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  • 17.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235321

    Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Beschluss vom 30.01.2023 – 3 Wx 37/22

    1. § 2077 BGB ist trotz späteren Verlöbnisses oder Eheschließung auch dann nicht auf die Einsetzung des Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament anzuwenden, wenn ein Widerruf des Einsetzungstestaments während der Ehe wiederum widerrufen wird.

    2. Der Widerruf eines Widerrufstestaments führt wie eine Anfechtung dazu, dass das ursprüngliche Testament rückwirkend wieder in Kraft tritt.


    SchlHOLG, 3. Zivilsenat

    Beschluss vom 30.01.2023


    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
    Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
    Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf 230.000,00 €.

    Gründe

    I.

    Der Erblasser errichtete am 16.08.1989 ein Testament ..., in dem er die Antragstellerin, mit der er zusammen wohnte, zu seiner Erbin berief. Der Erblasser und die Antragstellerin heirateten am ….1990. Sie waren hälftige Miteigentümer von zwei Eigentumswohnungen in Ro. und in Re. Sie schlossen am 28.12.2005 notariell beurkundet eine Nutzungsvereinbarung zu den Wohnungen (UR-NR. …7/2005) und einen Erbvertrag (UR-Nr. …6/2005), in dem sie zunächst alle ihre früheren Verfügungen von Todes wegen widerriefen und wechselseitig Vermächtnisse an ihren hälftigen Miteigentumsanteilen an der vom jeweils anderen Ehegatten genutzten Eigentumswohnung und der jeweiligen Anteile an gemeinsamen Lebensversicherungen vertraglich bindend bestimmten. Weitere Verfügungen von Todes wegen behielten sich beide vor. Die Ehe scheiterte. Antragstellerin und Erblasser schlossen am 10.06.2009 zwei notariell beurkundete Verträge, einen Erbvertrag und eine Scheidungsfolgenvereinbarung.

    Die Scheidungsfolgenvereinbarung (UR-Nr. …4/2009) enthielt unter anderem wechselseitig einen Verzicht auf den Versorgungsausgleich und eine Übertragung des jeweiligen Miteigentumanteils an der nicht selbst genutzten Eigentumswohnung an den diese bewohnenden Ehegatten sowie Aufhebung der Nutzungsvereinbarung von 2005. In § 6 der Vereinbarung ist bestimmt, dass die bis dahin im Besitz der Antragstellerin befindliche Versicherungspolice beim Urkundsnotar zu hinterlegen sei mit der Anweisung, diese der Versicherung zu übersenden, wenn er von beiden Beteiligten dazu angewiesen oder ihm die Sterbeurkunde eines der Beteiligten vorgelegt werde. In der Scheidungsfolgenvereinbarung belehrte der Notar, dass beim Tod eines Ehegatten der Überlebende nur Alleinerbe werde, wenn der Verstorbene dies durch Testament oder Erbvertrag ausdrücklich verfügt habe oder keine Kinder oder sonstigen Verwandten hinterlasse, die neben dem Überlebenden erbberechtigt seien. Die Eheleute erklärten anschließend, dass sie ihren Erbvertrag vom 28.12.2005 in gesonderter Urkunde zu widerrufen und weitere erbrechtliche Regelungen zu treffen beabsichtigen. Schließlich bestimmten sie, dass der Vertrag unabhängig davon gelten solle, ob die Ehe geschieden werde oder nicht.

    Im Erbvertrag vom selben Tag (UR-Nr. …3/2009) nahmen die Eheleute auf ihre Trennung Bezug und erklärten, den Vertrag und die darin enthaltene Aufhebung des früheren Erbvertrags von 2005 unabhängig von der Durchführung eines Scheidungsverfahrens abschließen zu wollen. Er solle "insbesondere auch im Falle einer Scheidung unserer Ehe bestehen bleiben (§ 2077 Abs. 3 BGB)". Danach erklärten sie, dass sie alle ihre bisher gemeinsam errichteten Verfügungen von Todes wegen widerrufen, insbesondere den Erbvertrag von 2005, jedoch ihre bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Sie setzten sich wechselseitig mit vertraglicher Bindung ein Vermächtnis an einer gemeinsamen Lebensversicherung aus. Sie erklärten, die Freiheit beider, über ihr Vermögen von Todes wegen zu verfügen, werde im übrigen nicht beschränkt, die Regeln über die gesetzliche Erbfolge seien ihnen bekannt und die getroffenen Bestimmungen sollten unabhängig von der Existenz Pflichtteilsberechtigter bei Eintritt des jeweiligen Erbfalls gelten.

    Ende Juni 2009 stellte die Antragstellerin Scheidungsantrag. Die Ehe wurde mit Urteil vom 06.08.2009 geschieden, in dem der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs genehmigt wurde. Der Erblasser heiratete erneut 2017. Die Ehe mit seiner zweiten Frau wurde 2019 geschieden. Der Erblasser hat keine Abkömmlinge. Er verstarb vor seiner Mutter. Sein Vater ist vorverstorben. Die Beschwerdeführerin ist seine Schwester.

    Nach dem Tod des Erblassers haben beide Beteiligte einen Erbscheinsantrag gestellt, die Antragstellerin als Alleinerbin gemäß Verfügung von Todes wegen (dieses Verfahren), die Beschwerdeführerin als gesetzliche Miterbin neben der Mutter des Erblassers. Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Antrag zugleich einen eventuell im Erbvertrag von 2009 liegenden Widerruf des Widerrufs aus dem Erbvertrag von 2005 angefochten.

    Die Antragstellerin hat gemeint, § 2077 BGB sei nicht anwendbar, wenn ein Erblasser die Partnerin einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu Erben einsetze, später mit ihr die Ehe eingehe und diese geschieden werde. Sie hat sich dazu auf Entscheidungen des OLG Frankfurt vom 16.02.2016 (20 W 322/14) und 07.07.2015 (20 W 16/15) bezogen. Der Widerruf des Einzeltestaments im Erbvertrag von 2005 sei durch den Erbvertrag von 2009 widerrufen worden, was auch durch die Zweifelsregelung in § 2257 BGB bestätigt werde.

