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  • 20.01.2023 · IWW-Abrufnummer 233334

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 17.11.2022 – 1 W 345/22

    Die Übertragung eines Miterbenanteils hat die gesamtschuldnerische Haftung des Erwerbers für die Nachlassverbindlichkeiten zur Folge und ist deshalb für einen Minderjährigen rechtlich nicht lediglich vorteilhaft. Daran ändert es nichts, wenn der Minderjährige bereits Miterbe ist (Anschluss an OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18. Dezember 2014 - 20 W 172/14 - NJW-RR 2015, 842 [OLG Nürnberg 16.12.2014 - 11 WF 1415/14] = ZEV 2015, 342 [BGH 08.04.2015 - IV ZR 161/14])


    Kammergericht Berlin

    Beschluss vom 17.11.2022


    Tenor:

    Die Beschwerde wird bei einem Wert in Höhe von 5.000,00 EUR zurückgewiesen.

    Gründe

    I.

    Die Beteiligten sind seit dem 9. Juli 2015 in Abt. I des im Beschlusseingang bezeichneten Grundbuchs in Erbengemeinschaft mit drei weiteren Miterben eingetragen. In Abt. II ist eine Grunddienstbarkeit gebucht, Abt. III ist frei von Belastungen. Die Beteiligte zu 2 ist die Mutter des am 20. September 2011 geborenen Beteiligten zu 1 und des Beteiligten zu 3.

    Am 5. Juli 2022 einigte sich der Beteiligte zu 3 mit dem von der Beteiligten zu 2 vertretenen Beteiligten zu 1 auf die Übertragung seines Miterbenanteils. Der Beteiligte zu 3 bewilligte zugleich die Berichtigung des Grundbuchs, die der Notar unter dem 29. Juli 2022 beantragt hat.

    Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 3. August 2022 auf die Erfordernisse einer Genehmigung der für den Beteiligten zu 1 abgegebenen Erklärungen durch einen Ergänzungspfleger sowie der familiengerichtlichen Genehmigung hingewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 25. August 2022, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 31. August 2022 nicht abgeholfen hat.

    II.

    1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind nur die in der Zwischenverfügung unter Nr. 1. und 2. aufgeführten Eintragungshindernisse. Soweit das Grundbuchamt unter 3. die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamts erfordert hat, verhält sich die Beschwerde hierzu nicht.

    Bei der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung unterliegt nur das angegriffene Eintragungshindernis der Nachprüfung durch das Beschwerdegericht (Senat, Beschluss vom 26. April 1965 - 1 W 1027/65 - OLGZ 1965, 92, 96). Hat das Grundbuchamt, wie hier, in einer Zwischenverfügung mehrere Eintragungshindernisse aufgeführt, so bildet jede Beanstandung für sich eine anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 71 GBO (Demharter, GBO, 32. Aufl., § 77, Rdn. 12).

    Beschwerdeführer sind die Beteiligten zu 1 bis 3. Der Notar hat nicht angegeben, in wessen Namen er die Beschwerde erhoben hat. In einem solchen Fall ist die Beschwerde regelmäßig dahin auszulegen, dass sie als im Namen der Antragsberechtigten erhoben gilt, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen (BGH, NJW 2010, 3300, 3302 [BGH 10.06.2010 - V ZB 22/10]). Antragsberechtigt hinsichtlich sämtlicher Anträge vom 21. Januar 2021 sind die Beteiligten zu 1 bis 3, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO. Für die Beteiligte zu 2 folgt dies aus ihrer Stellung als in Abt. I des Grundbuchs eingetragener Miterbin.

    2. In der Sache bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Die von dem Grundbuchamt aufgeführten Eintragungshindernisse bestehen, so dass die Zwischenverfügung insoweit veranlasst war, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

    a) Jeder Miterbe kann über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB, insbesondere kann er den Anteil an einen anderen Miterben übertragen. Infolgedessen behält er zwar die Eigenschaft und Stellung als Miterbe, verliert aber seine gesamthänderische Beteiligung am Nachlass, die bei Übertragung auf einen Miterben auf diesen übergeht (BGH, NJW 2011, 1226 [BGH 19.01.2011 - IV ZR 169/10]).

    Gehört zum Nachlass ein Grundstück und sind die Erben in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, § 47 Abs. 1 GBO, hat die Übertragung des Anteils die Unrichtigkeit des Grundbuchs zur Folge (Löhning, in: Staudinger, BGB, Stand 2020, § 2033, Rdn. 38).

    b) Die Berichtigung des Grundbuchs erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht von ihr formell betroffen ist, bewilligt, § 19 GBO (BayObLG, DNotZ 1988, 781 [BGH 17.03.1988 - IX ZR 79/87]; Böttcher, in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 20, Rdn. 105). Zu bewilligen hat danach der seinen Anteil übertragende Miterbe. Im Rahmen der Bewilligung hat dieser Miterbe die Unrichtigkeit des Grundbuchs schlüssig darzutun (Böttcher, a.a.O., Rdn. 96).

