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  • 27.10.2011 · IWW-Abrufnummer 113447

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 01.06.2011 – 15 Wx 61/11

    1)
    Haben sich nach § 1762 BGB a.F. BGB die Wirkungen der Annahme auf die Abkömmlinge des Angenommenen erstreckt, verbleibt es bei Inkrafttreten des AdoptG bei der allgemeinen Regelung des Art. 12 § 1.


    2)
    Die Wirkungen der Erstreckung auf die Abkömmlinge des Angenommenen beschränken sich auf diejenigen der Volljährigenadoption. Eine Verwandtschaftsbeziehung zu den Verwandten des Annehmenden wird nicht begründet.


    15 Wx 61/11

    In der Nachlasssache
    ...
    hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm
    am 01.06.2011
    auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 14.01.2011
    gegen
    den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 26.11.2010
    durch
    ...
    beschlossen:

    Tenor:
    Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Auslagen abgeändert wird.

    Die Beteiligte zu 1) hat der Beteiligten zu 2) die ihr im Erstbeschwerdeverfahren und im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

    Der Geschäftswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

    Gründe
    I.

    Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Das von ihm im Jahr 2005 errichtete notarielle Testament widerrief er im Jahr 2008 durch ein zweites notarielles Testament.

    Die Eltern des Erblassers, die Eheleute F2 und F3, hatten am 02.12.1946 den am 23.06.1946 in N geborenen Vater der Beteiligten zu 1), F4, durch Kindesannahmevertrag als gemeinschaftliches Kind an Kindes Statt angenommen. Den Kindesannahmevertrag genehmigte das AG Mannheim am 22.09.1946. Die Beteiligte zu 1) ist am 06.04.1973 geboren.

    Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 10.08.2009 beantragte die Beteiligte zu 1), ihr einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin nach dem Erblasser F5 ausweist. Diesen Antrag wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 26.01.2010 zurück. Die hiergegen eingelegte weitere Beschwerde wies das Landgericht mit Beschluss vom 26.11.2010 zurück. Hiergegen richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz vom 14.01.2011 eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1).

    II.

    Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 27, 29 FGG, Art 111 FG-ReformG statthaft und auch sonst zulässig.

    Das Rechtsmittel ist aber unbegründet, weil die Entscheidung des Landgerichts in der Sache nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

    Der Vater der Beteiligten zu 1) war im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Gerichtsbeschlusses des AG Mannheim 22.09.1946 über die Genehmigung des Adoptionsvertrages minderjährig und vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung zum 01.01.1977 volljährig. Demnach ist für den vorliegenden Fall folgende Rechtslage maßgeblich:

    1)

    Nach dem bis zum 31.12.1976 geltenden Recht war das angenommene Kind gemäß § 1757 BGB a.F. mit dem Annehmenden in gerader Linie verwandt und erlangte deshalb gegenüber dem Annehmenden das Erb- und Pflichtteilsrecht aus den §§ 1924, 2303 BGB. Die Adoption erstreckte sich aber nicht auf die Verwandten des Annehmenden, § 1763 BGB a.F. Das bedeutet, dass der Vater der Beteiligten zu 1) mit den ihn annehmenden Eheleuten F2 und F3 verwandt und ihnen gegenüber erbberechtigt ist, diese Verwandtschaft sich aber nicht auch auf deren Sohn F5, den Erblasser, erstreckt.

    Die Wirkung der Adoption erstreckte sich nach § 1762 S. 1 BGB a.F. auch auf die später, d.h. nach der Adoption geborenen Abkömmlinge des angenommenen Kindes. Daher ist die am 06.04.1973 geborene Beteiligte zu 1) nach der alten Rechtslage zwar mit den Eheleuten F2 und F3 verwandt, nicht aber mit dem Erblasser.

