Erblassers, er halte die Ehe für gescheitert und wolle geschieden werden verbunden mit der Ankündigung der Zustimmung zum Ehescheidungsantrag oder der Stellung eines eigenen Scheidungsantrags habe mit der anschließend eingetretenen Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zum Wegfall des Ehegattenerbrechts der Ehefrau geführt. Die Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag sei eine Prozesshandlung und müsse dem Familiengericht gegenüber in prozessual wirksamer Form erklärt werden. Dabei genüge eine im vorausgegangenen Verfahrenskostenhilfeverfahren abgegebene Erklärung, wenn sie durch die nachfolgende Rechtshängigkeit als Prozesshandlung wirksam werde. Prozesshandlungen könnten nämlich auch vorsorglich für den Fall des späteren Eintritts einer bestimmten Prozesslage vorgenommen werden, wenn nicht Interessen des Gegners oder der Rechtspflege entgegenstehen. Hier bestünden keine Bedenken, die Prozesshandlung bereits im Verfahrenskostenhilfeverfahren und vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit als zulässig anzusehen. Die Verhinderung des Erblassers an der Teilnahme an der Sitzung sei im Hinblick auf den Wegfall des Ehegattenerbrechts unschädlich.
Dagegen wendet die Beteiligte zu 1 sich mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, den Antrag auf Erteilung des Erbscheins der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und einen Erbschein zu erteilen, der sie (die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligte zu 1 wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsansichten. Insbesondere ist sie der Ansicht, dass eine Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag nicht vorgelegen hat, weil eine solche nicht als Prozesserklärung abgegeben worden sei. Darüber hinaus zweifelt sie auch an der Anwendung des § 2077 BGB auf vorliegenden Erbvertrag.
Die Beteiligte 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die im Erbvertrag vom 14. September 2015 zugunsten der Beteiligten zu 1 erfolgte Erbeinsetzung des Erblassers gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam und das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 1 als Ehegatte gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Insoweit ist - teilweise die amtsgerichtliche Begründung wiederholend - auszuführen:
1.
Gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Verfügung ist nur dann nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB). Auf vertragsmäßige Zuwendungen finden die für letztwillige Verfügungen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 2279 Abs. 1 BGB).
a) Der Erblasser ist zwischen dem 19. Dezember 2023 und dem 6. Januar 2024 verstorben. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vor.
aa) Gemäß § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gemäß § 1566 Abs. 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
bb) Vorliegend war beim Erbfall unwiderlegbar zu vermuten, dass die Ehe des Erblassers und der Beteiligten zu 1 gescheitert ist. Die Beteiligte hat in ihrem Verfahrenskostenhilfeantrag und später bei ihrer persönlichen Anhörung vor der Familienrichterin (Bl. 114 R der Scheidungsakten) mitgeteilt, dass die räumliche Trennung der Ehegatten am 23. August 2020 vollzogen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen und seitdem auch nicht wieder dorthin zurückgekehrt. Sie halte die Ehe für gescheitert und sei nicht bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufzunehmen. Die Trennung dauerte mithin deutlich länger als ein Jahr an. Die Beteiligte zu 1 hatte den Ehescheidungsantrag auch gestellt.
