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  • 22.10.2024 · IWW-Abrufnummer 244381

    Landgericht München I: Urteil vom 17.04.2024 – 27 O 3771/24

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht München I 

    Urteil vom 11.04.2024


    In dem Rechtsstreit
    XXX
    - Verfügungskläger -
    Prozessbevollmächtigte:
    gegen
    XXX
    - Verfügungsbeklagte -
    Prozessbevollmächtigte:
    XXX

    wegen Forderung

    erlässt das Landgericht München I - 27. Zivilkammer - durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht xxx, die Richterin am Landgericht xxx und den Richter am Landgericht xxx aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2024 folgendes Endurteil

    Tenor:

    1. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.03.2024 (Az.: 283 C 14145/24) wird aufgehoben.
    2. Der Antrag der Verfügungsklagepartei auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird abgewiesen.
    3. Der Verfügungskläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
    4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Verfügungskläger kann die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagte aus Ziffer 3 des Urteils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Verfügungskläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
    Beschluss

    Der Streitwert wird auf 1.436.320,00 € festgesetzt.

    Tatbestand

    Die Parteien streiten darüber, ob der Insolvenzverwalter des Erben Verfügungen der Erblasserin nach § 134 InsO anfechten kann.

    Der Verfügungskläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des XXX(Insolvenzschuldner). Über das Vermögen des Insolvenzschuldners hat das Amtsgericht XXX aufgrund der Anträge vom 04.08.2021 und 07.09.2021 mit Beschluss vom 23.06.2022 das Insolvenzverfahren eröffnet (Anlage K 1). Der Insolvenzschuldner war der Ehemann und ist der Erbe der am 29.09.2021 verstorbenen XXX (im Folgenden: Erblasserin), Anlage K 2.

    Die Erblasserin war Eigentümerin des Anwesens XXX (Anlage K 3). Das Grundstück war mit einer Grundschuld in Höhe von 2.360.000,00 Euro belastet. Diese Grundschuld sicherte eine valutierte Forderung der XXX gegenüber der Verfügungsbeklagten (Anlage K5). Die Erblasserin als Eigentümerin des Grundstücks war nicht Schuldnerin der gesicherten Forderung (sog. Drittsicherheit). Mit notariellem Kaufvertrag vom 30.01.2018 veräußerte die Erblasserin dieses Grundstück an die Verfügungsbeklagte (Anlage K 4). Als Gegenleistung übernahm die Verfügungsbeklagte die für das Grundstück eingetragene und valutierte Grundschuld in Höhe von 2.360.000,00 Euro.

    Das Finanzamt XXX meldete im Insolvenzverfahren gegen den Erblasser/Insolvenzschuldner Forderungen in Höhe von 5.135.941,23 Euro zur Insolvenztabelle an (Anlage K6). Die Steuerfestsetzung erfolgte mit Bescheid vom 30.07.2020 und richtete sich sowohl gegen den Insolvenzschuldner als auch gegen seine Ehefrau/Erblasserin. Die Forderung wurde durch den Verfügungskläger bestritten. Ein dazu anhängiges Klageverfahren ist derzeit nach § 240 ZPO unterbrochen.

    Zudem machen zwei Kinder der Erblasserin noch unbezifferte Pflichtteilsansprüche gegen den Erben/Insolvenzschuldner geltend (Anlagen K7 und K 8).

    Der Verfügungskläger begehrt Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung eines Insolvenzanfechtungsanspruchs aus § 143 Abs. 1 S. 1 InsO i.V.m. § 134 Abs. 1 InsO betreffend das Anwesen XXX.

    Der Verfügungskläger trägt vor, der Wert des Grundstücks belaufe sich nach den Bodenrichtwerten auf 7.181.600,00 Euro bis 7.792.800,00 Euro (Anlage K9). Es liege keine wertausschöpfende Belastung des übertragenen Grundstücks vor. Die im Grundbuch eingetragenen Belastungen (Wohnrechte) fielen im Vergleich zum Wert des Grundstücks nicht ins Gewicht.

    Bislang stünden den Nachlassforderungen des Finanzamts und den Pflichtteilsansprüchen lediglich der Insolvenzanfechtungsanspruch gegenüber.

