25.04.2014 · IWW-Abrufnummer 141278
Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 05.03.2014 – I-3 Wx 245/13
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Düsseldorf
I-3 Wx 245/13
Tenor:
Unter Aufrechterhaltung im Übrigen wird die angefochtene Entscheidung teilweise dahin geändert, dass die festgesetzte Vergütung – einschließlich Umsatzsteuer – auf 3.019,33 € sowie der freigegebene Betrag auf 3.000,-- € herabgesetzt werden.
Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.
G r ü n d e :
1.
Auf Anregung der Beteiligten zu 1. und ihres Ehemannes hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 27. Januar 2012 die Beteiligte zu 3. zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin mit den Wirkungskreisen der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Ermittlung der unbekannten Erben bestellt. Durch die angefochtene Entscheidung hat das Nachlassgericht zugunsten der Beteiligten zu 3. für ihre Tätigkeit als Nachlasspflegerin im Zeitraum vom 30. Januar 2012 bis zum 4. März 2013 eine Vergütung von brutto 4.026,16 € sowie Auslagen von 88,60 € festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit ihrem eingehend begründeten Rechtsmittel. Die Beteiligte zu 3. ist dem mit Schreiben vom 21. August 2013 entgegengetreten. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 28. November 2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht D üsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.
2.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. ist als befristete Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig. Teilweise hat es auch in der Sache Erfolg. Bei der Festsetzung der Vergütung hat das Nachlassgericht einen zu hohen Stundensatz veranschlagt.
Der Vergütungsanspruch eines berufsmäßigen Nachlasspflegers richtet sich nach§§ 1915 Abs. 1 Satz 1 und 2, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB i.V.m. den Vorschriften des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG). Danach hat das Nachlassgericht im Falle eines vermögenden (nicht mittellosen) Nachlasses grundsätzlich einerseits einen Stundensatz zu bestimmen und hierbei gemäß § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschlaggebend auf die für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnisse des Pflegers sowie auf die Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte abzustellen, andererseits den Umfang dieser Geschäfte durch den konkreten Zeitaufwand, also die Zahl der zu vergütenden Stunden zu berücksichtigen, wobei die vom Nachlasspfleger vorzulegende Aufstellung über seinen Zeitaufwand vom Gericht auf ihre Plausibilität zu überprüfen ist, gegebenenfalls mit dem Verlangen weiterer Nachweise. Der heutige § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB befasst sich lediglich mit den für die Bestimmung der Höhe des Stundensatzes entscheidenden Gesichtspunkten, ohne das Stundensatzsystem als solches infrage zu stellen. Darüber hinaus lässt er erkennen, dass es für die Angemessenheit der Vergütung auf die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankommen soll; schon aus diesem Grunde kommt, weil sie dem nicht gerecht wird, die früher teilweise praktizierte Vergütung nach Prozentsätzen des Nachlasses grundsätzlich nicht mehr in Betracht. All dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des Senats (zuletzt: Beschluss vom 17. Januar 2014 in Sachen I-3 Wx 130/13 mit zahlreichen Nachweisen); hieran wird nach Überprüfung festgehalten.
Nach diesen Grundsätzen kann die Beteiligte zu 3. neben ihren Auslagen von brutto 88,60 € eine Vergütung auf der Grundlage von 33,83 Stunden (2.030 Minuten) zu je 75,-- € liquidieren.
a)
Der Beschluss, mit dem die Beteiligte zu 3. zur Nachlasspflegerin bestellt worden ist, enthält die ausdrückliche Feststellung, die Pflegschaft werde berufsmäßig geführt. Der Nachlass ist nicht mittellos, sondern deutlich werthaltig. Die von der Beteiligten zu 3. einzuhaltende Frist zur Geltendmachung ihres Vergütungsanspruchs von 15 Monaten gemäß § 2 Satz 1, 1. Halbs. VBVG ist gewahrt, da der Vergütungsantrag am 4. März 2013 beim Nachlassgericht eingegangen ist und einen Zeitraum ab dem 30. Januar 2012 erfasst.
b)
Den Zeitaufwand hat die Beteiligte zu 3. im Einzelnen, gut nachvollziehbar und plausibel aufgezeigt; ein Verlangen weiterer Nachweise ist nicht veranlasst.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten zu 1. sei lediglich zweierlei bemerkt: Zum einen wird aus der Fassung der Tätigkeitsbeschreibungen im Vergütungsantrag ohne weiteres erkennbar, dass die wiederholt auftretende Bewertung einer Position als „schwierig“ von der Beteiligten zu 3. im Hinblick auf das Verhalten von ihr angesprochener Dritter gewählt wird; besonders deutlich wird dies gerade bei der Position vom15. März 2012 bezüglich des Postsparbuches. Die im Vortrag der Beteiligten zu 1. zumindest nahegelegten Schlüsse auf die Beurteilung der objektiven sachlichen Schwierigkeiten durch die Beteiligte zu 3. oder gar auf deren Qualifikation sind nicht gerechtfertigt. Zum anderen ist allgemein anerkannt, dass der Nachlasspfleger für die Zahlung von Steuerschulden des Nachlasses zu sorgen hat. Mithin darf er auf eine Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe einer Erbschaftssteuererklärung nicht untätig bleiben. Mit ihrem Schreiben vom 21. August 2013 hat die Beteiligte zu 3. unwidersprochen und auch plausibel dargestellt, dass ihrer Tätigkeit hier eine derartige Aufforderung vorangegangen war.
