26.06.2013 · IWW-Abrufnummer 131980
Oberlandesgericht Frankfurt/Main: Beschluss vom 07.02.2013 – 20 W 8/13
Haben in einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament Eheleute gemeinsame Kinder zu Schlusserben bestimmt und die Schlusserbeneinsetzung mit einer zwingenden Pflichtteilsstrafklausel verbunden, so kann im Grundbuchverfahren die negative Tatsache, dass der Pflichtteil nicht geltend gemacht wurde, durch eidesstattliche Versicherung der Schlusserben in notarieller Urkunde erbracht werden, wenn auch das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen die eidesstattlichen Versicherungen der Erbscheinserteilung zu Grunde legen würde, weil bei ihrer Berücksichtigung keine Zweifel verbleiben, die über die abstrakte Möglichkeit eines anderen Sachverhalts hinausgehen.
OLG Frankfurt am Main, 07.02.2013
20 W 8/13
Tenor:
Auf die Beschwerde wird die angefochtene Zwischenverfügung dahin abgeändert, dass den Antragstellerinnen zu 1) und 2) gestattet wird, statt durch Vorlage eines Erbscheins nach A1 geb. C binnen einer Frist von 4 Wochen seit Zugang der Entscheidung durch die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen den Nachweis der Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs nach ihrem Vater B1 zu führen.
Gründe
1
Als Eigent ümerin des eingangs bezeichneten Grundbesitzes ist im Grundbuch A1, die Mutter der Antragstellerinnen, seit dem 26.07.2010 eingetragen.
2
Mit Schreiben vom 24.10.2012 hat der verfahrensbevollmächtigte Notar u. a. für die Antragstellerinnen die Grundbuchberichtigung nach dem Tod der am ....2012 verstorbenen Mutter der Antragstellerinnen beantragt sowie die Eintragung einer Grundschuld. Hierzu wurde vorgelegt die auszugsweise Ausfertigung der UR-Nr. ...a des Verfahrensbevollmächtigten vom 23.10.2012, durch die die Antragstellerinnen als Erbinnen ihrer verstorbenen Mutter u. a. über den betroffenen Grundbesitz einen Erbauseinandersetzungs- und Übergabevertrag geschlossen haben sowie die Grundschuldbestellungsurkunde zu UR-Nr. ...b des Verfahrensbevollmächtigten ebenfalls vom 23.10.2012.
3
Bei den Grundakten befindet sich die beglaubigte Abschrift des Protokolls des Amtsgerichts Gießen - Nachlassgericht - vom 24.04.2012 über die Eröffnung des gemeinschaftlichen Testaments der Eltern der Antragstellerinnen. In dem eröffneten Testament UR-Nr. ...c des Notars Dr. D vom ....1974 hatten sich die Eheleute 1 gegenseitig zu alleinigen Erben und ihre zwei Töchter, die Antragstellerinnen, zu gleichen Teilen als Schlusserben des Längstlebenden eingesetzt. Dieses Testament enthält des Weiteren eine sog. Pflichtteilsstrafklausel, wonach, sofern eines der Kinder nach dem Tode des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, es auch aus dem Nachlass des Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll.
4
Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hat mit Zwischenverfügung vom 05.11.2012 beanstandet, auf Grund der Pflichtteilsklausel in dem Testament vom ....1974 sei der Nachweis erforderlich, dass die Pflichtteilsansprüche nicht geltend gemacht worden seien. Dieser Nachweis könne nur durch Vorlage eines Erbscheines geführt werden.
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Gegen diese Zwischenverfügung ist mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 22.11.2012 Beschwerde eingelegt worden, mit der Begründung, die vorgelegten Unterlagen seien zum Nachweis der Erbfolge ausreichend, da sich darin die einzigen Erben übereinstimmend geeinigt hätten.
6
Die Lücke im Nachweis der Erbenstellung könne durch eidesstattliche Versicherung geschlossen werden. Hilfsweise werde beantragt, deren Vorlage zu gestatten.
