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  • 15.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133523

    Oberlandesgericht München: Urteil vom 17.07.2013 – 3 U 4789/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    OLG München, 17.07.2013 - 3 U 4789/09

    In dem Rechtsstreit
    1) ...
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    2) ...
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    3) ...
    - Kläger und Berufungsbeklagter -
    Prozessbevollmächtigte zu 1 - 3:
    Rechtsanwälte ...
    gegen
    1) ...
    - Beklagter und Berufungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ...
    2) ...
    - Beklagte, im Berufungsverfahren nicht beteiligt -
    wegen Forderung und Feststellung
    erlässt das Oberlandesgericht München -3. Zivilsenat- durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2013 folgendes
    Endurteil:
    Tenor:

    I.

    Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 28.08.2009 wird zurückgewiesen.
    II.

    Der Beklagte zu 1) hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Der Beklagte zu 1) kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, dass die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
    IV.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, dass der Beklagte die vom Landgericht ausgesprochene Feststellung der Erbenstellung seiner Brüder, der 3 Kläger, nach ihrer Mutter Margot I., geb. am 23.04.1912, verstorben am 12.12.2005, angreift, was von der Wirksamkeit der ab 13.08.1995 von der Erblasserin erstellten privatschriftlichen Testamente abhängt.

    Das Landgericht Traunstein hat eine umfangreiche Beweisaufnahme durchgeführt, ein Gutachten des Sachverständigen, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Dipl.-Psychologen Karl F. eingeholt sowie den Sachverständigen mündlich angehört, sodann der auf Feststellung der Erbenstellung der Kläger als gesetzliche Erben und Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung der Erblasserin, betreffend ein Vermächtnis zu 50.000,-- DM zu Gunsten der Beklagten zu 2) (Kathleen A. I.) gerichteten Klage stattgegeben. Auf die in dem am 28.08.2009 verkündeten Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vor dem Landgericht Traunstein vom 10.01.2008 und 02.07.2009 sowie die zwischen den Parteien erstinstanziell gewechselten Schriftsätze wird Bezug genommen.

    Mit der - nur die Feststellung der Erbenstellung der Kläger als gesetzliche Erben nach Margot I. - angreifenden Berufung rügt der Beklagte die vom Landgericht getroffene Feststellung einer mittelgradigen (und eben nicht nur einer leichtgradigen) Alzheimer-Demenz. Das Bild einer mittelgradigen Demenz störende Angaben und Aussagen (Sachverständiger Bernd L.-K., Zeugen Sch. und R., schriftliche Äußerungen der Erblasserin in erheblichem Umfang) seien in dem Urteil beiseite geschoben. Das Erstgericht sei dem Beweisangebot des Beklagten bezüglich der Zeugin Dorothea R. ohne Begründung nicht gefolgt. Eine angesichts der notwendigen Würdigung des Gesamtsachverhalts sich anbietende Vernehmung der Beklagten als Partei von Amts wegen sei unterblieben, obwohl die Erblasserin ununterbrochen seit 1995 bis zu ihrem Tod bei den Beklagten gelebt habe.

    Zudem setze das Landgericht - wie auch der Sachverständige F. - in weiten Passagen - trotz der vorangestellten Grundsätze bei der Beurteilung einer Testierunfähigkeit - diese praktisch mit der Existenz einer Betreuung unter Zustimmungsvorbehalt gleich, obwohl die Tatsache einer Betreuung nicht notwendig zur Testierunfähigkeit führe. Im Urteil seien jedoch alle Fakten (oder auch nur Annahmen), die zur Anordnung der Betreuung führten, sowie die entsprechenden ergangenen gerichtlichen Beschlüsse als klare Bestätigungen für die Testierunfähigkeit dargestellt.

    Gutachten und Urteil beruhten im Wesentlichen auf der Aussage der Zeugen W. und hier in erster Linie auf der des Herrn W., deren Zuverlässigkeit mehr als problematisch sei.

    Das Gutachten S. werde vom Gericht und vom Sachverständigen F. in einer völlig selektiven Weise behandelt, die Aussage des Zeugen S. vor dem Landgericht sei deshalb problematisch, weil er am 08.12.1995 auf Seite 25 seines Gutachtens ein "beginnendes demenzielles Syndrom" bestätigt und dann 13 Jahre später das in eine mittelgradige Demenz (oder doch eine beginnende bis mittelgradige?) umgewertet habe, ohne dazu etwas anderes in der Hand zu haben als seine eigenen damaligen Notizen.

    Die Ausführungen des Sachverständigen F. seien nicht überzeugend, widerspruchsfrei und schlüssig; eine zuverlässige Feststellung im Sinne einer mittelgradigen Demenz könne hiermit nicht getroffen werden.

    Das Erstgericht habe sich auch nicht mit dem objektiven Zeugnis der Testierfähigkeit der Erblasserin, d. h. den Testamenten selbst, die in ihren Texten klarer eigentlich nicht sein konnten, sowie den im Überfluss vorhandenen Schriftstücken auseinandergesetzt. Dass das Verhalten der Erblasserin 1994/1995 nicht auf eine Testierunfähigkeit hingedeutet habe, ergebe sich aus den Bekundungen der nunmehr als Zeugin zu benennenden Kathleen I. sowie Dorothea R.

    Im Übrigen seien noch Berichte des Klinikums R. aus dem Jahre 1999 sowie eine Aktennotiz der Erblasserin vom 16.06.1995 vorgefunden worden, woraus sich bei ihr die Existenz von Gefäßverkalkungen sowie kleiner transitorisch-ischämischer Attacken (TIA), neurologische Ausfallerscheinungen als Folge umschriebener Durchblutungsstörungen einer Gehirnregion, ergäben. Aus den noch vorhandenen Blutdruck-Pässen der Erblasserin, die auswiesen, dass der Blutdruck plötzlich radikal ansteigen habe können, könnten sich Indizien für eine vaskuläre Demenz oder eine Mischform mit dem Alzheimertyp ableiten lassen.

    Diese Berichte, die aus 1999 stammten, zeigten doch an, dass die stark negative Entwicklung der Erblasserin eben nicht schon 1995 eingesetzt haben könne, erweckten zumindest Zweifel an der Diagnose des Sachverständigen F. Darüber hinaus werde durch die zufällig gefundenen Befundberichte Dr. H./Dr. B., die dem Landgericht naturgemäß nicht bekannt gewesen seien, sogar eine Wahrscheinlichkeit für die Testierfähigkeit der Erblasserin belegt, die jede andere Überlegung entkräfte.

    Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Berufungsbegründung vom 01.12.2009 (Blatt 305/331 d.A.) verwiesen.

    Der Beklagte beantragt,

    unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage gegen den Beklagten Rolf I. abzuweisen,

    hilfsweise:

    den Rechtsstreit unter Aufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich des Beklagten Rolf I. zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

    Die Kläger beantragen,

    die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

    Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil. Sie sind der Auffassung, dass der in der Berufungsbegründung enthaltene neue Sachvortrag als verspätet zurückzuweisen ist. Im Übrigen sei der Erstrichterin bei ihren Tatsachenfeststellungen kein Fehler unterlaufen, zumal sich die Erstrichterin im Wesentlichen auf die fachkundigen Ausführungen des erstinstanzlich gerichtlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Psychologen Karl F., Facharzt für Psychiatrie und Neurologie stütze, wobei auch dieses Gutachten fachlich sehr durchdacht sei und keinen wirklichen Bedenken begegne. Anlass, noch einen weiteren gerichtlichen Sachverständigen als Obergutachter zu bestimmen, sei nicht ersichtlich. Es werde auch nicht greifbar substantiiert vorgetragen, was ein solcher neu zu bestellender Sachverständiger konkret an den bisherigen Feststellungen des gerichtlich bestellten Gutachters - der sich im Übrigen ja auch auf eine Reihe qualifizierter Vorgutachten stützten könne - nochmals überprüfen sollte. Auch angesichts der nunmehr vorgelegten ärztlichen Zeugnisse sei weiter zu beachten, dass die Pflegestufen 1 und 2 bei der Erblasserin hier ab Herbst 1995 bzw. Oktober 1996 nicht wegen körperlicher Gebrechen bewilligt worden seien, sondern wegen der hier im Raum stehenden fortschreitenden demenziellen Symptomatik. Behauptungen in der Berufungsbegründung, wonach "die Persönlichkeit der Erblasserin etwas außerhalb der Norm" gelegen sei, sei deutlich zu widersprechen. Die "Wunderlichkeiten", die nach ca. 1993/1994 auftraten, seien Folge des beginnenden Krankheitsbildes, nicht Folge von "Extravaganz" oder "Exzentrik" gewesen. Insgesamt bringe die Berufungsbegründung keine wirklich neuen Argumente, die den Tatsachen entsprechen würden und geeignet wären, das sehr sachkundige und sehr sorgfältig erarbeitete Urteil des Erstgerichts in Frage zu stellen.

    Ergänzend wird auf den weiteren Inhalt der Berufungserwiderungschrift vom 11.01.2010 (Blatt 335/347 d.A.) Bezug genommen.

    Der Senat hat am 08.12.2010 einen Beschluss hinsichtlich der Einvernahme der Zeugen Kathleen I., Dorothea R., Klaus W., Christel W., Jürgen R., Dr. Helga H., Dr. Bernd B. und Dr. Axel S. erlassen. Im Termin vom 30.03.2011 wurden die Zeugen Kathleen I., Klaus W. und Christel W., im Termin vom 08.08.2011 die Zeugen Dr. Helga H. und Dr. Bernd B., im Termin vom 17.11.2011 die Zeugen Jürgen R., Dr. Axel S. und Dorothea R. einvernommen, im Termin vom 01.02.2012 die Zeuginnen Dagmar I. und Ulrike A.-R.-I., jeweils aufgrund entsprechender Beweisbeschlüsse. Im Termin vom 04.05.2012 wurden der Zeuge Dr. L.-K. und informatorisch der Beklagte sowie der Kläger zu 1) und der Kläger zu 3) angehört. Im Termin vom 01.02.2012 wurde ferner eine Videoaufnahme vom 29.08.1997, gebrannt auf DVD, über einen Besuch des Klägers zu 3) mit Ehefrau und Tochter bei der Erblasserin im Seniorenheim St. B. in Augenschein genommen.

    Aufgrund entsprechenden Beweisbeschlusses des Senats hat der Sachverständige Prof. Dr. med. Dr. phil. E (Nervenarzt, Psychotherapeut, Psychoanalytiker, Facharzt für Nervenheilkunde mit dem Schwerpunkt forensische Psychiatrie) am 04.05.2013 ein umfangreiches Gutachten (Blatt 563/634 d.A.) erstellt, das er im Termin vom 17.07.2013 mündlich erläuterte.

    Auf die vorbezeichneten Sitzungsprotokolle wird verwiesen. Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 28.08.2009 ist zulässig, aber nicht begründet.