    Sie hat behauptet, der Erblasser und sie hätten sich im Guten getrennt und seien sich weiter freundschaftlich verbunden geblieben. Sie hat dazu einen E-Mail-Wechsel aus 2019/2020 vorgelegt wegen dessen Inhalts Bezug genommen wird. Zwischen den Eheleuten und dem Notar sei 2009 besprochen worden, dass mit dem Erbvertrag die Eheleute auf ihre jeweiligen Einzeltestamente zurückfielen, nur noch diese und der Erbvertrag gelten sollten. Sie erinnere nicht, ob dabei konkret das Einzeltestament des Erblassers von 1989 besprochen worden sei.

    Die Beschwerdeführerin hat gemeint, die Entscheidungen des OLG Frankfurt könnten nicht herangezogen werden, weil der vermeintliche Widerruf des Widerrufs während bestehender Ehe erfolgt sei. Die Erbeinsetzung wäre also erst während der Ehe wieder aufgelebt. Selbst wenn es 2019/2020 einen freundschaftlichen Umgang des Erblassers mit der Antragstellerin gegeben hätte, besage dies nichts über den Testierwillen des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrags 2009 unmittelbar vor Scheidung der Ehe.

    Das Nachlassgericht hat die zur Begründung des Antrags der Antragstellerin erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Den Antrag der Beschwerdeführerin hat es noch nicht beschieden. Es hat die Antragstellerin als Alleinerbin aufgrund des Testaments von 1989 angesehen. Der Erbvertrag von 2005 sei durch den von 2009 widerrufen worden. Aufgrund der Vermutung des § 2257 BGB sei eine frühere Verfügung von Todes wegen im Zweifel wirksam, wenn deren Widerruf später widerrufen werde. Zudem sei im Vertrag von 2009 ausdrücklich festgehalten, dass bisherige einzeln errichtete Verfügung von Todes wegen ihre Gültigkeit behalten sollten. Vorausgegangen sei nur die Verfügung von 1989.

    Es gebe keine Gründe anzunehmen, dass sich der Erblasser geirrt habe. Solche habe die Beschwerdeführerin nicht substantiiert dargelegt. Die Antragstellerin habe dargelegt, zwischen ihr, dem Erblasser und dem Notar sei besprochen worden, dass sie mit dem Widerruf des Widerrufs auf ihre Einzeltestamente zurückfielen. Zwar möge der Erblasser beim Erbvertrag von 2005 keinen Grund für eine über die Vermächtnisse hinausgehende weitere Verfügung gesehen und daher die vorangegangenen Verfügungen widerrufen haben. Daraus ergebe sich aber umso mehr, dass er die Regelung insgesamt habe widerrufen und die Fortgeltung der bisherigen Verfügungen anordnen wollen. Im Übrigen habe es durch den weiteren Vertrag vom 10.06.2009 auch Gründe für die Regelung des Vermächtnisses gegeben. Die Lebensversicherung falle nicht zwingend in den Nachlass, sodass insoweit eine klarstellende Regelung in Betracht gekommen sei. Darüber hinaus sei insoweit eine vertragliche Bindung entstanden, während der Erblasser im Übrigen neu und abweichend hätte testieren können. Es könne offenbleiben, ob § 2077 Abs. 1 BGB auf die Verfügung von 1989 anzuwenden sei. Aufgrund des Erbvertrags von 2009 sei diese gemäß § 2077 Abs. 3 BGB nicht unwirksam.

    Dagegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin meint, die gesetzliche Vermutung des § 2257 BGB sei widerlegbar und greife hier nicht ein. Der Erblasser habe mit dem Widerruf des Erbvertrags von 2005 nicht den Widerruf des Testaments von 1989 widerrufen wollen. Die Einsetzung seiner getrennt lebenden Ehefrau, von der er sich 2 Monate später habe scheiden lassen, sei erkennbar nicht dessen Wille gewesen. Das sei durch Auslegung zu ermitteln. Nach dem zeitlichen Ablauf sei nicht davon auszugehen, dass der Erblasser die getrennt lebende Ehefrau wieder zur Alleinerbin habe machen wollen, obwohl er mit ihr in den Verträgen von 2009 dezidierte Vereinbarungen zur vollständigen vermögensmäßigen Trennung im Zusammenhang mit der anstehenden Scheidung getroffen habe. Erblasser und Antragstellerin hätten schon bei Abschluss des 1. Erbvertrages von 2005 voneinander getrennt gelebt. Die Eigentumsverhältnisse an beiden Eigentumswohnungen seien noch nicht entflochten gewesen. Durch die wechselseitigen Vermächtnisanordnungen hätten sie dafür Sorge getragen, dass beim Tode eines Ehegatten der Überlebende den Miteigentumsanteil des Verstorbenen an der von ihm selbst bewohnten Wohnung hinzu erhalte, ohne mit dem Rest des Nachlasses etwas zu tun zu haben. Sie behauptet, die beiden Lebensversicherungen seien jeweils in die Finanzierung der Wohnungen eingebunden gewesen.

    In der Scheidungsfolgenvereinbarung von 2009 hätten sie dann die Entflechtung der Eigentumsverhältnisse dadurch vorgenommen, dass die Miteigentumsanteile an der jeweils nicht selbst bewohnten Wohnung gegen befreiende Schuldübernahme der bis dahin gemeinsamen Verbindlichkeiten auf den anderen übertragen worden seien. Im gleichzeitig geschlossenen Erbvertrag seien die Vermächtnisse dann auf die Lebensversicherung bei der Provinzial beschränkt worden.

    Schon im ersten Erbvertrag von 2005 sei es erkennbar nicht mehr der Wille des Erblassers gewesen, dass die getrennt lebende Ehefrau seine Alleinerbin werden sollte, weil er keine Erbeinsetzung enthalte. Mit den Verträgen von 2009 seien die Vermächtnisanordnungen aus dem Erbvertrag von 2005 weitgehend überholt gewesen. Die Ehegatten seien mit den Verfügungen im Erbvertrag von 2009 daher nochmals hinter dem früheren Erbvertrag zurückgeblieben. Beide Verträge von 2009 seien in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren getroffen worden. Daher sei es erkennbar der Wille des Erblassers gewesen, dass das 20 Jahre zuvor errichtete und im 1. Erbvertrag widerrufene Testament von 1989 nicht habe wiederaufleben sollen. Sie behauptet, das Verhältnis des Erblassers zur Antragstellerin bei Errichtung des 2. Erbvertrags sei von großem Misstrauen geprägt gewesen. Sie meint, das zeige § 6 Abs. 3 der Scheidungsfolgenvereinbarung.