Auch die Zustimmung des Erblassers zur Ehescheidung liegt vor. Er hatte zuvor über seine Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten) mitgeteilt, dass auch er die Ehe der Beteiligten für gescheitert hält und geschieden werden möchte sowie angekündigt, der Ehescheidung zuzustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen. Dadurch hat der Erblasser deutlich zu erkennen gegeben, auch geschieden werden zu wollen. Dass er die Zustimmung lediglich angekündigt hat, weil es sich um eine Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gehandelt hat, lässt die Wirksamkeit der Zustimmung nicht entfallen. Der Scheidungsantrag ist dem Erblasser zeitnah am 7. März 2022 nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugestellt worden (Bl. 31 d. A.). Bis zu seinem Tod hat der Erblasser dem Scheidungsantrag nicht widersprochen und auch seine angekündigte Zustimmung nicht zurückgezogen. Zu einer persönlichen Anhörung, im Rahmen derer er die Zustimmung zur Ehescheidung noch einmal ausdrücklich zu Protokoll des Familiengerichts hätte erklären können, ist es nicht gekommen. Bei dem ersten anberaumten Termin am 23. Juni 2023 war der Erblasser laut Sitzungsniederschrift "aus gesundheitlichen Gründen" nicht erschienen. Er ist dann vor dem weiteren auf den 6. Februar 2024 anberaumten Termin verstorben. Der Erblasser hat zu keiner Zeit im laufenden Scheidungsverfahren zum Ausdruck gebracht, die Ehescheidung nicht mehr zu wünschen, insbesondere auch nicht dadurch, dass er die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich anhängig gemacht hat. Dass der Erblasser die Fragen des Unterhalts und Zugewinnausgleichs zugleich mit der Scheidung klären wollte und dadurch der Scheidungsausspruch zeitlich hinausgeschoben worden ist, bringt nicht zum Ausdruck, der von der Beteiligten zu 1 beantragten Scheidung grundsätzlich nicht mehr zustimmen zu wollen. Eine Ehescheidung wäre bei Abtrennung der Folgesachen möglich gewesen, weil die Ehe gescheitert war. Das Scheitern ist der Anknüpfungspunkt für die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung und den Wegfall des gesetzlichen Erbrechts.
Dieser Feststellung des Senats steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, hier BGH, Urteil vom 30. November 1994 zu IV ZR 290/93, nicht entgegen, soweit dort ausgeführt wird, dass die Zustimmung eine Prozesshandlung ist, die im Scheidungsverfahren dem Gericht gegenüber erklärt werden muss und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung widerrufen werden kann (§ 630 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F., jetzt § 134 Abs. 1 und 2 FamFG). In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen vorgenannten Fall hatte die überlebende Ehegattin die Zustimmung gerade nicht gegenüber dem Familiengericht, sondern lediglich außergerichtlich gegenüber ihrem Ehemann in einer Unterhaltsvereinbarung mitgeteilt. Im dem hier vorliegenden Fall hat der anwaltlich vertretene Erblasser als Antragsgegner des Ehescheidungsverfahrens jedoch bereits gegenüber dem Familiengericht erklärt, dass auch er die Ehe für gescheitert hält und geschieden werden möchte. Die erfolgte angekündigte Zustimmung zur Scheidung im Verfahrenskostenhilfeverfahren kann daher wie ausgeführt als vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden (vgl. OLG Zweibrücken, NJW 1995, 601 [OLG Zweibrücken 25.11.1994 - 3 W 165/94]; Staudinger/Reuß (2024) BGB, § 1566, Rn. 65, jeweils zitiert nach juris). Der danach angekündigte Zurückweisungsantrag des Erblassers bezog sich nur auf den erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags hilfsweise von der Beteiligten zu 1 gestellten Antrag auf Aufhebung der Ehe nach § 1314 BGB.
b) Das Amtsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Vorschrift des § 2077 BGB auf den zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Erblasser geschlossenen Erbvertrag und die dort zugunsten der Beteiligten zu 1 getroffene Erbeinsetzung angewendet.
aa) Die Regelung des § 2077 BGB soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des Testaments unter anderem im Scheidungsfall gerichtet ist. Für den Regelfall misst § 2077 Abs. 1 BGB einer solchen letztwilligen Zuwendung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe getroffen zu sein (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23., Rn. 14 m. w. N.). Das gleiche gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine letztwillige Verfügung zugunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist (BGH a. a. O.).