    Der Verfügungskläger meint, er sei aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB des Insolvenzschuldners anfechtungsberechtigt. Für den Bestand des Insolvenzanfechtungsanspruchs sei es irrelevant, dass der Insolvenzschuldner nicht am notariellen Kaufvertrag beteiligt gewesen sei, da er Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin sei. Der Verfügungskläger als Insolvenzverwalter könne auch die Rechtshandlungen der nicht mehr existierenden Vorgängerin (Erblasserin) anfechten, da er nun für das gesamte Vermögen einheitlich verantwortlich sei.

    Es handle sich bei der Grundstücksübertragung um eine unentgeltliche Leistung i.S.d. § 134 InsO. Die Erblasserin habe der Verfügungsbeklagten aus reiner Freigiebigkeit das Grundstück im Wert von über 7 Mio. EUR schenkungsweise überlassen. Daran ändere die Übernahme der Grundschuld nichts, da schuldrechtlich Verpflichtete der zugrundeliegenden Forderung ohnehin die Verfügungsbeklagte gewesen sei.

    Die gem. § 129 InsO erforderliche Gläubigerbenachteiligung sei gegeben, da sich durch die Grundstücksübertragung die Befriedungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger verschlechtert hätten. Daher habe der Erbe/Insolvenzschuldner gem. § 143 Abs. 1 InsO einen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks. Die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse werde durch entsprechenden Grundbucheintrag sichergestellt.

    Es seien auch noch Nachlassgläubiger, nämlich das Finanzamt und die Pflichtteilsberechtigten vorhanden, sodass die Voraussetzungen einer Anfechtung, die teilweise in der Literatur für diese Konstellation vertreten würden, erfüllt seien. Gegebenenfalls sei eine Sondermasse zu bilden.

    Die Pflichtteilsansprüche seien als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen.

    Der Verfügungskläger beantragte zunächst:

    I.
    Im Grundbuch von XXX, wird zu Lasten der als Eigentümerin eingetragenen Antragsgegnerin eine Vormerkung zur Sicherung des insolvenzanfechtungsrechtlichen Rückgewähranspruchs des Antragstellers gem. § 143 Abs. 1 InsO, resultierend aus der in insolvenzrechtlich anfechtbarer Weise auf Grundlage des notariellen Kaufvertrags vom 30.01.2018 (Notar XXX) erfolgten Eigentumsübertragung von XXX an die Antragsgegnerin, gerichtet auf

    Abgabe der Erklärung, dass das Eigentum an dem Grundstück, eingetragen im Grundbuch XXX auf XXX, übergehen soll

    und

    Bewilligung der Eintragung von XXX, als Eigentümer des Grundstücks, eingetragen im Grundbuch XXX

    eingetragen.

    II.
    Das zuständige Grundbuchamt wird gem. § 941 ZPO ersucht, die Eintragung der Vormerkung vorzunehmen und dem Antragsteller vom Eingang des Ersuchens unverzüglich Kenntnis zu geben.

    III.
    Es wird zudem beantragt, den Antrag auf Eintragung der Vormerkung durch das erkennende Gericht beim zuständigen Grundbuchamt einzureichen.

    Mit Beschluss vom 18.03.2024 (Bl. 9) erließ das Amtsgericht München ohne vorherige Anhörung der Verfügungsbeklagten die beantragte einstweilige Verfügung.

    Mit Schriftsatz vom 27.03.2024 (Bl. 13) legte die Verfügungsbeklagte Widerspruch ein.

    Der Verfügungskläger beantragt:

    Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts München vom 18.03.2024 (Az.: 283 C 14145/24) wird bestätigt.

    Die Verfügungsbeklagte beantragt:

    1. Die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts München vom 18.03.2024, Az. 283 C 14145/24 wird aufgehoben.

    2. Die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung wird mit sofortiger Wirkung notfalls gegen Sicherheitsleistung - eingestellt.

    Die Verfügungsbeklagte meint, ein insolvenzrechtlicher Anfechtungsanspruch bestehe nicht.

    Dieser scheide schon deswegen aus, weil bei der fraglichen Grundstücksübertragung im Jahre 2018 nicht das Vermögen des Insolvenzschuldners betroffen gewesen sei, sondern das Vermögen der Erblasserin. Dadurch, dass der Insolvenzschuldner gem. § 1922 BGB Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin geworden sei, sei er lediglich in die Rechte und Pflichten eingetreten, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bestanden hätten. Keinesfalls könnten durch die Gesamtrechtsnachfolge neue Rechte erworben werden. Dies bedeute, dass nur dann ein Anfechtungsrecht betreffend die Grundstücksübertragung bestehen könne, wenn dieses auch der Erblasserin zugestanden hätte. Dies sei nicht der Fall. Es sei auch nicht vorgetragen, dass der Nachlass der Erblasserin zahlungsunfähig oder die Erblasserin durch Erbverträge oder Testamente über die Verfügung ihres Vermögens gebunden gewesen sei. Anhaltspunkte für eine Nachlassinsolvenz bestünden nicht.

