24.03.2025 · IWW-Abrufnummer 247205
Oberlandesgericht Zweibrücken: Beschluss vom 18.02.2025 – 8 W 6/25
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
In dem Verfahren
betreffend die Erteilung eines Erbscheins für den Nachlass der am 18.03.2022 verstorbenen
...,
.)
- Erblasserin -
an dem beteiligt sind:
1. ...
- Sohn der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsteller und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte: ...
2. ...
- Enkel der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Verfahrensbevollmächtigter: ...
3. ...
- Enkel der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Verfahrensbevollmächtigter: ...
4. ...
- Enkelin der Erblasserin, Erbprätendentin, Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin -
5. Susanne Bartels-Meyer, geb. Bartels, Im Windeck 16, 67310 Hettenleidelheim
- Enkelin der Erblasserin, Erbprätendentin, Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin -
wegen Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen einen Feststellungsbeschluss des
Nachlassgerichts gemäß nach § 352e FamFG zu einem (vermeintlichen)
Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1)
hat der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Steitz, den Richter am Oberlandesgericht Süs und den Richter am Landgericht Dr. Kappel auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 06.01.2025, eingegangen beim Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) am 09.01.2025,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 05.12.2023, dem Beteiligten zu 1) zugestellt am 11.12.2024,
am 18.02.2025
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 05.12.2024 sowie der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 24.01.2025 werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die am 18.03.2022 verstorbene Erblasserin war in erster und einziger Ehe verheiratet gewesen mit dem am 09.08.2019 vorverstorbenen B.B...
Aus der Ehe sind die folgenden Kinder hervorgegangen:
a) B.H.B., vorverstorben am 30.12.2009
b) D.B., vorverstorben am 05./06.02.2022
c) A.B., vorverstorben am 18.09.1954
d) W.D., geb. B., (= Beteiligter zu 1)
e) G.O., geb. B., vorverstorben am 11.03.2022.
Der vorverstorbenen Sohn B.H.B. hat als Abkömmlinge die Beteiligten zu 2) und 3) hinterlassen.
Die vorverstorbene Tochter G.O. hat als Abkömmlinge die Beteiligten zu 4) und 5) hinterlassen.
Der vorverstorbene Sohn D.B. hatte einen Sohn, S.B. (jetzt: Ba.), der als Minderjähriger gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts Bad Dürkheim vom 22.02.2007 von seinem Stiefvater adoptiert worden ist (vgl. Bl. 31 ff. d.A.).
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben unter dem 16.09.2015 ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie das Folgende verfügt haben:
"Testament
Wir erklären hiermit gemeinsam, ungeachtet der Pflichtanteile, dass der zuerst Verstorbene den weiterlebenden Ehegatten als uneingeschränkten Alleinerben bestimmt.
Die Befreiung des Vorerben von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen besteht für den Not- und Pflegefall.
Dieser tritt ein, wenn der Vorerbe nicht mehr in der Lage scheint, sich um Haus oder Haushalt zu kümmern.
Die Befreiung gilt dann für die Verfügungsbeschränkung über Haus und Grundstück und die Rechte daran, die Hinterlegung von Wertpapieren und der Anlage von Geld, von dem Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung mit der Folge, das der Vorerbe nur die noch vorhandenen Erbschaftsgegenstände an den Nacherben herauszugeben hat.
Nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils verfügen wir das unsere leiblichen Kinder zu gleichen Anteilen unsere Schlusserben sind. Sollte jedoch eines der Kinder beim Tod der erstversterbenden seinen Pflichtteil des überlebenden Ehegatten fordern, so ist es beim Tode des letztversterbenden Ehegatten auf den Pflichtteil verwiesen. Die anderen Kinder erben den positiven Überhang zu gleichen Teilen.
Datum Frankenthal (Unterschrift: I.B.)
den 16.9.2015
Dies ist ebenfalls mein übereinstimmender Wille
Frankenthal den 16.9.2015
(Unterschrift: I.B.)
(Unterschrift: B.B.)"
Nach dem Tod des Ehemannes hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) in dem Verfahren 2n VI 426/18 unter dem 15.07.2019 einen Erbschein erlassen, der bescheinigt hatte, dass der Ehemann, B.B., von der Erblasserin alleine beerbt worden ist, dass aber Nacherbfolge angeordnet sei, die mit dem Tod der Vorerbin eintrete und Nacherben die Abkömmlinge der Vorerbin seien, nämlich D.B., der Beteiligte zu 1) W.D., geb. B., G.O., geb. B., der Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 3).
Dieser Erbschein ist nach dem Tod der Erblasserin als der Vorerbin - und damit dem Eintritt der im Erbschein angegebenen Nacherbfolge - eingezogen und anschließend durch den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) von 26.04.2023 (zum Az.: 2n VI 426/18) für kraftlos erklärt worden.