bb) Die Beteiligte zu 1 kann aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, zitiert nach juris, nichts für ihre Position herleiten. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden bereits dadurch, dass in dem dortigen Fall der Erbvertrag viereinhalb Jahre vor der Eheschließung geschlossen worden war und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags die Beteiligten nicht miteinander verlobt waren. Für den hiesigen Fall hat das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 den Erbvertrag vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung, für die das Aufgebot beim Standesamt bestellt war, geschlossen hatten, also ein ernstliches Eheversprechen im Sinne einer Verlobung (BGH a. a. O., Rn. 16) vorlag. In dem Erbvertrag wird der Erblasser bereits als "Ehemann" bezeichnet. Ferner haben die künftigen Ehegatten geregelt, dass "dieser Erbvertrag auch schon vor unserer Eheschließung gelten (soll)". Gerade der letztgenannte Satz bringt zum Ausdruck, dass der Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung im Hinblick auf die Eheschließung zustande gekommen ist. Daraus, dass der Erbvertrag vor der Eheschließung gelten sollte, lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass der Erbvertrag nach einer Ehescheidung fortbestehen sollte (§ 2077 Abs. 3 BGB). Zwar haben die Ehegatten am Tag der Errichtung des Erbvertrages auch einen Ehevertrag geschlossen. In diesem haben die künftigen Ehegatten aber für den Fall der Ehescheidung gegenseitige Ansprüche ausgeschlossen. Es handelt sich um getrennte notarielle Urkunden ohne gegenseitige Bezugnahmen, sodass anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall hier nicht angenommen werden kann, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erbvertrages die Möglichkeit der Ehescheidung bedacht haben und eine Fortgeltung der gegenseitigen Erbeinsetzungen auch für den Fall der Ehescheidung gewollt haben.
2.
Die Beteiligte zu 1 ist - wie im angefochtenen Beschluss ebenfalls zutreffend ausgeführt - auch nicht gesetzliche (Mit-)Erbin des Erblassers geworden, weil das Erbrecht des überlebenden Ehegatten gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 36 Abs. 1. Der Senat legt einen reinen Nachlass von 200.000 € zugrunde, wie von der Beteiligten zu 2 in ihrem Erbscheinsantrag angegeben (Bl. 17 d. A.). Davon zieht der Senat ein Drittel wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins (lediglich Legitimationswirkung) ab.
betreffend die Erteilung eines Erbscheins nach dem zwischen dem 19.12.2023 und 06.01.2024 verstorbenen F. B., mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in S.,
Beteiligte:
1. C. B., Im F. ## in H.,
Antragstellerin, Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt v. B. in H.
2. S. T., ##weg # in S.,
Antragsgegnerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. C. in S.,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 20. September 2024 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Soltau vom 26. August 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht S. am 27. Januar 2025 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1 trägt die Gerichtkosten des Beschwerdeverfahrens und hat der Beteiligten zu 2 die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen zu erstatten.
Gründe
I.
Der am 25. August 1960 geborene und zwischen dem 19. Dezember 2023 und 6. Januar 2024 verstorbene Erblasser war seit dem 18. September 2015 mit der Beteiligten zu 1 verheiratet (Kopie der Heiratsurkunde Bl. 21 Testamentsakten 7 IV ##/24 Amtsgericht Soltau). Die Beteiligte zu 2 ist die Tochter des Erblassers aus einer anderen Verbindung. Vier Tage vor der Eheschließung, am 14. September 2015, hatten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vor dem Notar A. I. in T. sowohl einen Erbvertrag, Urkundenrollen-Nr. ###/ 2015 (Bl. 15 f. der vorgenannten Testamentsakten), als auch einen Ehevertrag (Bl. 3 der beigezogenen Scheidungsakten 13 F ###/21 S Amtsgericht - Familiengericht - Soltau) miteinander geschlossen. In dem Erbvertrag haben der Erblasser und die Beteiligte zu 1 gegenüber dem Notar ihren letzten Willen wie folgt erklärt:
Wir widerrufen hiermit alle bisherigen letztwilligen Verfügungen.
Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.