    Pflichtteilsansprüche von Pflichtteilsberechtigten der Erblasserin bestünden jedenfalls im Hinblick auf die streitgegenständliche Immobilie nicht, da sich diese aufgrund der Veräußerung nicht mehr im Nachlass befunden hätte.

    Hinsichtlich der vom Finanzamt angemeldeten Steuerschuld, welche neben dem Insolvenzschuldner auch die Erblasserin betroffen haben soll, sei festzuhalten, dass diese jedenfalls nicht zur Tabelle festgestellt worden sei. Außerdem werde bestritten, dass die Erblasserin überhaupt rechtmäßig vom Finanzamt als Steuerschuldnerin in die Mithaftung mit einbezogen worden sei. Die Steuerschulden hätten lediglich den Erben/Insolvenzschuldner betroffen, eine gemeinsame Veranlagung sei nicht erfolgt. Die Verfügungsbeklagte trägt vor, für eine Forderung des Finanzamts gegen die Erblasserin gäbe es keine Nachweise. Die gesamte Kapitalertragssteuer habe den Insolvenzschuldner betroffen.

    Eine Anfechtung komme nicht in Betracht. Die Regelung des § 145 InsO sei abschließend. Dort sei klar geregelt, dass eine Anfechtung nur dann möglich sei, wenn der Anfechtungsgegner beerbt worden ist und nicht auch dann, wenn der Insolvenzschuldner Erbe eines Vermögens geworden ist.

    Eine Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen von Rechtsvorgängern bei Gesamtrechtsnachfolge sei lediglich in Konstellationen des § 20 UmwG und in den Fällen des § 331 InsO möglich. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben.

    Die Veräußerung des Grundstücks sei nicht unentgeltlich i.S.d. § 134 InsO erfolgt, da die Verfügungsbeklagte die Grundschuld übernommen habe, allenfalls handele es sich um eine teilunentgeltliche Leistung. Eine Wertermittlung anhand der Bodenrichtwerte sei nicht ordnungsgemäß.

    Mit Beschluss vom 27.03.2024 (Bl. 22) hat das Amtsgericht München auf Antrag der Verfügungsbeklagten den Rechtsstreit an das Landgericht München I verwiesen.

    Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Schriftsätze des Verfügungsklägers vom 18.03.2024, 27.03.2024 und 03.04.2024 und 09.04.2024, die Schriftsätze des Verfügungsbeklagten vom 27.03.2024 und 08.04.2024 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2024 verwiesen.

    Entscheidungsgründe
    Der Antrag auf einstweilige Verfügung ist zulässig, jedoch unbegründet. Ein Verfügungsanspruch besteht nicht. Die durch das Amtsgericht München erlassene einstweilige Verfügung war daher auf den Widerspruch der Verfügungsbeklagten aufzuheben.

    A.

    Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Eintragung einer Vormerkung, da ein insolvenzrechtlicher Anfechtungsanspruch nicht besteht.

    Ein Anfechtungsanspruch nach § 143 Abs. 1 S. 1 InsO i.V.m. § 134 InsO setzt voraus, dass eine unentgeltliche Leistung des Insolvenzschuldners vorliegt. Hieran fehlt es vorliegend, da es sich bei dem notariellen Kaufvertrag nicht um eine Leistung des Insolvenzschuldners handelt. Der Kaufvertrag wurde zwischen der Erblasserin und der Antragsgegnerin geschlossen. Der Insolvenzschuldner war hieran nicht beteiligt.

    Zwar ist der Insolvenzschuldner nach § 1922 Abs. 1 BGB Gesamtrechtsnachfolger der Erblasserin geworden. Dies führt indes nicht dazu, dass hierdurch unentgeltliche Handlungen der Erblasserin nach § 134 InsO angefochten werden könnten.

