23.11.2012 · IWW-Abrufnummer 123535
Oberlandesgericht Düsseldorf: Beschluss vom 25.09.2012 – 3 Wx 308/11
1.
Als nicht mittellos ist ein Nachlass anzusehen, der- unter Außerbetrachtlassung bestehender Nachlassverbindlichkeiten - über hinreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger verfügt.
2.
Maßgeblich für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, wobei ein Verbrauch des zunächst vorhandenen Nachlasses durch die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten während der Nachlasspflegschaft nicht zur Mittellosigkeit im Rechtssinne führt.
3.
Die bei einem bemittelten Nachlass - abweichend von § 3 VBVG - nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte vom Nachlassgericht angenommene Vergütung für den Nachlasspfleger nach einem Mittelwert von derzeit 110,- Euro/Stunde überschreitet nicht die Grenzen pflichtgemäßem Ermessens.
OLG Düsseldorf, 25.09.2012
I-3 Wx 308/11
In der Nachlasssache
betreffend den Nachlass der am 31. Mai 1938 verstorbenen M. D.,
an der beteiligt sind:
1. Rechtsanwältin K. N., in Meerbusch,
frühere Nachlasspflegerin und frühere Vertreterin der unbekannten Erben der verstorbenen M. D.,
2. C. D., in Neuss, Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. S. in Kleve,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 07. Januar 2011 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Rechtspflegerin - Neuss vom 27. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht G., der Richterin am Oberlandesgericht Dr. P. und des Richters am Oberlandesgericht v. W.
beschlossen:
Tenor:
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Wert: 3.603,68 Euro.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 2 ist der Bruder der 07. Juni 2005 in Neuss ohne Errichtung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen M. D..
Er schlug unter dem 13. Juli 2005 die Erbschaft aus, weil er den Nachlass mit Blick auf noch ausstehende Heimkosten der Erblasserin für überschuldet hielt.
Mit Beschluss vom 22. August 2005 ordnete das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben der Erblasserin an und bestellte die Beteiligte zu 1 zur Nachlasspflegerin mit dem Wirkungskreis der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Erbenermittlung.
Diese nahm ihre Tätigkeit auf und verfasste in der Folgezeit verschiedene Berichte, nämlich u.a. den Antrittsbericht vom 02. November 2005 sowie Nachlassspezifikationen vom 04. September 2006, 19. März 2007, 29. April 2008, 21. Juli 2009 und 09. Februar 2010 und vertrat die unbekannten Erben bei der mit Beschluss vom 09. Oktober 2008 angeordneten Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft, betreffend den Grundbesitz in Uedesheim.
Unter dem 14. April 2010 erklärte der Beteiligte zu 2 gegenüber dem Amtsgericht - Nachlassgericht - 131 VI 145/05 - die Anfechtung der Ausschlagung; am 27. Juli 2010 wurde ihm ein Erbschein als Alleinerbe erteilt.
Die Beteiligte zu 1 hat mit Gesuch vom 06. August 2010 unter Bezugnahme auf die Neue Rheinische Tabelle 2000 eine der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers entsprechende Vergütung von 4% des nach ihrem Antrittsbericht vom 02. November 2005 sich auf 95.164, 22 Euro belaufenden Bruttonachlasses, nämlich 3.806,56 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer, beantragt.
Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten und hat im Wesentlichen geltend gemacht, er hafte als Erbe nicht für die Vergütung; einer Nachlasspflegschaft habe es nicht bedurft; die Höhe der Vergütung sei zu beanstanden; dem Antrag sei eine Aufstellung über den Zeitaufwand nicht beigefügt; im Übrigen sei die Vergütung binnen 15. Monaten nach Entstehen des Anspruchs geltend zu machen; die Berufsmäßigkeit der Nachlasspflegschaft könne nicht im Nachhinein mit Rückwirkung geltend gemacht werden.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 27. Dezember 2010 festgestellt, dass die Beteiligte zu 1 ihre Tätigkeit als Nachlasspflegerin berufsmäßig ausübe und hat ihr, ausgehend von einem Stundensatz von 110,- Euro, eine Vergütung von 3.028,30 Euro bewilligt.
Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde vom 07. Januar 2011, bei Gericht eingegangen am 14. Januar 2011, gewandt, mit der er zum Einen die Feststellung der Berufsmäßigkeit, zum Anderen die Festsetzung der Vergütung angreift. Hierzu hat er ergänzend geltend gemacht, das Nachlassgericht setze sich mit vorgetragenen Auffassungen nicht auseinander; es lege den Stundensatz nach Gutdünken fest; die Feststellung der berufsmäßigen Wahrnehmung sei "bei der Bestellung" zu treffen; der Nachholungszeitraum von hier fünf Jahren sei zu lang; auch sei die Feststellung nicht versehentlich unterlassen worden; die Pflegschaft sei aufgrund unrichtiger Tatsachen angeordnet worden; bei der Bemessung der Höhe der Vergütung habe das Nachlassgericht keine Ermessenserwägungen angestellt; der Nachlass sei überschuldet gewesen; er habe von der Nachlasspflegschaft keinen Nutzen gehabt.
Das Nachlassgericht hat mit Verfügung vom 01. Februar 2011 die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat am 11. Juli 2011 (I-3 Wx 48+169/11) die Vorlageverfügung des Amtsgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Behandlung an das Amtsgericht zurückgegeben, da über die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen die nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit der Nachlasspflegschaft das Landgericht zu entscheiden habe und es im Verfahren über das Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 gegen die Festsetzung der Vergütung zunächst einer Entscheidung über die Abhilfe bedürfe.
Das Landgericht hat am 21. September 2011 (19 T 200/11) auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 07. Januar 2011 den Beschluss des Amtsgerichts vom 27. Dezember 2010 (131 VI 171/05) betreffend die Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der Nachlasspflegertätigkeit aufgehoben, weil das Amtsgericht weder zur Abhilfe noch zur Bescheidung der Beschwerde der Beteiligten zu 1 befugt gewesen sei, sondern die Beschwerde dem Landgericht zur Entscheidung hätte vorlegen müssen.
Mit Beschluss vom selben Tage (19 T 163/11) hat das Landgericht auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 15. November 2010 die Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Nachlasspflegerin festgestellt.
Das Amtsgericht - Nachlassgericht - hat mit Verfügung vom 31. Oktober 2011 dem Oberlandesgericht die Akten "z. w. Veranlassung bezgl. der Beschwerde ... gegen die Vergütungsfestsetzung" vorgelegt.
Der Senat hat am 14. November 2011 (I-3 Wx 288/11) die Vorlageverfügung des Nachlassgerichts aus formalen Gründen aufgehoben.
Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das Amtsgericht der Beschwerde des Beteiligten zu 2 vom 07. Januar 2011 gegen den Beschluss vom 27. Dezember 2010 nicht abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
II.
Das gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3, 64 Abs. 1 und 2 FamFG als Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Beteiligten zu 2 hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
a)
Die Vergütung des Nachlasspflegers richtet sich gemäß § 1.915 Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich nach den für die Vormundschaft geltenden Vorschriften. Während ehrenamtliche Pfleger lediglich Aufwendungsersatz und Aufwandsentschädigung gemäß den §§ 1835, 1835a BGB bekommen, erhält der Nachlasspfleger eine Vergütung, wenn es sich um eine Berufspflegschaft handelt.
Die Höhe der Vergütung bei berufsmäßiger Nachlasspflegschaft bestimmt sich danach, ob der Nachlass mittellos oder vermögend ist.
Bei einem mittellosen Nachlass sind über die §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB die Stundensätze des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Vergütung von Vorm ündern und Betreuern (VBVG) maßgeblich. Danach erhält der Nachlasspfleger bei mittellosem Nachlass eine Vergütung aus der Staatskasse, die maximal 33,50 Euro pro Stunde beträgt, § 3 Abs. 3 Satz 2 VBVG.
Ist der Nachlass vermögend, so bestimmt sich abweichend von § 3 VBVG die Höhe der Vergütung nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte, § 1915 Abs. 1 S. 2 BGB.
Als nicht mittellos ist ein Nachlass anzusehen, der über hinreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger verfügt. Ein Schonvermögen im Sinne von § 1836c BGB ist dabei nicht anzuerkennen; vielmehr ist der gesamte Aktiv-Nachlass für die Vergütung des Nachlasspflegers einzusetzen (OLG München, Rpfleger 2006, 405, 406; Münchener Kommentar - Leipold, BGB, 5. Auflage 2010, § 1960 Rdz. 71). Bestehende Nachlassverbindlichkeiten bleiben dagegen außer Betracht, da ansonsten eine unangebrachte Privilegierung der Nachlassgläubiger gegenüber der Staatskasse bestünde (OLG München, a.a.O.; Münchener Kommentar - Leipold, a.a.O., Rdz. 12). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses ist grundsätzlich nicht der Todestag des Erblassers, sondern der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz. Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse während der Nachlasspflegschaft sind zwar zu berücksichtigen, Mittellosigkeit ist indes zu verneinen, wenn der zunächst vorhandene Nachlass durch die Befriedigung von Nachlassverbindlichkeiten verbraucht wird; andernfalls würden die Gläubiger letztlich aus der Staatskasse bezahlt (Münchener Kommentar- Leipold, a.a.O.).