Mit der Urkunde des Notars Dr. G. in E. vom 16.03.2023 (Bl. 63 ff d.A.) - übersandt durch den Notar mit Begleitschreiben vom 23.03.2023 (Bl. 62 d.A.) - hat der Beteiligte zu 1) zunächst die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der - gestützt auf das o.g. gemeinschaftliche Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes - den Beteiligten zu 1) als Erben zu 1/3 und die Beteiligten zu 2) bis 5) als Erben zu je 1/6 ausweisen sollte.
Nachdem die zuständige Rechtspflegerin noch einige Urkunden als fehlend gerügt und deren Vorlage gefordert hatte, hat der Beteiligte zu 1) mit der Urkunde des Notars J. in E. vom 18.08.2023 seinen Erbscheinsantrag dahingehend abgeändert, dass er nun die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin aufgrund des o.g. Testamentes von ihm allein beerbt worden sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Testament hinsichtlich der Einsetzung der leiblichen Kinder als Schlusserben nach dem Letztversterbenden keine Ersatzerbenbestimmung enthalte und so auszulegen sei, dass nur die noch lebenden Kinder die Erben des Letztversterbenden sein sollten und im Übrigen eine Anwachsung stattfinde. Ein Übergang der Erbschaft auf die Kinder der bereits vorverstorbenen Kinder sei ausgeschlossen, da es an einer ausdrücklichen Ersatzerbenregelung fehle.
Diesem geänderten Erbscheinsantrag sind die Beteiligten zu 2) bis 5) jeweils entgegengetreten und haben die Ansicht vertreten, dass das Testament sehr wohl dahin auszulegen sei, dass eine Einsetzung der Enkel als Ersatzerben der vorverstorbenen Kinder der Erblasserin gewollt gewesen sei.
Mit Verfügung vom 23.11.2023 hat die zuständige Rechtspflegerin Sachstand und Verfahrensverlauf dargestellt und die Akten dem Nachlassrichter zur Entscheidung über den - streitigen - Erbscheinsantrag vorgelegt. Dabei hatte sie ausgeführt, dass nach ihrer Ansicht wohl eher eine Auslegung des Testaments im Sinne einer Ersatzerbschaft in Betracht komme (vgl. Bl. 158 f d.A.).
Der Nachlassrichter hatte sodann mit Verfügung vom 20.09.2024 zunächst einen Anhörungstermin auf den 16.10.2024 bestimmt, den er mit Verfügung vom 10.10.2024 auf den 23.10.2024 verlegt hat (vgl. Bl. 234 Rs d.A.).
Zu diesem Termin waren indes nur der Beteiligte zu 1) und seine Verfahrensbevollmächtigte erschienen, weil der Termin (wohl, was aus den Akten so aber nicht sicher ersichtlich ist) aufgehoben/verlegt worden war, nachdem ein Verlegungsantrag vorlag (vgl. Bl. 255 d.A.); eine Ab-/Umladung war dem Beteiligten zu 1) und seiner Verfahrensbevollmächtigten nicht zugegangen. Mit einer handschriftlichen (und korrigierten) Verlegungsverfügung vom (nach Korrektur jedenfalls) 25.10.2024 (Bl. 260 d.A.) hat der Nachlassrichter den Termin letztlich auf den 13.11.2024 verlegt. Zu diesem Termin sind indes der Beteiligte zu 1) und seine Verfahrensbevollmächtigte nicht (nochmals) erschienen. Der Nachlassrichter hat mit den erschienenen Beteiligten zu 2) bis 5) sowie dem ebenfalls erschienen Sascha B. (Sohn des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin D.B.) die Sach- und Rechtslage erörtert und darauf hingewiesen, dass er die Auslegung der Rechtspflegerin nicht für zutreffend halte. Die Vermutungsregelung des § 2069 BGB sei nicht anwendbar. Es gelte vielmehr vorrangig § 2108 BGB, der einer Anwendung des § 2094 BGB zugunsten des Beteiligten zu 1) entgegenstehe (vgl. Protokoll Bl. 272 d.A.).
Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) und 3) hat der Nachlassrichter das Protokoll durch Beschluss vom 05.12.2024 dahingehend berichtigt, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) und 3) einer Erteilung eines Erbscheins nach dem Antrag vom 18.08.2023 entgegengetreten ist (vgl. Bl. 294 d.A.).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.12.2024 hat das Nachlassgericht beschlossen, dass
die Tatsachen, die zur Erteilung des am 18.03.2023 beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.
Beantragter Erbschein:
"Es wird bezeugt, dass die am 18.03.2022 verstorbene (Erblasserin) als Vorerbin des am 09.08.2018 verstorbenen B.B. beerbt worden ist,
von dem Nacherben ... (Beteiligter zu 1)) zu 1/3
und von den Nacherben ... (Beteiligte zu 2) bis 5)) zu je 1/6."
die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft ausgesetzt werde.
Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass das gemeinschaftliche Testament formwirksam errichtet und inhaltlich nicht zu beanstanden sei. Insoweit sei Alleinerbin nach dem vorverstorbenen Ehmann die Erblasserin als teilweise befreite Vorerbin geworden. Soweit die leiblichen Kinder zu Schlusserben zu gleichen Teilen nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils bestimmt worden seien, seien weder Nach-Nacherben noch Ersatz-Nacherben bestimmt. Die Vorschrift des § 2069 BGB sei gemäß der Entscheidung des OLG Brandenburg (ErbR 2024, 144 [OLG Brandenburg 15.08.2023 - 3 U 204/22]) unanwendbar, allenfalls sei der Gedanke der Vorschrift bei der Auslegung zu berücksichtigen. Insoweit gelte vorrangig § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB, der einer Anwendung des Anwachsungsgrundsatzes des § 2094 zugunsten des Beteiligten zu 1) entgegenstehe. Anhaltspunkte für einen von dem Regelfall der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft nach § 2094 Abs. 2 Satz 1 BGB abweichenden Erblasserwillen fänden sich indem Testament nicht, so dass nach dem Ableben der Erblasserin als Nacherben die im Tenor benannten Beteiligten mit den jeweils dort benannten Anteilen berufen seien.
Gegen diesen, seiner Verfahrensbevollmächtigen am 11.12.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde vom 08.01.2025, eingegangen am 09.01.2025, mit dem er beantragt, zu beschließen
es wird festgestellt, dass (die Erblasserin) von ihrem Sohn (Beteiligter zu 1)) alleine beerbt wurde.
Gleichzeitig hat der Beteiligte zu 1) eine Fristverlängerung bis zum 12.02.2025 für eine Beschwerdebegründung beantragt.
Nachdem die Beteiligte zu 5) einer Fristverlängerung widersprochen hatte, hat das Nachlassgericht mit dem Beschluss vom 24.01.2025 der Beschwerde "aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen" nicht abgeholfen und ausgeführt, dass eine Fristverlängerung angesichts der Verfahrensdauer nicht angezeigt sei. Im Anschluss daran hat er die Akten zur Vorlage an den Senat verfügt.
II.
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt worden. Eine Frist zur Begründung kennt das Gesetz nicht, so dass diese nicht versäumt sein kann.
Der Beteiligte zu 1) ist auch beschwerdebefugt, da einerseits seinem Antrag vom 18.08.2023 (und nur diesen hat er letztlich gestellt - dazu unten) nicht entsprochen worden ist (§ 59 Abs. 2 FamFG) und er im Übrigen für sich in Anspruch nimmt, Alleinerbe nach der Erblasserin geworden zu sein (§ 59 Abs. 1 FamFG).
2. Auf die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hin sind der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom 05.12.2024 und der Nichtabhilfebeschluss vom 24.01.2025 aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Nachlassgericht -Frankenthal (Pfalz) zurückzuverweisen, da das bisherige Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, weil das Nachlassgericht tatsächlich nicht über den von dem Beteiligten zu 1) gestellten Erbscheinsantrag entscheiden hat (§ 69 Abs. 1 FamFG).
a) Nach dem Tenor des angefochtenen Beschlusses hat das Nachlassgericht "die Tatsachen, die zur Erteilung des am 18.03.2023 beantragten Erbscheins erforderlich sind, ... für festgestellt erachtet". Einen solchen Antrag vom 18.03.2023 gibt es indes nicht. Es gab lediglich einen Antrag des Beteiligten zu 1) in der Urkunde des Notars Dr. G. in E. vom 16.03.2023, den dieser unter dem 23.03.2023 auf elektronischem Wege an das Nachlassgericht übermittelt hatte.
Diesen Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. hatte der Beteiligte zu 1) überdies durch die Urkunde des Notars J. in E. vom 18.08.2023 abgeändert und damit nur noch den abgeänderten Antrag aus dieser Urkunde gestellt. Denn mit dieser Urkunde hat der Beteiligte zu 1) gemäß deren Ziffer 5. ausdrücklich erklärt, dass er "einen Erbschein vorstehenden Inhalts" beantrage, und sich damit auf die Ziffer 3. bezogen, in der ausgeführt ist, dass "in Ergänzung und Abänderung der in Ziffer 4. der Vorurkunde bestimmten Erbfolge ... die Erblasserin ... nach dem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 16.09.2015 allein beerbt worden ist von ihrem Sohn (dem Beteiligten zu 1))" und "andere Personen, durch welche der Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen oder durch die sein Erbteil gemindert würde nicht vorhanden sind".