    Hiergegen sprechen der Wortlaut und der Sinn und Zweck der Anfechtungsregeln:

    § 134 InsO spricht von Leistungen "des Schuldners". Ziele der Insolvenzanfechtungsvorschriften sind ein Schutz der Gläubiger vor ungerechtfertigter Schmälerung der Insolvenzmasse und eine Gläubigergleichbehandlung. Der Vorschrift des § 134 InsO will konkret die Insolvenzgläubiger gegen unentgeltliche Leistungen des Insolvenzschuldners schützen. Der in Vermögensverfall geratene Insolvenzschuldner soll sich nicht auf Kosten seiner Gläubiger freigiebig zeigen dürfen (BGH, Urteil vom 13. 03. 2008 - IX ZR 117/07).

    Die hier in Frage stehende Verfügung (Übertragung des Grundstücks an die Antragsgegnerin) erfolgte indes nicht durch den Insolvenzschuldner, sondern durch die Rechtsvorgängerin (Erblasserin) des Insolvenzschuldners. Damit kann die Grundstücksübertragung nicht das Vermögen des Insolvenzschuldners, sondern allenfalls das Vermögen der Erblasserin geschmälert haben. Zum Zeitpunkt der Grundstücksübername wurden die vorhandenen und gegebenenfalls später hinzukommenden Gläubiger des Insolvenzschuldners gerade nicht beeinträchtigt, da sie auf das Vermögen der Erblasserin keinen Zugriff hatten. Ein solcher Zugriff konnte erst durch den Erbfall entstehen.

    Soweit in der Literatur vertreten wird, bei einer Gesamtrechtsnachfolge könne der Insolvenzverwalter des Gesamtrechtsnachfolgers/Insolvenzschuldners Handlungen des Rechtsvorgängers (hier der Erblasserin) anfechten (vgl. Uhlenbruck/Borries/Hirte, 15. Aufl. 2019, InsO § 129 Rn. 132, K. Schmidt InsO/K. Schmidt, 20. Aufl. 2023, InsO § 129 Rn. 37, BeckOK InsR/Raupach, 34. Ed. 15.1.2024, InsO § 129 Rn. 30), folgt das Gericht dem für den Fall der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbschaft nicht. Die dort vertretene Auffassung beruht im Wesentlichen auf dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10.05.1978 - VIII ZR 32/77. Dieses bezog sich auf eine Anfechtung nach § 32 Nr. 1 KO nach einer Umwandlung einer KG in eine GmbH. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Verfahren eine Anfechtung von Rechtshandlungen der Rechtsvorgängerin zugelassen, wenn noch Gläubiger der Rechtsvorgängerin vorhanden sind und die Anfechtung ausschließlich zu deren Gunsten erfolgen würde. Es sei hierbei eine Sondermasse zu errichten (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.1978 - VIII ZR 32/77). Der BGH führte hierzu aus: "Der Konkursverwalter muß nämlich das infolge der Anfechtung von Rechtshandlungen der übernommenen Gesellschaft Erlangte ausschließlich denjenigen Gläubigern zur Verfügung stellen, denen bereits vor der Verschmelzung nicht befriedigte Forderungen gegen die KG zustanden". Maßgeblich hierfür war, dass Gläubigern der Rechtsvorgängerin nach der Gesamtrechtsnachfolge keine Möglichkeit offensteht, auf die Vermögenswerte der Rechtsvorgängerin zuzugreifen. Zentraler Grundsatz bei dem vom BGH entschiedenen Fall war, dass die Vermögenswerte des Rechtsvorgängers vorrangig den Gläubigern des Rechtsvorgängers zur Verfügung stehen müssen. Eine Vermischung der Gläubiger des Rechtsvorgängers und des Rechtsnachfolgers durch die Rechtsnachfolge und damit eine Schmälerung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger durch die Rechtsnachfolge sollte so vermieden werden.