Ich, die (Beteiligte zu 1) setze meiner behinderten Tochter (...) ein Vermächtnis in Höhe eines Viertels des Nachlasses aus. Das Vermächtnis ist in Geld zu gewähren.
Die Verwaltung des Vermächtnisses soll durch meinen Ehemann, den Erschienenen zu 2, erfolgen, im Verhinderungsfalle durch den amtlich bestellten Vormund meiner Tochter. (...)
Dieser Erbvertrag soll auch schon vor unserer Eheschließung gelten.
Am 29. Dezember 2021 reichte die Beteiligte zu 1 bei dem Familiengericht einen "Verfahrenskostenhilfeantrag und Antrag auf Scheidung" ein und gab an, die Parteien lebten spätestens seit 23. August 2020 voneinander getrennt. Der Erblasser, anwaltlich vertreten durch Rechtsanwältin B., nahm im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten) Stellung und erklärte
"1. Auch der Antragsgegner hält die Ehe der Beteiligten für gescheitert und möchte geschieden werden.
Er wird einer Ehescheidung zustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag stellen.
2. Der Versorgungsausgleich ist von Amts wegen durchzuführen."
Am 7. März 2022 wurde dem Erblasser der Scheidungsantrag zu Händen seiner Verfahrensbevollmächtigten zugestellt (Bl. 31 der Scheidungsakten). Der Erblasser hat im Scheidungsverfahren die Unwirksamkeit der Regelungen im Ehevertrag geltend gemacht, weil sie ihn einseitig belasteten und auf ungleicher Verhandlungsbasis erfolgt seien. Er machte die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich im Scheidungsverbund anhängig.
Die Beteiligte zu 1 erklärte mit Schriftsatz vom 9. März 2022 (Bl. 27 der Scheidungsakten) in dem Ehescheidungsverfahren hilfsweise die Anfechtung der Eheschließung und beantragte die Aufhebung der Ehe gemäß § 1314 Abs. 1 BGB. Der Erblasser nahm mit Schriftsatz vom 8. April 2022 zu den Schriftsätzen "vom 01.03., 09.03. und 23.03.22 wie folgt Stellung" und beantragte, "die mit Schriftsatz der Antragstellerin gestellten Anträge zurückzuweisen", weil ein Aufhebungsgrund nicht vorliege und die Antragsfrist des § 1317 BGB auch nicht eingehalten sei. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen am 13. Juli 2023 (Bl. 114 f. der Scheidungsakten) stellte die Beteiligte zu 1 ihren Scheidungsantrag und wurde persönlich von der Familienrichterin angehört. Der Erblasser war zu dem Termin nicht erschienen und ließ sich durch seine Verfahrensbevollmächtigte vertreten, die ausweislich der Sitzungsniederschrift dem Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 weder widersprach, noch zustimmte, noch einen eigenen Scheidungsantrag für den Erblasser stellte. In der Sitzungsniederschrift heißt es, dass der Erblasser "aus gesundheitlichen Gründen" nicht zum Termin erschienen sei und dass die Familienrichterin beabsichtigte, den Erblasser in einem neuen Termin ggf. online anzuhören, da in absehbarer Zeit auch die dreijährige Trennungszeit ablaufe und ggf. auch auf die Anhörung ganz verzichtet werden könne. Mit Verfügung vom 15. Dezember 2023 beraumte die Familienrichterin neuen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag und die Folgesachen auf den 6. Februar 2024 an. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 (Bl. 156 der Scheidungsakten) teilte die Verfahrensbevollmächtigte des Erblassers mit, dass der Erblasser verstorben ist, woraufhin die Familienrichterin den Termin vom 6. Februar 2024 aufhob und mitteilte, dass sich die Ehesache gemäß § 131 FamFG erledigt habe.