Damit hatte der Beteiligte zu 1) unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass er seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag aus der Urkunde des Notars Dr. Genske in Erfurt vom 16.03.2023 (das ist die "Vorurkunde") nicht mehr stellen will, sondern nur noch den Antrag aus er o.g. Urkunde vom 18.08.2023.
b) Zudem hatte der Beteiligte zu 1) den von dem Nachlassgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses als vermeintlich "Beantragter Erbschein" wiedergegebenen Erbscheinsantrag weder in der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 noch in der Urkunde des Notars J. vom 18.08.2023 gestellt. Zwar ist die Abweichung zu dem Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 relativ gering, jedoch herrscht in einem Erbscheinsverfahren grundsätzlich eine strikte Antragsbindung. Das Nachlassgericht kann nur über den konkret gestellten Antrag entscheiden und nur dann einen Feststellungsbeschluss gemäß § 352e FamFG zu diesem Antrag erlassen, wenn dieser Antrag die Rechtslage zutreffend wiedergibt. Andernfalls muss das Nachlassgericht den Antrag zurückweisen. Eine "eingeschränkte" oder "teilweise" Feststellung zu einem gestellten Antrag ist nicht möglich. Hier hatte der Beteiligte zu 1) einerseits den Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 aber nicht mehr gestellt und andererseits war er auch in dieser Urkunde nicht so gestellt worden, wie er vom Nachlassgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses als angeblich beantragter Erbschein wiedergegeben ist. Denn in dem dortigen Antrag (Ziffer 6. in Verbindung mit Ziffer 4. der genannten Urkunde) war (im Übrigen zutreffender Weise) nicht von der Erblasserin "als Vorerbin" und den Beteiligten zu 1) bis 5) "als Nacherben" die Rede, wie dies im Tenor des angefochtenen Beschlusses als vermeintlich beantragter Erbschein dargestellt wird.
c) Eine Zurückverweisung der Sache kann im vorliegenden Fall auch erfolgen, ohne dass ein Zurückverweisungsantrag durch einen der Beteiligten gestellt worden ist, weil das Nachlassgericht einerseits über einen Antrag entschieden hat, der gar nicht gestellt war, und andererseits über den gestellten Antrag gar nicht entschieden hat. In einem solchen Fall kann eine Zurückverweisung der Sache von Amts wegen erfolgen, weil ein Fall vorliegt, in dem das Erstgericht im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG "in der Sache noch nicht entschieden hat" (vgl. Sternal, FamFG 21. Auflage § 69 Rdnr. 19 m.w.N.).
3. Bei der erneuten Behandlung der Sache und Entscheidung über den - nach dem gegenwärtigen Sachstand - allein gestellten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) aus der Urkunde des Notars J. vom 18.08.2023 wird das Nachlassgericht zu beachten haben, dass es nicht um die Frage geht, wer nach der "Erblasserin als Vorerbin" nun "Nacherbe" geworden ist, sondern allein um die Frage, wer Erbe nach der Erblasserin geworden ist. Denn eine Vor- und Nacherbschaft haben die Erblasserin und ihr Ehemann in ihrem Gemeinschaftlichen Testament vom 16.09.2015 allenfalls nach dem Zuerstversterbenden, keinesfalls aber nach dem Längstlebenden (= "vorerst überlebenden Elternteils") angeordnet. Denn insoweit haben die Eheleute verfügt:
"Nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils verfügen wir das unsere leiblichen Kinder zu gleichen Teilen Schlusserben sind."
Das Nachlassgericht wird zu ermitteln und auszulegen haben, was die Erblasserin und ihr Ehemann bei der Errichtung des Testaments im Jahr 2015 mit dieser Formulierung gemeint haben und ob ggfs. - falls der Wille der Testierenden (auch nach Anhörung des Beteiligten zu 1)) nicht sicher festgestellt werden kann - die Vermutungsregeln der §§ 2068 und 2069 BGB zur Anwendung kommen. Die vom Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss zitierte Entscheidung des OLG Brandenburg verhält sich dazu nicht, da sie sich allein mit der Frage beschäftigt, ob an die Stelle einer in einem Testament ausdrücklich als Nacherben eingesetzten Person, die vor dem Eintritt des Nacherbfalls verstorben ist, dessen Abkömmlinge oder aber die von ihm als testamentarisch als sein Erbe eingesetzte Person tritt. Hier geht es dagegen allein um die Erbfolge nach der Erblasserin.
Da letztlich nicht abschließend gesagt werden kann, ob die Beschwerde des Beteiligten zu 1) in der Sache zum Erfolg führt, war auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Nachlassgericht vorzubehalten.
betreffend die Erteilung eines Erbscheins für den Nachlass der am 18.03.2022 verstorbenen
...,
.)
- Erblasserin -
an dem beteiligt sind:
1. ...
- Sohn der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsteller und Beschwerdeführer -
Verfahrensbevollmächtigte: ...
2. ...
- Enkel der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Verfahrensbevollmächtigter: ...
3. ...
- Enkel der Erblasserin, Erbprätendent, Antragsgegner und Beschwerdegegner -
Verfahrensbevollmächtigter: ...