    2)

    Zum 01.01.1977 hat sich die Rechtslage dahin geändert, dass das angenommene minderjährige Kind den leiblichen Kindern des Annehmenden gleichgestellt wird und daher mit dem Annehmenden und dessen Verwandten mit Wirksamwerden des Gerichtsbeschlusses über die Genehmigung des Adoptionsvertrages verwandt wird, § 1754 BGB. Das angenommene Kind hat daher gegenüber den neuen Verwandten die erbrechtlichen Ansprüche aus den §§ 1925 ff. BGB.

    Diese sie begünstigende Wirkung der neuen Gesetzeslage könnte die Beteiligte zu 1) für sich nur in Anspruch nehmen, wenn die im Adoptionsgesetz vom 02.07.1976 (BGBl. I 1749) in Art 12 geregelte Umstellung unter altem Recht begründeter Adoptionsverhältnisse dies zulässt.

    Nach Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG werden auf das Annahmeverhältnis die neuen Vorschriften über die Annahme Volljähriger angewandt, wenn, wie hier, der Angenommene am 01.01.1977 volljährig ist. Dies gilt aber nur, soweit sich nicht aus Abs. 2 bis 6 derselben Vorschrift etwas anderes ergibt.

    a)

    Abs. 3 der Vorschrift betrifft das Namensrecht, Abs. 4 die erbrechtlichen Verhältnisse, wenn der Erblasser vor dem 01.01.1977 gestorben ist, und Abs. 6 die Aufhebung der Adoption (Aufhebungshindernisse nach § 1761 Abs. 1 BGB und Fristen nach § 1762 BGB). Diese Ausnahmefälle greifen hier nicht ein, ebenso nicht Abs. 5, wonach das Erbrecht des angenommenen Kindes dem Annehmenden gegenüber ausgeschlossen bleibt, wenn dies in dem Annahmevertrag so gemäß § 1767 BGB a.F. vereinbart war.

    b)

    Art. 12 § 1 Abs. 2 AdoptG greift hier ebenfalls nicht ein. Danach werden auf einen Abkömmling des angenommenen Kindes, auf den sich die Wirkungen der Annahme an Kindes Statt nicht erstreckt haben, die Wirkungen der Annahme nicht ausgedehnt. Da aber die Beteiligte zu 1) nach der Adoption ihres Vaters durch die Eheleute F2 und F3 geboren wurde, hatte sich die Adoption auch auf die Beteiligte zu 1) erstreckt, § 1762 S. 1 BGB.

    Der Senat teilt nicht die Auffassung der Beteiligten zu 1), die meint, Abs. 2 greife ein, weil sie am 01.01.1977 erst 3 Jahre alt und damit minderjährig gewesen sei. Dabei bleibt nämlich unberücksichtigt, dass die Übergangsvorschrift des Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG tatbestandlich ausschließlich an die Volljährigkeit des Angenommenen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes, nicht jedoch an das Lebensalter eines Abkömmlings des Angenommenen anknüpft. Der Verweis auf die Vorschriften des neuen Rechts über die Volljährigenadoption in Abs. 1 bedeutet somit, dass die Wirkungen der so übergeleiteten Adoption nicht weiter gehen können als eine solche der Volljährigenadoption neuen Rechts. Eine Erstreckung der Verwandtschaftsbeziehung zwischen den Abkömmlingen des Angenommenen und den Verwandten des Annehmenden ist deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil diese der Minderjährigenadoption vorbehalten ist (§ 1754 BGB). Im Übrigen sind die Folgeregelungen in Art. 12 § 1 Absätze 2 bis 6 AdoptG ausschließlich darauf ausgerichtet, die nach früherem Recht eingetretenen Wirkungen zu erhalten. Dies gilt insbesondere auch für die Vorschrift des Abs. 2: Sie bezieht sich retrospektiv darauf, dass nach bisherigem Recht die Wirkungen der Annahme sich nicht auf einen Abkömmling des Angenommenen "erstreckt haben". Damit ist die Konstellation des § 1762 S. 2 BGB a.F. gemeint, dass bereits bei der Adoption Abkömmlinge des Angenommenen vorhanden waren, auf die sich die Wirkungen der Annahme nicht erstreckt haben, weil der Annahmevertrag nicht auch mit ihnen geschlossen wurde. Lediglich für diese Fallkonstellation verfügt Art. 12 § 1 Abs. 2 AdoptG, dass es bei diesem Ausschluss der Wirkungen für die Abkömmlinge verbleibt, weil diese im Rahmen des neuen Rechts sonst nach § 1770 Abs. 1 S. 1 BGB n.F. eintreten würden. Erstreckten sich hingegen auch nach § 1762 BGB a.F. die Wirkungen der Annahme auf die Abkömmlinge, insbesondere also bei nach der Annahme geborenen Abkömmlingen, verbleibt es bei der allgemeinen Regelung des Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG: Die Wirkungen dieser Erstreckung auf die Abkömmlinge des Angenommen beschränken sich also auf diejenigen der (schwachen) Volljährigenadoption (vgl. MK/BGB-Maurer, 5. Aufl., Anh. nach § 1772 Art. 12 § 1 AdoptG Rn. 6), eine inhaltliche Aufbesserung nach den Regeln der Volljährigenadoption findet nicht statt.