    Des Vermächtnisses im Erbvertrag von 2009 hätte es nicht bedurft, wenn der Erblasser die Antragstellerin wieder zur Alleinerbin hätte machen wollen. Wenn er das gewollt hätte, hätte es nahegelegen, hierzu eine ausdrückliche Regelung 2009 zu treffen. Der Erblasser habe auch nicht gegenüber dem Notar geäußert, dass die Antragstellerin Erbin werden solle. Sonst hätte der Notar eine klarstellende Erklärung in den Erbvertrag aufgenommen. Das gelte umso mehr, als einem Laien die Vermutung aus § 2257 BGB regelmäßig nicht bekannt sei.

    Weil der Erblasser den im Erbvertrag von 2005 enthaltenen Widerruf nicht habe widerrufen wollen, greife die Anfechtung der Beschwerdeführerin wegen Irrtums.

    Weiter bleibe es dabei, dass gemäß § 2077 BGB aufgrund der Scheidung die Erbeinsetzung von 1989 unwirksam geworden sei. Es sei zu berücksichtigen, dass der vermeintliche Widerruf des Widerrufs noch während der Ehe erfolgt sei. Erst durch die während bestehender Ehe erfolgte zweite Widerrufserklärung wäre das Einzeltestament wieder aufgelebt. Das sei nicht anders zu beurteilen als eine erstmalige Einsetzung zur Alleinerbin während bestehender Ehe. Die Wirkung des zweiten Widerrufs trete ab dem Zeitpunkt des ersten Widerrufs ein.

    Die Regelung im Erbvertrag von 2009 wonach die Aufhebung des Erbvertrags von 2005 unabhängig davon geschlossen werde, ob und wann die Ehe geschieden werde, stehe dem nicht entgegen. Diese Klarstellung sei im Hinblick auf die gleichzeitig erfolgte Übertragung der Miteigentumsanteile an den Eigentumswohnungen erforderlich geworden. Sonst hätte im Erbfall strittig werden können, ob die im Erbvertrag von 2005 getroffenen Vermächtnisanordnungen weiterhin Geltung haben sollen oder nicht. Ein entsprechender gegenläufiger Hinweis finde sich auch in § 7 Abs. 2 der Scheidungsfolgenvereinbarung. Der Hinweis des Amtsgerichts auf § 2077 Abs. 3 BGB gehe danach fehl.

    Die Antragstellerin hält den angefochtenen Beschluss für richtig. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien 2009 ein vom Wortlaut abweichendes Verständnis gehabt hätten. Die Eheleute hätten seinerzeit auch nicht sämtliche Verbindungen zueinander gekappt, sondern die gemeinsame Lebensversicherung fortgesetzt und sich insoweit auch wechselseitig bindend mit Vermächtnissen bedacht. Die Aufbewahrung der Police beim Notar sei kein Ausdruck persönlichen Misstrauens gewesen, sondern habe dem beiderseitigen Bedarf Rechnung getragen, dass die Police bis zu dem aus damaliger Sicht statistisch erst in Jahrzehnten zu erwartenden Versicherungsfall sicher aufbewahrt werde.

    Eine Erbeinsetzung der Antragstellerin hätte die Vermächtnisse im Erbvertrag von 2009 nicht überflüssig gemacht. Wäre die Antragstellerin nur als Erbin bestimmt worden, wäre die Todesfallleistung aus der Lebensversicherung nicht ohne weiteres durch die Erbeinsetzung erfasst worden. Sie wäre nur in den Nachlass gefallen, wenn kein Bezugsrecht vereinbart gewesen wäre. Zum anderen liege die Bedeutung der Vermächtnisse in deren vertragsmäßiger Bindung. Diese hätte es nicht gegeben, wenn es allein bei der einseitig testamentarischen Erbeinsetzung aus dem Einzeltestament geblieben wäre. Für eine ausdrückliche Erbeinsetzung im Erbvertrag habe kein Bedarf bestanden, weil diese bereits im Einzeltestament vorgenommen worden sei. Dies habe nach dem im Erbvertrag erklärten Willen des Erblassers weiter gelten sollen. Es komme nicht darauf an, ob dem Laien die Vermutung des § 2257 BGB bekannt sei. Die gesetzliche Vermutung gelte unabhängig von einer Kenntnis der Beteiligten.

    Weil die notariell beratenen Parteien im Erbvertrag ausdrücklich bestimmt hätten, dass § 2077 Abs. 3 BGB im Fall der Scheidung angewendet werden solle und die bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen wirksam bleiben sollten, sei es unvereinbar anzunehmen, dass nach dem Willen des Erblassers die Verfügungen im Rahmen der Scheidung untergehen sollten. Diese Regelungen seien auch nicht allein im Hinblick auf die Vermächtnisse im Erbvertrag von 2005 getroffen worden. Die dortigen Vermächtnisse hätten die Parteien durch den zweiten Erbvertrag aufgehoben. Diese seien aufgrund der Übertragung in der Scheidungsfolgenvereinbarung entbehrlich geworden.

    Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Aus dem Inhalt der Verträge von 2009 ergebe sich, dass der Erblasser sich über den Fortbestand des Testaments vom 16.08.1989 bewusst gewesen sei. Er sei keinem Irrtum darüber unterlegen, dass gegebenenfalls frühere Testamente wieder aufleben sollten. Die Formulierung sei klar und eindeutig. Sie lasse keine abweichende Beurteilung zu. Sie habe vor dem Hintergrund der noch abweichenden Regelung im Erbvertrag von 2005 ihre Berechtigung. Es gebe keine Hinweise, dass die Formulierung anders hätte verstanden werden können und anders verstanden worden sei. Erblasser und Antragstellerin hätten in sämtlichen vertraglichen Regelungen jeweils sehr konkrete Absprachen bezüglich sämtlicher Vermögensangelegenheiten getroffen. Das zeige, dass der Erblasser sorgfältig und bewusst mit seinen Vermögensangelegenheiten umgegangen sei. Die wechselseitigen Vermächtnisse der Todesfallleistungen aus der Lebensversicherung mit der Verpflichtung, die Bezugsberechtigung in der Weise festzulegen, sei neben einer Erbeinsetzung von Bedeutung. Die Todesfallleistung falle nicht in den Nachlass, wenn ein Bezugsberechtigter benannt sei. Eine Erbeinsetzung jedoch hätte später wieder geändert werden können. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Erblasser und Antragstellerin tatsächlich zerstritten gewesen seien. Die Hinterlegung der Police bei dem Notar sei lediglich Vorsichtsmaßnahme gewesen. Das Testament von 1989 sei im Übrigen aufgrund der Regelung im Erbvertrag trotz der nachfolgenden Scheidung wirksam.