    Das Urteil des Erstgerichts, das die letztwillige Verfügung der Erblasserin vom 13.08.1995 mangels Testierfähigkeit der Erblasserin als unwirksam ansieht, kommt zum zutreffenden Ergebnis, was sich in der wesentlich umfangreicheren Beweisaufnahme des Senats in Verbindung mit dem Gutachten von Prof. Dr. Dr. E vom 24.03.2013 bestätigt hat.

    Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. gelangte in seinem ausführlichen Gutachten vom 24.03.2013 zu dem Ergebnis, dass bei der Erblasserin in den Jahren 1993, 1994 eine demenzielle Entwicklung begann, 1995 bis 1996 eine mittelschwere Demenz aufgrund einer Alzheimer- Erkrankung mit einer gering- bis mäßiggradig ausgeprägten vaskulären Komponente, 1997 bis 1998 mittelschwere bis schwere und von 1999 bis 2005 schwere Demenz vorlag. Demenz stelle ein Störungs- und Krankheitsbild dar, das gewissermaßen nicht aus einem Guss sei, vielmehr aus einer Reihe von Komponenten bestehe: den kognitiven Störungen, den Wahrnehmungsstörungen, den Gedächtnisstörungen, den emotionalen Störungen, der Störung der Entscheidungsfähigkeit und ferner der Störung der vernünftigen Erwägungen.

    Insofern sei eine Beurteilung der Qualität einer Demenz nur durch die Zusammenführung dieser verschiedenen Gesichtspunkte möglich; dabei werde in der Literatur dem Störungsbild der erhöhten Formbarkeit ein besonderer Stellenwert bei der Störung der Testierfähigkeit zugesprochen. Bei der Erblasserin seien in den Jahren 1995 und 1996 deutliche ausgeprägte kognitive Störungen aufgetreten, insbesondere Merkfähigkeitsstörungen sowie Defizite kognitiver Leistungen; diese hätten häufige Handlungsdefizite, Hilflosigkeiten und Anlehnungsbedürftigkeit und damit eine deutlich ausgeprägte Formbarkeit des Willens bedingt. Wie der Sachverständige konstatierte, müsse, wenn der Betreffende bei einer mittelschweren Demenz auf fremde Hilfe angewiesen und somit in seinem Urteil nicht mehr frei von Einfluss interessierter Dritter sei, von einer Testierunfähigkeit ausgegangen werden. Vorliegend sei - so der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. - bei der Erblasserin im Jahre 1995 nicht nur temporär, sondern kontinuierlich ein Zustand der inneren Unfreiheit und der Formbarkeit und Abhängigkeit von Dritten entstanden. Die extreme Dependenz und Formbarkeit habe dazu geführt, dass Frau Margot I. nur noch partiell in der Lage gewesen sei, autonome Entscheidungen zu fällen. Tatsächlich hätten jedoch die neurokognitiven Fähigkeiten und die Persönlichkeitszüge so ausgebildet sein müssen, dass die Voraussetzungen, selbständig entsprechende Erwägungen anzustellen und nach diesen auch zu handeln, noch vorgelegen hätten - wie hier nicht (mehr).

    Zur Erstellung des Gutachtens konnte der Sachverständige den gesamten Akteninhalt einschließlich der Nachlassakten des Amtsgerichts Dortmund mit den Aktenzeichen 13 IV 44/06, 13 VI 18/06 und 13 VI 78/07 sowie der Betreuungsakten des Amtsgerichts Rosenheim mit dem Az. 1 XVII 515/98, ärztliche Berichte, von der Erblasserin stammende Briefe und Notizen sowie die in seiner Anwesenheit vom Senat am 30.03., 08.08. und 17.11.2011, 01.02. und 04.05.2012 durchgeführte Beweisaufnahme nebst Anhörung der dort geladenen (teilweise sachverständigen) Zeugen, darunter die früheren Gerichtsgutachter Dr. S. und Dr. L.-K., sowie die Videoaufzeichnung vom 29.08.1997 zugrundelegen.

    Für die Begutachtung hatte der Senat den Sachverständigen die Vorgabe gemacht, (vgl. Ziffer II. des Beschlusses vom 21.05.2012), dass in dem Gutachten darauf hinzuweisen sei, falls sich aus Zeugenaussagen Widersprüche zu gesicherten medizinischen/psychiatrischen Erkenntnissen ergeben sollten. Der Sachverständige solle ferner, sollten differierende Zeugenaussagen aus medizinisch-psychiatrischer Sicht in gleichem Maße ein realistisches Zustandsbild beschreiben, keine Bewertung der Glaubwürdigkeit eines Zeugen vornehmen, sondern die jeweiligen gutachterlichen Schlussfolgerungen daraus, dass einer bestimmten Aussage gefolgt werde, darstellen.

    Hinsichtlich der Aussagen der einvernommenen Zeugen und Parteien ist auf die Sitzungsniederschriften vom 30.03., 17.11. und 08.08.2011 sowie 01.02. und 04.05.2012, ferner auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2008 vor dem Landgericht Traunstein (Az.: 2 O 385/07) und auf das Protokoll vom 14.06.2007 des Landgerichts Traunstein (Az. 2 OH 1587/07, Blatt 52/56 d.A.) betreffend die Einvernahme des damals 93-jährigen Zeugen Fritz Sch. zu verweisen. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. hat in seinem Gutachten vom 24.03.2013 die Aussagen der im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Traunstein und dem Senat einvernommenen Zeugen, sachverständigen Zeugen (nebst ärztlichen Befundberichten und Gutachten) sowie der Parteien, außerdem Protokolle zur Anhörung der Erblasserin, ihre schriftlichen Äußerungen und Testamente unter Ziffer 2.0, 2.1, 2.2, 2.3 des Gutachtens in ihrem wesentlichen Gehalt dargestellt. Zur Vermeidung von bloßen Wiederholungen wird auf Seiten 5 - 54 des Gutachtens verwiesen, wo sämtliche wesentlichen Angaben, wie der Senat überprüft hat, zutreffend wiedergegeben sind.

    Der Senat hat - mit den nachfolgend dargestellten Einschränkungen - die getätigten Zeugenaussagen für glaubhaft und die einvernommenen Zeugen für glaubwürdig erachtet, soweit konkrete Tatsachen aufgrund konkreter nachvollziehbarer Beobachtungen bekundet wurden. Soweit sachverständige Zeugen Einschätzungen und Bewertungen zum Vorliegen eines Krankheitsbildes bei der Erblasserin abgaben, ist mangels erkennbaren Eigeninteresses bzw. Nähe zu einer der Parteien davon auszugehen, dass sie die sich ihnen darbietenden Erkenntnisquellen nutzten und zu diesen Erkenntnisquellen und den von ihnen hieraus gezogenen Folgerungen vor dem Senat wahrheitsgemäß aussagten.

    Der Senat verkennt nicht, dass die Angaben der informatorisch angehörten Parteien ebenso wie ihrer als Zeuginnen vernommenen Ehefrauen von den durch die jeweiligen Parteien in diesem Verfahren verfolgten Interessen möglicherweise nicht unbeeinflusst bleiben können. Der Senat konnte sich jedoch bei den Einvernahmen der Zeuginnen Dagmar I. und Ulrike A.x-R.-I. den Eindruck verschaffen, dass sie an einer objektiven Schilderung ihrer über einen längeren Zeitraum sporadisch gewonnenen Beobachtungen interessiert waren, was durch die Beobachtung bestätigt wird, dass sich ihre Ausführungen mit den Darstellungen eindeutig als neutral anzusehender Personen in Einklang bringen lassen.

    Die Angaben der Zeugen Jürgen und Dorothea R. sind nicht von der Tatsache zu trennen, dass sich wegen der Einsetzung von Jürgen R. als Betreuer der Erblasserin durch eine Entscheidung des Landgerichts Dortmund ein Rechtsstreit mit den Klägern zu 1) und 3) als Beschwerdeführer entfachte, und dass Jürgen R. als Zeuge angab, es hätten "verschiedene Briefe von Gunnar I. an das Gericht" existiert, "in denen ich durch den Dreck gezogen werde und in denen es hieß, dass dann, wenn ich Betreuer werde, das Geld wegginge, weil ich auch Rolf und Kathleen I. zuviel Geld zuschießen würde." Wenn sie geistige Defizite bei der Erblasserin bis Mitte des Jahres 1996 hinein nicht wahrgenommen haben wollen, kann dies nicht ohne weiteres den Feststellungen zugrunde gelegt werden. Der Zeuge R. hat seinen Eindruck von der Erblasserin im Jahre 1995 sehr verhalten ausgedrückt, dahingehend, dass nach dem 31.05.1995 ( Einleitung des Betreuungsverfahrens) "Frau I. irgendwie anders" gewesen sei, "irgendetwas gefiel uns nicht an ihr." Bis Herbst 1995 sei ihm an Frau I. keine Veränderung aufgefallen, dagegen im Oktober 1996 schon, dahingehend, dass sie z. B. nicht gewusst habe, dass sie schon seit 1 1/2 Jahren in R. gewesen sei. Demgegenüber bekundete die Zeugin Dorothea R. zwar, als sie im Herbst 1996 nach längerer Pause (zuletzt Spätsommer 95) die Erblasserin gesehen habe, sei "sie nicht mehr die Frau I." gewesen, "die ich optisch gekannt habe". Sie habe von irgendwelchen Gedächtnislücken nichts feststellen können. Widersprechen sich diese Angaben schon gegenseitig, ist des weiteren festzuhalten, dass ärztliche Berichte und Pflegegutachten für diesen Zeitraum anderes besagen:

    So der aufgrund Untersuchungen vom 18.01. und 25.01.1996 erstellte Befundbericht der Zeugin Dr. H., den diese als zutreffend bezeichnete: Hiernach lagen "nach Angaben der begleitenden Schwiegertochter" seit 5 Jahren Merkfähigkeitsstörungen bei der Erblasserin vor, "die seit 1 Jahr eine deutliche Akzentuierung zeigten." Sie könne sich durchaus noch gut konzentrieren, wobei die Gedächtnisleistungen fluktuierten, verlege aber ständig Sachen, auch das Notierte, wolle ständig zur Bank. Hiergegen spricht auch das Pflegegutachten des MDK Bayern vom 28.05.1996, basierend auf einer Untersuchung vom 20.03.1996. Hier wird u.a. angegeben "seit 1995 beginnende Hilfsbedürftigkeit, sehr vergesslich (unregelmäßige Nahrungsaufnahme, geistige Ausfälle)", "Einschränkungen: Kurzzeitgedächtnis geschwächt, KMS 14, verlegt ständig Sachen ... teilweise verwirrt (möchte Fahrkarte kaufen), kann selbständig keine Entscheidungen mehr treffen". Diese - durch erfahrene Ärzte bzw. Pflegekräfte - aufgenommenen und auf den Angaben der Betreuungsperson (Kathleen Ann I.) basierenden Angaben wurden nicht unter dem Blickwinkel eines zwischen den Söhnen der Erblasserin geführten Zivilprozesses erhoben und erscheinen gerade deshalb als authentisch und glaubwürdig.

