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  • 03.12.2014 · IWW-Abrufnummer 143346

    Landgericht Heidelberg: Beschluss vom 14.02.2014 – 5 O 275/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Heidelberg

    Beschl. v. 14.02.2014

    Az.: 5 O 275/13

    In dem Rechtsstreit
    Universitätsklinik X-Klinik Heidelberg, vertr. d.d. Leitenden ärztlichen Direktor Prof. Dr. Guido Adler u. kaufm Direktor Dipl-Volkswirtin Irmtraut Gürkan, Im Neuenheimer Feld 672, 69120 Heidelberg, Gz.: 1211/12S01
    - Klägerin -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte Depré RECHTSANWALTS AG, O 4, 13 - 16, 68161 Mannheim, Gz.: 744/13W25 23/hg

    gegen
    Andrea A. Laufer L., Weiherweg 5 b, 67278 Bockenheim
    - Beklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte Stuckensen & Ullrich, Ackerstr. 7, 67227 Frankenthal, Gz.: 1248/12AU06
    wegen Forderung
    -
    erlässt das Landgericht Heidelberg - 5. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht Dr. Kienle K. als Einzelrichter am 14.02.2014 folgenden
    Beschluss
    Tenor:

    1.

    Das Landgericht Heidelberg erklärt sich für örtlich unzuständig.
    2.

    Der Rechtsstreit wird auf Antrag der Klägerin an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) verwiesen.

    Gründe

    Die Entscheidung beruht auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das auf der Grundlage des besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsortes gem. § 29 Abs. 1 ZPO angerufene Landgericht Heidelberg ist örtlich unzuständig.

    Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage von § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB auf die Kosten einer Heilbehandlung für deren verstorbenen Ehemann in Anspruch, wobei eine ausdrückliche vertragliche Mitverpflichtung der Beklagten weder vorgetragen noch ersichtlich ist. Damit gründet sich der Klageanspruch auf die in § 1357 Abs. 1 Satz 2 BGB enthaltene gesetzliche Verpflichtungsermächtigung, die weder eine Offenkundigkeit im Sinne des Stellvertretungsrechts noch die Kenntnis des Vertragspartners vom Bestehen einer Ehe voraussetzt (vgl. MüKo-BGB/Roth, 6. A. 2013, § 1357 Rn. 10; Palandt/Brudermüller, BGB, 73. A. 2014, § 1357 Rn. 3). Zwar ist die Frage, ob eine Mithaftung nach Maßgabe von § 1357 BGB für vertragliche Verbindlichkeiten unter die Zuständigkeitsbestimmung des § 29 ZPO, dessen Anwendungsbereich sich dem Wortlaut nach auf vertragliche Streitigkeiten beschränkt, fällt, bislang höchstrichterlich nicht entschieden. Vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 28.02.1996 - XII ZR 181/93 (NJW 1996, 1411) ist hiervon jedoch nicht auszugehen; namentlich hat sich der BGH hier dagegen ausgesprochen, den Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsortes auf gesetzliche Haftungstatbestände - etwa aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigter Bereicherung - anzuwenden und hat dies im konkreten Fall für eine Verpflichtung aus Verlöbnis abgelehnt, da dies aufgrund seiner besonderen Rechtsnatur einer schuldrechtlichen Vereinbarung nicht gleichgesetzt werden könne. Diese, für das Verlöbnis als familienrechtliches Vertragsverhältnis (h.M., Brudermüller, aaO., Einf v § 1297 Rn. 1) gemachten Ausführungen, beanspruchen gleichermaßen Geltung für die kraft Gesetzes eintretende Mitverpflichtung aus § 1357 Abs. 1 BGB, zumal auch auch das Verfahren nach § 1357 Abs. 2 BGB einhellig als familienrechtliches Verfahren eingestuft wird (Brudermüller, aaO., § 1357 Rn. 27). Somit kann auch hinsichtlich der kraft Gesetzes eintretenden Mithaftung des Abs. 1 keine vertragliche Rechtsnatur angenommen werden, die sich vielmehr auf freiwillig eingegangene Verpflichtungen beschränkt (so für die Parallelvorschrift des Art. 5 EuGVO ausdrücklich EuGH, RS C-26/91, BeckRS 2004, 75771). Auch soweit der Vertragsgerichtsstand in der Literatur auf abgeleitete Haftungstatbestände ausgedehnt wird, handelt es sich jeweils um vertragsähnliche oder quasivertragliche Beziehungen, wie etwa im Falle der abgeleiteten Gesellschafterhaftung bei Personengesellschaften (vgl. Musielak/Heinrich, ZPO, 10. A. 2013, § 29 Rn. 5), während insbesondere erb- und familienrechtliche Verpflichtungstatbestände - unter ausdrücklichem Einschluss etwa von der vorliegenden Konstellation nahe kommenden Unterhaltsverträgen - auch hiernach nicht erfasst sein sollen (Heinrich, aaO., Rn. 6, 8).