c)
Was den Stundensatz anbelangt, kommt es – wie oben gezeigt – maßgeblich auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Aus § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB folgt eindeutig, dass der Gesetzgeber das Stundensatzsystem des § 3 Abs. 1 bis 3 VBVG – auf das die Beteiligte zu 1. teilweise abstellt – gerade nicht angewandt wissen wollte; dies ausweislich der Gesetzesmaterialien deshalb, weil jene Stundensätze zu einer unangemessen niedrigen Vergütung führen könnten. Im Übrigen ist für den Senat nicht zu erkennen, weshalb die Beteiligte zu 3. nicht die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VBVG erfüllen sollte. Will man sich bei Nachlasspflegern mit einer derartigen Qualifikation – außerhalb der Fallgruppe wegen ihres Berufes zum Nachlasspfleger bestellter Rechtsanwälte – überhaupt an einem anderweitig aufgestellten Stundensatzsystem orientieren, kann dies nach Auffassung des Senats lediglich in der Weise einer Kontrollerwägung erfolgen. Dann spricht viel dafür, die Stundensätze, die das Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz für Sachverständige vorsieht, heranzuziehen (so auch: Zimmermann ZEV 2005, S. 473/474 und in Die Nachlasspflegschaft, 3. Aufl. 2013, Rdnr. 786; BeckOK BGB – Siegmann/Höger, Stand: 01.11.2013, § 1960 Rdnr. 19; wohl auch Palandt-Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1960 Rdnr. 23). Im Liquidationszeitraum belief sich der Stundensatzrahmen für Sachverständige auf 50,-- bis 95,-- €.
Im hier gegebenen Fall fällt maßgeblich ins Gewicht, dass durch das von der Beteiligten zu 3. gewählte Vorgehen, in ihrem Wirkungskreis der Ermittlung unbekannter Erben einen Erbenermittler einzuschalten, die Schwierigkeit der abrechnungsfähigen Pfleg-schaftsgeschäfte insgesamt auf das Maß des Durchschnittlichen reduziert wurde. Ausweislich ihrer eigenen Tätigkeitsbeschreibungen hat die Beteiligte zu 3. bezüglich der Erbenermittlung lediglich am 8. März 2012 ein Gespräch mit der zuständigen Mitarbeiterin des Nachlassgerichts geführt sowie am 26. März und 2. April 2012 ein Telefonat und eine persönliche Unterredung mit der Mitarbeiterin des Erbenermittlers geführt und dabei die ihr zur Verfügung stehenden Unterlagen übergeben. Damit hat sie in dem besagten Wirkungskreis letztlich keine Geschäfte nennenswerter Schwierigkeit geführt. Dann aber kommt es nicht darauf an, ob der Beteiligten zu 3. im Falle eigener Erbenermittlungen ein Stundensatz von 100,-- € für die Führung der Nachlasspflegschaft insgesamt zuzubilligen wäre – was der Senat durchaus bejaht hätte –, sondern allein darauf, welchen Stundensatz die Geschäfte im verbliebenen Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses rechtfertigen. Insoweit ist dem Vorbringen der Beteiligten zu 1. zu folgen, dass die Berichte der Beteiligten zu 3. vom 6. März 2012 und 26. Februar 2013, die Tätigkeitsbeschreibungen im Vergütungsantrag und auch ihre Rechtsmittelerwiderung vom 21. August 2013 keine Pflegschaftsgeschäfte erkennen lassen, die die bei einer Nachlasspflegschaft durchschnittlich auftretenden Anforderungen überschreiten würden. Bezüglich vorhandener Nachlassgegenstände war das Geldvermögen zwar auf mehrere – inländische – Konten verteilt, aber übersichtlich, und es konnte komplikationslos auf einem zentralen Konto zusammengeführt werden. Die Wohnungsauflösung verlief aufgrund getroffener Abreden trotz des „Tapetenproblems“ letztlich gleichfalls ungehindert. Die Abgabe einer Erbschaftssteuererklärung gehört zum gewöhnlichen Geschäft von Nachlasspflegern. Sollte – was der Senat nicht zu entscheiden hat – das Verhalten einzelner Beteiligter nicht nur von der Beteiligten zu 3. als „schwierig“ empfunden worden, sondern tatsächlich derart gewesen sein, ist doch nicht feststellbar, dass hierdurch die Tätigkeit der Beteiligten zu 3. in nennenswertem Umfang oder gar nachhaltig behindert worden wäre.
Bei dieser Lage erscheint ein Stundensatz von 75,-- € (netto), auch unter Berücksichtigung der Qualifikation der Beteiligten zu 3. und ihres Erfolges im Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses, der sich gerade in der weitestgehend reibungslosen Abwicklung zeigt, einerseits geboten, andererseits ausreichend. Jener Satz liegt im oben angesprochenen Rahmen des JVEG. Er ist insgesamt angemessen.
d)
Der Einwand mangelhafter Führung der Pflegschaftsgeschäfte ist bei der Bewilligung der Vergütung – bei der es sich um eine angemessene Entschädigung für tatsächlich erbrachte Bemühungen handelt – anerkanntermaßen nicht zu berücksichtigen (MK-Leipold, BGB, 6. Aufl. 2013, § 1960 Rdnr. 80 mit umfangreichen Nachweisen). Darüber hinaus und vor allem lag in der Einschaltung des Erbenermittlers in der konkret gegebenen Form keine Pflichtwidrigkeit der Beteiligten zu 3.; dies hat der Senat im heute gleichfalls verkündeten Beschluss in der vorliegenden Nachlasssache zum Aktenzeichen I-3 Wx 192/13 näher ausgeführt, hierauf wird verwiesen.
3.
Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Gerichtskosten fallen für das Verfahren über die teilweise erfolgreiche Beschwerde nicht an, § 131 Abs. 3 und 7 KostO, und es ist nicht ersichtlich, dass den Beteiligten zu 1. und 3. außergerichtlich Anwaltskosten entstanden wären.
Angesichts dessen erübrigt sich auch eine Wertfestsetzung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.