    Auf Anfrage des Senats hat die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie mit einer Befragung des Urkundsnotars einverstanden sei, auch wenn sie davon ausgehe, dass dabei keine neuen Erkenntnisse zutage träten. Auch die Beschwerdeführerin ist mit einer Befragung des Notars einverstanden. Die Akte des Scheidungsverfahrens ist beigezogen worden.

    II.

    Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig aber nicht begründet. Der Senat kann über die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung entscheiden (vgl. Senat, Beschluss vom 14.01.2010 - 3 Wx 92/09, FamRZ 2010, 1178; KG v. 29.06.2010 - 1 W 161/10, ZEV 2010, 524; OLG Düsseldorf v. 29.03.2011 - 3 Wx 263/10, FamRZ 2011, 1980ff; Sternal-Sternal § 68 FamFG, Rn. 73f m.w.N.; Bahrenfuss-Joachim § 68 FamFG Rn. 17). Dies gilt insbesondere, wenn sich die Beteiligten umfangreich schriftlich geäußert haben und weitere Ermittlungen zum Sachverhalt nicht aussichtsreich erscheinen.

    Die Antragstellerin ist Erbin. Sie ist durch das Testament von 1989 als alleinige Erbin des Erblassers eingesetzt worden.

    Daran hat der ausdrückliche Widerruf des Testaments durch den Erbvertrag 2005 letztlich nichts geändert. Der Widerruf war allerdings zunächst möglich und wirksam gemäß §§ 2299, 2253f BGB. Denn nach § 2299 BGB kann in einem Erbvertrag einseitig jede Verfügung getroffen werden, die auch durch Testament getroffen werden kann, wie ein Testamentswiderruf. Der Widerruf des früheren Testaments war nicht erbvertraglich vereinbart, wie sich aus § 3 Nr. 1 des Erbvertrags 2005 ergibt, wonach die vertragsmäßige Bindung für die Vermächtnisse vereinbart wurde. Damit war die Erbeinsetzung erst einmal entfallen. Den Erbvertrag von 2005 haben die Eheleute aber durch den späteren von 2009 wiederum aufgehoben. Das war möglich gemäß § 2290 BGB. Nach dieser Bestimmung kann ein Erbvertrag sowie eine einzelne vertragsmäßige Verfügung von den Personen aufgehoben werden, die den Erbvertrag geschlossen haben. Dadurch erlangte das Testament von 1989 rückwirkend wieder Geltung.

    Obwohl es sich bei dem im Erbvertrag 2005 enthaltenen Testamentswiderruf nicht um eine vertragliche Verfügung handelte, sondern um eine einseitige Erklärung, war diese vom Widerruf 2009 umfasst. Nach § 2299 Abs. 2 S. 2 BGB kann durch einen eine vertragsmäßige Verfügung aufhebenden Erbvertrag auch eine einseitige Verfügung aufgehoben werden. Einen ausdrücklichen Widerruf des Widerrufs enthält der Erbvertrag 2009 allerdings nicht. Die Parteien haben seinerzeit lediglich erklärt, alle gemeinsam errichteten Testamente und sonstigen gemeinsamen Verfügungen von Todes wegen, insbesondere den Erbvertrag 2005 aufzuheben, während bisher einzeln errichtete Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollten. Das bedeutet, dass die insgesamt im Erbvertrag 2005 getroffenen Bestimmungen aufgehoben und nur die außerhalb dessen getroffenen, einzeln errichteten Verfügungen bestehen bleiben sollten. So haben es die Parteien und das Nachlassgericht verstanden. Dem schließt sich der Senat an.

    Die Regelung bedeutet dagegen nicht, dass mit den bestehen bleibenden einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen die im Erbvertrag 2005 enthaltenen einseitigen Verfügungen gemäß § 2299 Abs. 1 BGB - mithin auch der Testamentswiderruf - gemeint waren, so dass nur die vertragsmäßigen Vermächtnisse als bindende Verfügungen aufgehoben worden wären. Das läge schon nach dem Wortlaut fern. Wäre das gewollt gewesen, hätten die Eheleute eher entsprechend eng formuliert, dass sie die vertraglich vereinbarten Vermächtnisse aufheben. Zudem waren die Eheleute notariell beraten und ein Notar sorgt vorsorglich im Regelfall dafür, frühere Regelungen insgesamt aufzuheben, um eine klare Neuregelung treffen zu können und nicht Unwägbarkeiten aus dem Zusammenspiel von alten und neuen Verfügungen ausgesetzt zu sein. Anhaltspunkte für eine auf die erbvertraglich vereinbarten Vermächtnisse beschränkte Aufhebung fehlen somit.

    Letztlich ist die Aufhebung insgesamt wegen der in § 2299 Abs. 3 BGB enthaltenen Vermutungswirkung anzunehmen. Aufgrund der weiteren Vermutung aus § 2257 BGB, die wegen § 2299 Abs. 1 BGB ebenfalls anzuwenden ist, ist die Erbeinsetzung durch das Testament von 1989 so wirksam, als wäre sie 2005 nicht widerrufen worden.