    Zwar verkennt das Gericht nicht, dass § 1357 Abs. 1 BGB auf Rechtsfolgenseite regelmäßig zu einer Gesamtschuldner- und -gläubigerschaft gem. §§ 421, 428 BGB führt (Brudermüller, aaO., Rn. 21 f.). Kann aber die dem anderen Ehegatten geschuldete Hauptleistung, wie im vorliegenden Fall einer medizinischen Heilbehandlung, bereits ihrer Natur nach alleine von diesem in Anspruch und Empfang genommen werden, erschöpft sich die Mitberechechtigung gem. § 1357 Abs. 1 BGB letztlich in einer einseitigen gesetzlichen Solidarhaftung des Ehegatten. In einer derartigen Konstellation ist es mit der prozessualen Gerechtigkeit jedoch nicht mehr zu vereinbaren, ihn nach Maßgabe von § 29 Abs. 1 ZPO für gerichtspflichtig zu halten, zumal dieser in Fällen einer stationären klinischen Versorgung bereits im Verhältnis der Hauptparteien zu einem systemfremden Klägergerichtsstand führt. Dies gilt umso mehr, als der Bundesgerichtshof den in eben diesem Hauptverhältnis am Sitz der Klinik lokalisierten Gerichtsstand einzig auf in dem Patientenverhältnis wurzelnde Umstände stützt, namentlich auf den am Ort der Klinik belegenen Schwerpunkt der dem Patienten zu erbringenden Leistung, der dort erforderlichen Mitwirkung des Patienten und die Bindung der gesamten Vertragsdurchführung an dessen persönliche Anwesenheit im Krankenhaus (BGH, Vers.-Urt. v. 08.12.2011 - III ZR 114/11, NJW 2012, 860 Tz. 18). Letztlich könnten diese Erwägungen aber selbst bei Annahme eines "Vertragsverhältnisses" i.S.v. § 29 Abs. 1 ZPO auch im Verhältnis zu dem bloß mithaftenden Ehegatten diesem gegenüber nicht durchschlagen, da nach einhelliger Auffassung auch bei Gesamtschuldnern der Erfüllungsortsgerichtsstand anhand der im jeweiligen Einzelverhältnis vorliegenden Gegebenheiten nach eigenständigen Kriterien festzustellen ist (Heinrich, aaO., Rn. 25 und - entsprechend - für die Bürgschaft in Rn. 21) und zwischen beiden auch keine irgendwie geartete Streitgenossenschaft besteht (Roth, aaO., Rn. 53). Hiernach würde es aber vorliegend für die Beklagte bei dem gem. §§ 269 Abs. 1, 270 Abs. 1, Abs. 4 BGB an ihrem Wohnsitz begründeten Erfüllungsort der ihr einzig obliegenden Geldzahlungspflicht verbleiben.

    Prozessuale Nachteile erwachsen der Klinik hieraus regelmäßig nicht, da sie beide Ehegatten entweder unter dem allgemeinen Wohnsitzgerichtsstand des § 12 ZPO, oder, bei Fehlen eines gemeinsamen Wohnsitzes, nach vorheriger Gerichtsstandsbestimmung gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO gemeinschaftlich verklagen kann; zudem hat bereits der BGH auf den der Klinik gesetzlich zustehenden Anspruch auf angemessene Vorauszahlung hingewiesen (§ 8 Abs. 7 Satz 1 KHEntgG - aaO., Tz. 19), so dass die Klinik regelmäßig auch in materieller Hinsicht nicht schutzbedürftig ist.

    Auf Antrag der Klägerin war der Rechtsstreit daher an das gem. § 12 ZPO für den Wohnsitz der Beklagten örtlich zuständige Landgerichtericht Frankenthal zu verweisen.

    RechtsgebietZPOVorschriften§ 29 Abs. 1 ZPO; § 281 Abs. 1 ZPO