    Dies spricht entscheidend dagegen, den Aussagen der Zeugen R. über den geistigen Zustand der Erblasserin in 1995 Gewicht beizumessen.

    Was die Angaben des vom Landgericht Traunstein am 14.06.2007 einvernommenen Zeugen damals 93-jährigen Fritz Sch.angeht, kann sich der Senat selbst keinen Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben (LG Traunstein, 2 OH 1581/07, Bl. 52/56) verschaffen. Nach den Angaben des Zeugen Sch. sah er ab 1974 bis zum Tod der Erblasserin diese ein- bis zweimal pro Jahr bei einem seiner Söhne in G. oder in Ro. Bei den letzten beiden Treffen sei sie schon bettlägrig gewesen, vorher sei noch eine einigermaßen brauchbare Verständigung zustandegekommen. Zusammen musiziert worden sei noch bis Anfang 2000. Der Zeuge gab an, "bei Frau I. abrupte Gesprächsabbrüche eigentlich nicht erlebt" zu haben, auch nicht den Eindruck gehabt zu haben, dass man mit ihr "auch in den letzten Jahren kein vernünftiges Gespräch mehr hätte führen können - im Gegenteil". Er habe auch "nie erlebt, dass Frau I. irgendwie durcheinander gekommen wäre, wo sie sich aufhält, oder was Zeiten, Jahreszeiten oder Jahre anbelangt, Jedenfalls könne er sich an nichts erinnern, was insoweit bemerkenswert wäre". Über finanzielle Angelegenheiten, Angelegenheiten der Familie und die persönliche Situation der Erblasserin hätten sie sich nicht unterhalten, Hauptthema sei die Musik und das gemeinsame Musizieren gewesen.

    Hält man diesen Ausführungen das Pflegegutachten des MDK Bayern vom 28.05.1996, das weitere vom 23.01.1997 ("bei ZNS und Psyche schwerer Einschränkungen, von 5 Begriffen kann nach 2 Minuten keiner mehr genannt werden, ... zeitweise weglaufgefährdet, die Gedächtnisleistung würde tagsüber nachlassen, Desorientiertheit zum Ort und zur Zeit. Kommunizieren können: eingeschränkt wegen Demenz") und das Pflegegutachten des MDK Bayern vom 25.03.1999 (Allgemeinbefund: "kein zielgerichtetes Gespräch möglich, freundlich") sowie das Anhörungsprotokoll des AG Rosenheim, Richter am AG Dr. Z., vom 02.04.1996, gegenüber, so wird deutlich, dass der Zeuge Sch. entweder durch die Fixierung auf gemeinsames Musizieren oder musikalische Themen den Zustand der Erblasserin nur so fokussiert wahrgenommen hat, dass daraus keine Schlüsse auf ihren Allgemeinzustand gezogen werden können, oder die nach den Angaben neutraler Personen vorhandenen erheblichen Ausfallerscheinungen bagatellisiert hat, geleitet möglicherweise von der Tendenz, der Beklagtenseite Unterstützung angedeihen zu lassen.

    Was schließlich die Aussage der Zeugin Kathleen Ann I. angeht, verkennt der Senat nicht, dass sie seit Mitte 1995 bis zum Tode der Erblasserin von allen einvernommenen oder angehörten Beteiligten den engsten Kontakt zur Erblasserin besaß und von daher am ehesten in der Lage gewesen wäre, ein genaues Bild von dem körperlichen und geistigen Zustand der Erblasserin zu zeichnen. Ihre ausführlichen, in dem Sachverständigengutachten Prof. Dr. Dr. E. unter 2.2.1 auf Seiten 26 bis 30 zutreffend zusammengefassten Angaben sind freilich, gemessen an den Angaben als neutral anzusehender (sachverständiger) Zeugen und dem Inhalt der (insbesondere auch von letzteren) herrührender Befunde/Unterlagen, nicht glaubhaft. Der Senat hat daher davon abgesehen, die von dieser Zeugin vor ihm am 30.03.2011 gemachten Angaben der Entscheidungsfindung zugrunde zu legen. Die in dieser Verhandlung getätigten Angaben dieser Zeugin zur Gesprächsführung mit der Erblasserin und zu ihrer Vergesslichkeit in 1994/1995, zu der Regelung ihrer finanziellen Angelegenheiten, zu der Fähigkeit, selbst Entscheidungen zu treffen und zu Verwirrtheitszuständen (ihren Angaben nach erst 1998/99 aufgetreten) widersprechen dem, was gegenüber der Zeugin Dr. H. angegeben wurde und auch der Zeuge Dr. B. aufgrund Untersuchung vom 26.03.1997 in Erfahrung brachte ("nach Angaben der begleitenden Schwiegertochter": " Nun, innerhalb eines Jahres (Anm. des Senats: seit Bericht Dr. H.) Zunahme der Gedächtnisstörungen.Teilweise sei die Patientin auch verwirrt, packe oftmals unvermittelt ihre Koffer und wolle zurück in die alte Wohnung nach D. ... Sie gehe oft im Ort spazieren und finde auch meistens zurück, habe sich allerdings auch schon verlaufen und nicht zurückgefunden") und dessen psychopathologischem Befund ("zeitlich völlig desorientiert, auch örtlich nur vage Vorstellungen. Sie kann Alter der Söhne nicht angeben, kennt nicht ihre jetzige Adresse "). Auch aus der Aussage des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Axel S., der die Erblasserin am 02.11.1995 in D. untersucht hatte, den bereits erwähnten Feststellungen in den Gutachten des MDK Ro. ( wobei die Zeugin Kathleen I. ie laut den Gutachten von der Betreuungsperson herrührenden Angaben als von ihr damals im Wesentlichen angegeben bezeichnete) und dem Anhörungsprotokoll vor dem Amtsgericht Rosenheim vom 02.04.1996 ergab sich ein wesentlich anderes Bild des geistigen Zustandes der Erblasserin und der insoweit noch gegebenen Fähigkeiten. Zudem hatte der Senat zu berücksichtigen, dass die Zeugin Kathleen I. als Ehefrau des durch das umstrittene Testament vom 13.08.1995 als Alleinerbe eingesetzten Beklagten ein erhebliches Interesse am Ausgang des Verfahrens besitzt. Sie war erstinstanziell selbst als Begünstigte eines der späteren Testamente Partei dieses Zivilprozesses und hat durch ihren Prozessbevollmächtigten die Auffassung vertreten lassen, für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin zum 13.08.1995, aber auch für eine Reihe nachfolgender Jahre, in denen die Erblasserin noch einen eigenen Willen gehabt und geäußert habe, sei kein Anzeichen von Testierunfähigkeit gegeben.

    Die Zeugen Klaus und Christel W. erschienen dem Senat voll glaubwürdig. Sie haben - aus der Sicht der den Sohn Manfred der Erblasserin über Jahre faktisch betreuenden Personen - detailliert die Gestaltung der zunächst durch die Erblasserin vorgenommenen Verwaltung der Angelegenheiten ihres Sohnes Manfred sowie deren Kontakte zu ihrem Sohn darstellen können. Sie schilderten eindrucksvoll die zurückliegenden Bemühungen der Erblasserin um ihren Sohn Manfred, wobei ihre Wertschätzung für die Erblasserin durchaus zum Ausdruck kam, und haben dann auch explizit dargelegt, in welchem Maße sich die Fürsorge der Erblasserin für den Sohn Manfred, parallel zu den von ihnen laienhaft festgestellten Ausfallerscheinungen, reduziert hat. Was den Besuch des Zeugen Klaus W. vom 18.11.1995 in R. angeht, sieht der Senat - schon unter dem Gesichtspunkt, dass anderweitige Angaben der Zeugin Kathleen I. durch neutrale Zeugen widerlegt sind - ungeachtet ihrer teilweise abweichenden Schilderung diejenige des Zeugen Klaus W. als vorziehenswert an. Inwieweit die Zeugen Wenk darüber hinaus an einem für die Kläger positiven Ausgang des Verfahrens speziell interessiert hätten sein können, ist beklagtenseits in keiner Weise plausibel gemacht. Aversionen bzw. Animositäten gegen den Beklagten und dessen Ehefrau ließen sich bei Tätigung ihrer Zeugenaussagen nicht feststellen.

    Aus der Gesamtheit der nach den vorstehenden Ausführungen zugrunde zu legenden Zeugenaussagen und Unterlagen ergibt sich für den Senat folgender Sachverhalt, wobei die Fülle des vorliegenden Materials zu einer Reduzierung auf wesentliche Aspekte, die die Entwicklung der geistigen Verfassung der Erblasserin bis zu ihrem Tod verdeutlichen, zwingt:

    Die zum Todeszeitpunkt 93-jährige Erblasserin wird allseits als hoch intelligente Person beschrieben, die mehrere Sprachen beherrschte, sehr musikalisch war, selbst Klavier gespielt und auch bezüglich der Ereignisse des Zeitgeschehens immer Interesse gezeigt hatte. Das Familienleben war als harmonisch qualifiziert worden, insbesondere die Sorge des Ehepaares Arno und Margot I.(Erblasserin) für den geistig behinderten Sohn Manfred (Kläger zu 2); mit diesem, der bei den Eheleuten W. seit 1957 lebte, hatte die Erblasserin - der es wichtig war, dass es ihm gut gehe und er auch ausreichend abgesichert sei - über nahezu vier Jahrzehnte regelmäßigen schriftlichen Kontakt gehalten. Die Erblasserin schrieb ihrem Sohn Manfred wöchentlich, wobei sie eine Rückantwort erwartete, besprach mit der Zeugin W. unter ausgiebiger Diskussion und Nachfrage die verschiedensten Themen, auch Angelegenheiten von Manfred, kam etwa im Jahr zweimal bei ihnen zu Besuch und holte Manfred ab. Die Erblasserin war lange Zeit hinsichtlich der Kontakte zu den Eheleuten W. und ihrem Sohn Manfred äußerst zuverlässig, auch hinsichtlich der Terminswahrnehmung. 1994 wurden die Schreiben der Erblasserin an den Sohn Manfred nicht nur in der Frequenz deutlich weniger, sondern veränderten sich auch im äußeren Erscheinungsbild, waren nunmehr äußerst kurz und von banalem Inhalt. Ab Mitte 1995 blieben Briefe und Anrufe dann (nahezu) ganz aus. Darüber hinaus änderte sich auch das Verhalten der Erblasserin im Zeitraum Ende 94/ Anfang 95 hinsichtlich deren Kurzzeitgedächtnisses: Aktuelle Dinge konnten die Eheleute Wenk mit der Erblasserin nicht mehr besprechen , sie war sprunghaft in den Gedanken und vergaß das zuletzt Gesagte, Termine konnten nicht mehr vereinbart werden. Aufgrund des sich abzeichnenden Unvermögens, die Angelegenheiten des Sohnes Manfred noch ausreichend zu besorgen, wurde schließlich im Mai 1995 ein Betreuungsverfahren für den Kläger zu 2) beim Amtsgericht angeregt.