    Ein gegenteiliger Wille des Erblassers lässt sich nicht feststellen. Das ergibt die Auslegung des im Erbvertrag 2009 enthaltenen Widerrufs. Der Widerruf im Erbvertrag von 2009 ist einseitige letztwillige Verfügung, die wie jede andere auch der Auslegung unterliegt. Bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung kommt es nach §§ 133, 2084 BGB auf den wirklichen Willen des Erblassers im Testamentserrichtungszeitpunkt an. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Es ist jedoch nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr sind sowohl der Wortsinn als auch die vom Testierenden benutzten Ausdrücke zu hinterfragen. Entscheidend ist, was dieser mit seinen Worten hat sagen wollen. Allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Begriffe ist maßgeblich (vgl. OLG Frankfurt v. 04.07.2017 - 20 W 343/15, FamRZ 2018, 537ff, bei juris Tz. 38). Zur Ermittlung des Inhalts einer testamentarischen Verfügung ist der gesamte Inhalt der Testamentsurkunde einschließlich aller Nebenumstände, auch solcher außerhalb des Testaments, heranzuziehen und zu würdigen. Die allgemeine Lebenserfahrung ist zu berücksichtigen (BGH v. 08.12.1982 - IVa ZR 94/81, BGHZ 86, 41, 45f, bei juris Tz. 16; BayObLG v. 27.10.1986 - BReg 1 Z 23/86, BayObLGZ 1986, 426, 429, bei juris Tz. 34). Heranzuziehen ist das gesamte Verhalten des Erblassers, soweit es mit seinen im Testament enthaltenen Erklärungen in Zusammenhang steht, einschließlich etwaiger Äußerungen des Erblassers gegenüber Dritten zu der von ihm gewünschten Erbfolge (BGH v. 09.04.1981 - IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246, 249). Geht es um Äußerungen des Erblassers vor oder nach Testamentserrichtung ist zu fragen, ob diese Rückschlüsse auf den allein maßgeblichen Willen im Testamentserrichtungszeitpunkt zulassen. Zudem ist wegen des erbrechtlichen Formerfordernisses in einem nächsten Schritt zu fragen, ob der ausgelegte Wille des Erblassers im Testament zumindest angedeutet ist. Kann sich der Richter auch unter Auswertung aller Umstände von dem tatsächlich vorhandenen wirklichen Willen des Testierenden nicht überzeugen, muss er sich mit dem Sinn begnügen, der dem Willen des Testierenden mutmaßlich am ehesten entspricht (BGH v. 07.10.1992 - IV ZR 160/91, FamRZ 1993, 318f, bei juris Tz. 11), wobei gesetzliche Auslegungsregeln zur Anwendung kommen können (OLG Hamm v. 11.12.2006 - 15 W 94/06, FamRZ 2007, 939ff, bei juris Tz. 26f; BayObLG v. 07.12.1999 - 1Z BR 127/99, FamRZ 2000, 983ff, bei juris Tz. .29).

    Im Erbvertrag 2009 erwähnt der Erblasser sein Testament von 1989 nicht konkret. Es heißt dort lediglich, dass die bisher einzeln errichteten Verfügungen von Todes wegen ausdrücklich ihre Wirksamkeit behalten sollen. Sicher von dieser Weitergeltungsanordnung umfasst wären Einzeltestamente des Erblassers aus der Zeit zwischen 2005 und 2009. Die vor dem Erbvertrag 2005 errichteten Testamente könnten rein vom Wortlaut her nicht umfasst sein, weil es heißt, dass frühere Testamente ihre Wirksamkeit behalten sollen. Das knüpft an eine bestehende Wirksamkeit an. Das Testament 1989 war aber 2005 widerrufen worden und damit zum Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrags 2009 nicht mehr wirksam. Von einem Behalten der Wirksamkeit kann also nicht ohne weiteres gesprochen werden. Das gegebenenfalls frühere Testamente wieder aufleben sollten, hat der Erblasser nicht ausdrücklich bestimmt. Andererseits wäre "behalten" aber durchaus möglich, wenn man darauf abstellt, dass nach § 2257 BGB der Widerruf des Widerrufs dazu führt, dass die ursprüngliche Verfügung im Zweifel wirksam ist, als wäre sie nicht widerrufen worden. Dann aber behält sie auch ihre Wirksamkeit (vgl. dazu eingehend unten).

    Unmittelbar vor Abschluss des Erbvertrags hatten die Eheleute auch die Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen. In der heißt es, dass der Ehepartner nur dann Erbe werde, wenn dies durch Testament oder Erbvertrag ausdrücklich verfügt sei. Das entspricht der Schilderung der Antragstellerin. Denn sie hat angegeben, es sei besprochen worden, dass die Eheleute auf ihre jeweiligen Einzeltestamente zurückfielen. Auch wenn sie nach ihrer Angabe nicht erinnerte, dass anlässlich der Beurkundung über das Testament von 1989 gesprochen worden sei, spricht vieles dafür, dass dem Erblasser das frühere Testament dabei bewusst war und es seinem Willen entsprach, dass dieses gelten solle. Denn von weiteren Testamenten, die davon betroffen gewesen sein könnten, ist im Verfahren nichts bekannt geworden. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass der Erblasser die Errichtung des Testaments von 1989 vergessen aber dennoch "ausdrücklich" an der Wirksamkeit bisheriger Einzelverfügungen festgehalten haben könnte.

    Nicht auszuschließen ist, dass die Antragstellerin seinerzeit das Testament von 1989 nicht kannte und der Erblasser dessen Bekanntwerden auch nicht wollte. Das würde erklären, dass über das frühere Testament bei gemeinsamen Gesprächen mit dem Notar weder 2005 noch 2009 gesprochen und dieses in den Erbverträgen auch nicht benannt wurde. So kann es durchaus sein, dass der Erblasser jedenfalls 2009 den Willen hatte, seine Noch-Ehefrau ungeachtet der eventuellen, alsbaldigen Scheidung, als Erbin zu sehen. Das mag zwar bei gescheiterten Ehen nicht häufig sein, kann aber angesichts der Vielgestaltigkeit der Gründe, die zu einer Ehescheidung führen, und der Motivationen, die dahinter stehen, auch nicht ausgeschlossen werden. Es kann ferner nicht ausgeschlossen werden, dass es 2009 - aus welchen Gründen auch immer - der Wille des Erblassers war, die Antragstellerin wirtschaftlich möglichst gut zu stellen. Dazu passt, dass er auf nachehelichen Unterhalt verzichtete, obwohl die Antragstellerin das nicht nur unerheblich höhere Einkommen hatte, wie sich aus den einleitenden Angaben zu den Einkommensverhältnissen im Scheidungsfolgenvertrag und im Scheidungsverfahren ergibt. Ferner übertrug der Erblasser ihr nach den Wertangaben im Scheidungsfolgenvertrag unter § 18 Nr. 3 und den seinerzeitigen dinglichen Belastungen auch einen wesentlich werthaltigeren Grundstücksanteil als sie ihm.