4. ...
- Enkelin der Erblasserin, Erbprätendentin, Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin -
5. Susanne Bartels-Meyer, geb. Bartels, Im Windeck 16, 67310 Hettenleidelheim
- Enkelin der Erblasserin, Erbprätendentin, Antragsgegnerin und
Beschwerdegegnerin -
wegen Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen einen Feststellungsbeschluss des
Nachlassgerichts gemäß nach § 352e FamFG zu einem (vermeintlichen)
Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1)
hat der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Steitz, den Richter am Oberlandesgericht Süs und den Richter am Landgericht Dr. Kappel auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) vom 06.01.2025, eingegangen beim Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) am 09.01.2025,
gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 05.12.2023, dem Beteiligten zu 1) zugestellt am 11.12.2024,
am 18.02.2025
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 05.12.2024 sowie der Nichtabhilfebeschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) vom 24.01.2025 werden aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die am 18.03.2022 verstorbene Erblasserin war in erster und einziger Ehe verheiratet gewesen mit dem am 09.08.2019 vorverstorbenen B.B...
Aus der Ehe sind die folgenden Kinder hervorgegangen:
a) B.H.B., vorverstorben am 30.12.2009
b) D.B., vorverstorben am 05./06.02.2022
c) A.B., vorverstorben am 18.09.1954
d) W.D., geb. B., (= Beteiligter zu 1)
e) G.O., geb. B., vorverstorben am 11.03.2022.
Der vorverstorbenen Sohn B.H.B. hat als Abkömmlinge die Beteiligten zu 2) und 3) hinterlassen.
Die vorverstorbene Tochter G.O. hat als Abkömmlinge die Beteiligten zu 4) und 5) hinterlassen.
Der vorverstorbene Sohn D.B. hatte einen Sohn, S.B. (jetzt: Ba.), der als Minderjähriger gemäß dem Beschluss des Amtsgerichts Bad Dürkheim vom 22.02.2007 von seinem Stiefvater adoptiert worden ist (vgl. Bl. 31 ff. d.A.).
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben unter dem 16.09.2015 ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie das Folgende verfügt haben:
"Testament
Wir erklären hiermit gemeinsam, ungeachtet der Pflichtanteile, dass der zuerst Verstorbene den weiterlebenden Ehegatten als uneingeschränkten Alleinerben bestimmt.
Die Befreiung des Vorerben von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen besteht für den Not- und Pflegefall.
Dieser tritt ein, wenn der Vorerbe nicht mehr in der Lage scheint, sich um Haus oder Haushalt zu kümmern.
Die Befreiung gilt dann für die Verfügungsbeschränkung über Haus und Grundstück und die Rechte daran, die Hinterlegung von Wertpapieren und der Anlage von Geld, von dem Gebot der ordnungsgemäßen Verwaltung mit der Folge, das der Vorerbe nur die noch vorhandenen Erbschaftsgegenstände an den Nacherben herauszugeben hat.
Nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils verfügen wir das unsere leiblichen Kinder zu gleichen Anteilen unsere Schlusserben sind. Sollte jedoch eines der Kinder beim Tod der erstversterbenden seinen Pflichtteil des überlebenden Ehegatten fordern, so ist es beim Tode des letztversterbenden Ehegatten auf den Pflichtteil verwiesen. Die anderen Kinder erben den positiven Überhang zu gleichen Teilen.
Datum Frankenthal (Unterschrift: I.B.)
den 16.9.2015
Dies ist ebenfalls mein übereinstimmender Wille
Frankenthal den 16.9.2015
(Unterschrift: I.B.)
(Unterschrift: B.B.)"
Nach dem Tod des Ehemannes hat das Amtsgericht - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) in dem Verfahren 2n VI 426/18 unter dem 15.07.2019 einen Erbschein erlassen, der bescheinigt hatte, dass der Ehemann, B.B., von der Erblasserin alleine beerbt worden ist, dass aber Nacherbfolge angeordnet sei, die mit dem Tod der Vorerbin eintrete und Nacherben die Abkömmlinge der Vorerbin seien, nämlich D.B., der Beteiligte zu 1) W.D., geb. B., G.O., geb. B., der Beteiligte zu 2) und der Beteiligte zu 3).
Dieser Erbschein ist nach dem Tod der Erblasserin als der Vorerbin - und damit dem Eintritt der im Erbschein angegebenen Nacherbfolge - eingezogen und anschließend durch den Beschluss des Amtsgerichts - Nachlassgericht - Frankenthal (Pfalz) von 26.04.2023 (zum Az.: 2n VI 426/18) für kraftlos erklärt worden.