    Danach ist hier zur Berichtigung des Grundbuchs die Bewilligung des Beteiligten zu 3 erforderlich, die er auch zur UR-Nr. 2xx/2xxx des Notars Jxxx Gxxx-Exxx in Bxxx erteilt hat. Hingegen folgt allein aus dieser Urkunde die wirksame Übertragung des Anteils des Beteiligten zu 3 auf den Beteiligten zu 1 noch nicht. Damit fehlt es bislang an der schlüssigen Darlegung der Grundbuchunrichtigkeit.

    aa) Die Übertragung eines Erbanteils erfolgt durch notariell zu beurkundenden Vertrag zwischen dem verfügenden Miterben und dem Erwerber des Anteils, § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB, wie er zur UR-Nr. 2xx/2xxx am 5. Juli 2022 zwischen den Beteiligten zu 1 und 3 geschlossen worden ist. Dabei ist der Beteiligte zu 1 durch seine Mutter, die Beteiligte zu 2 vertreten worden. Deren Erklärungen wirken jedoch nicht für und gegen den Beteiligten zu 1, weil sie an dessen Vertretung verhindert war. Das folgt aus §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Danach kann ein sorgeberechtigter Elternteil das Kind bei einem Rechtsgeschäft zwischen einem seiner Verwandten in gerader Linie einerseits und dem Kind andererseits nicht vertreten. So ist es hier. Die Beteiligte zu 2 ist sowohl mit dem Beteiligten zu 1 als auch dem Beteiligten zu 3 in gerader Linie verwandt, § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie ist auch die Mutter des Beteiligten zu 3.

    Entgegen der Beschwerde liegt kein die Anwendung von §§ 1629 Abs. 2 S. 1, 1795 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtfertigender Ausnahmefall vor. Allerdings werden diese Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck dahin einschränkend ausgelegt, dass sie keine Anwendung finden, wenn das Geschäft für den Vertretenen lediglich rechtlich vorteilhaft ist (Senat, Beschluss vom 31. August 2010 - 1 W 167/10 -, FamRZ 2011, 736, 737). Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für einen Minderjährigen aber nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen haftet (BGH, FamRZ 2022, 1190).

    Das ist nicht anders beim Erwerb von Rechten, infolgedessen der Minderjährige Verpflichtungen übernimmt. So ist es bei dem Erwerb des Anteils eines Miterben an einer Erbengemeinschaft, § 2033 Abs. 1 S. 1 BGB. Der Erwerber haftet wie der den Anteil übertragende Miterbe für die Nachlassverbindlichkeiten, § 2382 Abs. 1 BGB, und zwar auch dann, wenn die Übertragung unentgeltlich erfolgt, § 2385 BGB. Daran ändert es nichts, wenn der Minderjährige bereits Miterbe ist (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2015, 842, 843 [OLG Nürnberg 16.12.2014 - 11 WF 1415/14]). Für die gemeinschaftlichen Nachlassverbindlichkeiten haften die Miterben als Gesamtschuldner, § 2058 BGB. Untereinander sind sie entsprechend ihrem Anteil am Nachlass verpflichtet, §§ 426 Abs. 1, 2038 Abs. 2, 748 BGB. Mit der Übernahme eines weiteren Anteils erhöht sich danach die Haftung des (minderjährigen) Miterben im Innenverhältnis entsprechend, so dass ein darauf gerichtetes Rechtsgeschäft für ihn nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, sondern auch nachteilig ist. Das wird, soweit ersichtlich, nicht in Zweifel gezogen (Schulte-Bunert, in: Erman, BGB, 16. Aufl. § 1795, Rdn. 9; Sonnenfeld, in: BeckOGK, BGB, § 1795, Stand 5/2022, Rdn. 60; Spickhoff, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 1795, Rdn. 9; Veit, in: Staudinger, BGB, 2020, § 1795, Rdn. 24; Grüneberg/Götz, BGB, 81. Aufl., § 1795, Rdn. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rdn. 968).