    Zum Verhältnis des Erblassers zu seinen Familienangehörigen oder anderen eventuell nahestehenden Personen ist im Verfahren nichts vorgetragen, auch nicht zu anderweitigen zwischenzeitlichen letztwilligen Verfügungen des Erblassers. Es liegt danach nicht fern, dass es dem Erblasser 2009 mangels aktueller Alternative vorbehaltlich späterer abweichender Willensbildung als sinnvolle Regelung der Erbfolge erschien, wenn die Antragstellerin Erbin werden würde - ungeachtet der vertraglichen Vermächtnisregelung. Zwar kann nicht als sicher angenommen werden, dass ihm die Vermutungswirkung des § 2257 BGB bekannt war, auch wenn die Antragstellerin auf entsprechende Erläuterungen durch den Urkundsnotar hinweist.

    Deren Kenntnis kann aber ebensowenig ausgeschlossen werden wie eine laienhafte Vorstellung, dass bei Widerruf des Widerrufs automatisch die frühere Regelung wieder eingreife. Dass es sich insoweit um eine durchaus landläufige Vorstellung handelt, zeigt sich daran, dass Laien immer wieder meinen, von einseitigen Gestaltungserklärungen zurücktreten zu können (bspw. die "Rücknahme der Kündigung" in Miet- oder Arbeitsverhältnissen oder der "Rücktritt vom Rücktritt" in Politiker- und Sportlerkreisen). Ohne dass es letztlich darauf ankommt, würde es ins Bild passen, wenn sich Erblasser und Antragstellerin über ihre Trennung hinaus freundschaftlich verbunden blieben, und der mitgeteilte Mailverkehr Ende 2019 insoweit nicht nur Zeichen einer jüngeren Entwicklung im Verhältnis beider zueinander war. Vor allem aber die ausdrückliche Bezugnahme auf die früher errichteten Einzeltestamente im Erbvertrag als auch die Belehrung in der Scheidungsfolgenvereinbarung sprechen dafür, dass vom Erblasser die Regelung aus dem Testament von 1989 gewollt war.

    Die Beschwerdeführerin meint demgegenüber, es sei erkennbar nicht der Wille des Erblassers gewesen, die mit ihm in Scheidung lebende Antragstellerin als Erbin einzusetzen. Soweit sie versucht, das aus den 2005 und 2009 getroffenen Vermächtnisregelungen und vor allem deren Abfolge herzuleiten, ist das aber nicht zwingend. Zwar ergibt der Erbvertrag von 2005, dass der Erblasser das Testament von 1989 seinerzeit nicht mehr aufrechterhalten wollte. Das heißt aber nicht, dass es ihm im Erbvertrag von 2009 ausschließlich darum ging, eine Fortschreibung dessen unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Scheidungsfolgenvereinbarung mit der wechselseitigen Übertragung der Miteigentumsanteile vorzunehmen. Wäre das der Fall gewesen, hätte es genügt, im Erbvertrag nur die die Eigentumswohnungen betreffenden Vermächtnisse aufzuheben und klarzustellen, dass sich das Vermächtnis wegen der offenbar nicht mehr bestehenden Lebensversicherung bei M. - diese wird nicht mehr erwähnt, weder in der Scheidungsfolgenvereinbarung noch im Erbvertrag 2009 - erübrigt hat.

    Stattdessen haben die Eheleute den früheren Erbvertrag insgesamt aufgehoben. Aufhebung ist nicht Fortschreibung.

    Auch das Argument, der Erblasser hätte die Antragstellerin im Erbvertrag 2009 zur Alleinerbin bestimmen können, hilft der Beschwerde nicht. Als vertraglich bindende Regelung hätte sich der Erblasser dann seiner Freiheit begeben, später gegebenenfalls abweichend einen oder mehrere Erben zu bestimmen. Dabei zeigt gerade die hier Jahre später geschlossene zweite Ehe des Erblassers, dass er 2009 es durchaus noch für möglich halten durfte, später noch ein neues Testament zugunsten von Personen zu errichten, an die er bisher gar nicht dachte.

    Eine bindende Einsetzung der Antragstellerin hätte dem dann aber entgegengestanden. Als ebenfalls an sich denkbare ausdrücklich einseitige Regelung gemäß § 2299 Abs. 1 BGB hätte eine Erbeinsetzung der Antragstellerin aber auch nicht der seinerzeitigen Interessenlage beider entsprochen, sondern nur der des Erblassers. Er wäre zwar nicht gebunden gewesen. Aber gerade das hätte nicht die Interessen der Antragstellerin berücksichtigt, die ihrerseits bindend dem Erblasser ein Vermächtnis machte, aber nicht in der Erwartung geschützt worden wäre, im Gegenzug beim Tod des Erblassers die Leistung aus der Lebensversicherung zu erhalten. Gerade im Hinblick auf eine von der Beschwerdeführerin behauptete Einbindung in die Immobilienfinanzierung wäre das von besonderer Wichtigkeit für die Antragstellerin gewesen.

    Soweit die Beschwerdeführerin weiter meint, aus der Regelung zur Verwahrung des Versicherungsscheins der gemeinsamen Lebensversicherung beim Urkundsnotar und zu deren Verwendung auf ein erhebliches Misstrauen der in Trennung lebenden Eheleute schließen zu können, hat die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass eine langfristig sichere Aufbewahrung der Police habe sichergestellt werden sollen. Das erscheint zumindest nicht ausgeschlossen. Sonstige Anhaltspunkte für ein besonderes Misstrauen im Verhältnis der Eheleute 2009 bestehen nicht. Gerade das vollständig einvernehmlich durchgeführte Scheidungsverfahren spricht im übrigen dagegen

    Danach kann letztlich kein eindeutiger Wille des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrags 2009 festgestellt werden, ob das frühere Testament von 1989 wieder gelten sollte oder nicht, wobei mehr für die erste Alternative spricht. Mithin greift zugunsten der Antragstellerin die Vermutungsregelung aus §§ 2299 Abs. 1, 2257 BGB.