Mit der Urkunde des Notars Dr. G. in E. vom 16.03.2023 (Bl. 63 ff d.A.) - übersandt durch den Notar mit Begleitschreiben vom 23.03.2023 (Bl. 62 d.A.) - hat der Beteiligte zu 1) zunächst die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der - gestützt auf das o.g. gemeinschaftliche Testament der Erblasserin und ihres Ehemannes - den Beteiligten zu 1) als Erben zu 1/3 und die Beteiligten zu 2) bis 5) als Erben zu je 1/6 ausweisen sollte.
Nachdem die zuständige Rechtspflegerin noch einige Urkunden als fehlend gerügt und deren Vorlage gefordert hatte, hat der Beteiligte zu 1) mit der Urkunde des Notars J. in E. vom 18.08.2023 seinen Erbscheinsantrag dahingehend abgeändert, dass er nun die Erteilung eines Erbscheins beantragt, wonach die Erblasserin aufgrund des o.g. Testamentes von ihm allein beerbt worden sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Testament hinsichtlich der Einsetzung der leiblichen Kinder als Schlusserben nach dem Letztversterbenden keine Ersatzerbenbestimmung enthalte und so auszulegen sei, dass nur die noch lebenden Kinder die Erben des Letztversterbenden sein sollten und im Übrigen eine Anwachsung stattfinde. Ein Übergang der Erbschaft auf die Kinder der bereits vorverstorbenen Kinder sei ausgeschlossen, da es an einer ausdrücklichen Ersatzerbenregelung fehle.
Diesem geänderten Erbscheinsantrag sind die Beteiligten zu 2) bis 5) jeweils entgegengetreten und haben die Ansicht vertreten, dass das Testament sehr wohl dahin auszulegen sei, dass eine Einsetzung der Enkel als Ersatzerben der vorverstorbenen Kinder der Erblasserin gewollt gewesen sei.
Mit Verfügung vom 23.11.2023 hat die zuständige Rechtspflegerin Sachstand und Verfahrensverlauf dargestellt und die Akten dem Nachlassrichter zur Entscheidung über den - streitigen - Erbscheinsantrag vorgelegt. Dabei hatte sie ausgeführt, dass nach ihrer Ansicht wohl eher eine Auslegung des Testaments im Sinne einer Ersatzerbschaft in Betracht komme (vgl. Bl. 158 f d.A.).
Der Nachlassrichter hatte sodann mit Verfügung vom 20.09.2024 zunächst einen Anhörungstermin auf den 16.10.2024 bestimmt, den er mit Verfügung vom 10.10.2024 auf den 23.10.2024 verlegt hat (vgl. Bl. 234 Rs d.A.).
Zu diesem Termin waren indes nur der Beteiligte zu 1) und seine Verfahrensbevollmächtigte erschienen, weil der Termin (wohl, was aus den Akten so aber nicht sicher ersichtlich ist) aufgehoben/verlegt worden war, nachdem ein Verlegungsantrag vorlag (vgl. Bl. 255 d.A.); eine Ab-/Umladung war dem Beteiligten zu 1) und seiner Verfahrensbevollmächtigten nicht zugegangen. Mit einer handschriftlichen (und korrigierten) Verlegungsverfügung vom (nach Korrektur jedenfalls) 25.10.2024 (Bl. 260 d.A.) hat der Nachlassrichter den Termin letztlich auf den 13.11.2024 verlegt. Zu diesem Termin sind indes der Beteiligte zu 1) und seine Verfahrensbevollmächtigte nicht (nochmals) erschienen. Der Nachlassrichter hat mit den erschienenen Beteiligten zu 2) bis 5) sowie dem ebenfalls erschienen Sascha B. (Sohn des vorverstorbenen Sohnes der Erblasserin D.B.) die Sach- und Rechtslage erörtert und darauf hingewiesen, dass er die Auslegung der Rechtspflegerin nicht für zutreffend halte. Die Vermutungsregelung des § 2069 BGB sei nicht anwendbar. Es gelte vielmehr vorrangig § 2108 BGB, der einer Anwendung des § 2094 BGB zugunsten des Beteiligten zu 1) entgegenstehe (vgl. Protokoll Bl. 272 d.A.).
Auf Antrag des Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2) und 3) hat der Nachlassrichter das Protokoll durch Beschluss vom 05.12.2024 dahingehend berichtigt, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 2) und 3) einer Erteilung eines Erbscheins nach dem Antrag vom 18.08.2023 entgegengetreten ist (vgl. Bl. 294 d.A.).
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 05.12.2024 hat das Nachlassgericht beschlossen, dass
die Tatsachen, die zur Erteilung des am 18.03.2023 beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet werden.
Beantragter Erbschein:
"Es wird bezeugt, dass die am 18.03.2022 verstorbene (Erblasserin) als Vorerbin des am 09.08.2018 verstorbenen B.B. beerbt worden ist,
von dem Nacherben ... (Beteiligter zu 1)) zu 1/3
und von den Nacherben ... (Beteiligte zu 2) bis 5)) zu je 1/6."
die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft ausgesetzt werde.