    Bei einer Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Erbschaft führt - legt man die Wertungen des BGH zugrunde - dies dazu, dass eine Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers durch den Insolvenzverwalter (Verfügungskläger) in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben (Insolvenzschuldners) nicht möglich und auch nicht notwendig ist: Reichen die Vermögenswerte des Erblassers aus, um die Nachlassverbindlichkeiten zu befriedigen, werden die Gläubiger des Erblassers nicht benachteiligt. Eine Gläubigerbenachteiligung durch Rechtshandlungen, welche für eine Anfechtung stets erforderlich ist, scheidet daher aus (vgl. Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2019, § 129, Rn. 165). Reichen die Vermögenswerte des Erblassers nicht aus, um dessen Gläubiger zu befriedigen, ist der Nachlass überschuldet. In diesem Fall ist der Erbe nach § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet, unverzüglich einen Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens zu stellen. Diese Pflicht trifft auch den Insolvenzverwalter des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 42/05, Uhlenbruck/Lüer/Weidmüller, 15. Aufl. 2019, InsO § 317 Rn. 10). In diesem Fall stehen die Vermögenswerte des Nachlasses ausschließlich den Nachlassgläubigern zur Verfügung, § 325 InsO. Es ist diesbezüglich eine Sondermasse zu bilden (BGH, Urteil vom 11.05.2006 - IX ZR 42/05). Damit kommt es in jedem Fall zu der vom BGH geforderten notwendigen Trennung der Vermögensmassen (Urteil vom 10.05.1978 - VIII ZR 32/77).

    Die Zulassung einer Anfechtung von Rechtshandlungen des Erblassers durch den Insolvenzverwalter im Verfahren über das Vermögen des Erben würde dem Sinn der Nachlassinsolvenz widersprechen, welche ein geordnetes Verfahren für den Fall vorsieht, dass die Nachlassverbindlichkeiten den Nachlass übersteigen. Es besteht keinerlei Notwendigkeit und keine gesetzliche Grundlage dafür, neben dem Nachlassinsolvenzverfahren noch ein zweites - weiteres - Verfahren, wie die hier in Frage stehende Anfechtung von Rechtsgeschäften der Erblasserin durch den Insolvenzverwalter des Erben (Insolvenzschuldners), zuzulassen. Dies widerspräche dem gesetzgeberischen Zweck des Nachlassinsolvenzverfahrens.

    Dies gilt umso mehr, als hierdurch etwa die gesetzlich vorgesehenen Fristen unterlaufen werden könnten. Die Frist des § 134 Abs. 1 InsO beginnt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Würde man trotz der Möglichkeit eines Nachlassinsolvenzverfahrens die Anfechtung im Insolvenzverfahren des Erben zulassen, würde es für die Frist nach dem Wortlaut des § 134 ZPO auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens des Erben ankommen. Erfolgt der Erbfall im laufenden Insolvenzverfahren, könnten so Rechtsgeschäfte anfechtbar werden, welche bei Durchführung eines Nachlassinsolvenzverfahrens außerhalb der Frist des § 134 ZPO liegen würden. Auch dies zeigt, dass eine Anfechtung von Handlungen des Erblassers außerhalb des Nachlassinsolvenzverfahrens den gesetzgeberischen Zwecken widersprechen würde.

    Es steht dem Verfügungskläger frei, sofern die Vermögenswerte des Nachlasses nicht ausreichen sollten, die Nachlassgläubiger zu befriedigen, ein Nachlassinsolvenzverfahren herbeizuführen. Zu dessen Durchführung ist der Erbe nach § 1980 Abs. 1 BGB verpflichtet. Ergibt sich im Nachlassinsolvenzverfahren ein Überschuss, wird dieser an den Erben (Insolvenzschuldner) ausgekehrt. Dieser kann sodann in dem Insolvenzverfahren des Erben (Insolvenzschuldners) an die Gläubiger des Insolvenzschuldners verteilt werden.

    B.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

    C.

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO. Die Abwendungsbefugnis war nur hinsichtlich der Kosten zu tenorieren, da die Aufhebung der einstweiligen Verfügung ebenso wie die Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils den vorausgegangen Titel beseitigt, ohne dass es einer Vollstreckung bedarf (vgl. für den Fall der Aufhebung eines erstinstanzlichen Urteils OLG München, Urteil vom 19.10.2016 - 3 U 644/16).

    D.

    Nachdem die einstweilige Verfügung aufgehoben wurde, bedarf es einer Entscheidung über den Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht mehr.

    E.

    Bei der Streitwertfestsetzung hat das Gericht einen Bruchteil von 1/5 des Grundstückswerts angesetzt (vgl. Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 3 ZPO, Rn. 16_201). Das Gericht ist dabei in dem von der Verfügungsklagepartei im Schriftsatz vom 03.04.2024 behaupteten Grundstückswert ausgegangen, wobei das Gericht den niedrigeren der beiden genannten Werte (7.181.600 Euro) zugrunde gelegt hat. Der Wert erscheint dem Gericht eine realistische Einschätzung des Werts eines 1.500 Quadratmeter großen Grundstücks in .

    RechtsgebietInsOVorschriften§ 134 InsO