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  • 11.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142083

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 24.03.2014 – 3 Wx 84/13

    1.

    Mittellosigkeit des Nachlasses als Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers gegen die Staatskasse aus den §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 4 VBVG ist auch dann anzunehmen, wenn der Verwertung des Nachlassvermögens ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis entgegensteht oder die Verwertung in angemessener Zeit nicht durchgeführt werden kann.


    2.

    Dieser Fall kann bei einem Nachlassinsolvenzverfahren vorliegen, auch wenn über die noch nicht absehbare Verwertung eines vorhandenen Grundstücks möglicherweise in Zukunft eine die Vergütung deckende Masse erzielt werden könnte. Der Staatskasse ist unbenommen, zu gegebener Zeit beim Nachlass nach § 1836e BGB Rückgriff zu nehmen.


    In der Nachlasssache des ....
    Beteiligte:
    Bezirksrevisor bei dem Landgericht ...
    - Beschwerdeführer -
    Rechtsanwalt A als Nachlasspfleger
    hat der 3. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 24. März 2014
    beschlossen:
    Tenor:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
    Gründe

    I.

    Der Erblasser verstarb am 9. Mai 2012. Er war verheiratet und kinderlos. Ein Testament existiert nach Aktenlage nicht.

    Die Ehefrau des Erblassers schlug mit Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vom 15. Juni 2012 die Erbschaft aus. Die Eltern des Erblassers sind vorverstorben. Geschwister hatte er nicht. Die nächsten gesetzlichen Erben sollen nach Mitteilung der Ehefrau des Erblassers eine Tante und eine Cousine sein. Der Nachlass ist überschuldet.

    Das Nachlassgericht bestellte mit Beschluss vom 6. Juli 2012 (Bl. 15 d.A.) Rechtsanwalt A zum Nachlasspfleger mit der Aufgabe der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und der Ermittlung der Erben.

    Der Nachlasspfleger beantragte unter dem 14. November 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass. Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 18. Januar 2013 (Bl. 92 d.A.) und ernannte Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter, nachdem dieser gutachterlich festgestellt hatte, dass der Nachlass zahlungsunfähig, eine kostendeckende Masse jedoch vorhanden sei. Dem Gutachten vom 27. Dezember 2012 (Bl. 79 - 90 d.A.) ist zu entnehmen, dass der Aktivnachlass aus einem Grundstück mit einem Verkehrswert von 35.000,00 € und Bankguthaben in Höhe von 3.805,07 € besteht, dem Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 64.135,66 € gegenüberstehen. Die Kosten des Verfahrens werden mit 2.977,81 € veranschlagt. In einem nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 27. März 2013 erstatteten Bericht, dem eine im Wesentlichen unveränderte Vermögensaufstellung zugrunde lag, zeigte der Insolvenzverwalter die Masseunzulänglichkeit an.

    Am 19. Dezember 2012 hatte der Nachlasspfleger die Festsetzung einer Vergütung für seine Tätigkeit in der Zeit vom 11.07.2012 bis zum 18.12.2012 auf der Grundlage eines Stundensatzes von 65,00 € beantragt (Bl. 65 f d. A.). Dem Antrag hatte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 entsprochen (Bl. 75 d. A.). Nach Vorlage des Berichts des Insolvenzverwalters vom 27. März 2013 hat der Nachlasspfleger seinen angeblich noch nicht beschiedenen Vergütungsantrag vom 19. Dezember 2012 zurückgenommen und durch einen Vergütungsantrag mit einem auf 33,50 € verringerten Stundensatz ersetzt (Bl. 101 - 103 d.A.). Diesem Antrag hat das Nachlassgericht mit Beschluss vom 24. Juni 2013 (Bl. 105 d.A.) stattgegeben und die Erstattung der Vergütung aus der Landeskasse angeordnet.

    Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor am 28. Juni 2013 Beschwerde eingelegt, die er mit ergänzendem Schreiben vom 4. Juli 2013 (Bl. 113 d.A.) damit begründet hat, dass die notwendige Anhörung der Landeskasse unterblieben sei und dass die Vergütung des Nachlasspflegers im Nachlassinsolvenzverfahren nach § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO eine Masseverbindlichkeit darstelle, so dass der Nachlasspfleger seinen Anspruch als vorrangig zu bedienende Forderung zum Insolvenzverfahren anmelden müsse. Da Masse vorhanden sei und eine Schlussverteilung noch nicht stattgefunden habe, sei eine Erstattung aus der Landeskasse derzeit nicht möglich. Eine Einstandspflicht bestünde nur hinsichtlich der Beträge, mit denen der Nachlasspfleger mit der Masseverteilung ausfalle.

    Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass aus dem beabsichtigten Grundstücksverkauf kein Erlös für die Masse zu erwarten sei, weil die Belastungen den Verkehrswert überstiegen. Mit der Begleichung der Vergütung aus der Insolvenzmasse sei aufgrund der Masseunzulänglichkeit nicht zu rechnen. Die Festsetzung eines Vergütungsanspruchs des Nachlasspflegers gegen die Staatskasse nach § 1 Abs. 2 VBVG sei auch dann geboten, wenn eine Verwertung des Nachlasses in angemessener Zeit nicht durchgeführt werden könne. Dem Nachlasspfleger könne nicht zugemutet werden, seine Vergütung für die zweite Jahreshälfte 2012 gegen die Insolvenzmasse geltend zu machen und längerfristig auf die Auskehrung zu warten, zumal offenbar eine Quotenaussicht für die Insolvenzgläubiger nicht zu erwarten sei (Bl. 114 d.A.).

    II.

    Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

    1.

    Der angefochtene Beschluss begegnet keinen durchgreifenden formellen Bedenken.

    a) Der Verfahrensfehler der unterbliebenen Anhörung des Bezirksrevisors vor Beschlussfassung wurde durch dessen Beteiligung im Beschwerdeverfahren geheilt.

    b) Durch den Beschluss kommt es nicht zu einer doppelten Bevorzugung des Nachlasspflegers. Zwar ist ihm mit Beschluss vom 21. Dezember 2012 (Bl. 75 d.A.) für die Zeit vom 11. Juli bis 18. Dezember 2012 bereits gegen den Nachlass ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.968,14 € zugesprochen worden.

    Schon die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist jedoch fraglich. Nach Aktenlage ist offen, ob er dem Nachlasspfleger bekanntgegeben worden ist. Der Beschluss ist dem Nachlasspfleger nach Aktenlage zwar übersandt worden (vgl. Bl. 77 d.A.), gleichwohl geht er in seinem neuen Vergütungsantrag vom 18. Juni 2013 davon aus, dass sein Vergütungsantrag vom 19. Dezember 2012 ("18." Dezember 2012 ist ersichtlich ein Schreibfehler) noch nicht beschieden worden sei. Es wäre, käme es auf die Wirksamkeit des Beschlusses an, deshalb zu klären, ob der Zugang bestritten werden soll und ihm für diesen Fall die Gelegenheit zur Glaubhaftmachung zu geben (§ 15 Abs. 2 i. V. m. § 31 FamFG).

    Es kommt jedoch nicht darauf an. Der Beschluss wäre auch im Falle seiner Wirksamkeit mit Erlass des Beschlusses vom 24. Juni 2013 gegenstandslos geworden. Dieser enthält in der Sache die Aufhebung des früheren Beschlusses nach § 48 Abs. 1 FamFG. Der entsprechende Antrag und das Einverständnis des Nachlasspflegers hierzu ist seinem geänderten Vergütungsantrag vom 18. Juni 2013 zu entnehmen. Darin erklärt er die Rücknahme seines - vermeintlich - noch nicht beschiedenen früheren Vergütungsantrags. Diese Erklärung enthält bei sachgerechter Auslegung zugleich das Einverständnis mit einer Aufhebung eines etwa doch bereits ergangenen stattgebenden Beschlusses. Für diese Auslegung spricht überdies, dass der Nachlasspfleger bereits in seinem früheren Vergütungsantrag ausdrücklich erklärt hatte, dass ihm bekannt sei, dass ihm bei Mittellosigkeit des Nachlasses gegen die Landeskasse nur ein Anspruch in verringerter Höhe zustünde (Bl. 65 f d.A.).

    2.

    Der angefochtene Beschluss ist auch in der Sache nicht zu beanstanden.

    Dem Nachlasspfleger steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aus den §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG zu. Nach diesen Vorschriften hat ein Nachlasspfleger bei Mittellosigkeit des Nachlasses einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse nach Maßgabe des in § 4 VBVG geregelten Stundensatzes.