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Die Rechtspflegerin des Grundbuchamtes hat der Beschwerde "des Notars Herrn Notar E" mit Beschluss vom 07.01.2013 nicht abgeholfen unter Zitierung des Senatsbeschlusses 20 W 548/10 vom 20.01.2011 (richtig: 20.10.2011) und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
8
Die gegen die Zwischenverfügung gerichtete Beschwerde, über welche nach der erfolgten Nichtabhilfeentscheidung durch die Rechtspflegerin der Senat als Beschwerdegericht zu entscheiden hat, ist gemäß §§ 71, 73 GBO zulässig. Entgegen der Formulierung in dem Nichtabhilfebeschluss ist Beschwerdeführer nicht der Notar selbst, da diesem im Antragsverfahren kein eigenes Beschwerderecht zusteht (Demharter: GBO, 28. Aufl., § 15, Rdnr. 20), sondern die Antragstellerinnen, wie der Verfahrensbevollmächtigte auf Anfrage klargestellt hat.
9
Die Beschwerde, deren Gegenstand sich auf den mit der Zwischenverfügung geforderten Erbnachweis beschränkt, ist auch in der Sache im Wesentlichen begründet, da im vorliegenden Fall die in der Zwischenverfügung geforderte Vorlage eines Erbscheines nicht erforderlich ist. Vielmehr erachtet es der Senat zum Nachweis der Erbfolge nach der Mutter der Antragstellerinnen als ausreichend, aber auch notwendig, dass die beiden Antragstellerinnen zu 1) und 2) als Schlusserbinnen vor einem Notar eidesstattliche Versicherungen des Inhalts abgeben, dass sie selbst nach dem Tode ihres Vaters einen Pflichtteilsanspruch nicht geltend gemacht haben und ihnen solches auch in Bezug auf ihre Schwester nicht bekannt ist. Die Zwischenverfügung war deshalb dahingehend abzuändern, dass anstelle des geforderten Erbscheins lediglich die Vorlage dieser eidesstattlichen Versicherungen geboten ist.
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Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge jedoch auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt es nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO, wenn anstelle des Erbscheins diese Urkunde und die Eröffnungsniederschrift vorgelegt werden, wobei die Vorlegung durch die Verweisung auf die diese Urkunden enthaltenden Nachlassakten desselben Amtsgerichtes ersetzt werden kann (vgl. Demharter, GBO, 28. Aufl., § 35 Rdnr. 45 m. w. N.). Liegt eine in öffentlicher Urkunde errichtete Verfügung von Todes wegen in Gestalt eines Testamentes oder Erbvertrages vor, so kann das Grundbuchamt einen Erbschein nur verlangen, wenn sich bei der Prüfung des Erbrechts begründete konkrete Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen über den tatsächlichen Willen des Erblassers oder sonstige tatsächliche Verhältnisse geklärt werden können, weil das Grundbuchamt zu solchen Ermittlungen im Unterschied zum Nachlassgericht nicht befugt ist (vgl. BayObLG Rpfleger 2000, 266 [BayObLG 09.02.2000 - 2 ZBR 139/99]; OLG Köln Rpfleger 2000, 157; Demharter, GBO, aaO., § 35 Rdnr. 39; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdnr. 788; Meikel/Roth, Grundbuchrecht, 10. Aufl., § 35 Rdnr. 110; Bauer/von Oefele/Schaub, GBO, 3. Aufl., § 35 Rdnr. 138).
11
Im vorliegenden Fall sind nach dem notariellen Testament vom ....1974 die Antragstellerinnen zu gleichen Teilen als Erbinnen ihrer letztverstorbenen Mutter berufen. Die Erbeinsetzung jeder Antragstellerin steht jedoch unter der auflösenden Bedingung, dass diese nach dem Tod des bereits zuvor verstorbenen Vaters keinen Pflichtteilsanspruch gegen ihre Mutter geltend gemacht hat. Die Tatsache der nicht erfolgten Geltendmachung des Pflichtteiles muss durch eine öffentliche Urkunde nachgewiesen werden, da sie Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung und damit die Bewilligungsberechtigung auf Grund der Rechtsnachfolge ist. Auch diese (negative) Tatsache muss deshalb entsprechend dem im Grundbuchverfahren geltenden Grundsatz der Beweismittelbeschränkung durch öffentliche Urkunde nachgewiesen werden.