    Einer Anhörung des Urkundsnotars zur Auslegung der Bestimmungen bedurfte es wegen des Eingreifens der Vermutungsregelung nicht. Wenn das Testament 1989 bei der Beurkundung bzw. der Vorbereitung kein Thema war, bleibt es bei der Vermutung. Wenn ausdrücklich darüber gesprochen worden ist und der Erblasser den Willen der Aufrechterhaltung bekundet haben würden, würde sich am Ergebnis nichts ändern. Es wäre nur keine Folge einer Vermutung mehr, sondern sicheres Auslegungsergebnis. Dass der Notar gegen einen erklärten Willen des Erblassers, seine Ehefrau solle jedenfalls nicht Erbin werden/bleiben, den Erbvertrag mit dem vorliegenden Inhalt ohne entsprechende Klarstellung beurkundet hätte und dies in einer Vernehmung als Zeuge bekunden würde, erscheint nicht nur praktisch ausgeschlossen, ist von der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht, sondern vor allem wäre ein solcher Wille des Erblassers im Erbvertrag von 2009 nicht ansatzweise angedeutet.

    Soweit das Testament von 1989 durch den Erbvertrag von 2009 wieder Geltung erlangte, änderte daran die wenig später erfolgte Scheidung nichts. § 2077 Abs. 1 BGB ist auf den hier gegebenen Fall nicht anzuwenden. Bei Testamentserrichtung waren Erblasser und Antragstellerin noch nicht verheiratet. Auch von einem gemäß § 2077 Abs. 2 BGB gleichzustellenden Verlöbnis beider ist nichts bekannt.

    Ob § 2077 BGB auf testamentarische Erbeinsetzungen anzuwenden ist, die vor Eingehung der Ehe und vor Verlöbnis erfolgen, hat das Nachlassgericht aufgrund seines Verständnisses der im Erbvertrag 2009 enthaltenen Formulierung und der Vermutung des § 2077 Abs. 3 BGB offengelassen. Das ist nicht der Fall. Denn in diesen Fällen, kann nicht angenommen werden, dass die Erbeinsetzung gerade im Hinblick auf die (beabsichtigte) Eheschließung erfolgt. Die Bestimmung beruht auf der Annahme, dass ein Erblasser regelmäßig seinen Ehegatten nur aufgrund der durch die Eheschließung bewirkten familienrechtlichen Bindung bedenken will (Senat v. 10.03.2021 - 3 Wx 46/21, n.v., BayObLG v. 08.03.1995 - 1Z BR 175/94, FamRZ 1995, 1088f, bei juris Tz. 18; Grüneberg-Weidlich § 2077 BGB Rn. 1; Lehrmann in Herberger/Martinek/Rüßmann/ Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 2077 BGB Rn. 11). An einer solchen Motivation fehlt es aber, wenn die Partner weder verheiratet sind noch sich ein Eheversprechen gegeben haben. Auf nichteheliche Lebensgemeinschaften ist § 2077 BGB nicht anzuwenden (BGH v. 10.07.2019 - IV ZB 22/18, NJW 2019, 3449, 3451, Rn. 16; Staudinger-Otte § 2077 BGB Rn. 28; Lehrmann in Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, § 2077 BGB Rn. 83; a.A. Erman-Schmidt § 2077 BGB Rn. 5; diff. Leipold in MüKoBGB § 2077 BGB Rn. 15f). Heiraten die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft später, ändert sich daran schon deswegen nichts, weil für die Auslegung letztwilliger Verfügungen auf den Errichtungszeitpunkt abzustellen ist und § 2077 BGB eine Regel zur (ergänzenden) Auslegung ist.

    Aus dem Ausschluss von § 2077 Abs. 1 BGB im Erbvertrag 2009 kann - entgegen der Ansicht des Nachlassgerichts - dazu nichts hergeleitet werden, weil sich dieser nur auf den Erbvertrag selbst bezieht, während es hier um das frühere Testament von 1989 geht. Später geäußerte Motive eines Erblassers können nur dann die Auslegung einer früheren letztwilligen Verfügung beeinflussen, wenn sie den Schluss erlauben, dass sie auch tatsächlich schon bei Errichtung der letztwilligen Verfügung vorlagen. Dazu besagt der Erbvertrag 2009 aber nichts.

    Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Beschwerdeführerin, dass der Widerruf des Widerrufs, der zur erneuten Wirksamkeit des Testaments von 1989 führte, während der Ehe erklärt wurde und insoweit die Vermutung des § 2077 BGB hier durchaus Anwendung finde. Das löst allerdings die Frage nach dem Wirkungszeitpunkt des Widerrufs eines Widerrufs aus. Im Ergebnis entfällt die Wirkung des früheren Widerrufs von Anfang an. Das ursprüngliche Testament ist als nie unwirksam geworden anzusehen. Alternativ wäre zwar denkbar, dass der Widerruf des Widerrufs ein Wiederinkraftsetzen des früheren Testaments herbeiführt, also wie eine Neuerrichtung zu behandeln ist. Das entspricht aber nicht dem Gesetz.

    Der Wortlaut von § 2257 BGB spricht für ein Verständnis, dass der erste Widerruf als nie existent zu behandeln ist. Denn nach ihm ist das frühere Testament im Zweifel so wirksam, wie wenn es nicht widerrufen worden wäre. Das ändert aber nichts daran, dass das Testament zunächst durch den Widerruf beseitigt (Begriffsverwendung bei Grüneberg-Weidlich § 2253 BGB Rn. 2) bzw. aufgehoben (Sticherling in MüKoBGB § 2253 Rn. 6; Staudinger-Baumann § 2353 BGB Rn. 17; Lauck in Burandt/Rojahn § 2253 BGB Rn. 3) worden war. Wenn es aber beseitigt war, kann an sich nur eine Wiederherstellung dazu führen, dass es doch wieder Wirkung erlangt. Das würde dafür sprechen, die Voraussetzungen für eine Anwendung von § 2077 Abs. 1 BGB für gegeben anzusehen.