Zur Begründung hat das Nachlassgericht ausgeführt, dass das gemeinschaftliche Testament formwirksam errichtet und inhaltlich nicht zu beanstanden sei. Insoweit sei Alleinerbin nach dem vorverstorbenen Ehmann die Erblasserin als teilweise befreite Vorerbin geworden. Soweit die leiblichen Kinder zu Schlusserben zu gleichen Teilen nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils bestimmt worden seien, seien weder Nach-Nacherben noch Ersatz-Nacherben bestimmt. Die Vorschrift des § 2069 BGB sei gemäß der Entscheidung des OLG Brandenburg (ErbR 2024, 144 [OLG Brandenburg 15.08.2023 - 3 U 204/22]) unanwendbar, allenfalls sei der Gedanke der Vorschrift bei der Auslegung zu berücksichtigen. Insoweit gelte vorrangig § 2108 Abs. 2 Satz 1 BGB, der einer Anwendung des Anwachsungsgrundsatzes des § 2094 zugunsten des Beteiligten zu 1) entgegenstehe. Anhaltspunkte für einen von dem Regelfall der Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft nach § 2094 Abs. 2 Satz 1 BGB abweichenden Erblasserwillen fänden sich indem Testament nicht, so dass nach dem Ableben der Erblasserin als Nacherben die im Tenor benannten Beteiligten mit den jeweils dort benannten Anteilen berufen seien.
Gegen diesen, seiner Verfahrensbevollmächtigen am 11.12.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde vom 08.01.2025, eingegangen am 09.01.2025, mit dem er beantragt, zu beschließen
es wird festgestellt, dass (die Erblasserin) von ihrem Sohn (Beteiligter zu 1)) alleine beerbt wurde.
Gleichzeitig hat der Beteiligte zu 1) eine Fristverlängerung bis zum 12.02.2025 für eine Beschwerdebegründung beantragt.
Nachdem die Beteiligte zu 5) einer Fristverlängerung widersprochen hatte, hat das Nachlassgericht mit dem Beschluss vom 24.01.2025 der Beschwerde "aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen" nicht abgeholfen und ausgeführt, dass eine Fristverlängerung angesichts der Verfahrensdauer nicht angezeigt sei. Im Anschluss daran hat er die Akten zur Vorlage an den Senat verfügt.
II.
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt worden. Eine Frist zur Begründung kennt das Gesetz nicht, so dass diese nicht versäumt sein kann.
Der Beteiligte zu 1) ist auch beschwerdebefugt, da einerseits seinem Antrag vom 18.08.2023 (und nur diesen hat er letztlich gestellt - dazu unten) nicht entsprochen worden ist (§ 59 Abs. 2 FamFG) und er im Übrigen für sich in Anspruch nimmt, Alleinerbe nach der Erblasserin geworden zu sein (§ 59 Abs. 1 FamFG).
2. Auf die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) hin sind der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom 05.12.2024 und der Nichtabhilfebeschluss vom 24.01.2025 aufzuheben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Nachlassgericht -Frankenthal (Pfalz) zurückzuverweisen, da das bisherige Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, weil das Nachlassgericht tatsächlich nicht über den von dem Beteiligten zu 1) gestellten Erbscheinsantrag entscheiden hat (§ 69 Abs. 1 FamFG).
a) Nach dem Tenor des angefochtenen Beschlusses hat das Nachlassgericht "die Tatsachen, die zur Erteilung des am 18.03.2023 beantragten Erbscheins erforderlich sind, ... für festgestellt erachtet". Einen solchen Antrag vom 18.03.2023 gibt es indes nicht. Es gab lediglich einen Antrag des Beteiligten zu 1) in der Urkunde des Notars Dr. G. in E. vom 16.03.2023, den dieser unter dem 23.03.2023 auf elektronischem Wege an das Nachlassgericht übermittelt hatte.
Diesen Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. hatte der Beteiligte zu 1) überdies durch die Urkunde des Notars J. in E. vom 18.08.2023 abgeändert und damit nur noch den abgeänderten Antrag aus dieser Urkunde gestellt. Denn mit dieser Urkunde hat der Beteiligte zu 1) gemäß deren Ziffer 5. ausdrücklich erklärt, dass er "einen Erbschein vorstehenden Inhalts" beantrage, und sich damit auf die Ziffer 3. bezogen, in der ausgeführt ist, dass "in Ergänzung und Abänderung der in Ziffer 4. der Vorurkunde bestimmten Erbfolge ... die Erblasserin ... nach dem handschriftlichen gemeinschaftlichen Testament vom 16.09.2015 allein beerbt worden ist von ihrem Sohn (dem Beteiligten zu 1))" und "andere Personen, durch welche der Erbe von der Erbfolge ausgeschlossen oder durch die sein Erbteil gemindert würde nicht vorhanden sind".