    Schon 1993 waren bei der Erblasserin erste geistige Schwächen aufgetreten, sinnlose Käufe und unsinnige Bestellungen getätigt, für Teilnahme an Lotterien und Gewinnspiel mit Gewinnversprechungen entsprechende Abbuchungsaufträge erteilt worden. Bei Gesprächen ab 1993 trat zutage, dass die Erblasserin nicht mehr so konzentriert war wie sonst; eine gewisse Abwesenheit fiel auf. Der Gedankengang war sprunghaft. Etwa im Herbst 1994 hatte sie ihr Fahrzeug, einen gepflegten Mercedes, ohne diesbezüglich Rücksprache mit ihren Familienangehörigen zu nehmen, für 400,-- DM an einen Holländer verkauft.

    Ende Mai 1995 kam es zu obskuren Teppichgeschäften. Die Erblasserin erschien bei ihrer langjährigen Kundenbetreuerin bei der D. Bank in D. in Begleitung eines ausländisch aussehenden jüngeren Mannes und forderte die Bankmitarbeiterin auf, Wertpapiere in Höhe von 11.000,-- DM aus ihrem Wertpapierdepot schnellstmöglich zu verkaufen, da dieses Geld dem sie begleitenden Mann, der wieder nach Persien müsse, übergeben werden solle. Wie die langjährige Kundenberaterin feststellte, waren erst ein paar Tage zuvor insgesamt 15.000,-- DM vom Konto abgehoben worden und befand sich das Konto entgegen den sonstigen Gepflogenheiten der Erblasserin bereits im Minus. Auch hatte die Erblasserin bereits zuvor von einem weiteren Konto bei der P.bank derart hohe Geldbeträge abgehoben, dass sich das Konto bis zum Kreditlimit im Minus befand, ebenfalls wegen angeblicher Teppichkäufe. Die ermittelnde Polizeibehörde stufte die ihr gegenüber geäußerten Reaktionen auf die polizeiliche Befragung dahingehend ein, dass "die Geschädigte offensichtlich bis jetzt nicht wahrnehmen habe wollen, dass sie offensichtlich betrogen wurde "und" scheine den Täter decken zu wollen, da sie in diesem lediglich den freundlichen Teppichverkäufer sieht".

    Auf den am 30.05.1995 von dem Kläger zu 3) beim Amtsgericht Dortmund gestellten Antrag auf Errichtung einer Betreuung für seine Mutter Margot I. kam es zu einem Zerwürfnis der Erblasserin mit den Klägern zu 1) und 3). Diese nahm den richterlichen Anhörungstermin in dem für den Sohn Manfred I. eingeleiteten Betreuungsverfahren am 09.06.1995, zu dem sie ihr Erscheinen zugesagt hatte, nicht wahr, sondern suchte an diesem Tag die Familie des Beklagten Rolf I. in T./R., auf, wo sie seitdem wohnhaft war. Seit dem 09.06.1995 riss der gute Kontakt zum Sohn Manfred plötzlich ab, Post für ihn kam nur ganz vereinzelt, Anrufe von Seiten der Erblasserin fanden nicht statt. Versuche, die Erblasserin telefonisch in R. zu erreichen, scheiterten, Telefonate wurden nicht weitergereicht. Während die Erblasserin sich bei früheren Besuchen sehr mit ihrem Sohn Manfred befasst hatte, blieb sie bei einem im Juli 1995 gemeinsam mit den Beklagten zu 1) und 2) mit dem Auto durchgeführten Besuch in Gut D. (gemeinsamer Wohnsitz der Eheleute W. und des Klägers zu 2), im Auto sitzen, statt auszusteigen um ihren Sohn zu begrüßen.

    Beginnend mit dem 13.08.1995 (streitgegenständliches Testament, mit welchem die Erblasserin den Beklagten zu 1) zum Haupterben bestimmte und die Kläger zu 1) - 3) auf den Pflichtteil setzte) bis einschließlich 20.09.1997 errichtete die Erblasserin 19 Verfügungen Todes wegen, wobei die weiteren Testamente durchwegs eine Bestätigung der Einsetzung des Sohnes Rolf sowie zum Teil auch die Anordnung der Entziehung des Pflichtteils hinsichtlich der weiteren Söhne enthielten.

    Am 18.11.1995 besuchte der Zeuge Klaus W. die Erblasserin an ihrem Wohnort in T. Ihm fiel bei der Unterhaltung mit der Erblasserin auf, dass sie nicht wusste, wie lang sie schon in R. lebe und sich nicht nach ihrem Sohn Manfred erkundigte. Ihr Kurzzeitgedächtnis nahm der Zeuge als gestört wahr, desgleichen, dass sie am aktuellen Zeitgeschehen nicht interessiert war und erklärte, sie werde morgen wieder nach D. fahren. Das Gespräch wurde mit der Aufforderung des Beklagten zu 1), sie müsse jetzt mitkommen und ihre Medizin einnehmen, beendet. Dieser Aufforderung kam sie - wie es der Zeuge empfand - willenlos nach.

    Zwei Wochen vorher, am 04.11.1995 hatte in der Wohnung der Erblasserin in Dortmund ihre Begutachtung durch den gerichtlich beauftragten Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. stattgefunden, der im Gutachten vom 08.12.1995 den mehrstündigen Gesprächsverlauf ausführlich schilderte. Der Gutachter kam im psychopathologischen Befund zu dem Ergebnis, dass bei der Probandin eine Störung des formalen Denkablaufs mit Weitschweifigkeit, Sprunghaftigkeit und Verlieren in Details vorlag. Es waren bereits deutliche Zeitgitterstörungen, insbesondere bezogen auf die jüngere Vergangenheit, ebenso Unsicherheiten bezüglich lebensgeschichtlicher Daten erkennbar. Auch sah der Gutachter die Merkfähigkeit deutlich beeinträchtigt, so dass entscheidende Fakten in Gesprächsfolge auch immer wieder vergessen wurden. Zudem sah er die Kritikfähigkeit der Betroffenen als gemindert, mit deutlichen Schwankungen in Urteils- und Willensbildung. Dr. S. hielt seinerzeit ein beginnendes demenzielles Syndrom für gegeben, wobei er das Ausmaß dieser Beeinträchtigung so schwerwiegend einschätzte, dass die Betroffene nicht mehr in der Lage erschiene, ihre finanziellen Angelegenheiten mit fachgerechter Übersicht und Urteilsfähigkeit eigenständig zu regeln. Das Gutachten wies darauf hin, dass die Geschäftsunfähigkeit der Probandin nicht offensichtlich erkennbar und die Beeinflussbarkeit ihrer Willensbildung nicht unerheblich sei.

    Am 18. und 25.01.1996 suchte die Erblasserin zusammen mit der Zeugin Kathleen I. die Ärztin Dr. H. (Neurologin) auf. Diese führte im Befundbericht u.a. aus, dass nach der begleitenden Schwiegertochter "seit 5 Jahren Merkfähigkeitsstörungen auffielen, die seit 1 Jahr eine deutliche Akzentuierung zeigten". Und weiter: "Wegen zunehmender Leistungseinbuße, z. B. Erledigung der Hausverwaltung, Liebenbleiben von Rechnungen und wohl auch wegen unsinniger Käufe und nicht mehr regelmäßigen Kochens sei sie vor 7 Monaten von ihrem Sohn nach R. geholt worden ... ihre Gedächtnisleistungen fluktuierten". Frau Dr. H. stellte bei gezielter Prüfung eine Einbuße der kognitiven Leistungen bei noch relativ gutem Altgedächtnis, aber dort auch mit leichter Auflockerung des Zeitgitters fest. Die Erblasserin war nach dem Eindruck der Ärztin geistig noch regsam, Gespräche mit hohem kognitiven Anforderungen an das Leistungsniveau der Patientin führte sie nicht. Das aufgrund des auffälligen psychopathologischen Befundes von ihr in Auftrag gegebene Schädel-CT förderte nur gelegentliche Durchblutungsstörungen im Bereich der Temporallappen zu Tage.

    Am 20.03.1996 wurde die Erblasserin durch den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) zur Feststellung der Pflegestufe untersucht. Als pflegebegründende Diagnose wurde ein demenzielles Syndrom bei Verdacht auf Morbus Alzheimer festgestellt. Im Bezug auf zentrales Nervensystem und Psyche stellte die Pflegefachkraft fest, dass das Kurzzeitgedächtnis der Erblasserin geschwächt sei, sie ständig Sachen verlege, teilweise verwirrt und immer in Hast sei, selbständig keine Entscheidungen mehr treffen könne. Als Vorgeschichte wurden eine seit Mai 1995 beginnende Hilfsbedürftigkeit und Vergesslichkeit, unregelmäßige Nahrungsaufnahme und geistige Ausfälle festgestellt. Das Gutachten des MDK gelangte zu einem erheblichen Hilfebedarf in der Grundpflege.

    Am 02.04.1996 wurde die Erblasserin durch den Richter am Amtsgericht Rosenheim Dr. Z. in der Wohnung des Beklagten zu 1) in T. angehört. Hinsichtlich ihrer Äußerungen und der im Rahmen der Anhörung getroffenen Feststellungen wird auf die Akte des Amtsgerichts Rosenheim, Akt.Z. 1 XVII 0515/98, Blatt 143/146 und 147 verwiesen.

    Am 14.05.1996 wandte sich die Erblasserin in zwei persönlichen Schreiben an Richter S.-E. in D. Auf die vorgenannte Akte des Amtsgerichts Rosenheim, Blatt 156 und 157 wird verwiesen.

    Am 18.05.1996 verfasste die Erblasserin dann zwei Testamente: In einem enterbte sie ihren Sohn Gunnar, im anderen den Sohn Hartmut, der sie durch seinen Eingriff in ihre persönlichen Rechte in Vermögenssachen sehr gekränkt habe.

    Nachdem das Amtsgericht Dortmund am 22.05.1996 Betreuerbestellung mit den Aufgabenkreisen Vermögensangelegenheiten und Aufenthaltsbestimmungsrecht zunächst bis 08.12.1997 angeordnet hatte, wandte sich die Erblasserin am 29.05. mit handschriftlichen Schreiben an ihre Söhne Hartmut und Gunnar und machte ihnen wegen der "Entmündigung" Vorwürfe.