Die Beteiligte zu 1 hat ebenso wie die Beteiligte zu 2 bei dem Nachlassgericht einen sie jeweils als Alleinerbin ausweisenden Erbschein beantragt. Die Beteiligte zu 1 hat sich zur Begründung ihres Antrags auf den Erbvertrag vom 14. September 2015 berufen, die Beteiligte zu 2 auf den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge. Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, der Erbvertrag sei entsprechend § 2077 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 2279 BGB unwirksam, weil die Voraussetzungen der Ehescheidung zum Zeitpunkt des Todes vorgelegen hätten und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. Damit sei auch das gesetzliche Ehegattenerbrecht der Beteiligten zu 1 entfallen (§ 1933 Satz 1 und 2 BGB). Die Beteiligte zu 1 hat unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, gemeint, § 2077 BGB würde auf den vorliegenden Erbvertrag keine Anwendung finden, weil der Erbvertrag vor der Eheschließung erfolgt sei. Selbst wenn man die grundsätzliche Anwendbarkeit bejahte, seien die Voraussetzungen der §§ 2077, 2279 BGB nicht erfüllt, weil der Erblasser als Antragsgegner im eigentlichen Scheidungsverfahren weder einen eigenen Scheidungsantrag gestellt noch dem Scheidungsantrag zugestimmt habe.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die zur Erteilung des von der Beteiligten zu 2 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Seine Entscheidung hat das Amtsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet: das bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Soltau rechtshängige Ehescheidungsverfahren habe sowohl nach § 1933 BGB zum Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts als auch zur Unwirksamkeit der in dem notariell beurkundeten Erbvertrag vom 14. September 2015 enthaltenen vertragsmäßigen Zuwendung des Erblassers in entsprechender Anwendung der §§ 2077 Abs. 1 Satz 2, 1, 2279 Abs. 1 BGB geführt. Die Voraussetzungen für den Ausschluss des gesetzlichen Ehegattenerbrechts und für die Unwirksamkeit der erbvertraglichen Verfügung seien erfüllt. Zwar setze die direkte Anwendung des § 2077 Abs. 1 BGB das Bestehen einer Ehe oder eines Verlöbnisses im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung voraus und der Erblasser und die Beteiligte zu 1 hätten den Erbvertrag vier Tage vor der Eheschließung geschlossen. Vorliegend sei aber der zeitliche enge Bezug zwischen Eheschließung und Abschluss des Erbvertrages offensichtlich gegeben. Dass der Erbvertrag nach dem Willen der Vertragschließenden auch schon vor der Eheschließung gelten sollte, sei für die hier vorzunehmende Auslegung des Erblasserwillens ohne entscheidende Bedeutung. Vielmehr habe der Erblasser seine künftige Ehefrau vier Tage vor der Heirat nur aus den Gründen der bevorstehenden Eheschließung bedacht wissen wollen und umgekehrt. Für den Fall der Ehescheidung sei am selben Tag in dem Ehevertrag ein Verzicht auf Unterhalts- und Zugewinnausgleichsansprüche sowie den Versorgungsausgleich vorgenommen worden. Zugewinnausgleichsansprüche hätten dem jeweiligen Ehepartner nur im Falle des Todes zu stehen sollen. Ferner sei davon auszugehen, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 vier Tage vor der Eheschließung miteinander verlobt gewesen seien. Die in dem Verfahrenskostenhilfeverfahren zum Scheidungsantrag der Beteiligten zu 1 erfolgte Erklärung des Erblassers, er halte die Ehe für gescheitert und wolle geschieden werden verbunden mit der Ankündigung der Zustimmung zum Ehescheidungsantrag oder der Stellung eines eigenen Scheidungsantrags habe mit der anschließend eingetretenen Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zum Wegfall des Ehegattenerbrechts der Ehefrau geführt. Die Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag sei eine Prozesshandlung und müsse dem Familiengericht gegenüber in prozessual wirksamer Form erklärt werden. Dabei genüge eine im vorausgegangenen Verfahrenskostenhilfeverfahren abgegebene Erklärung, wenn sie durch die nachfolgende Rechtshängigkeit als Prozesshandlung wirksam werde. Prozesshandlungen könnten nämlich auch vorsorglich für den Fall des späteren Eintritts einer bestimmten Prozesslage vorgenommen werden, wenn nicht Interessen des Gegners oder der Rechtspflege entgegenstehen. Hier bestünden keine Bedenken, die Prozesshandlung bereits im Verfahrenskostenhilfeverfahren und vor dem Eintritt der Rechtshängigkeit als zulässig anzusehen. Die Verhinderung des Erblassers an der Teilnahme an der Sitzung sei im Hinblick auf den Wegfall des Ehegattenerbrechts unschädlich.
