14.01.2015 · IWW-Abrufnummer 143634
Oberlandesgericht Köln: Beschluss vom 11.06.2014 – I-17 W 87/14
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Köln
17 W 87/14
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin beim Landgericht Aachen vom 24. Februar 2014 – 8 O 565/12 – insoweit aufgehoben, als mehr als 2.742,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 17. Dezember 2013 festgesetzt worden sind.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Beklagten.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 1.288,06 €
G r ü n d e
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I.
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Der zwischenzeitlich verstorbene Beklagte C wurde als Rechtsanwalt vom Kläger, seinem ehemaligen Mandanten, auf Schadenersatz wegen anwaltlicher Pflichtverletzung in Anspruch genommen. Die letzte mündliche Verhandlung, aufgrund der das Urteil erging, fand am 18. Oktober 2013 statt. Das Urteil wurde am 22. November 2013 verkündet. Die Klage wurde abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Am 10. November 2013 bereits war der Beklagte verstorben. Beerbt wurde er von seiner Ehefrau sowie den drei Kindern in Erbengemeinschaft. Vom Tode des Beklagten benachrichtigten seine Prozessbevollmächtigten zwar die gegnerischen Kollegen, nicht aber das Landgericht. Aus diesem Grunde ist im Rubrum des Urteils noch der verstorbene Rechtsanwalt als Beklagter aufgeführt. Am 2. Januar 2014 verstarb dessen Ehefrau.
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Zur Festsetzung angemeldet wurden von Beklagtenseite u. a. eine 2,5 Verfahrensgeb ühr (1,3 + 1,2 gemäß Nr. 3100, 1008 VV RVG), insgesamt 1.288,06 €. Zur Begründung wird angegeben, die Prozessbevollmächtigten hätten nach dem Tode ihres Mandanten, des ursprünglichen Beklagten, die vier Erben vertreten.
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Der Kläger ist der Ansicht, die für die Vertretung der vier Erben zusätzlich angemeldeten 1.288,06 € seien nicht entstanden und damit nicht festsetzungsfähig. Voraussetzungen dafür seien die Bekanntgabe im Verfahren und eine Tätigkeit des Rechtsanwaltes für die Erben. Eine Mehrvertretung „im Verfahren“ sei deshalb gar nicht erfolgt. Dieses sei im Zeitpunkt des Todes des Beklagten „verfahrenstechnisch“ bereits abgeschlossen gewesen.
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Die Rechtspflegerin hat die Kostenfestsetzung bezüglich der Gebühren gemäß Nr. 3100, 1008 VV RVG antragsgemäß durchgeführt. Im Rubrum hat sie die drei Kinder als Erben des verstorbenen Rechtsanwaltes aufgeführt. Wer die Mutter C2 beerbt hat, ist von ihr nicht geklärt worden. Allein gegen die Festsetzung der vorgenannten Gebühr in Höhe von 1.288,06 € richtet sich der Kläger mit seinem Rechtsmittel. Diesem hat die Rechtspflegerin nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
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II.
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Die gemäß § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RpflG statthafte und auch ansonsten unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst vollen Erfolg. Die Kostenfestsetzung durch die Rechtspflegerin bezüglich der in Rede stehenden Gebühr ist rechtsfehlerhaft erfolgt. Insoweit ist der Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben.
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1.
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Eine Kostenfestsetzung zugunsten der Erben hätte (noch) nicht ergehen dürfen. Dies deshalb nicht, weil die Antragsteller in das die Kostengrundentscheidung enthaltende Urteil des Landgerichts Aachen nicht einbezogen sind. Gemäß § 103 Abs. 1 ZPO kann der Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten nur aufgrund eines für die Zwangsvollstreckung geeigneten Titels geltend gemacht werden. Antragsbefugt ist deshalb nur derjenige, zu dessen Gunsten im Titel eine Kostengrundentscheidung nach §§ 91 ff ZPO ergangen ist (BGH NJW 2009, 233). Ist dies nicht der Fall, etwa weil die Prozesspartei verstorben ist, so bedarf es einer Titelumschreibung in Gestalt einer auf den/die Rechtsnachfolger lautenden Ausfertigung, § 727 ZPO (BGH JB 2010, 480 = MDR 2010, 838; KG JB 1982, 1562 = RP 1982, 353; Senat, Beschluss vom 13. April 2011 – 17 W 320/10 -; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 104 Rn. 21 „Erben“).
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Hieran fehlt es, da im Rubrum des landgerichtlichen Urteils allein der verstorbene beklagte Rechtsanwalt C als Partei genannt ist. Das hat wiederum seinen Grund unstreitig darin, dass weder der Prozessbevollmächtigte noch die Erben den Todesfall dem Gericht mitgeteilt haben. Mithin kommt eine Kostenfestsetzung zugunsten der Erben vor einer Titelumschreibung nicht in Betracht.
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Eine Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses insgesamt hat aus Rechtsgründen zu unterbleiben, da der Kläger die Festsetzung nur bezüglich der Mehrvertretung angegriffen hat, im Übrigen Rechtskraft eingetreten ist.
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2.
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Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn eine Titelumschreibung vorgenommen würde, die Festsetzung einer erhöhten Verfahrensgebühr mit Erfolg beantragt werden könnte.
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a)
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Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stellt eine aus mehreren Personen bestehende Erbengemeinschaft eine Auftraggebermehrheit im Sinne von Nr. 1008 VV RVG dar. Sie ist weder rechts- noch parteifähig, kann einer BGB-Gesellschaft nicht gleichgestellt werden (BGH NJW 2006, 3715 = FamRZ 2007, 41; AnwBl 2004, 450 = FamRZ 2004, 1193; RP 2002, 625).