    Im Herbst (Oktober 1996) suchten die Eheleute R. die Erblasserin in T. auf. Der betreuende Arzt äußerte in einem längeren Gespräch gegenüber dem Zeugen R., dass der Zustand der Erblasserin wechselhaft sei, sie an einem Tag allen habe folgen können und an anderen quasi geistig weg gewesen sei. Der Zeuge R. nahm zu dieser Zeit die Entscheidung über die finanziellen Angelegenheiten der Erblasserin eigenständig in die Hände, da er davon ausging, sie könne dies nicht mehr entscheiden; die Kommunikation erfolgte nur noch schriftlich, der Zeugin Dorothea R. fiel die optische Veränderung der Erblasserin auf, sie nahm sie als "ziemlich zusammengesunken" wahr.

    Das am 23.01.1997 erstellte Pflegegutachten des MDK Bayern weist schwere Einschränkungen der Erblasserin in Gedächtnisleistung und Kommunikation sowie in den Verrichtungen des täglichen Lebens aus. Die Diagnose lautete auf demenzielles Syndrom bei Verdacht auf Morbus Alzheimer, die Pflegestufe 2 wurde rückwirkend seit Oktober 1996 bejaht.

    Am 26.03.1997 untersuchte der Neurologe Dr. B. die Erblasserin: Aufgrund der Angaben der begleitenden Schwiegertochter attestierte der Arzt innerhalb eines Jahres eine Zunahme der Gedächtnisstörungen, teilweise Verwirrtheit der Patientin, die oftmals ihre Koffer packe und zurück in die alte Wohnung nach D. wolle. Sie habe sich bei Spaziergängen im Ort auch schon verlaufen. Der von Dr. B. erhobene psychopathologische Befund ergab in zeitlicher Hinsicht eine völlige Desorientiertheit, in örtlicher Hinsicht nur vage Vorstellungen der Erblasserin. Anhand der damals von ihm durchgeführten Untersuchungen schätzte er die Patientin als nicht mehr testierfähig ein.

    Am 29.08.1997 kam es zu einem Besuch des Klägers zu 3) mit Ehefrau und Tochter bei der Erblasserin im Seniorenheim. Die Erblasserin zeigte sich gegenüber den Besuchern freundlich, die Auseinandersetzung bezüglich Betreuungsverfahren, Testamenten und der Darlehensrück- forderung wurde nicht thematisiert, es kam zu keinerlei Vorwürfen und Beschuldigungen, auch nicht zu einer echten Auseinandersetzung bezüglich dieser Themen. Während des Besuches vergaß die Erpresserin immer wieder den Namen des Enkelkindes, erinnerte sich auch nicht an das Geburtsdatum ihres Sohnes Gunnar und fragte nach dem aktuellen Jahr, um sein Alter auszurechnen. Während sie in einem noch am selben Tage verfassten Schreiben an Jürgen R. zum Ausdruck brachte, sie wisse nicht, wie der Irrtum entstanden sei, sie wolle den Sohn Gunnar nicht mehr sehen, und wolle dies richtig stellen, es sei selbstverständlich, dass sie ihre Kinder so oft wie möglich sehen wolle (Beiakte AG Rosenheim, Blatt 342), widerrief sie in darauf folgenden Schreiben alle Erklärungen und Äußerungen, die sie im August 1997 gemacht haben könnte, begründete ihre in vorherigen Testamenten getroffenen Entscheidungen und brachte ihre Empörung über das von Gunnar und Hartmut betriebene Betreuungsverfahren zum Ausdruck, wobei nun auch deren Abkömmlinge vom Erbe ausgeschlossen sein sollten.

    Am 27.10.1998 nahm der Neurologe Dr. B. erneut eine Untersuchung der Erblasserin vor. Er stellte eine im Vergleich zum Vorjahr leichte Progredienz der Gedächtnisstörungen und Defizite im täglichen Leben fest. So müsse die Erblasserin ständig zum Essen und Trinken angehalten werden. Frage man sie nach ihrer Lektüre von Büchern und Zeitungen , was sie gelesen habe, würde sie das Gelesene nur noch einmal vorlesen, es lägen weiterhin extreme Störungen des Kurzzeitgedächtnisses und Desorientiertheit bezüglich Ort und Zeit vor.

    Am 28.01.1999 explorierte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ulrich L.-K. die Erblasserin im gerichtlichen Auftrag. Im Rahmen dieser Exploration konnte sie sich an einen kürzlich stattgefundenen Krankenhausaufenthalt nicht mehr erinnern, konnte auch den Ortsnamen nicht benennen und war zeitlich nicht mehr orientiert. Der Gedankengang war völlig inkohärent mit einer teilweise völlig sinnlosen Aneinanderreihung von Wörtern. Weiter wird in dem Gutachten das formale Denken als völlig zerfahren beschrieben, es kommt zu Vorbei- und Danebenreden. Auffassung und Konzentration und auch die Gedächtnisfunktionen zeigten sich massivst beeinträchtigt. Diagnostisch wird vom Gutachter B. ein deutlich fortgeschrittener demenzieller Abbauprozess beschrieben, die Fortführung der Betreuung mit Erweiterungen wurde befürwortet.

    Am 25.03.1999 erfolgte eine erneute Untersuchung durch eine Pflegefachkraft des MDK. Dabei war ein zielgerichtetes Gespräch mit der Erblasserin nicht mehr möglich, sie wurde als stark weglaufgefährdet bezeichnet, biographische Daten, etwa die Anzahl ihrer Kinder, waren nicht mehr erinnerlich, der Name der Schwiegertochter und der aktuelle Wochentag konnte nicht mehr genannt werden. Es bestand eine Desorientierung zu Ort, Zeit und Person, zeitweise motorische Unruhe mit Tag- und Nachtumkehr.

    Briefe existieren von der Erblasserin noch bis ins Jahr 2000 hinein, wobei die zuletzt gefertigten vom 07.06.1999, 08. und 29.05.2000 kurze Schreiben an den Betreuer Jürgen R. sind, die Bitte um die Zurverfügungstellung von jeweils 2.500,-- DM für die Enkelkinder Peter, Brigitte und Ingrid (Kinder der Beklagten) enthaltend.

    Am 20.09.2000 wurde die Erblasserin erneut durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen (Pflegekraft D.) begutachtet. Dabei wurde festgestellt, dass eine sinnvolle Unterhaltung mit der Erblasserin kaum möglich war, sinnvolle Antworten kaum zu erhalten waren, sie völlig desorientiert war, sich nicht mehr sinnvoll beschäftigen konnte sowie Durchschlafstörungen und Weglauftendenzen bestanden. Aufgrund eines weiteren Hausbesuchs am 06.06.2001 wurde die Pflegestufe rückwirkend ab März 2001 auf Stufe 3 angehoben, die Erblasserin war fast ausschließlich bettlägrig, umfassend hilfebedürftig, nahm am Gespräch nicht teil; im Bereich der Psyche wurde eine ausgeprägte Demenz mit Abwehr bei pflegerischen Tätigkeiten, nun auch Essstörung, konstatiert.

    Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Befunderhebungen der sachverständigen Zeugen Bezug genommen.

    Unter Zugrundelegung dieses Sachverhalts und nach eingehender Prüfung des umfassenden und sorgfältig erstellten Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. E. machte sich der Senat die darin enthaltenen Ausführungen zu eigen. Im einzelnen:

    In seinem Gutachten vom 24.03.2013 wertet der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. auf Seiten 49 f. die schriftlichen Äußerungen der Erblasserin (Briefe und Testamente), auf Seite 54 f. (die Video-Aufzeichnung, auf den Seiten 56 - 62 ärztliche Zeugenaussagen/Gutachten/Befunde, sonstige Zeugenaussagen, Befragungsergebnisse von Amtspersonen, Briefe der Erblasserin, Sequenz der Testamente und die Video-Aufzeichnung nach Defiziten hinsichtlich Gedächtnisleistungen (unterschieden in Altgedächtnis und Merkfähigkeit), Defiziten hinsichtlich kognitiver Leistungen, Defiziten hinsichtlich vernünftiger Erwägungen und hinsichtlich erhöhter Formbarkeit der Erblasserin jeweils semiquantitativ aus. Auf die dortigen Tabellen I - V wird verwiesen. Die Auswertungen der ärztlichen Zeugenaussagen/Gutachten und Befunde fasst der Sachverständige dahingehend zusammen, dass bei der Erblasserin in den Jahren 1995 und 1996 deutlich ausgeprägte kognitive Störungen, insbesondere Merkfähigkeitsstörungen, und Defizite kognitiver Leistungen auftraten sowie eine deutlich erhöhte Formbarkeit.

    Unter Verweis auf die Aussage der Zeugin Christel W. vor dem Landgericht Traunstein (s. Gutachten S. 58) hob der Sachverständige hervor, dass sich in dem Schluss dieser Ausführungen eine tiefe Ambivalenz der Erblasserin als Folge der Entscheidungs-Unfähigkeit zeigte: Sie sei hilflos, anlehnungsbedürftig, es komme zum Aufbau einer kognitiv-mentalen Fassade zum Selbstschutz ihrer Ansprüche an sich selbst. Die Aussage des Zeugen Klaus W. vor dem Landgericht Traunstein offenbare eine Veränderung des Persönlichkeitsprofils der Erblasserin im Sinne einer Störung der "Kontinuität der Person" (Gutachten S. 58). Es handle sich um einen Persönlichkeitswandel, der beinhalte, dass die Erblasserin von der sie bisher auszeichnenden autonomen Persönlichkeit aufgrund ihrer kognitiven Defizite (die sie sich nicht eingestehen habe wollen) in eine Persönlichkeit mit sehr starker Formbarkeit, fast Willenlosigkeit im Sinne einer hilfesuchenden anlehnungsbedürftigen, Geborgenheit suchenden Persönlichkeit übergewechselt sei. Auch die Aussage der Zeugin Dagmar I. habe starke Hinweise auf stark erhöhte Formbarkeit ergeben, denn die Erblasserin habe sich offenbar "abschotten" lassen (Gutachten S. 59).

    Hinsichtlich der Anhörung der Erblasserin durch den Richter am Amtsgericht Dr. Z., Amtsgericht Rosenheim, vom 02.04.1996 sah der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. (Gutachten S. 59f.) eindeutige Hinweise auf eine extreme Ambivalenz der Erblasserin; sie wisse nicht, was sie genau möchte. Aus ihren Aussagen sei sehr deutlich zu erkennen, wie sehr durch die demenzbedingte Erinnerungsstörung ihre Hilflosigkeit, ihre Ambivalenz und damit Anlehnungsbedürftigkeit an die gerade Anwesenden entstehe, denen sie es recht machen wolle (aufschlussreich die Passage: "Ich muss nachhause, warum sitze ich hier überhaupt noch? So geht das nicht. Mein Sohn Rolf fühlt sich für mich verantwortlich. Er hält nicht viel davon, dass ich wieder nach D. ziehe. Hier ist meine Familie.")