Dagegen wendet die Beteiligte zu 1 sich mit ihrer Beschwerde, mit der sie beantragt, den Antrag auf Erteilung des Erbscheins der Beteiligten zu 2 zurückzuweisen und einen Erbschein zu erteilen, der sie (die Beteiligte zu 1) als Alleinerbin ausweist. Die Beteiligte zu 1 wiederholt und vertieft ihre erstinstanzlichen Rechtsansichten. Insbesondere ist sie der Ansicht, dass eine Zustimmung des Erblassers zum Scheidungsantrag nicht vorgelegen hat, weil eine solche nicht als Prozesserklärung abgegeben worden sei. Darüber hinaus zweifelt sie auch an der Anwendung des § 2077 BGB auf vorliegenden Erbvertrag.
Die Beteiligte 2 verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung angenommen, dass die im Erbvertrag vom 14. September 2015 zugunsten der Beteiligten zu 1 erfolgte Erbeinsetzung des Erblassers gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB unwirksam und das gesetzliche Erbrecht der Beteiligten zu 1 als Ehegatte gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist. Insoweit ist - teilweise die amtsgerichtliche Begründung wiederholend - auszuführen:
1.
Gemäß § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Verfügung ist nur dann nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde (§ 2077 Abs. 3 BGB). Auf vertragsmäßige Zuwendungen finden die für letztwillige Verfügungen geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung (§ 2279 Abs. 1 BGB).
a) Der Erblasser ist zwischen dem 19. Dezember 2023 und dem 6. Januar 2024 verstorben. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe vor.
aa) Gemäß § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB. Gemäß § 1566 Abs. 1 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
bb) Vorliegend war beim Erbfall unwiderlegbar zu vermuten, dass die Ehe des Erblassers und der Beteiligten zu 1 gescheitert ist. Die Beteiligte hat in ihrem Verfahrenskostenhilfeantrag und später bei ihrer persönlichen Anhörung vor der Familienrichterin (Bl. 114 R der Scheidungsakten) mitgeteilt, dass die räumliche Trennung der Ehegatten am 23. August 2020 vollzogen worden sei. Zu diesem Zeitpunkt sei sie aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen und seitdem auch nicht wieder dorthin zurückgekehrt. Sie halte die Ehe für gescheitert und sei nicht bereit, die eheliche Lebensgemeinschaft wiederaufzunehmen. Die Trennung dauerte mithin deutlich länger als ein Jahr an. Die Beteiligte zu 1 hatte den Ehescheidungsantrag auch gestellt.
