Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 19.09.2023 · IWW-Abrufnummer 237407

    Kammergericht Berlin: Beschluss vom 03.07.2023 – 1 W 2/23

    Der Nachweis der Erbfolge kann gegenüber dem Grundbuchamt mit der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses geführt werden. Die formellen Voraussetzungen an eine solche beglaubigte Abschrift folgen aus dem Unionsrecht. Das nationale (Grundbuch-)Recht gebietet keine strengeren Anforderungen.


    Kammergericht Berlin

    Beschluss vom 27.06.2023


    Tenor:

    Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.

    Gründe

    I.

    Die in Abt. I lfd. Nr. 1 je zur Hälfte eingetragenen Eigentümer, die Eltern der Beteiligten, sind am 11. August 2021 bzw. am 23. Februar 2022 verstorben. Das Amtsgericht Wedding erteilte der Beteiligten am 14. Oktober 2022 ein Europäisches Nachlasszeugnis, das ihre Mutter als Erbin ihres Vaters ausweist - 60 VI 1349/21 -. Ein weiteres Europäisches Nachlasszeugnis des Amtsgerichts Wedding vom selben Tag weist die Beteiligte als Erbin ihrer Mutter auf - 60 VI 1023/22 -.

    Die Beteiligte hat unter Beifügung durch das Nachlassgericht gefertigter beglaubigter Abschriften der beiden Europäischen Nachlasszeugnisse bei dem Grundbuchamt die Berichtigung des Grundbuchs beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 22. November 2022 hat das Grundbuchamt unter Fristsetzung die Form der eingereichten Europäischen Nachlasszeugnisse beanstandet. Diese seien je "urkundlich zu verbinden". Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 19. Dezember 2022, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 22. 9. Dezember 2022 nicht abgeholfen hat.

    II.

    1. Die im Namen der Beteiligten erhobene Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass kein Anlass für den Erlass der angefochtenen Zwischenverfügung bestand, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO. Diese ist folglich aufzuheben.

    2. Der Nachweis der Erbfolge kann gegenüber dem Grundbuchamt nur durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Dabei ist dem Grundbuchamt der Erbschein entweder in Urschrift oder Ausfertigung vorzulegen (BGH, MDR 1982, 308). Der Ausfertigung eines Erbscheins entspricht die nach Art. 70 Abs. 1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (EuErbVO) dem Antragsteller auszustellende beglaubigte Abschrift der bei dem Nachlassgericht verbleibenden Urschrift des Europäischen Nachlasszeugnisses (BR-Drs 644/14, S. 56).

    Solche beglaubigten Abschriften hat die Beteiligte zum Nachweis der Erbfolge nach ihren Eltern vorgelegt.

    a) Bei der beglaubigten Abschrift eines Europäischen Nachlasszeugnisses handelt es sich um eine sonstige Eintragungsvoraussetzung im Sinne von § 29 Abs. 1 S. 2 GBO (Hertel, in: Meikel, GBO, 12. Aufl., § 29, Rdn. 510.2). Welche Förmlichkeiten bei der Ausstellung der Urkunde zu beachten sind, ist nicht in der Grundbuchordnung geregelt, sondern richtet sich nach den für die Erteilung des Zeugnisses maßgeblichen Vorschriften (OLG München, FGPrax 2019, 200, 201 [OLG München 04.07.2019 - 34 Wx 386/18]). Die sind vorliegend aber eingehalten worden.

    Das für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses zuständige Nachlassgericht, Art. 64, 3 Abs. 2 EuErbVO, § 34 Abs. 4 S. 2 IntErbRVG, hat das Formblatt V in Anhang 5 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EuErbVO (EuErbVO-DVO) zu verwenden, Art. 1 Abs. 5 EuErbVO-DVO, 67 Abs. 1 S. 2, 81 Abs. 2 EuErbVO. Das ist vorliegend geschehen. Beide beglaubigten Abschriften der Europäischen Nachlasszeugnisse entsprechen dem Formblatt V, insbesondere sind die Beglaubigungsvermerke auf S. 7 unterschrieben und mit dem Siegel des Nachlassgerichts versehen worden.