    Der Sachverständige interpretierte diese Aussage psychopathologisch so (Gutachten Seiten 59/60), dass die Erblasserin in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zuerst immer überintelligent und überkompetent und eindeutig in ihren Aktivitäten und Entscheidungen gewesen sei. Dann, durch kognitives Impairment, sei sie offenbar in die Situation gekommen, sich dies nicht eingestehen zu wollen und zu können, wodurch sie gegen diejenigen ihrer Söhne, die diese Defizite deutlich machten, ankämpfte: "Letztlich gegen sich selbst, gegen ihre Beeinträchtigungen ankämpfte (durch einen Kampf nach außen, gegen die Söhne und die Gerichte)." Hierdurch sei sie möglicherweise hilfsbedürftiger, als sie hätte sein müssen, geworden und damit auch - durch diese dadurch entstehende Hilflosigkeit - formbarer als es den Anschein nach außen hin (für Unbeteiligte) gehabt haben mag - dies im Sinne des "Aufbaus einer Fassade".

    Aus der Sequenz der Testamente und testamentarischen Erklärungen - so der Sachverständige (Gutachten Seite 62) - würden Sprunghaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Erblasserin extrem deutlich: Zuerst werde der Sohn Manfred ohne jede Begründung auf seinen Pflichtteil gesetzt, dann würden zwei Söhne enterbt, schließlich hätten sie wieder ihre Pflichtteilsansprüche, auch Rolf (Beklagter zu 1), und Manfred erhalte die Wohnung in D. "für sein Alter". Dann werde wieder die Enterbung der Söhne Hartmut und Gunnar in einem 3 Wochen später abgefassten Testament begründet.

    Die Auswertung der schriftlichen Äußerungen der Erblasserin (Briefkonvolute sowohl aus den 60iger Jahren als auch aus den verfahrensrelevanten Zeiten zwischen 1995 bis zum Jahre 2000) durch den Sachverständigen (Gutachten Seite 49) ergibt, dass die frühen Briefe in der Regel fehlerlos mit Schreibmaschine geschrieben sind und sprachlich sehr differenziert und inhaltsreich familiäre und psychosoziale/kulturelle Inhalte darstellen. Aus den Jahren 1994/1995 existierten noch maschinengeschriebene Briefe, z. B. an die Autoversicherung sowie den ADAC, die mit Durchstreichungen und Verbesserungen versehen sind. Bei den dann im Wesentlichen handschriftlichen Briefen falle wiederum auf, dass die Schrift in der Regel nach wie vor sehr klar und zum Teil regelrecht gestochen ist, zum Teil aber auch vergröbert, mit größeren Buchstaben, und zum Teil auch auffällige Wechsel innerhalb des Briefes im Schriftbild. Eine mögliche Erklärung hierfür findet der Sachverständige in der Widersprüchlichkeit der Person, die sich direkt in den verschiedenen einander abwechselnden Handschriften zeige (Gutachten S. 52). Insgesamt würden in den Briefen der Jahre 1995/1996 bis 2000 im Wesentlichen Feststellungen getroffen und erhebliche Vorhaltungen gemacht. Für diese Vorhaltungen würden auch Begründungen geliefert, die durchaus in sich nachvollziehbar und schlüssig seien. Erwägungen im Sinne eines Für und Wider würden allerdings nicht angestellt (Gutachten S. 49). Aus einigen dieser Schreiben (so dem vom 04.09.1997 an Jürgen R.) werde deutlich, dass sich die Autorin der Briefe zum Teil auch an vorher geschriebene Texte nicht erinnern könne (Gutachten S. 52).

    Die Video-Aufzeichnung vom 29.08.1997 belegte nach den Ausführungen des Sachverständigen (Gutachten Seite 54 f.) zahlreiche neuropsychologische Auffälligkeiten in der Gesprächsführung der Erblasserin: Eine sehr ausgeprägte kognitive Fassade, mit guten Formulierungen und klaren Sätzen, hinter der enorme Defizite auftauchten (so konnte sie die Frage, wie lange sie schon in R. sei, nicht zutreffend beantworten, gab an, zwischendurch mal nach D. gefahren zu sein, bot ihrem Sohn Gunnar an, da kann er jederzeit hinfahren, da schlafen und dort leben). Hier erweise sich - so der Sachverständige - die perfekte Fassadenhaftigkeit der Erblasserin: Sie sei psychomotorisch und neurologisch in sehr gutem Zustand und könne mit dem kleinen Kind sehr gut umgehen, aber sie könne sich kaum den Namen des Kindes merken und bringe vieles durcheinander.

    Zur von ihm verwendeten semiquantitativen Methode führte der Sachverständige aus (Anhörung vom 17.07.2013, Protokoll S. 3, letzter Absatz), dass im Gegensatz zu einer rein quantitativen Methode, die Messwerte enthalte, sog. Schätzskalen eingesetzt würden. Dabei werde versucht, im Wesentlichen nicht Bewertungen von Zeugen, sondern Sachaussagen von Zeugen zu verwenden. Psychopathologische Beurteilungen stellten immer einen Mustererkennungsprozess dar. Darunter sei zu verstehen, dass eine größere Anzahl von Symptomen, die von verschiedenen Informationsquellen stammen, zusammengeführt würden. In seinem Gutachten zeige er im Einzelnen auf, welche Punkte dieses Musters für das Ergebnis von größter Bedeutung seien. Wenn einzelne Punkte eines solchen Musters sich änderten, werde dadurch noch nicht das gesamte Muster falsch.

    Demenz - so der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. (Protokoll S. 3) - sei ein Störungs- und Krankheitsbild, das gewissermaßen nicht aus einem Guß sei. Es bestehe vielmehr aus einer Reihe von Komponenten: einmal der kognitiven Störungen, der Wahrnehmungsstörungen, der Gedächtnisstörungen, der emotionalen Störungen, der Störung der Entscheidungsfähigkeit und ferner der Störung der vernünftigen Erwägungen. Insofern sei eine Beurteilung der Qualität einer Demenz nur durch die Zusammenführung dieser verschiedenen Gesichtspunkte möglich. In der Literatur werde dem Störungsbild der erhöhten Formbarkeit ein besonderer Stellenwert bei der Störung der Testierfähigkeit zugesprochen, wie z. B. durch Prof. C., Prof. F. und Prof. W. Die Frage, ob eine Demenz leichtgradig, mittelschwer oder schwer sei, müsse im Hinblick auf die 4 verschiedenen Dimensionen der Demenz (Gedächtnisleistungen, kognitive Leistungen, Fähigkeit zu vernünftigen Erwägungen, Formbarkeit) beurteilt werden. Die Auswertung mittels Skalierungen ergebe im Hinblick auf Gedächtnisleistungen, vernünftige Erwägungen und Formbarkeit der Erblasserin einen Kontrast zu anderen kognitiven Leistungen. Wenn man bei den diagnostischen Kriterien die DSM 3-Methode der amerikanischen Psychiatrie anwende, werde für die mittelschwere Demenz angenommen, dass eine selbständige Lebensführung mit Schwierigkeiten möglich und ein gewisses Ausmaß an Aufsicht erforderlich sei; diese Situation sei im Jahre 1995 bei Frau I. gegeben gewesen. Hier habe in den Jahren 1993 - 1994 eine beginnende demenzielle Entwicklung vorgelegen, 1995 - 1996 mittelschwere Demenz aufgrund einer Alzheimerschen Erkrankung mit einer gering- bis mäßiggradig ausgeprägten vaskulären Komponente, 1997 - 1998 mittelschwere bis schwere Demenz, 1999 - 2005 schwere Demenz.

    Der Sachverständige hat sich auch im Hinblick auf die Problematik der Beweisbarkeit einer Testierunfähigkeit mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei der Erblasserin eine vaskuläre Demenz möglich bzw. wahrscheinlich sei bzw. eine Mischform (zwischen vaskulärer und rein metabolisch bedingter Alzheimer-Demenz) vorliege, weil bei derartigen Konstellationen dann auch Fluktuationen möglich gewesen wären, die bedeuten, dass auch in einer besonders neurokognitiv guten Verfasstheit ein Testament - wie hier das verfahrensgegenständliche vom 13.08.1995 - hätte errichtet worden sein können.

    Für den Zeitraum Frühjahr 1995 in D. (Teppichkäufe) schloss der Sachverständige (Gutachten Seite 64 f.) zwar nicht aus, dass der Ernährungszustand und die Trinkmenge evtl. unzureichend gewesen sein könnten. Bei der Untersuchung durch Frau Dr. H. in Ro. am 25.01.1996 seien jedoch die Befunde der intra- und extrakraniellen Gefäße nur geringgradig pathologisch auffällig gewesen. Darüber hinaus sei bei der Begutachtung durch den MDK im Jahre 1996 zwar eine Unterernährung festgestellt worden (Kachexie), während ein Jahr später (1997) der Ernährungszustand als normal beschrieben wurde. Die kognitiven Leistungen hatten sich jedoch - so der Sachverständige - über diesen Zeitraum verringert. Nachdem darüber hinaus erst im Jahre 1999 bei einem Aufenthalt der Erblasserin im Krankenhaus Ro. TIA-ähnliche Hirndurchblutungsstörungen festgestellt worden waren, könne die vaskuläre Komponente der demenziellen Erkrankung als geringgradig klassifiziert werden. Die Wechselhaftigkeit der kognitiven Leistungen sei eher auf die rasche Ermüdbarkeit und auf mangelnde kognitive Reservekapazitäten der Erblasserin zurückzuführen, als auf primär hirndurchblutungsbedingte Defekte.

    Der Annahme einer mittelschweren Demenz im Zeitraum 1995/1996 steht nicht entgegen, dass die Erblasserin durchaus damals noch zu musikalischen Aktivitäten wie Cello- und Klavierspielen in der Lage war. So konstatierte schon der Erstgutachter F. im Gutachten vom 04.08.2008 (Seite 42), dass sogar bei ausgeprägter Demenz in manchen Spezialgebieten oder Hobbys eine noch überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit bestehen kann. Wenn die Erblasserin ihr Leben lang musiziert und Klavier gespielt habe, ließe dies vermuten, dass diese Leistungen noch lange erhalten blieben. Auch mag die Erhaltung des Altgedächtnisses bewirkt haben, dass mit der Erblasserin geführte Gespräche über lange zurückliegende Sachverhalte der Vergangenheit (wie etwa vom Zeugen W. im November 1995 und vom Zeugen Sch. beschrieben) einen unauffälligen Eindruck hinterließen, obwohl, wie sich etwa aus dem Gutachten S. ergebe, schon recht eindrückliche Gedächtniseinbußen, insbesondere des Kurzzeitgedächtnisses, vorlagen und auch und die fehlende selbstkritische Realisierung dieser erheblichen Gedächtnisdefizite bei der Erblasserin konstatierbar war.