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b)
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Insbesondere in der älteren Rechtsprechung (etwa: OLG Koblenz MDR 1993, 284) wurde die Ansicht vertreten (so noch immer: Hartmann, Kostengesetze, 43. Aufl., Nr. 1008 – VV RVG Rn. 9, der sich aber zu Unrecht auf BayObLG JB 2002, 472 beruft), die Erbengemeinschaft sei als nur ein einziger Auftraggeber zu behandeln, wenn sie in den vom Erblasser erteilten Auftrag eintrete, so dass es nur zu einer Erhöhung der Geschäfts- (§ 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO; Nr. 2300 VV RVG) bzw. der Prozess – (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO) oder der Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV RVG) nicht kommen könne.
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Richtigerweise geht die heute herrschende Meinung davon aus, dass mit dem Erbfall nicht mehr der Erblasser als Auftraggeber anzusehen ist, sondern jeder der Erben, wobei der Auftrag von diesen gegenüber dem Rechtsanwalt nicht erneuert werden muss. Es kommt nicht auf die Anzahl der Geschäftsbesorgungsverträge an, damit es zu einer Erhöhung der Geschäfts- oder der Verfahrensgebühr kommt, sondern ausschließlich darauf, für wie viele Auftraggeber/Erben der Rechtsanwalt sodann tätig wird (BayObLG, a.a.O.; OLG München JB 1985, 1651, 1653; OLG Köln JB 1986, 1663; OLG Hamm JB 1989, 192, 193; JB 1994, 730; OLG Hamburg MDR 1989, 830; OLG Saarbrücken JB 1990, 1612; OLG Bamberg JB 1991, 821; OLG Zweibrücken JB 1995, 304; OLG Koblenz MDR 1997, 891; OLG Brandenburg AGS 2008, 21 = JB 2007, 524; OLG Schleswig JB 1989, 1391; OLG Stuttgart MDR 1990, 1126; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt u.a., RVG, 21. Aufl., Nr. 1008 Rn. 82; Zöller/Herget, § 91 Rn. 13 „Erbengemeinschaft“).
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c)
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Darauf, dass es durch den Umstand, dass der Rechtsanwalt ab dem Erbfall mehrere Personen vertritt, tatsächlich zu einer Mehrarbeit kommt, soll es nach allgemeiner Ansicht nicht ankommen (OLGe Hamm, Bamberg, Zweibrücken, jeweils a.a.O.; a.A. wohl: OLG Bremen, Beschluss v. 1. Juli 1992 – 2 W 46/92-). Zur Begründung wird angegeben, dass davon auszugehen sei, dass auf Seiten des Rechtsanwaltes bei Vertretung mehrerer Auftraggeber in der Regel eine gewisse Mehrarbeit anfällt. Ob dies tatsächlich der Fall sei, bedürfe keiner gesonderten Darlegung oder Überprüfung. Der Gesetzgeber habe aus Praktikabilitätsgründen eine pauschalisierende Regelung getroffen, um eine einfache Anwendung des Gesetzes zu gewährleisten. Solches würde jedoch verfehlt, wenn in jedem Einzelfall eine gesonderte Überprüfung stattzufinden hätte (Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 Rn. 2, 41).
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d)
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Als weiterer Grund für eine Mehrvergütung wird angegeben, dass der Rechtsanwalt bei Vertretung mehrerer Mandanten einem erhöhten Haftungsrisiko ausgesetzt sei (OLG Koblenz MDR 1997, 891, 892; Müller-Rabe, a.a.O., Nr. 1008 Rn. 2 unter Hinweis auf BSG NJW 2010, 3533).
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e)
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Dies vorausgeschickt sind die Voraussetzungen für die Erhöhung der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG erfüllt. Dem steht nicht entgegen, dass es vorliegend angesichts des Umstandes, dass der ehemalige Beklagte in der Spruchfrist verstorben ist, nicht erkennbar zu einer Mehrarbeit beim Prozessbevollmächtigten gekommen ist. Naheliegend ist allerdings, dass dieser, als er vom Tod seines Mandanten erfuhr, den Erben den Stand des Verfahrens mitgeteilt, ihnen die Risikolage erläutert und Weisungen eingeholt hat, etwa ob ein Antrag auf Wiedereröffnung oder ein solcher auf Aussetzung, § 246 Abs. 1 ZPO, gestellt werden soll (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.).
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Hierauf kommt es, wie schon ausgeführt, jedoch letztlich nicht an. Da eine generalisierende und typisierende Betrachtungsweise angezeigt ist, hat weder eine Prüfung stattzufinden, ob es beim Prozessbevollmächtigten des verstorbenen Rechtsanwaltes tatsächlich zu einer Mehrarbeit gekommen ist noch hat er eine solche zur Rechtfertigung darzulegen. Wollte man anders entscheiden, müsste in jedem Einzelfall die oft nicht leicht zu beantwortende Frage geklärt werden, ab welchem Tätigkeitsumfang bereits von einer Mehrarbeit gesprochen werden kann, um eine Erhöhung der Geschäfts- oder der Verfahrensgebühr zu rechtfertigen. Angesichts dieser praktischen Schwierigkeiten ist es hinzunehmen, dass es – wie stets bei Pauschalgebühren – auch zu Ergebnissen kommen kann, die im Einzelfall letztlich nicht als ganz gerecht empfunden werden.
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Der vorliegende Fall liegt in jedem Fall so, dass sich der Prozessbevollmächtigte ab dem Erbfall einer Auftraggebermehrheit gegenüber sah, so dass das für ihn bestehende erhöhte Haftungsrisiko die Anwendung der Nr. 1008 VV RVG als gerechtfertigt erscheinen lässt.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.