    Die Vollständigkeit der - nach dem Formblatt V immer aus einer Mehrzahl von Blättern bestehenden - beglaubigten Abschrift des europäischen Nachlasszeugnisses ergibt sich aus den auf Seite 1 bezeichneten Anlagen, der fortlaufende Paginierung der einzelnen Seiten sowie der Angabe ihrer Gesamtzahl auf Seite 7 (Krause/Weber, in: Meikel, a.a.O., § 35, Rdn. 58.1). Darüber hinaus sind die einzelnen Blätter der Zeugnisse mittels Heftung miteinander verbunden worden. Damit kann die Rechtsnachfolge nach den verstorbenen Eigentümern des Grundstücks - formell - nachgewiesen werden, §§ 35 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1 S. 2 GBO.

    b) Der von dem Grundbuchamt geforderten "urkundlichen Verbindung" der einzelnen Blätter bedarf es nicht.

    aa) Für dieses - offenbar auf eine über die vorhandene Heftung hinausgehende physikalische Verbindung gerichtete, vgl. § 44 BeurkG - Verlangen besteht keine Rechtsgrundlage. Zutreffend weist die Beschwerde darauf hin, dass insbesondere die Regelungen des Beurkundungsgesetzes keine Anwendung finden. Die Vorschriften des Beurkundungsgesetzes gelten für andere Urkundspersonen als Notare oder sonstige Stellen nur dann, wenn auch ein Notar die Urkunde hätte errichten könnte, § 1 Abs. 2 BeurkG (OLG München, a.a.O., 202; Armbrüster/Preuß, BeurkG, 9. Aufl., § 1 BeurkG, Rdn. 21). Das ist bei der Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses nicht der Fall, § 34 Abs. 4 S. 1 IntErbRVG.

    bb) Dabei kann der Zweck des Europäischen Nachlasszeugnisses auch nicht außer Acht gelassen werden. Das Zeugnis dient in erster Linie der Verwendung in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in welchem das Zeugnis erteilt wurde, Art. 63 Abs. 1 EuErbVO. Dann müssen sich die auf das Zeugnis anzuwendenden Formalien aber einheitlich nach dem Europäischen Recht richten (vgl. EuGH, FamRZ 2023, 881, 884). Dem widerspräche es, wenn bei der - auch zulässigen, Art. 69 Abs. 1 EuErbVO - Verwendung im Mitgliedstaat der Ausstellungsbehörde, strengere Anforderungen an die Form gestellt würden. Dies könnte u.U. auf Bedenken bei der Verwendung in den anderen Mitgliedstaaten stoßen.

    cc) Schließlich verlangt aber auch das nationale Recht außerhalb des Beurkundungsgesetzes weder bei der Beglaubigung noch bei der Ausfertigung einer aus mehreren Blättern bestehenden Urkunde eine über die vorhandene Heftung hinausgehende Verbindung der einzelnen Blätter. So genügt es bei der Beglaubigung wie bei der Ausfertigung, dass sich die anzubringenden Vermerke, vgl. etwa §§ 169 Abs. 2 S. 1, 317 Abs. 4 ZPO, unzweideutig auf das gesamte Schriftstück erstrecken und mit diesem zu einer Einheit verbunden sind (BGH, NJW 2017, 3721, 3722 [BGH 13.09.2017 - IV ZR 26/16]). Dafür genügt regelmäßig ein auf der letzten Seite angebrachter Vermerk und eine physikalische Verbindung der einzelnen Blätter, die als dauernd gewollt erkennbar und nur durch Gewaltanwendung zu lösen ist (BGH, NJW 2004, 506, 507). Das ist bei einer Verbindung mittels Heftklammer der Fall (BGH, NJW 1974, 1383, 1384 [BGH 27.05.1974 - VII ZB 5/74]).

    Dem entsprechen die hier vorgelegten beglaubigten Abschriften der Europäischen Nachlasszeugnisse. Sie sind - am Schluss des Formblatt V - mit dem Siegel des Nachlassgerichts versehen, von dessen Rechtspflegerin unterschrieben sowie geheftet.

    RechtsgebieteVO (EU) 650/2012, EuErbVO-DVO, IntErbRVG, GBP, BeurkGVorschriftenVO (EU) 650/2012 Art. 70, VO (EU) 650/2012 Art. 69, VO (EU) 650/2012 Art. 67, VO (EU) 650/2012 Art. 63, VO (EU) 650/2012 Art. 3, EuErbVO-DVO Art. 1, IntErbRVG § 34, § 35 GBO, § 29 GBO, § 44 BeurkG, § 1 BeurkG