    Soweit in der Berufungsbegründung vorgebracht wird (Ziffer 8 der Berufungsbegründung, 01.12.2009), die Persönlichkeit der Erblasserin habe etwas außerhalb der Norm gelegen, eine gewisse Fahrigkeit und Sprunghaftigkeit habe über viele Jahre hinweg zum intellektuellen Persönlichkeitsbild der Erblasserin gehört, diese habe sich gern als Künstlerin, als eine in Maßen extravagante Persönlichkeit, die immer schon ein wenig exzentrisch erschienen sei, geriert, hält dies den in der Beweisaufnahme, vor allem durch Einvernahme der sachverständigen Zeugen getroffenen Feststellungen nicht stand. Insbesondere bekundete der Zeuge S., ein erfahrener Arzt für Neurologie und Psychiatrie, die das ihm gegenüber in dem Begutachtungstermin von der Betroffenen an den Tag gelegte evidente Vergesslichkeit sei nach seinen gerontopsychiatrischen Erfahrungen nicht bloß gespielt gewesen (Protokoll vom 10.01.2008, S. 4, 3. Absatz). Dem entspricht, dass die Erblasserin nicht instande war, die Dauer ihres Aufenthaltes in R. trotz ersichtlichen Nachdenkens anzugeben (s. auch Gutachten S., Anl. K5, S. 23).

    Entgegen der Auffassung der Berufung (Ziffer 15 der Berufungsbegründung) können weder die Testamente noch die vorgelegten Schriftstücke als "objektive Zeugnisse für die Testierfähigkeit der Erblasserin" angesehen werden. Nur darauf abzustellen, dass diese Schriftstücke eigenständige Ausführungen enthielten und einen klaren Willen der Erblasserin zu erkennen gäben, greift zu kurz.

    Stellt man die Beobachtungen des beklagtenseits benannten sachverständigen Zeugen Dr. U. L.-K. anlässlich seiner Exploration der Erblasserin vom 28.01.1999 sowie die Feststellungen des MDK anlässlich der Untersuchung vom 25.03.1999 in Rechnung, ist auszuschließen, dass in dieser Zeit gefertigte Schreiben der Erblasserin ohne Einfluss (Diktat) Dritter entstanden sind. Wie bereits der Sachverständige F. in seinem Gutachten (Seiten 41/42) zu Recht anmerkte, ist bei einer Reihe von Schriftstücken (der Beiakte AG Dortmund 13 IV 44/06, Blatt 23-31.) auch der Inhalt im Hinblick auf die Eigenständigkeit der Entstehung auffällig: z. B. werden in mehreren auf den 15.11.1996 datierten Schreiben detaillierte Angaben über ein zinsloses Darlehen von 80.000,-- DM gemacht, Bankkonten und Aktenzeichen angegeben, auf Vollmachten hingewiesen, obwohl der Erblasserin schon bei der Begutachtung durch Dr. S. im November 1995 solche detaillierten Angaben nicht mehr möglich gewesen waren, auch Richter Dr. Z. im April 1996 schon festgestellt hatte, dass ihr weder ihre Bankverbindungen noch ihr Kontostand bekannt gewesen seien und schon Monate zuvor vom MDK festgestellt worden war, dass das Kurzzeitgedächtnis geschwächt, sie zeitweilig verwirrt sei und sie sich ohne Anleitung und Aufforderung nicht wasche oder esse.

    Die - angesichts dieser Gegebenheiten - einzig naheliegende Erklärung ist, dass die Erblasserin sich zu diesen Ausführungen fremder Hilfe/Beratung bedient hatte. Tatsächlich geben diese Schriftstücke, genauso wie das sonst berichtete Verhalten der Erblasserin, Aufschluss darüber, dass die Erblasserin - so der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. in seinem Gutachten (Seite 60) - in den Jahren ab 1995 entscheidungsfreudig ist wie früher, aber nicht wirklich weiß, was sie will. Man nenne dies eine "kognitive Fassade", aber diese Fassade könne offensichtlich ihr Eigenleben führen. Es läge hier eine extreme Verbindung vor zwischen Wankelmütigkeit und Entscheidungswillen, "eine eigentümliche Form von Zerfall der Einheit der Person"; somit könne man sich in rechtlichen Angelegenheiten nur auf die testamentarischen Verfügungen stützen, die vor der hier zu beobachtenden Desintegration der Einheitlichkeit der Persönlichkeit und der Willensbildung hinterlassen worden sind. In den verschiedenen sprachlichen Äußerungen und Testamenten (so würden die Söhne Gunnar, Hartmut und Manfred 1995/1996 immer mehr enterbt und dann tauche das dem völlig entgegenstehende Testament im August 97 nach dem Besuch von Gunnar im Heim auf) zeigten sich tiefe Ambivalenzen, die man als eine Störung der "Kontinuität der Person" beschreiben könne. Zusammenfassend, so der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. (Gutachten Seite 61) sprächen diese schriftlichen Dokumente für das Vorliegen einer Serie widersprüchlicher Festlegungen und nicht für Willensakte auf der Grundlage "vernünftiger Erwägungen" mit zugehöriger Autonomie der Willensbildung.

    Zusammenfassend gelangte der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. zu folgenden Feststellungen (Gutachten Seite 65 f.): Das unkritische Verhalten der Erblasserin, das sich schon beim Autoverkauf (1994) manifestiert und im Teppichgeschäft (1995) sehr eklatant gezeigt habe, in Kombination damit, dass sich die Erblasserin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme abschotten ließ, gleichzeitig aber um Geld bat und ihre Testamente änderte, spreche deutlich dafür, dass sie aufgrund kognitiver Defizite und der damit einhergehenden sehr ausgeprägten Formbarkeit tatsächlich sehr unselbständig gewesen sei: Sie habe sich nämlich durch ihre erheblichen, für sie selbst und ihre Selbstansprüche belastenden und kaum akzeptierbaren kognitiven Beeinträchtigungen als mental gestört erlebt, sei somit auf die Hilfe anderer angewiesen gewesen und durch diese Abhängigkeit auch besonders formbar geworden, habe ihre Selbstansprüche nicht realisieren können und sei dann auf eigentliche wesensfremde Terrains ausgewichen, wie sinnlose Einkäufe, sinnlose Geschenke (15,-- DM für Tennisschläger), Geldzuwendungen und Testamentsänderungen mit dem Ziel, die Begünstigten ihrerseits zu beeinflussen bzw. bei denjenigen, die sie beeinflussten, deren Anforderungen zu entsprechen und dadurch ihr Schicksal des Abhängigseins abzumildern. In dieser psychischen Konstellation mittelschwerer kognitiver Defizite und der Erkenntnis, hierdurch unfrei zu werden, sei die Erblasserin seit ihrer Wohnsitznahme in R. extrem dependent und formbar geworden und sei durch diese Konstellation nur noch partiell in der Lage gewesen, autonome Entscheidungen zu fällen. So sei im Jahre 1995 nicht nur temporär, sondern kontinuierlich bei ihr ein Zustand der inneren Unfreiheit und der Formbarkeit und Abhängigkeit von Dritten entstanden; bei einer nur vaskulär bedingten temporären Einbuße an Freiheitlichkeit der Willensbildung hätte sie - wie tatsächlich nicht - bei normaler Ernährung diesen Zustand beendet und quasi "die Fesseln gesprengt".

    Der Sachverständige führt weiter aus, dass die Erblasserin einen Persönlichkeitswandel durchgemacht habe (Gutachten Seite 67 f.): Eine der zentralen kognitiven Fähigkeiten von Menschen bestehe darin, das Wichtige vom Unwichtigen zu unterscheiden, Akzente zu setzen und in diesem Sinne "vernünftige Erwägungen" anzustellen. Während bei der Erblasserin 40 Jahre lang ein wesentlicher Aspekt ihres Lebens ihre Autonomie und ihre Entscheidungsfreudigkeit auch bezüglich der Zukunftsvorsorge für den Sohn Manfred gewesen war (an den sie tausende von Karten und Briefen geschrieben hatte), verlor sie nun ihr zentrales Ziel - eine wesentliche Komponente ihrer personalen Identität -, nämlich die Fürsorge um Manfred fast völlig aus dem Auge. Der demenzielle Prozess bei der vorliegenden Alzheimerschen Erkrankung habe gravierende Persönlichkeitsveränderungen bewirkt, die man auch als einen "Abbruch der Kontinuität der Person" bezeichnen könne. Die Erblasserin habe im Wesentlichen als eine Fassade ihrer selbst gelebt und sei allfälligen Einflussnahmen somit weitgehend unkontrollierbar ausgeliefert gewesen; gerade Menschen (wie die Erblasserin), die sehr reflektiert gewesen seien, hoch intellektuell agiert hätten und es gewohnt seien, autonom zu entscheiden und zu handeln, seien Selbstkritik und der Kritik von anderen gegenüber besonders empfindlich, versuchten kompensatorisch, eigene Defizite auszugleichen oder zu überspielen; im Hinblick auf ihre Selbstansprüche sei sie damit auf Hilfestellung anderer, die ihr nicht kritisch gegenüber stünden, angewiesen. Gegenüber den vorher gefassten eindeutigen, klaren und nicht revidierbaren Entscheidungen sei es zu Ambivalenzen "mal so mal so" gekommen. Es sei zu einer Formbarkeit durch die gerade Anwesenden gekommen, durch die sie steuerbar geworden sei. Gegenüber den gerade Abwesenden sei es dadurch zum Abweichen von vorher festliegenden Entscheidungen und Beschlüssen gekommen. Wenn die Abwesenden jedoch wieder auftauchten, sei sie diesen wiederum positiv zugewandt gewesen. Die Hilflosigkeit und Persönlichkeitsveränderung sei also nicht durch das "kognitive Impairment" als solches zustande gekommen, sondern durch den Versuch der Kompensation dieser kognitiven Beeinträchtigungen durch Anpassung an die jeweilige Situation. Die Persönlichkeitsveränderung habe somit im Wesentlichen darin bestanden, dass sie es denjenigen habe recht machen wollte, die gerade da gewesen wären. Dies sei allerdings im krassen Widerspruch zu der Persönlichkeit gestanden, die die Erblasserin vorher ausgezeichnet habe.

    Verstehe man den Begriff der Demenz nicht nur als Beeinträchtigungsgrad kognitiver Funktionen wie Orientiertheit, Gedächtnis, Textverständnis, Texte schreiben, im Dialog sprechen, sondern im Zustandekommen einer Persönlichkeitsveränderung - wie bei der Erblasserin - war mit erheblicher Verringerung der Einheit der Willensbildung (Integrationsfähigkeit verschiedener mentaler Aspekte) und Störung der Kontinuität der Person (Kontinuität von persönlichkeitsspezifischen Überzeugungen über längere Zeit hinweg, wie im vorliegenden Fall das Interesse an dem Schicksal und der Versorgung des Sohnes Manfred), so sei bereits im Sommer 1995 eine nicht mehr nur leichtgradig einzustufende Demenz zu konstatieren (so der Sachverständige Prof. Dr. Dr. E. in seiner abschließenden Beurteilung (Seite 72 des Gutachtens) mit Klarstellung bei seiner mündlichen Anhörung, Bl. 655 d.A.).