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Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt, dass zum Nachweis der Erbfolge im Fall des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO neben der notariellen Verfügung von Todes wegen auch andere öffentliche Urkunden, insbesondere Personenstandsurkunden, herangezogen werden können und müssen (vgl. BayObLG DNotZ 2001, 385 [BayObLG 08.06.2000 - 2Z BR 29/00] m. w. N.).
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Soweit in der Literatur (vgl. Meyer-Stolte Rpfleger 1992, 195; KEHE, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 35 Rdnr. 70) teilweise die Auffassung vertreten wird, der Nichteintritt der Bedingung der Pflichtteilsstrafklausel, nämlich die unterlassene Geltendmachung des Pflichtteils, könne in der Regel als offenkundig im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO angesehen werden und bedürfe deshalb keines weiteren Nachweises, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zwar wird mit der Verwendung einer Pflichtteilsstrafklausel von Seiten der Eltern regelmäßig der Zweck verfolgt, nach dem Tod des ersten Ehegatten dem überlebenden Ehegatten zunächst den ungeschmälerten Nachlass zu sichern und ihre Kinder von der Geltendmachung des Pflichtteiles abzuhalten. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Lebensbedingungen der Beteiligten in wirtschaftlicher und persönlicher Hinsicht lässt sich jedoch kein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend feststellen, dass dieses Ziel auch stets erreicht wird und in Fällen der vorliegenden Art Kinder den Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils tatsächlich nicht verlangen (so bereits OLG Frankfurt NJW-RR 1994, FamRZ 2012, 1591; OLG Hamm FGPrax 2011, 169; OLG München, Beschluss vom 11. Dezember 2012 - 34 Wx 433/12 dok. bei juris).
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Allerdings wird in der Literatur teilweise auch die Auffassung vertreten, im Falle einer Pflichtteilsstrafklausel sei immer oder regelmäßig ein Erbschein zu verlangen (so Böhringer ZEV 2001, 387/388; Bauer/von Oefele/Schaub, GBO, aaO., § 35 Rdnr. 135; Meikel/Roth, GBO, 10. Aufl., § 35 Rdnr. 119). Dem vermag sich der Senat in dieser Allgemeinheit jedoch nicht anzuschließen. Bereits in früheren Entscheidungen hat der Senat die Schließung der Beweislücke der negativen Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils durch die Vorlage von gegenüber dem Notar und damit in öffentlicher Urkunde abgegebenen eidesstattlichen Versicherungen sämtlicher Schlusserben nicht von vornherein und zwingend als ausgeschlossen angesehen (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 203 und FamRZ 2012, 1591).
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Er hat jedoch damals als Gericht der weiteren Beschwerde, welches gemäß §§ 27 FGG, 546 ZPO auf die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung auf Rechtsfehler beschränkt war, in diesem Zusammenhang hervorgehoben, dass allein durch die Vorlage solcher eidesstattlicher Versicherungen über die nicht erfolgte Geltendmachung des Pflichtteiles das Grundbuchamt bzw. das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht als weitere Tatsacheninstanz den Nachweis der Erbfolge nicht zwingend als erbracht anzusehen haben, sondern dann vielmehr die allgemeinen Grundsätze eingreifen, wonach das Grundbuchamt bzw. das Beschwerdegericht diese eidesstattlichen Versicherungen unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu würdigen haben und die Vorlegung eines Erbscheins stets verlangen können, sofern Zweifel hinsichtlich der Erbfolge verbleiben, die nur durch weitere Ermittlungen tatsächlicher Art geklärt werden können, wobei aber bloß abstrakte Möglichkeiten, welche das Erbrecht in Frage stellen könnten, das Verlangen nach Vorlegung eines Erbscheines nicht zu rechtfertigen vermögen (vgl. OLG Zweibrücken DNotZ 1986, 240 [OLG Zweibrücken 02.09.1985 - 3 W 170/85]; Demharter, GBO, aaO., § 35 Rdnr. 39 m. w. N.).
