Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 24.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130245

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 21.11.2012 – 15 W 338/12

    Das Rechtsschutzbedürfnis für die Einrichtung einer nachlasspflegschaft fehlt, wenn der antragstellende Nachlassgläubiger zur Rechtsverfolgung nicht auf die Bestellung eines nachlasspflegers angewiesen ist.


    Oberlandesgericht Hamm

    I-15 W 338/12

    Tenor:

    Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

    Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.625 € festgesetzt.

    Gründe

    I.)

    Die Erblasserin, T S, ist im Mai 2009 unverheiratet und ohne Abkömmlinge verstorben. Eine letztwillige Verfügung ist nicht bekannt. Zu ihren gesetzlichen Erben würden ihr Vater und ihre Geschwister, darunter die Beteiligten zu 2) bis 8) zählen. Diese haben ab Juni 2010 sukzessive die Erbschaft ausgeschlagen und die Versäumung der Ausschlagungsfrist angefochten. Die Beteiligten zu 2) bis 8) haben die Ausschlagung jeweils im Juli 2010 erklärt, die Anfechtung hingegen erst im Dezember 2010.

    Die vorverstorbene Mutter der Erblasserin, Frau B S, ist von ihrem Ehemann, der Erblasserin und den Beteiligten zu 2) bis 8) beerbt worden. Zu dem Nachlass der Frau B S gehört ein 1/40-Erbanteil am Nachlass der Frau M. Weitere Miterbin nach Frau M ist u.a. die Beteiligte zu 1).

    Die Beteiligte zu 1) hat beim Nachlassgericht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft nach T S beantragt, um dem Pfleger gegenüber den Auseinandersetzungsanspruch hinsichtlich des Nachlasses M durchsetzen zu können. Das Amtsgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Erben nach T S nicht ungewiss seien, weil die Ausschlagungs- und Anfechtungserklärungen der Beteiligten zu 2) bis 8) verfristet seien. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2) bis 8) mit der Beschwerde.

    II.)

    Die Beschwerde ist zulässig. Dem steht hier § 59 Abs.2 FamFG nicht entgegen. Denn hinsichtlich der Beteiligten zu 2) bis 8) gilt der Grundsatz, dass bei einer Mehrheit von Antragsberechtigten die Beschwerdebefugnis aus verfahrensökonomischen Gründen auch auf diejenigen erstreckt wird, die den verfahrenseinleitenden Antrag zwar nicht gestellt haben, aber zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch wirksam stellen könnten (vgl. OLG Karlsruhe Justiz 2012, 441; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 59 Rdn. 41).

    Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

    Bedenklich ist zwar, dass das Amtsgericht nach dem gegenwärtigen Sachstand davon ausgegangen ist, dass die Beteiligten zu 2) bis 8) als Erben feststehen, und deshalb die Bestellung eines Nachlasspflegers nicht in Betracht kommt. Die Frage, ob die Annahme des Amtsgerichts auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruht, kann zur Zeit aber dahinstehen, da gegenwärtig ein Bedürfnis für die Anordnung der Nachlasspflegschaft nicht feststellbar ist.

    Die Nachlasspflegschaft auf Antrag (§ 1961 BGB) setzt zwar kein Fürsorgebedürfnis im Sinne des § 1960 BGB voraus. Auf Seiten des jeweiligen Antragstellers muss jedoch ein Rechtsschutzbedürfnis bestehen (Wildemann in jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 1961 BGB Rdn.6), d.h. der Nachlassgläubiger muss zur Rechtsverfolgung auf die Bestellung eines Nachlasspflegers angewiesen sein. Dabei ist die Erforderlichkeit aus der Sicht des jeweiligen Antragstellers zu beurteilen. Denn unbeschadet der Zulässigkeit der Beschwerde (vgl.o.) können die Beteiligten zu 2) bis 8) mit der Beschwerde nur eigene Rechte geltend machen, nicht hingegen diejenigen der Beteiligten zu 1).

    Die Beteiligen zu 2) bis 8) streben vorliegend die Bestellung eines Nachlasspflegers für den Nachlass T S zur Auseinandersetzung des Nachlasses M an. Für diese Auseinandersetzung ist es erforderlich, dass namens der Miterbengemeinschaft nach S, in deren Nachlass der Erbanteil nach M fällt, die entsprechenden Erklärungen abgegeben werden. Mit der hiesigen Erblasserin, T S ist nun eine der Miterbinnen nach S verstorben. Auch wenn man aber unterstellt, dass die Rechtsnachfolge nach T S ungeklärt ist, so führt dies doch nicht dazu, dass die Erbengemeinschaft nach S im Außenverhältnis handlungsunfähig und zur Mitwirkung an der Auseinandersetzung des Nachlasses M nicht in der Lage wäre.

    Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (grundlegend BGHZ 183, 131ff) kann die Erbengemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses vielmehr Mehrheitsentscheidungen treffen (§ 1938 BGB). Dabei kann zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses auch die Realisierung eines zum Nachlass zählenden Anspruchs sein, wie die Einziehung einer Forderung (BGH, Beschluss vom 19.09.2012 – XII ZR 151/10). Eine vorherige Anhörung eines Minderheitsmiterben ist dabei keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH a.a.O.). Des Weiteren kann die Mehrheit der Erbengemeinschaft das, was sie im Innenverhältniss beschließen kann, auch im Außenverhältnis umsetzen, etwa durch Abgabe einer Willenserklärung (BGHZ 56, 47ff).

    Hieraus folgt, dass die Beteiligten zu 2) bis 8) die Mitwirkung an der Auseinandersetzung des Nachlasses M durch Mehrheitsentscheidung bewerkstelligen können. Denn da der Nachlass M nur noch aus einem hinterlegten Geldbetrag besteht, kann es kaum in Zweifel gezogen werden, dass die Mitwirkung an der Aufteilung dieses Geldbetrages aus der Sicht der Erbengemeinschaft nach S ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, geht es doch letztlich darum, anstelle des Auseinandersetzungsanspruchs den tatsächlichen Vermögensvorteil zu erhalten.

    Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131, 30 KostO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

    RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 1938; BGB § 1961