b)
Dies vorausgeschickt ist die vom Nachlassgericht der Beteiligten zu 1 bewilligte Vergütung nicht zu beanstanden.
aa)
Das Landgericht hat die Berufsmäßigkeit der Tätigkeit der Nachlasspflegerin nunmehr unangegriffen festgestellt.
bb)
Der Nachlass ist vermögend im Rechtssinne. Denn die Beteiligte zu 1 hat dargetan, dass auf einem Sparbuch bei der Volksbank Meerbusch ein frei verfügbarer, zur Nachlassmasse gehörender Geldbetrag von 4.538,42 Euro vorhanden war. Damit verfügte der Nachlass über hinreichende Mittel zur Bezahlung einer Vergütung für den Nachlasspfleger, ohne dass es nach dem Vorgesagten darauf ankommt, ob dieser Betrag aktuell noch vorhanden oder - wofür allerdings kein Anhalt besteht - inzwischen für die Befriedigung von Nachlassgläubigern verbraucht worden ist.
cc)
Ist der Nachlass hiernach bemittelt, so richtet sich abweichend von § 3 VBVG die Höhe der Vergütung nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der Pflegschaftsgeschäfte (§ 1915 Abs. 1 S. 2 BGB; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 926). In einem derartigen Fall bestimmt das Nachlassgericht bzw. das an seine Stelle tretende Gericht der ersten Beschwerde (OLG Hamm, NJW-RR 2011, 1091) nach pflichtgemäßem Ermessen, in welcher Höhe dem Nachlasspfleger eine Vergütung zu bewilligen ist. Das Gesetz geht dabei von einem Stundensatzsystem aus (BayObLG NJW-RR 2000, 1392, zitiert nach [...] Rn 29). Bei der Entscheidung, welchen Stundensatz sie für angemessen erachten, steht den Tatsachengerichten ein weiter Ermessensspielraum zu (OLG München Rpfleger 2006, 405, 406).
Vorliegend ist nicht zuletzt zu gewichten, dass die Beteiligte zu 1 aufgrund ihrer besonderen nutzbaren Kenntnisse als Rechtsanwältin zur berufsmäßigen Nachlasspflegerin bestellt wurde, so dass sie eine höhere als die gesetzlich vorgesehene Mindestvergütung verlangen kann. Der Umfang des Vermögens veranlasst zwar keine überdurchschnittliche Verantwortung und damit kein erhöhtes Haftungsrisiko der Beteiligten zu 1. Allerdings hat das Amtsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass die Nachlasspflegerin sich immerhin mit Regressansprüchen der LVR hat befassen sowie Ansprüche der unbekannten Erben im sich anschließenden Zwangsversteigerungsverfahren hat wahren müssen. Insgesamt hat die Nachlasspflegschaft dadurch und auch mit Blick auf die intensive Rechtswahrung des Beschwerdeführers jedenfalls einen durchaus mittleren Schwierigkeitsgrad. Damit ist nach Auffassung des Senats hier ein mittlerer Vergütungssatz und somit ein Stundensatz von 110,- Euro angemessen, jedenfalls nicht zum Nachteil des Beschwerdeführers übersetzt (vgl. OLG Hamm, a.a.O. [110 Euro]; OLG Celle, BeckRS 2012, 09338 [110-130 Euro]; KG, FamRZ 2012, 818 [110 Euro]; OLG Zweibrücken NJW-RR 2008, 369 [110 Euro]; Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft Nachlasspflegschaft in der DVEV bei Jochen/Pohl, Nachlasspflegschaft Kapitel 8 Anh. Rdz. 860: 90-150 Euro; OLG Schleswig, vom 07.05.2012 - 3 Wx 113/11 - bei [...] [65-115 Euro]; vgl. auch Senat FamRZ 2011, 141 [u.U. Abrechnung nach Gebührenvorschriften des RVG]).
2.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass das Nachlassgericht regelmäßig nur zur Entscheidung über Einwendungen berufen ist, die im Vergütungsrecht ihren Grund haben (vgl. BGH NJW-RR 2012, 835 [18, 19]), hat das Nachlassgericht sich in seinem Nichtabhilfebeschluss mit den einzelnen Beanstandungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Die in den wesentlichen Punkten zutreffende Begründung erscheint, auch mit Blick darauf, dass der Beteiligte zu 2 diesen Ausführungen nicht entgegen getreten ist, obwohl er Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, nicht weiter ergänzungsbedürftig.
3.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.