    Auf die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 03.05.1994 (FamRZ 1994, 1553) kann die Beteiligte zu 1) ihre Auffassung nicht stützen. Denn diese Entscheidung betrifft nicht Art. 12 § 1 Abs. 2 AdoptG, sondern Art. 12 § 1 Abs. 4 AdoptG und setzt sich damit auseinander, ob ein Adoptivenkel des Nacherben zu den erbberechtigten Verwandten zählt, auf den die Anwartschaft des Nacherben übergeht, wenn der Erblasser vor dem 01.01.1977 und der Nacherbe danach verstirbt. Für den vorliegenden Fall gibt dies nichts her.

    c)

    Die Beteiligte zu 1) kann sich auch nicht auf Art. 12 § 2 Abs. 2 und 3 AdoptG berufen (auf diese Vorschrift beziehen sich auch die Entscheidungen des Senats 15 W 9/80 - NJW 1981, 2762 und 15 W 107/02 - FamRZ 2002, 1375 -). Denn diese Vorschriften gelten nur, wenn der Angenommene am 01.01.1977 noch minderjährig war.

    d)

    Demnach gelten hier gem. Art. 12 § 1 AdoptG die Vorschriften über die Annahme Volljähriger. Danach ist die Verwandtschaft wie im früheren Recht auf das Verhältnis des Annehmenden zu dem Adoptierten und dessen Abkömmlingen beschränkt, es erstreckt sich also nicht auf die Verwandten des Annehmenden, § 1770 Abs. 1 BGB. Auch bleibt die Verwandtschaft des Adoptierten und seiner Nachkommen zu der Ursprungsfamilie erhalten. Dies hat erbrechtlich die Folge, dass der Adoptierte und seine Nachkommen gesetzliche Erben des Annehmenden und der Ursprungsfamilie des Adoptierten sind, nicht aber zu den gesetzlichen Erben der Verwandtschaft des Annehmenden zählen; ebenso wenig beerben diese den Adoptierten und dessen Nachkommen aufgrund gesetzlicher Erbfolge (vgl. zu allem Staudinger/Berg, Bearbeitung 2008, Vorbemerkung §§ 1924-1936 Rn 49).

    Die Entscheidung über die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf der zwingenden Vorschrift des § 13 a Abs.1 S. 2 FGG, wonach einem Beteiligten, der ein unbegründetes Rechtsmittel eingelegt hat, die Kosten aufzuerlegen sind. Die Entscheidung des Landgerichts war daher insoweit zu ändern. Dieser Abänderung steht der Grundsatz der reformatio in peius nicht entgegen (BayObLG WuM 1989, 470; Keidel/Kahl, FGG, 15.Aufl., § 19 Rn. 116 m.w.N.).

    Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 4, § 30 KostO.

    RechtsgebieteBGB, AdoptGVorschriften§ 1762 BGB a.F. Art. 12 § 1 Abs. 1 AdoptG