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  • · Fachbeitrag · Ehevertrag

    Abfindungsvereinbarung für Scheidungsfall bleibt bei richtiger Gestaltung schenkungsteuerfrei

    von RA und Notar a. D. Jürgen Gemmer, FA Steuerrecht, Magdeburg

    | Regeln künftige Eheleute die Rechtsfolgen ihrer Eheschließung umfassend individuell und sehen sie für den Fall der Beendigung der Ehe Zahlungen eines Ehepartners in einer bestimmten Höhe vor, die erst zum Zeitpunkt der Ehescheidung zu leisten sind („Bedarfsabfindung“), liegt keine freigebige Zuwendung vor. Dies hat aktuell der BFH entschieden. |

    Sachverhalt

    Die (künftigen) Eheleute M und F vereinbarten anlässlich ihrer Eheschließung in einem Ehevertrag die Gütertrennung und den Ausschluss desgesetzlichen Versorgungsausgleichs. Für den Fall der Scheidung wurde F ein indexierter Zahlungsanspruch eingeräumt. Bei 15-jähriger Ehedauer ergab sich ein siebenstelliger Betrag. Die Ehe wurde nach 15 Jahren geschieden.M zahlte an F den vereinbarten Ausgleichsbetrag.

     

    Bei der Festsetzung der Schenkungsteuer gegen F erfasste das Finanzamt den Betrag als freigebige Geldzuwendung. Das Finanzgericht wies die dagegen erhobene Klage mit der Begründung ab, die Zuwendung sei freigebig gewesen, da sie nicht mit einer Gegenleistung der F verknüpft worden sei. Aus der Vereinbarung könne kein Verzicht der F auf eine Zugewinnausgleichsforderung abgeleitet werden.

    Entscheidungsgründe

    Der BFH vertritt eine gegenteilige Auffassung, nach der die Leistung des E nicht den Besteuerungstatbestand einer freigebigen Zuwendung erfüllt(BFH 1.9.21, II R 40/19, Abruf-Nr. 227143).

     

    Grundsätzlich gelte: Die Zahlung einer „Pauschalabfindung“ unter Preisgabe eines (möglicherweise) künftig entstehenden Zugewinnausgleichsanspruchs vor Eingehung der Ehe erfüllt als freigebige Zuwendung den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Denn eine solche Zahlung wird weder zur Befriedigung eines (außervertraglichen) Forderungsrechts des Preisgebenden noch als Gegenleistung für einen Verzicht getätigt (vgl. BFH 17.10.07, II R 53/05, BStBl II 08, 256). Ein die Pauschalabfindung rechtfertigendes Forderungsrecht besteht in diesen Fällen nicht, da die Zugewinnausgleichsforderung erst entsteht, wenn die Zugewinngemeinschaft endet (§§ 1363 Abs. 2 S. 2, 1378 Abs. 3 S. 1 BGB).

     

    Der Verzicht auf den möglicherweise künftig entstehenden, aber im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrages ungewissen Zugewinnausgleich gegen eine Pauschalabfindung fällt auch unter § 7 Abs. 3 ErbStG. Danach werden nicht in Geld messbare Gegenleistungen nicht berücksichtigt.

     

    Etwas anderes gilt jedoch, wenn die künftigen Eheleute die Rechtsfolgenihrer Eheschließung ‒ abweichend von den gesetzlichen Leitbildern ‒ umfassend individuell regeln und für den Fall der Beendigung der Ehe ‒ z. B. durch Scheidung ‒ Zahlungen eines Ehepartners an den anderen in einer bestimmten Höhe vorsehen, die erst zu diesem Zeitpunkt zu leisten sind (sog. Bedarfsabfindung).

     

    Im Fall einer Bedarfsabfindung wird keine pauschale Abfindung ohne Gegenleistung erbracht. Es werden lediglich Rechte und Pflichten der künftigen Ehegatten durch umfangreiche Modifikation denkbarer gesetzlicher familienrechtlicher Ansprüche im Falle der Scheidung im Wege einer Pauschalierung neu austariert. Wird ein derartiger Vertrag abgeschlossen, der nach Art eines Gesamtpakets alle Scheidungsfolgen regelt, kann dieses Paket nicht in Einzelleistungen aufgeteilt und eine der Einzelleistungen der Schenkungsbesteuerung unterworfen werden. Wird die Ehe dann tatsächlich, z. B. durch Ehescheidung, beendet, erfolgt die Zahlung des vorab vereinbarten Betrages in Erfüllung dieser Vereinbarung. Auf eine solche Vereinbarung ist auch§ 7 Abs. 3 ErbStG nicht anwendbar.

     

    Während bei Zahlung einer Pauschalabfindung zu Beginn der Ehe ein Zugewinnausgleichsanspruch in der Zukunft nur „möglicherweise“ besteht, die Zahlungsverpflichtung damit nicht bewertet werden kann, ist bei der Bedarfsabfindung die Zahlung des Ausgleichsanspruchs bzw. der Abfindung an die Beendigung der Ehe ‒ z. B. durch Ehescheidung ‒ geknüpft. Der Zahlungsanspruch ist damit aufschiebend bedingt (§ 158 Abs. 1 BGB) und erwächst erst mit Eintritt der betreffenden Bedingung zum Vollrecht. Allein der Umstand, dass die Eheleute es mittels eines solchen Vertrags vermeiden, die gegenseitigen Ansprüche auf diesen Zeitpunkt bewerten zu müssen, bedeutet nicht, dass diese Bewertung nicht grundsätzlich möglich wäre. Die Zahlung des M erfüllt somit nicht den objektiven Tatbestand einer freigebigen Zuwendung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

    Relevanz für die Praxis

    Im Streitfall wurde der Ehevertrag vor Eheschließung geschlossen. Auch auf einen Vertrag, der nach Eheschließung geschlossen wird, dürfte das Urteilanwendbar sein. Denn es ist entscheidend, dass es um die Regelung aller Scheidungsfolgen nach einer gewissen Ehedauer im Rahmen eines Gesamtpakets i. S. eines umfassenden Ausgleichs der Interessengegensätze geht.

     

    Die Entscheidung hat die Unterschiede zwischen einer „Pauschalabfindung“ (= steuerbar) und einer „Bedarfsabfindung“ (= nicht steuerbar) herausgearbeitet. In der Praxis werden aber schenkungsteuerrechtlich stets dieUmstände des zu betrachtenden Einzelfalls zu würdigen sein. Als starkesIndiz für eine „Bedarfsabfindung“ dürfte sprechen, wenn die Zahlung für das Ende der Ehe vereinbart wird und sich die Höhe der Zahlung z. B. an der Anzahl der Ehejahre orientiert.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Milatz, Gestaltung bei der Beendigung der Zugewinngemeinschaft, DStR 21, 1437
    • Spieker, Ehevertrag und Steuern, NZFam 20, 671
    Quelle: Ausgabe 03 / 2022 | Seite 40 | ID 47987455