    a) Mittellosigkeit liegt im Grundsatz dann vor, wenn ein die Vergütung deckender Aktivnachlass nicht vorhanden ist (BayObLG ZEV 2000, 410, 412; W. Schlüter in Erman, 13. Aufl. 2011, § 1960 Rn. 25 a. E.). Unter diesem Gesichtspunkt steht eine Mittellosigkeit des Nachlasses allerdings nicht fest. Zwar wird der Erlös aus dem Grundstücksverkauf im Wesentlichen den Grundpfandgläubigern zu Gute kommen. Da offenbar jedoch keine Verwertung durch Zwangsversteigerung, sondern durch freihändigen Verkauf beabsichtigt ist, wird der Insolvenzmasse voraussichtlich ein Betrag zwischen 3 und 5 % des Verkaufserlöses zufließen, wie er für Fälle freihändiger Verwertung durch den Insolvenzverwalter regelmäßig zwischen diesem und den Grundpfandgläubigern vereinbart wird (Bäuerle in Braun. InsO, 5. Aufl. 2012, § 49 Rn. 21 f). Bei einem Verkehrswert von 35.000,00 €, wie hier, wären dies rund 1.800,00 €, wovon freilich noch die Umsatzsteuer abzuziehen ist. Zuzüglich der Guthaben verfügte der Nachlass dann über Barmittel in Höhe von rund 5.500,00 €. Es ist nicht ausgeschlossen, dass aus diesen Mitteln die Kosten der Nachlasspflegschaft beglichen werden können. Diese gehören nach den §§ 324 Abs. 1, Abs. 2; 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu den Masseverbindlichkeiten und sind damit vorrangig zu befriedigen. Außer den Kosten des Insolvenzverfahrens sind nach Aktenlage keine weiteren vorrangig zu befriedigenden Forderungen bekannt.

    b) Mittellosigkeit des Nachlasses ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Verwertung des Nachlassvermögens ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis entgegensteht oder die Verwertung in angemessener Zeit nicht durchgeführt werden kann (OLG Naumburg, FamRZ 2011, 1252, 1253; Leipold in MüKo BGB, 6. Aufl. 2013, § 1360 Rn. 75). Insoweit gilt gleiches wie bei der Feststellung der Mittellosigkeit eines Betreuten, bei der dem Berufsbetreuer ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht. Auch der Betreute hat - mit Ausnahme eines bei der Nachlasspflegschaft nicht anzuerkennenden Schonvermögens - sein Vermögen einzusetzen. Ggf. hat er es zu verwerten. An der Verwertbarkeit von Vermögen fehlt es, wenn der Verwertung ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegensteht oder die Verwertung nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden kann. Der Betreute ist dann zu Gunsten des Berufsbetreuers als mittellos zu behandeln. Dies rechtfertigt sich damit, dass es sich bei der Betreuung um eine staatliche Fürsorgemaßnahme handelt. Aus der Verpflichtung des Staates zur Fürsorge entspringt zugleich seine Verpflichtung, die Erstattung der zum Zwecke der Betreuung gemachten Aufwendungen und die Entlohnung sicherzustellen. Dies ist nur gewährleistet, wenn die Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vergütung von Betreuten in angemessener Zeit erfüllt werden können (BayObLG, FamRZ 2002, 416, 417; ausführlich und im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 437). Für die Nachlasspflegschaft kann nichts anderes gelten. Auch sie wird nur bei einem Fürsorgebedürfnis eingerichtet, ist damit eine staatliche Fürsorgemaßnahme und kann einem Nachlasspfleger nur zugemutet werden, wenn er in angemessener Zeit seine Vergütung dafür erhält.

    Nach diesen Grundsätzen ist der Nachlass vorliegend als mittellos anzusehen. Wann das Grundstück verwertet werden und es zum Abschluss des Insolvenzverfahrens kommen kann, ist nicht absehbar. Das Nachlassgericht hat dem Nachlasspfleger deshalb zu Recht einen Ersatzanspruch gegen die Staatskasse zugebilligt. Der Staatskasse ist unbenommen, zu gegebener Zeit nach § 1836e BGB beim Nachlass Rückgriff zu nehmen, soweit bei Beendigung des Insolvenzverfahrens eine die Vergütung deckende Masse vorhanden ist. Inwieweit ein Anspruch gegen den Nachlassverwalter für den Fall bestünde, dass die Befriedigung aus der Masse daran scheitert, dass - wie der Beschwerdeführer mutmaßt - der Nachlassverwalter den Vergütungsanspruch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet hat, braucht nicht entschieden zu werden.

    3.

    Einwände der Höhe nach sind nicht geltend gemacht. Der Vergütungsantrag vom 18. Juni 2013 i.V.m. dem Tätigkeitsnachweis, der dem ursprünglichen Vergütungsantrag beilag (Bl. 68 - 70 d.A.), bietet für Zweifel auch keinen Anlass.

    Die Beschwerde war nach Allem zurückzuweisen. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 11 KostO).