Auch die Zustimmung des Erblassers zur Ehescheidung liegt vor. Er hatte zuvor über seine Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 31. Januar 2022 (Bl. 16 der Scheidungsakten) mitgeteilt, dass auch er die Ehe der Beteiligten für gescheitert hält und geschieden werden möchte sowie angekündigt, der Ehescheidung zuzustimmen oder einen eigenen Scheidungsantrag zu stellen. Dadurch hat der Erblasser deutlich zu erkennen gegeben, auch geschieden werden zu wollen. Dass er die Zustimmung lediglich angekündigt hat, weil es sich um eine Stellungnahme im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gehandelt hat, lässt die Wirksamkeit der Zustimmung nicht entfallen. Der Scheidungsantrag ist dem Erblasser zeitnah am 7. März 2022 nach Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zugestellt worden (Bl. 31 d. A.). Bis zu seinem Tod hat der Erblasser dem Scheidungsantrag nicht widersprochen und auch seine angekündigte Zustimmung nicht zurückgezogen. Zu einer persönlichen Anhörung, im Rahmen derer er die Zustimmung zur Ehescheidung noch einmal ausdrücklich zu Protokoll des Familiengerichts hätte erklären können, ist es nicht gekommen. Bei dem ersten anberaumten Termin am 23. Juni 2023 war der Erblasser laut Sitzungsniederschrift "aus gesundheitlichen Gründen" nicht erschienen. Er ist dann vor dem weiteren auf den 6. Februar 2024 anberaumten Termin verstorben. Der Erblasser hat zu keiner Zeit im laufenden Scheidungsverfahren zum Ausdruck gebracht, die Ehescheidung nicht mehr zu wünschen, insbesondere auch nicht dadurch, dass er die Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich anhängig gemacht hat. Dass der Erblasser die Fragen des Unterhalts und Zugewinnausgleichs zugleich mit der Scheidung klären wollte und dadurch der Scheidungsausspruch zeitlich hinausgeschoben worden ist, bringt nicht zum Ausdruck, der von der Beteiligten zu 1 beantragten Scheidung grundsätzlich nicht mehr zustimmen zu wollen. Eine Ehescheidung wäre bei Abtrennung der Folgesachen möglich gewesen, weil die Ehe gescheitert war. Das Scheitern ist der Anknüpfungspunkt für die Unwirksamkeit der Erbeinsetzung und den Wegfall des gesetzlichen Erbrechts.
Dieser Feststellung des Senats steht der höchstrichterlichen Rechtsprechung, hier BGH, Urteil vom 30. November 1994 zu IV ZR 290/93, nicht entgegen, soweit dort ausgeführt wird, dass die Zustimmung eine Prozesshandlung ist, die im Scheidungsverfahren dem Gericht gegenüber erklärt werden muss und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung widerrufen werden kann (§ 630 Abs. 2 Satz 1 ZPO a. F., jetzt § 134 Abs. 1 und 2 FamFG). In dem von dem Bundesgerichtshof entschiedenen vorgenannten Fall hatte die überlebende Ehegattin die Zustimmung gerade nicht gegenüber dem Familiengericht, sondern lediglich außergerichtlich gegenüber ihrem Ehemann in einer Unterhaltsvereinbarung mitgeteilt. Im dem hier vorliegenden Fall hat der anwaltlich vertretene Erblasser als Antragsgegner des Ehescheidungsverfahrens jedoch bereits gegenüber dem Familiengericht erklärt, dass auch er die Ehe für gescheitert hält und geschieden werden möchte. Die erfolgte angekündigte Zustimmung zur Scheidung im Verfahrenskostenhilfeverfahren kann daher wie ausgeführt als vorsorglich vorweg erklärte Verfahrenshandlung verstanden werden (vgl. OLG Zweibrücken, NJW 1995, 601 [OLG Zweibrücken 25.11.1994 - 3 W 165/94]; Staudinger/Reuß (2024) BGB, § 1566, Rn. 65, jeweils zitiert nach juris). Der danach angekündigte Zurückweisungsantrag des Erblassers bezog sich nur auf den erst nach Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags hilfsweise von der Beteiligten zu 1 gestellten Antrag auf Aufhebung der Ehe nach § 1314 BGB.
b) Das Amtsgericht hat auch rechtsfehlerfrei die Vorschrift des § 2077 BGB auf den zwischen der Beteiligten zu 1 und dem Erblasser geschlossenen Erbvertrag und die dort zugunsten der Beteiligten zu 1 getroffene Erbeinsetzung angewendet.