    Anlass, den vorliegenden Sachverhalt anders zu bewerten, besteht nicht. Dem Einwand der Beschwerde, der Nachlass sei bis auf das Grundstück auseinandergesetzt, stehen schon die zur UR-Nr. 2xx/2xxx beurkundeten Erklärungen der Beteiligten entgegen. Der Nachlass soll "weitgehend auseinandergesetzt" sein, § 1 der Urkunde. Dass er nicht noch lediglich aus dem Grundstück besteht, lässt sich auch § 4 Abs. 2 der Urkunde entnehmen, wonach zum Nachlass noch Festgeldkonten gehören sollen, von denen der Beteiligte zu 3 bei ihrer Auflösung 1/10 des Guthabenbetrages erhalten soll. Ohnehin kommt es nicht darauf an, ob das Grundstück mit Rechten Dritter belastet ist. Nicht das Grundstück als solches soll - anteilig - von dem Beteiligten zu 3 auf den Beteiligten zu 1 übertragen werden, sondern der dem Beteiligten zu 3 zustehende Erbanteil. Nur daran sind die - erbrechtlichen - Haftungsfolgen geknüpft.

    Wer unter elterlicher Sorge steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern verhindert sind, einen Pfleger, § 1909 Abs. 1 S. 1 BGB. Dieser Ergänzungspfleger vertritt den Minderjährigen anstelle der verhinderten Sorgeberechtigten, §§ 1915 Abs. 1 S. 1, 1793 Abs. 1 S. 1 BGB. Das ist hier wegen der rechtlichen Verhinderung der Beteiligten zu 2 bei der Vertretung des Beteiligten zu 1 bei der Übertragung des Erbanteils des Beteiligten zu 3 auf ihn nach den obigen Ausführungen erforderlich. Hierauf hat das Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung zu Recht hingewiesen.

    bb) Die Zwischenverfügung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, wie das Grundbuchamt zudem eine familiengerichtliche Genehmigung der zwischen den Beteiligten zu 3 und 1 zu treffenden Vereinbarungen für erforderlich erachtet hat.

    Zur Übernahme einer fremden Verbindlichkeit durch einen Minderjährigen bedarf der Ergänzungspfleger der Genehmigung des Familiengerichts, §§ 1909, 1915 Abs. 1 S. 1 und 3, 1822 Nr. 10 BGB. Hiervon werden solche Fälle erfasst, in denen von dem Mündel eine Subsidiärhaftung übernommen werden soll, also dem Mündel, der aufgrund der übernommenen Haftung leisten würde, ein Ersatzanspruch gegen den Primärschuldner zusteht (Müller, DNotZ 2013, 208, 210). Hierzu gehört auch die Eingehung einer gesamtschuldnerischen Haftung gemäß § 421 BGB (OLG Köln, FamRZ 2015, 1410). Die Übertragung eines Erbanteils führt zu einer solchen gesamtschuldnerischen Haftung des Erwerbers, §§ 2058, 2383, 2385 BGB. Daran ändert sich vorliegend nichts dadurch, dass der Beteiligte zu 1 bereits einen Anteil an dem Nachlass hält. Ist ein Erbe zu mehreren Erbanteilen berufen, so bestimmt sich seine Haftung für die Nachlassverbindlichkeiten in Ansehung eines jeden der Erbteile so, wie wenn die Erbteile verschiedenen Erben gehörten, § 2007 S. 1 BGB. Das gilt auch bei Übertragung des Anteils eines Miterben auf einen anderen Miterben (Grüneberg/Weidlich, a.a.O., § 2007, Rdn. 1).

    An der familiengerichtlichen Genehmigung fehlt es hier. Ohne diese Genehmigung können die Erklärungen zur UR-Nr. 2xx/2xxx keine Wirksamkeit erlangen, § 1829 Abs. 1 S. 1 BGB.

    c) Vor diesem Hintergrund kommt derzeit die Berichtigung des Grundbuchs auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 GBO in Betracht. Danach bedarf es zur Berichtigung des Grundbuchs keiner Bewilligung, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Ein solcher Nachweis bedarf der Form des § 29 GBO, kann also nur durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden erbracht werden. Daran fehlt es hier.

    Nach den obigen Ausführungen bedürfen die zur UR-Nr. 2xx/2xxx im Namen des Beteiligten zu 1 beurkundeten Erklärungen der Beteiligten zu 2 der Genehmigung durch einen noch zu bestellenden Ergänzungspfleger sowie die Verfügung insgesamt der Genehmigung durch das Familiengericht. Diese liegen nicht vor. Das Grundbuchamt hat sie mit Recht in der angefochtenen Zwischenverfügung erfordert.

    3. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 61, 36 Abs. 3 GNotKG.

    Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO, besteht nicht.

    RechtsgebieteBGB, GBOVorschriften§ 107 BGB, § 421 BGB, § 426 BGB, § 1629 BGB, § 1795 BGB, § 1822 BGB, § 1909 BGB, § 1915 BGB, § 2007 BGB, § 2033 BGB, § 2058 BGB, § 2383 BGB, § 2385 BGB, § 13 GBO, § 19 GBO, § 22 GBO, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO