21.11.2008 · IWW-Abrufnummer 083611
Landessozialgericht Baden-Württemberg – L 7 AS 3528/07
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
L 7 AS 3528/07 ER-B
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragsgegners, der das Sozialgericht Reutlingen (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. schon Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris) unter Verweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVw Z 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Die Erfolgsaussichten der Hauptsache sind daher in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Gebots der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz (vgl. Art. 19 Abs. 4 GG) u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Antragsteller vorzunehmen (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Okotober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 16. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - (beide juris) unter Hinweis auf BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927) Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 1. August 2005 - a.a.O. und vom 17. August 2005 - a.a.O.).
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind vorliegend gegeben. Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind vom Antragsteller glaubhaft gemacht. Im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung erscheint der Hauptsacherechtsbehelf zum gegenwärtigen Zeitpunkt aller Voraussicht nach erfolgreich. Die Beschwerde des Antragsgegners, der den Beschluss des SG derzeit ausführt (vgl. Bescheid vom 24. Juli 2007), kann daher keinen Erfolg haben. Nachdem der Antragsteller kein Rechtsmittel eingelegt hat und den Beschluss des SG hinnimmt, ist der angefochtene Beschluss des SG im Ergebnis zu bestätigen, mit welchem der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller ab 29. Juni 2007 (Eingang des Antrags beim SG) bis zum bestandskräftigen Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 345,00 Euro zu gewähren (vgl. aber zur Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II ab 1. Juli 2007 die Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 18. Juni 2007 (BGBl. I S. 1139)).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB II ist Voraussetzung der Leistungsberechtigung u.a. die Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des Antragstellers; dass die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II hier gegeben sind, stellt auch der Antragsgegner nicht in Abrede. Soweit er dagegen nunmehr die Erwerbsfähigkeit des Antragstellers in Zweifel zieht, reicht dies jedenfalls mit Blick auf die Bestimmung des § 44a Abs. 1 Satz 3 SGB II (in der Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2742)), die eine Nahtlosigkeitsregelung nach dem Vorbild des § 125 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch darstellt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rdnr. 19), zu einem Leistungsausschluss nicht aus; vielmehr bleibt der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II vor Einschaltung des zuständigen Sozialhilfeträgers auf jeden Fall weiterhin leistungsverpflichtet, auch wenn er von fehlender Erwerbsfähigkeit des Hilfesuchenden ausgeht (vgl. BSG a.a.O. Rdnr. 20). Eine derartige Abstimmung ist jedoch bislang nicht erfolgt, sodass der Antragsgegner derzeit eine Leistungsverweigerung nicht mit der fehlenden Erwerbsfähigkeit des Antragstellers begründen könnte.
Ferner spricht gegenwärtig alles dafür, dass beim Antragsteller, für den im Übrigen seit 19. Juli 2007 eine Betreuerin bestellt ist, die Anspruchsvoraussetzung der Hilfebedürftigkeit gegeben ist. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr. 1 a.a.O.), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr. 2 a.a.O.) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Zumutbare Arbeitsmöglichkeiten (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB II) sind vorliegend nicht ersichtlich; auch der Antragsgegner hat sich hierauf nicht berufen. Beim gegenwärtigen Erkenntnisstand ist ferner davon auszugehen, dass beim Antragsteller berücksichtigungsfähiges Einkommen (vgl. hierzu § 11 SGB II) oder Vermögen (§ 12 SGB II) zur Lebensunterhaltssicherung nicht vorhanden ist und deshalb auch die allgemeinen Grundsätze des Nachrangs der Grundsicherung für Arbeitsuchende sowie der Selbsthilfe (§§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 3, 9 Abs. 1 SGB II) hier nicht eingreifen.
Der Antragsteller verfügt nicht über zu seinem Lebensunterhalt einzusetzendes Einkommen; die jährlichen Reinerträge aus dem ihm von seiner am 22. Oktober 2005 verstorbenen Mutter aufgrund des notariellen Testaments vom 15. Juli 2004 vermachten Geldbetrag sind derzeit ohnehin zugunsten der Stadt R. verstrickt (Pfändungs- und Einziehungsverfügung der Stadtkasse vom 13. Juli 2007; vgl. zur Verfügbarkeit von gepfändetem Einkommen Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) BVerwGE 55, 148 ff.; Brühl in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 11 Rdnr. 12; Mrozynski, Grundsicherung und Sozialhilfe, II.11 Rdnrn. 22 ff.). Allerdings hält der Antragsgegner dem Antragsteller entgegen, dass dieser aus dem Nachlass über Vermögen verfüge, das er vor der Inanspruchnahme staatlicher Fürsorgeleistungen verbrauchen müsse. Die Mutter des Antragstellers, die in ihrem notariell errichteten Testament vom 15. Juli 2004 ihre Tochter als Alleinerbin eingesetzt hatte (vgl. § 2 a.a.O.), hatte nämlich ihrem Sohn, dem Antragsteller, neben dem lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnungsrecht am Grundstück F.weg 2 in R.-S. (vgl. § 4 a.a.O.) außerdem im Wege des Vorvermächtnisses einen Geldbetrag von 50.000,00 Euro zugewandt (Nachvermächtnisnehmerin seine Schwester), welcher innerhalb von sechs Monaten nach deren Tode zur Zahlung fällig war (vgl. § 3 a.a.O.). Freilich hatte die Erblasserin in § 5 Absatz 1 des Testaments vom 15. Juli 2004 Testamentsvollstreckung angeordnet und insoweit weiter bestimmt:
" ...Die einzige Aufgabe des Testamentsvollsteckers ist die Verwaltung des in § 3 zugunsten meines Sohnes ... zugewendeten Vermächtnisses.
Zum Testamentsvollstrecker ernenne ich ...
Zum Ersatztestamentsvollstrecker ernenne ich ...
Der Testamentsvollstecker hat den zugewendeten Geldbetrag anzulegen und dem Vermächtnisnehmer die jährlichen Reinerträge auszuzahlen.
Darüber hinaus ist der Testamentsvollstrecker berechtigt, nach seinem billigen Ermessen dem Vermächtnisnehmer für seine Lebensführung und den Lebensunterhalt die notwendigen Beträge aus dem zugewandten Vermächtnis zu überlassen. Der Testamentsvollstrecker bestimmt allein nach seinem billigen Ermessen über die Höhe der auszuzahlenden Beträge."
Auf diesen letztgenannten Absatz in § 5 des Testaments beruft sich der Antragsgegner, weil er meint, dass dem Testamentsvollstrecker lediglich die Entscheidung über die Höhe der auszuzahlenden Beträge überlassen worden sei; denn die Erblasserin habe damit der bereits zum Zeitpunkt der Testamentseröffnung schwierigen persönlichen Lebenssituation und langjährigen Arbeitslosigkeit des Antragstellers Rechnung tragen und sicherstellen wollen, dass dieser den Geldbetrag auch tatsächlich zur Kostendeckung der Lebensführung angemessen verbrauche. Demgegenüber ist der Antragsteller mit dem Testamentsvollstrecker der Auffassung, dass die Erblasserin ihrem zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung erst 46 Jahre alten, alkoholkranken Sohn einen "Notgroschen" habe hinterlassen wollen, der "keinesfalls innerhalb von sechs Jahren für den normalen Unterhalt aufgebraucht" hätte werden sollen.
Der Senat folgt der Auffassung des SG und des Antragstellers, dass bei diesem einsetzbares Vermögen nicht vorhanden ist; sein Sparbuch bei der Kreissparkasse R. hat ausweislich der mit dem Prozesskostenhilfeantrag zu den Akten gereichten Ablichtung per 30. Juli 2007 lediglich ein Guthaben von 224,04 Euro aufgewiesen (vgl. zum Grundfreibetrag § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II). Aber auch das dem Antragsteller von seiner verstorbenen Mutter zugewandte Vorvermächtnis ist als Vermögen nicht berücksichtigungsfähig. Aufgrund der Testamentsvollstreckung, die hier für die Verwaltung des Vorvermächtnisses entsprechend § 2209 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) angeordnet ist (vgl. hierzu Bundesgerichtshof (BGH) BGHZ 13, 203; Reimann in Staudinger, BGB, 2003, § 2223 Rdnr. 10), ist der Antragsteller wegen der ebenfalls entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 2211 BGB gehindert, über den Vermächtnisgegenstand zu verfügen (vgl. Damrau in Soergel, BGB, 12. Auflage, § 2223 Rdnr. 3; Reymann in juris-PK-BGB, 3. Auflage, § 2163 Rdnr. 3). Der von der Erblasserin zugewandte Geldbetrag wäre deshalb im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II rechtlich nur verwertbar, wenn der Antragsteller gegenüber dem Testamentsvollstrecker neben den Nutzungen Teile der Vermächtnissubstanz - im Wege der Selbsthilfe - rechtlich durchsetzbar fordern könnte (vgl. hierzu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1992 - 6 S 384/90 - FEVS 43, 423; Sächs. Oberverwaltungsgericht (OVG), Beschluss vom 2. Mai 1997 - 2 S 682/96 - NJW 1997, 2898; Hamb. OVG, Urteil vom 2. Mai 1997 - Bf IV 33/96 - (juris); OVG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2006 - 3 R 2/05 - (juris)). Dem ist allerdings nach Auffassung des Senats nicht so; vielmehr spricht die in § 5 letzter Absatz des notariellen Testaments vom 15. Juli 2004 getroffene Verwaltungsanordnung (vgl. § 2216 Abs. 2 BGB analog, ferner § 2156 BGB; dazu Reimann in Staudinger, a.a.O., § 2216 Rdnr. 23; Reymann in jurisPK-BGB, a.a.O., Rdnr. 3; Nieder, NJW 1994, 1265) gegen die Ansicht des Antragsgegners, dass der dem Antragsteller zugewandte Betrag nach dem Willen der Erblasserin für dessen laufenden Lebensunterhalt verwendet und aufgebraucht werden sollte.