aa) Die Regelung des § 2077 BGB soll einer nachträglich eintretenden wesentlichen Veränderung in den Beziehungen von Erblasser und Bedachten mit Rücksicht auf die allgemeine Lebenserfahrung Rechnung tragen. Das Gesetz gibt mit der Norm eine dispositive Auslegungsregel entsprechend dem vermuteten wirklichen Willen des Erblassers, der auf Hinfälligkeit des Testaments unter anderem im Scheidungsfall gerichtet ist. Für den Regelfall misst § 2077 Abs. 1 BGB einer solchen letztwilligen Zuwendung den Inhalt zu, nur für den Fall des Bestehens der Ehe getroffen zu sein (BGH, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23., Rn. 14 m. w. N.). Das gleiche gilt gemäß § 2077 Abs. 2 BGB, wenn der Erblasser seine letztwillige Verfügung zugunsten seines Verlobten getroffen hat, das Verlöbnis aber vor dem Eintritt des Todesfalls aufgelöst worden ist (BGH a. a. O.).
bb) Die Beteiligte zu 1 kann aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Beschluss vom 22. Mai 2024 zu IV ZB 26/23, zitiert nach juris, nichts für ihre Position herleiten. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall unterscheidet sich von dem vorliegenden bereits dadurch, dass in dem dortigen Fall der Erbvertrag viereinhalb Jahre vor der Eheschließung geschlossen worden war und zum Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags die Beteiligten nicht miteinander verlobt waren. Für den hiesigen Fall hat das Amtsgericht zutreffend herausgearbeitet, dass der Erblasser und die Beteiligte zu 1 den Erbvertrag vier Tage vor der bereits feststehenden Eheschließung, für die das Aufgebot beim Standesamt bestellt war, geschlossen hatten, also ein ernstliches Eheversprechen im Sinne einer Verlobung (BGH a. a. O., Rn. 16) vorlag. In dem Erbvertrag wird der Erblasser bereits als "Ehemann" bezeichnet. Ferner haben die künftigen Ehegatten geregelt, dass "dieser Erbvertrag auch schon vor unserer Eheschließung gelten (soll)". Gerade der letztgenannte Satz bringt zum Ausdruck, dass der Erbvertrag mit gegenseitiger Erbeinsetzung im Hinblick auf die Eheschließung zustande gekommen ist. Daraus, dass der Erbvertrag vor der Eheschließung gelten sollte, lässt sich nicht der Umkehrschluss ziehen, dass der Erbvertrag nach einer Ehescheidung fortbestehen sollte (§ 2077 Abs. 3 BGB). Zwar haben die Ehegatten am Tag der Errichtung des Erbvertrages auch einen Ehevertrag geschlossen. In diesem haben die künftigen Ehegatten aber für den Fall der Ehescheidung gegenseitige Ansprüche ausgeschlossen. Es handelt sich um getrennte notarielle Urkunden ohne gegenseitige Bezugnahmen, sodass anders als in dem vom BGH entschiedenen Fall hier nicht angenommen werden kann, dass die Ehegatten bei Abschluss des Erbvertrages die Möglichkeit der Ehescheidung bedacht haben und eine Fortgeltung der gegenseitigen Erbeinsetzungen auch für den Fall der Ehescheidung gewollt haben.
2.
Die Beteiligte zu 1 ist - wie im angefochtenen Beschluss ebenfalls zutreffend ausgeführt - auch nicht gesetzliche (Mit-)Erbin des Erblassers geworden, weil das Erbrecht des überlebenden Ehegatten gemäß § 1933 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. Insoweit kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 GNotKG in Verbindung mit § 36 Abs. 1. Der Senat legt einen reinen Nachlass von 200.000 € zugrunde, wie von der Beteiligten zu 2 in ihrem Erbscheinsantrag angegeben (Bl. 17 d. A.). Davon zieht der Senat ein Drittel wegen der eingeschränkten Funktion des Erbscheins (lediglich Legitimationswirkung) ab.