Damit hatte der Beteiligte zu 1) unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass er seinen ursprünglichen Erbscheinsantrag aus der Urkunde des Notars Dr. Genske in Erfurt vom 16.03.2023 (das ist die "Vorurkunde") nicht mehr stellen will, sondern nur noch den Antrag aus er o.g. Urkunde vom 18.08.2023.
b) Zudem hatte der Beteiligte zu 1) den von dem Nachlassgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses als vermeintlich "Beantragter Erbschein" wiedergegebenen Erbscheinsantrag weder in der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 noch in der Urkunde des Notars J. vom 18.08.2023 gestellt. Zwar ist die Abweichung zu dem Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 relativ gering, jedoch herrscht in einem Erbscheinsverfahren grundsätzlich eine strikte Antragsbindung. Das Nachlassgericht kann nur über den konkret gestellten Antrag entscheiden und nur dann einen Feststellungsbeschluss gemäß § 352e FamFG zu diesem Antrag erlassen, wenn dieser Antrag die Rechtslage zutreffend wiedergibt. Andernfalls muss das Nachlassgericht den Antrag zurückweisen. Eine "eingeschränkte" oder "teilweise" Feststellung zu einem gestellten Antrag ist nicht möglich. Hier hatte der Beteiligte zu 1) einerseits den Antrag aus der Urkunde des Notars Dr. G. vom 16.03.2023 aber nicht mehr gestellt und andererseits war er auch in dieser Urkunde nicht so gestellt worden, wie er vom Nachlassgericht im Tenor des angefochtenen Beschlusses als angeblich beantragter Erbschein wiedergegeben ist. Denn in dem dortigen Antrag (Ziffer 6. in Verbindung mit Ziffer 4. der genannten Urkunde) war (im Übrigen zutreffender Weise) nicht von der Erblasserin "als Vorerbin" und den Beteiligten zu 1) bis 5) "als Nacherben" die Rede, wie dies im Tenor des angefochtenen Beschlusses als vermeintlich beantragter Erbschein dargestellt wird.
c) Eine Zurückverweisung der Sache kann im vorliegenden Fall auch erfolgen, ohne dass ein Zurückverweisungsantrag durch einen der Beteiligten gestellt worden ist, weil das Nachlassgericht einerseits über einen Antrag entschieden hat, der gar nicht gestellt war, und andererseits über den gestellten Antrag gar nicht entschieden hat. In einem solchen Fall kann eine Zurückverweisung der Sache von Amts wegen erfolgen, weil ein Fall vorliegt, in dem das Erstgericht im Sinne des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG "in der Sache noch nicht entschieden hat" (vgl. Sternal, FamFG 21. Auflage § 69 Rdnr. 19 m.w.N.).
3. Bei der erneuten Behandlung der Sache und Entscheidung über den - nach dem gegenwärtigen Sachstand - allein gestellten Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) aus der Urkunde des Notars J. vom 18.08.2023 wird das Nachlassgericht zu beachten haben, dass es nicht um die Frage geht, wer nach der "Erblasserin als Vorerbin" nun "Nacherbe" geworden ist, sondern allein um die Frage, wer Erbe nach der Erblasserin geworden ist. Denn eine Vor- und Nacherbschaft haben die Erblasserin und ihr Ehemann in ihrem Gemeinschaftlichen Testament vom 16.09.2015 allenfalls nach dem Zuerstversterbenden, keinesfalls aber nach dem Längstlebenden (= "vorerst überlebenden Elternteils") angeordnet. Denn insoweit haben die Eheleute verfügt:
"Nach dem Ableben des vorerst überlebenden Elternteils verfügen wir das unsere leiblichen Kinder zu gleichen Teilen Schlusserben sind."
Das Nachlassgericht wird zu ermitteln und auszulegen haben, was die Erblasserin und ihr Ehemann bei der Errichtung des Testaments im Jahr 2015 mit dieser Formulierung gemeint haben und ob ggfs. - falls der Wille der Testierenden (auch nach Anhörung des Beteiligten zu 1)) nicht sicher festgestellt werden kann - die Vermutungsregeln der §§ 2068 und 2069 BGB zur Anwendung kommen. Die vom Nachlassgericht im angefochtenen Beschluss zitierte Entscheidung des OLG Brandenburg verhält sich dazu nicht, da sie sich allein mit der Frage beschäftigt, ob an die Stelle einer in einem Testament ausdrücklich als Nacherben eingesetzten Person, die vor dem Eintritt des Nacherbfalls verstorben ist, dessen Abkömmlinge oder aber die von ihm als testamentarisch als sein Erbe eingesetzte Person tritt. Hier geht es dagegen allein um die Erbfolge nach der Erblasserin.
Da letztlich nicht abschließend gesagt werden kann, ob die Beschwerde des Beteiligten zu 1) in der Sache zum Erfolg führt, war auch die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Nachlassgericht vorzubehalten.
Vorschriften§ 2068 BGB