Der Wortlaut des § 5 letzter Absatz des Testaments ist freilich auslegungsbedürftig. Immerhin leitet der Antragsgegner aus der Formulierung über die Berechtigung des Testamentsvollziehers, nach seinem billigen Ermessen dem Vermächtnisnehmer "für seine Lebensführung und den Lebensunterhalt die notwendigen Beträge aus dem zugewandten Vermächtnis zu überlassen" her, dass die Erblasserin mit dem Vermächtnis den Lebensunterhalt des Antragstellers hätte sicherstellen wollen. Indessen ist allgemein anerkannt, das bei der Auslegung eines Testaments der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (§ 133 BGB); die Auslegung darf sich mithin nicht allein auf die Analyse des Wortlauts beschränken, vielmehr müssen auch alle Umstände außerhalb der Testamentsurkunde herangezogen werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind (vgl. BGHZ 86, 41; BGH, Urteil vom 28. Januar 1987 - IV ZR 191/85 FamRZ 1987, 475; BGH, Urteil vom 7. Oktober 1992 - IV ZR 160/91 - NJW 1993, 369; Lorenz in Soergel, a.a.O., § 2084 Rdnrn. 2 ff.; Kniesbeck in jurisPK-BGB, a.a.O., § 2084 Rdnrn. 7 ff.); diese Grundsätze gelten nicht nur für eigenhändige, sondern auch notariell errichtete Testamente (vgl. BGHZ 80, 246).
Mit dem SG ist auch der Senat der Auffassung, dass der dem Antragsteller im Wege des Vorvermächtnisses zugewandte Geldbetrag von der Erblasserin nicht zur Bestreitung von dessen (laufenden) Kosten des Lebensunterhalts gedacht war; dies ergibt die Auslegung des Testaments unter Auswertung auch sämtlicher im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bekannt gewordenen Umstände. Hätte die Erblasserin eine Sicherung des Lebensunterhalts gewollt, hätte es bereits nicht des Testaments, des Vermächtnisses und schon gar nicht der Anordnung der Testamentsvollstreckung bedurft; denn der Antragsteller wäre als Sohn schon kraft Gesetzes (Mit)Erbe geworden (vgl. § 1924 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus hatte die Erblasserin sowohl die Entscheidung über Zahlungen aus der Vermächtnissubstanz als auch die Höhe der auszuzahlenden Beträge dem billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers überlassen, was zur Folge hat, dass dessen Bestimmung nur bei offenbarer Unbilligkeit und erkennbarer Sachwidrigkeit (vgl. hierzu § 319 Abs. 1 Satz 1 BGB und ferner Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 20. März 1997 19 U 156/96 - juris)) unverbindlich wäre. Hätte die Erblasserin dagegen Wert darauf gelegt, dass der Antragsteller in jedem Fall das zu seinem laufenden Lebensunterhalt Notwendige aus dem zugewandten Geldbetrag erhält, hätte es einer solchen Beschränkung nicht bedurft. Auch die im Verlaufe des Verfahrens zu den Akten gelangten Äußerungen des Notars, den die Erblasserin zum Zwecke der Testamentserrichtung aufgesucht hatte, sowie des Testamentsvollstreckers bestätigen die vorstehende Würdigung. Nach der Stellungnahme des Notars vom 11. September 2007 wollte die Erblasserin für ihren Sohn neben seinen "normalen" Einkünften - "sei es durch Arbeit oder Arbeitslosengeld" - eine Rücklage bilden, auf welche nach dem billigen Ermessen des Testamentsvollstreckers zurückgegriffen werden sollte, z.B. bei besonderen Anschaffungen oder wenn die Krankenkasse die Leistungen nicht bezahle, und ihm auch manchmal gewisse Dinge zukommen lassen, welche er sich mit seinen "normalen Ein-künften" nicht leisten könnte. Der Testamentsvollstrecker (u.a. Schreiben vom 20. April 2006, E-Mail vom 5. September 2007) hat auf die bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehende Alkoholkrankheit des Antragstellers sowie darauf hingewiesen, dass dessen Mutter das Wohl ihres Sohnes am Herzen gelegen habe, dem sie deshalb auch ein lebenslanges Wohnrecht habe zukommen lassen; die Erblasserin habe nicht gewollt, dass sich am seitherigen Zustand etwas zum Nachteil des Antragstellers ändere und ihm deshalb langfristig eine Reserve für "Notfälle" zur Verfügung stellen wollen, wobei dieser "Notgroschen" keineswegs dazu gedacht gewesen sei, die diesem zustehenden Reinerträge fortlaufend zu schmälern und die Substanz innerhalb "von sechs Jahren" aufzubrauchen. Die Erblasserin hatte zudem nach der Darstellung des Antragsstellers von ihrer ursprünglichen Absicht, diesem auch landwirtschaftlichen Grundbesitz zu hinterlassen, nach Beratung durch den Notar Abstand genommen.
Unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts des Testaments vom 15. Juli 2004 als auch der oben dargestellten Umstände ergeben sich sonach bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen Prüfung keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin mit dem dem - bereits zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung alkoholkranken und mehrjährig arbeitslosen - Antragsteller vermachten Geldbetrag den existenzsichernden Verbrauch durch diesen beweckt hatte. Auch wenn der Wille der Erblasserin im Testament möglicherweise nur unvollkommen zum Ausdruck kommt, spricht hier vieles dafür, dass der Vermächtnisgegenstand in seiner Substanz tatsächlich nur in besonderen, vom Notar beispielhaft aufgeführten, Einzelfällen angegriffen werden und nicht generell zur Aufzehrung anstelle staatlicher Fürsorgeleistungen gedacht war. Mit Blick darauf, dass andernfalls auch die (freiwilligen) Beträge zur Kranken- und Pflegeversicherung (ab 1. Januar 2007 wären dies insgesamt monatlich 133,53 Euro; vgl. Schreiben der Allgemeinen Ortskrankenkasse vom 11. Januar 2007) vom Antragsteller - ebenso wie beispielsweise die Kosten der Heizung (vgl. § 4 des Testaments) - allein zu tragen gewesen wären, liegt auf der Hand, dass der diesem zugedachte Geldbetrag innerhalb von wenigen Jahren verbraucht wäre, sodass dieser - bei fortbestehender Krankheit und Arbeitslosigkeit - alsdann ohnehin von staatlicher Fürsorge abhängig geworden wäre. Gerade dieser vorzeitige Verbrauch war von der Erblasserin nach der hier gefundenen Auslegung indes nicht beabsichtigt.
Der dargestellte Erblasserwillen ist jedenfalls nicht zu Lasten der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB. Dies hat der BGH für die Fälle des so genannten "Behindertentestaments" bereits entschieden (vgl. BGHZ 111, 36; 123368; hierzu ferner Sächs. OVG, Beschluss vom 2. Mai 1997 a.a.O.; OVG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2006 - a.a.O.; Brühl in LPK-SGB XII, 7. Auflage, § 90 Rdnr. 126; W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage, § 2 Rdnr. 38; Eberl-Borges/Schüttlöffel, FamRZ 2006, 589, 595); mit Blick auf die grundrechtlich geschützte Testierfreiheit hat der BGH eine sittliche Verpflichtung des Erblassers, das Wohl seines Kindes zugunsten des Trägers der Fürsorgeleistung hintanzustellen, verneint. Dies muss auch für den vorliegenden Fall gelten, wo die Erblasserin die berechtigte Sorge hatte, ihr alkoholkranker Sohn werde nicht in der Lage sein, mit einer Zuwendung im Todesfall sachgerecht und verantwortungsbewusst umzugehen. Dass das Gesetz fürsorgerische Maßnahmen des Erblassers zum Erhalt des hinterlassenen Vermögens in weitem Umfang zulässt, ergibt sich aus zahlreichen Regelungen des Erbrechts (vgl. nur §§ 2100 ff., 2191, 2197 ff., 2338 BGB), sodass es grundsätzlich nicht sittlich zu missbilligen ist, wenn der Erblasser bei der Zuwendung dem grundsicherungs- und sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz nicht unter allen Umständen Geltung verschafft.
Sonach deutet derzeit nichts auf die fehlende Hilfebedürftigkeit des Antragstellers hin; ein Anordnungsanspruch ist deshalb gegeben. Soweit der Antragsgegner der Auffassung sein sollte, es bestünden Pflichteilsrestansprüche des Antragstellers (§§ 2305, 2307 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB; hierzu Nieder, NJW 1994, a.a.O.), steht es ihm unbenommen, diese im Rahmen des § 33 SGB II gegenüber der Alleinerbin geltend zu machen. Nachdem der Lebensunterhalt des Antragstellers derzeit nicht anderweitig gesichert ist, ist auch ein Anordnungsgrund zu bejahen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).