    In der Kommentarliteratur und Rechtsprechung wird die Frage nicht intensiv behandelt und eher unklar formuliert. So heißt es bspw. bei Lauck in Burandt/Johann § 2257 BGB Rn. 3 nur, dass das ursprüngliche Testament wieder in Kraft trete, so als wäre es nie widerrufen worden. Staudinger-Baumann § 2253 BGB Rn. 17 formuliert, der Widerruf durch Testament (§ 2254 BGB) sei kein endgültiger, da er bis zum Tod des Erblassers widerrufen werden könne mit der Rechtsfolge, dass das ursprüngliche, durch Widerruf unwirksame Testament nach dem Widerruf des Widerrufs dann wieder wirksam werde. Weiter führt er aus (Staudinger-Baumann § 2257 BGB Rn. 13), rechtsdogmatisch folge daraus, dass durch einen Widerruf gem § 2254 BGB das widerrufene Testament nicht endgültig nichtig, sondern nur schwebend unwirksam bleibe. Die endgültige Unwirksamkeit trete erst ein, wenn feststehe, dass das Widerrufstestament zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers noch in Kraft sei. Grziwotz führt aus, dass durch den späteren Widerruf der frühere nun seinerseits unwirksam werde mit der Folge, dass gleichsam automatisch die alte Verfügung ex tunc wieder wirksam werde (BeckOGK/Grziwotz § 2257 BGB Rn. 7). Dazu verweist er auf OLG Köln (v. 24.09.1954 - 8 W 43/54, NJW 1955, 4666, 467), das ausführt, das ursprüngliche Testament erlange nicht etwa vom Zeitpunkt des zweiten Widerrufs an erneut Wirksamkeit, sondern sei so anzusehen, als wäre es niemals widerrufen worden; dem zweiten Widerruf sei durch das Gesetz rückwirkende Kraft beigelegt worden. Ebenso sieht es offenbar Weidlich (in Grüneberg-Weidlich § 2257 BGB Rn. 1): "Der zweite Widerruf beseitigt rückwirkend die Wirkung des ersten...".

    Im Gesetzgebungsverfahren, war die Möglichkeit des Widerrufs des Widerrufs erst durch die zweite Kommission eingeführt worden (§ 2124 E II). Der erste Entwurf wollte den Widerruf des Widerrufs noch ausschließen (§ 1933 Abs. 2 E I). In den Erörterungen standen verschiedene Formulierungen zur Diskussion. Die Folge wurde in den verschiedenen Anträgen beschrieben mit "so gilt die Aufhebung als nicht erfolgt", "wird wiederhergestellt", "gilt der Widerruf als Wiederherstellung der widerrufenen Verfügung" und mit der schließlich Gesetz gewordenen Fassung (vgl. Mugdan V. S. 710, Prot. S. 7210f). In den Erörterungen hat der Gesetzgeber dann für die Entscheidung darüber, ob der Widerruf des Widerrufs überhaupt zugelassen werden soll, darauf abgestellt, dass es ein sonderbares Ergebnis wäre, wenn die Anfechtung des Widerrufs die ursprüngliche Verfügung wieder in Wirksamkeit treten ließe, dem ausdrücklichen Widerruf des Widerrufes aber diese Wirkung versagt bliebe (Mugdan V. S. 711, Prot. 7212f). Der Gesetzgeber wollte danach mit dem Widerruf Wirkungen wie bei einer Anfechtung erzeugen. Die Anfechtung wirkt aber auf den Zeitpunkt der Abgabe der angefochtenen Erklärung zurück (ex tunc-Wirkung), § 142 BGB, so dass bei dieser die Situation so zu beurteilen ist, als hätte es die angefochtene Erklärung (den angefochtenen Widerruf) nie gegeben. Maßgeblich bliebe im Fall der Anfechtung des ersten Widerrufs für die Auslegung des Testaments dessen Errichtungszeitpunkt 1989. Dann kann das beim Widerruf des Widerrufs aber auch nicht anders sein. Das entspricht im Ergebnis den oben angeführten Stimmen der Literatur und des OLG Köln.

    Der Anwendungsbereich der Vermutungsregelung des § 2077 Abs. 1 BGB ist danach nicht erfüllt. Es bleibt bei der Vermutung aus § 2257 BGB, dass im Zweifel die ursprüngliche Verfügung, mithin das Testament von 1989, wirksam bleibt.

    Würde man der gegenteiligen Ansicht der Beschwerdeführerin folgen, wäre weiter § 2077 Abs. 3 BGB zu beachten. Aufgrund der Fassung des Testaments ist angesichts des bei Beurkundung des Erbvertrags von 2009 im Raum stehenden, wenn auch noch nicht sicher absehbaren, Scheidungsverfahrens anzunehmen, dass die Erbeinsetzung wie 1989 testiert trotz Scheidung Geltung haben sollte, worauf insoweit zutreffend das Nachlassgericht abgestellt hat.

    Die Anfechtung der Beschwerdeführerin ist ins Leere gegangen, weil kein Irrtum des Erblassers feststeht. Im Hinblick auf §§ 2078 Abs. 1, 119 BGB kann wie dargelegt nicht ausgeschlossen werden, dass der Erblasser durchaus die Wiedereinsetzung der Antragstellerin als seiner Erbin, so wie im Testament von 1989 bestimmt, wollte, als er mit dieser den Erbvertrag 2009 abschloss. Die Beschwerdeführerin trägt die Feststellungslast für einen Irrtum des Erblassers.

    Für eine - nicht ausdrücklich erklärte - Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB ist ebenfalls kein Raum. Es steht nicht fest, dass der Erblasser das Testament 1989 nur im Vertrauen auf einen dauerhaften Fortbestand der Beziehung zur Antragstellerin errichtete. Die Beschwerdeführerin hat dazu keine ausreichenden Gründe vorgetragen, die einen solchen Schluss rechtfertigen könnten. Zudem wäre das im Widerruf von 2009 begründete Wiederaufleben des Testaments 1989 unter Umständen als eine die Anfechtung durch die Beschwerdeführerin ausschließende Bestätigung des anfechtbaren Rechtsgeschäfts gemäß § 144 BGB anzusehen, die dem Erblasser trotz Fehlen eines eigenen Anfechtungsrechts möglich gewesen wäre (vgl. dazu Leipold in MüKoBGB § 2078 BGB Rn. 63; Otte in Staudinger § 2080 BGB Rn. 24).

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Danach soll das Gericht dem Beteiligten, der ein erfolgloses Rechtsmittel eingelegt hat, die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegen. Es gibt keinen Grund, hier ausnahmsweise von dieser Regel abzuweichen.

    Die Wertfestsetzung beruht auf §§ 79, 61, 40 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG.

    RechtsgebietBGBVorschriften§§ 2299, 2290, 2257, 2077 BGB