    Der Senat ist von der Kompetenz des hier tätig gewesenen Gutachters Prof. Dr. Dr. E. in vollem Umfang überzeugt: Prof. Dr. Dr. E. ist einer der namhaftesten Psychiater, Psychotherapeuten, Nervenärzte und Neurobiologen im Bereich zumindest der Bundesrepublik Deutschland. Er verfügt über eine umfangreiche wissenschaftliche und klinische Erfahrung und ist sowohl in der Medizin (für das Lehrgebiet molekulare Neurochirurgie) wie im Fach Psychiatrie habilitiert und hat im Bereich Psychotherapie (verhaltenstherapeutische und tiefenpsychologische Verfahren, "Lehranalytiker") und Pharmakologie weitere Zusatzqualifikationen erworben. Nachdem er bereits im Jahre 1978 eine außerplanmäßige Professur am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in M. erhalten hatte, setzte er in der Zeit von 1992 - 2008 seine Lehrtätigkeit als Ordinarius für Psychiatrie und Psychotherapie an der medizinischen Hochschule H. fort. Der Sachverständige war von Anfang des Verfahrens in der Berufungsinstanz bei Beweisaufnahmen und Anhörungen der Parteien anwesend, ist in seinem Gutachten und seinen mündlichen Ausführungen auf sämtliche sich aus der Beweisaufnahme und den Gerichtsunterlagen ergebende Aspekte eingegangen und hat in seinem umfangreichen Gutachten überzeugend, widerspruchsfrei und schlüssig das gefundene Ergebnis einer mittelschweren Demenz der Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des streitgegenständlichen Testaments begründet. Der Senat ist voll umfänglich (aufgrund eigener Überzeugungsbildung), den Ausführungen des Sachverständigen, die für den Senat keinen vernünftigen Zweifel offen lassen, gefolgt. Vorgetragene Einwände seitens des Beklagten hat der Sachverständige in seiner Anhörung überzeugend widerlegen können, wie vorstehend schon ausgeführt.

    Nach alledem ist aufgrund der in der Beweisaufnahme gewonnenen Feststellungen in rechtlicher Hinsicht zu konstatieren, dass klägerseits die Testierunfähigkeit der Erblasserin im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB nachgewiesen ist, d. h. sie zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments vom 13.08.1995 wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit nicht in der Lage war, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

    Die hier vorliegende mittelschwere Demenz vom Alzheimertypus, wie sie nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme feststeht, ist ohne jeden Zweifel den "krankhaften Störungen der Geistestätigkeit" im Sinne von § 2229 Abs. 4 BGB zuzuordnen.

    Gemessen an den Anforderungen an die Testierfähigkeit, nämlich die Vorstellung des Testierenden, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen einstweiligen Verfügungen aufweisen, wobei er in der Lage sein muss, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben, einschließlich der Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen, und dem spezifischem Erfordernis, dass der Testierende nach seinem so gebildeten Urteil frei von Einflüssen Dritten handeln können muss, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Person, die an Altersdemenz mittleren Grades mit Phasen der Verwirrtheit und Orientierungslosigkeit leidet, nicht wirksam testieren kann.

    So nehmen Wetterling/Neubauer (in: Testierfähigkeit von Dementen, Psychiatrische Praxis 23 (1996), 213-218) bei einer mittelschweren und schweren Demenz eine Testierunfähigkeit deswegen an, da

    - bei diesem Grad des Gedächtnisverlustes bzw. der Beeinträchtigung der intellektuellen (kognitiven) Fähigkeiten davon auszugehen ist, dass der Betreffende nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist, eine Entscheidung hinsichtlich des Inhalts seines Testaments zu bilden,

    - er aufgrund der intellektuellen (kognitiven) Beeinträchtigungen nur noch eingeschränkt in der Lage ist, die Tragweite der letzten Verfügung zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen zu berücksichtigen und

    - er aufgrund seiner intellektuellen (kognitiven) Beeinträchtigungen auf fremde Hilfe angewiesen ist und somit in seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen interessierter Dritter ist.

    C. Cording (Die Begutachtung der Testier(un)fähigkeit, Fortschr. Neurol. Psychiat.; 2004: 72: 147 - 159) nennt als entscheidendes Kriterium in der Beurteilung der Testierfähigkeit vor allem die Kritik- und Urteilsfähigkeit. Besonders klar zeige sich dies letztendlich am Fehlen jeglicher Krankheitseinsicht und einer daraus resultierenden Uneinsichtigkeit bezüglich der erforderlichen Konsequenzen; so komme es bei einer Demenz neben den intellektuellen Einbußen, dem Verlust an Wissen und Können auch zu einem Verlust des "Wissens um diesen Verlust". Als weiterer wesentlicher Faktor zur Beurteilung der Testierfähigkeit wird von C. Cording die Fremdbeeinflussbarkeit betont. Für das von der Rechtsprechung stets besonders hervorgehobene Kriterium, dass testierunfähig auch derjenige sei, der nicht in der Lage sei, "frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln", sei entscheidend, ob die Freiheit des Willensentschlusses gewahrt bleibt oder ob Fremdeinflüsse das Gewicht einer pathologischen Determinante erhalten, der gegenüber kritische Reserve, Abwägen und eigenständige Gegenvorstellungen nicht mehr möglich sind bzw. nicht mehr handelnd verwirklicht werden können. Entsprechend führt der psychiatrische Sachverständige W. (in dem Aufsatz: Testierfähigkeit aus gutachtlicher Sicht, in: Forum für Familien- und Erbrecht vom 01.04.2003, Seite 94 f.) aus: "Bei Einflussnahme anderer Personen (Willensbeeinflussung) besonders bei mehrfachen sich widersprechenden Testamenten innerhalb kürzerer Zeit, die unter dem mutmaßlichen Einfluss verschiedener Personen (die aus dem Testament einen persönlichen Nutzen ziehen können) und möglicheweis auch noch an unterschiedlichem Orten zu Stande kamen, drängt sich der Verdacht einer Beeinflussbarkeit durch eingeschränkte Willensstärke auf. Eine Willensschwäche mit der Möglichkeit der Einflussnahme ist anzunehmen, wenn z. B. die Personen, die einen Einfluss ausüben können, dem Testatgeber sehr nahe stehen oder der Testierende sogar von diesen Personen abhängig ist (z. B. von diesen versorgt und gepflegt wird, bzw. bei diesen wohnt). Wenn der Betreffende z. B. bei einer mittelschweren Demenz auf fremde Hilfe angewiesen ist und somit in seinem Urteil nicht mehr frei von Einflüssen interessierter Dritter ist, ist von einer Testierunfähigkeit auszugehen."

    In der gesamten Beweisaufnahme - insbesondere aufgrund Einvernahme des sachverständigen Zeugen Dr. S. zum Verhalten der Erblasserin bei seiner Exploration, der sachverständigen Zeugin Dr. H. und der Zeugen Klaus und Christel W. - wurde deutlich, dass die Erblasserin 1994, in verstärktem Maße 1995, Kritik- und Urteilsfähigkeit in erheblichem Maße eingebüßt hatte, sie desgleichen gravierende Gedächtniseinbußen nicht mehr realisierte, den Betreuungsantrag als eine Bösartigkeit der Kläger zu 1) und 3) einstufte, wobei eine kritische Realisierung ihrer bereits bestehenden psychischen Defizite in keiner Weise erkennbar ist.

    Hinzu kam die insbesondere vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. E. eindrucksvoll dargestellte Fremdbeeinflussbarkeit, die sich schon in der ab Anfang Juni 1995 bestehenden Abschottung (fluchtartige Beendigung von Telefonaten bzw. es wurde von dritter Hand, sie bevormundend, das Telefon aufgelegt, die Kläger zu 1) und 3) wurden nicht zu ihr gelassen) der Erblasserin in Rohrdorf manifestiert. Im Rahmen ihrer umfangreichen Einvernahme hat die die Erblasserin seinerzeit pflegende Schwiegertochter Kathleen I. dem Senat durchaus einen dominanten Eindruck vermittelt, wobei dann für die Folgezeit zu konstatieren ist, dass die in R. entstandenen Testamente und sonstige Vermögensangelegenheiten betreffenden Schreiben der Erblasserin bis auf eine Ausnahme ( dem nach dem Besuch des Sohnes Gunnar im Altenheim entstandenen Testament) darauf hinausliefen, die Familie der Beklagten zu begünstigen und von der Erblasserin als ihr gehörend angesehene Vermögenswerte von den anderen Söhnen "zurückzuholen".

    Die praktisch beliebige Beeinflussbarkeit der Erblasserin in jede Richtung hin, je nachdem welchem Einfluss sie gerade unterliegt, zeigte sich schon bei den betrügerischen Teppichgeschäften 1995, wo sich die Erblasserin von einem Fremden zu hohen Geldabhebungen hatte verleiten lassen, und setzte sich beginnend mit ihrem Aufenthalt in R. - wo sie, auf die Hilfe anderer angewiesen, durch diese Abhängigkeit besonders formbar wurde - fort. Dabei trat die über Jahrzehnte verfolgte Sorge um die Versorgung ihres geistig behinderten Sohnes Manfred völlig in den Hintergrund. Erwägungen, welche Auswirkungen ihre letztwilligen Verfügungen (die ersichtlich von der Animosität der Erblasserin gegen die Kläger zu 1) und 3) aufgrund des von diesen betriebenen Betreuungsverfahrens geprägt waren) wurden seinetwegen nicht angestellt. Unter diesen Bedingungen waren, so sind die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Dr. E. - ebenso wie die des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen Karl F. zu verstehen, zielgerichtete Entscheidungen unter Einbeziehung zurückliegender Sachverhalte bzw. ein Abwägen des Für und Wider einer Entscheidung nicht mehr möglich. Der Senat geht daher davon aus, dass die Erblasserin aufgrund der mittelschweren Demenz als krankhafte Störung der Geistestätigkeit ab Mai 1995 nicht mehr in der Lage war, die Bedeutung einer von ihr abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, wobei sich das Zustandsbild, da es sich um eine chronisch progrediente Krankheit handelt, in den Folgejahren stetig verschlechterte.

    Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein war daher als unbegründet zurückzuweisen.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.

    Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO): Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelte sich um eine auf der Beweisaufnahme und Begutachtung beruhende Einzelfallentscheidung; hinsichtlich der Rechtsanwendung ergibt sich zur höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung keine Abweichung.