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Ausgehend hiervon hat der Senat zuletzt bei einer Fallgestaltung, in welcher der Verlust der Schlusserbenstellung nach der konkreten Formulierung der Pflichtteilsstrafklausel im dortigen Erbvertrag nicht allein an das Geltendmachen des Pflichtteils angeknüpft war, sondern auch im Falle einer Anfechtung oder des bloßen Nichteinverständnisses mit dem Erbvertrag eintreten sollte, und darüber hinaus nach dem Inhalt des Erbvertrages unklar war, ob bei Eingreifen der Verwirkungsklausel Ersatzerbschaft der Abkömmlinge oder Anwachsung bei den Geschwistern eingreifen würde, die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen der im Erbvertrag eingesetzten Schlusserben im Hinblick auf deren Interessenlage und den damit verbundenen verminderten Beweiswert nicht für ausreichend erachtet, da weitere Amtsermittlungen durch Anhörung etwaiger Ersatzerben als notwendig erachtet wurden, die im Grundbuchverfahren nicht möglich sind, sondern nur durch das Nachlassgericht erfolgen konnten (FamRZ 2012, 1591).
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Demgegenüber ist im vorliegenden Falle eine Sachverhaltsgestaltung gegeben, bei welcher die Verwirkung des Erbrechtes ausdrücklich nur an die Geltendmachung des Pflichtteiles angeknüpft wurde. Bei dieser konkreten Sachverhaltsgestaltung würde auch das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren entsprechende eidesstattliche Versicherungen sämtlicher (bedingt eingesetzten) Schlusserben über die unterlassene Geltendmachung des Pflichtteiles ausreichen lassen und der Erteilung eines entsprechenden Erbscheines ohne zusätzliche weitere Ermittlungen oder Anhörungen zugrunde legen. Nach dem Gesetzeszweck des § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO ist deshalb in diesem Falle eine erleichterte Berichtigung des Grundbuches ohne den Umweg über das Nachlassgericht, das ebenfalls weitere Ermittlungen insoweit nicht anstellen würde, geboten (so auch OLG Hamm NJW-RR 2011, 1097 [OLG Hamm 08.02.2011 - 15 W 27/11]; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdnr. 790, Fußn. 47). Der Senat hat sich bereits mit Beschlüssen vom 17.01.2013 - 20 W 413/12- und vom 31.01.2013 -20 W 242/12- deshalb der zuletzt neben dem OLG Hamm (NJW-RR 2011, 1097) auch von dem OLG München (Beschluss vom 11. Dezember 2012 - 34 Wx 433/12 - dok. bei Juris) und dem Kammergericht (NJW-RR 2012, 8479) vertretenen Auffassung angeschlossen, dass zum Nachweis des Nichteintrittes der auflösenden Bedingung einer zwingenden Pflichtteilsstrafklausel im Grundbuchverfahren auch die Abgabe eidesstattlicher Versicherungen in öffentlicher Urkunde vor dem Notar zugelassen werden kann.
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Allerdings kann auf die Vorlage der noch ausstehenden eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerinnen hier nicht verzichtet werden. Denn der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die nicht erfolgte Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tode des Vaters kommt auch im Hinblick auf deren Strafbewehrung ein deutlich höherer Beweiswert zu, als er sich im Übrigen aus dem bloßen Zusammenwirken der Schwestern bei der Vereinbarung über die Erbauseinandersetzung nach ihrer Mutter ergibt, so dass es nicht gerechtfertigt erscheint, hierauf zu verzichten.
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Das Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf die erfolgte Abänderung der Zwischenverfügung gemäß § 131 Abs. 3 KostO gerichtsgebührenfrei. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht.
20
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nach § 78 GBO nicht veranlasst.