· Fachbeitrag · ERBENGEMEINSCHAFT
Auskunftsansprüche:Auf den richtigen Antrag kommt es an
von RA Dr. Gunnar Wolfgang Glaser, FA Erb- und Steuerrecht, Bochum
Ein Miterbe, der kein Erbschaftsbesitzer ist, ist der Erbengemeinschaft gegenüber nicht verpflichtet, Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers zum Todestag durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses zu erteilen (nichtamtlicher Leitsatz der Redaktion, OLG Hamm 22.7.14, I-10 U 17/14, n.v., Abruf-Nr. 142483). |
Sachverhalt
Die Parteien sind zwei von insgesamt vier Söhnen der verstorbenen Erblasserin (E). Der Beklagte bewohnte zusammen mit der E bis zu ihrem Tod ein Haus in M. Die E wurde von ihren Söhnen im Wege der gesetzlichen Erbfolge zu je 1/4 Anteil beerbt. Der Kläger nahm den Beklagten mit einer Stufenklage in Anspruch. In der ersten Stufe (Auskunftsstufe) stellte der Kläger u.a. folgende Anträge: Der Beklagte wird verurteilt, der Erbengemeinschaft Auskunft zu erteilen über den Bestand des Nachlasses der Erblasserin zum Todestag durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses über
- alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen,
- welche erbschaftlichen Geschäfte der Beklagte für die E seit 2001 geführt hat und
- was ihm über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände bekannt ist (…).
Das LG hat den Beklagten durch Teilurteil antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen eingelegte Berufung war erfolgreich.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Maßgeblich für Beschwer ist bei Auskunftstiteln der sog. Lästigkeitswert
Nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigen. Bei Berufungen gegen Auskunftstiteln richtet sich diese Beschwer nicht nach dem Interesse an der Auskunft, sondern nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach dem sog. Lästigkeitswert. Das ist der Aufwand an Zeit und Kosten, den die Erfüllung des titulierten Anspruchs erfordert, sowie ein etwaiges Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten. Dieser Lästigkeitswert erreicht vorliegend bei wirtschaftlicher Betrachtung für den zur Auskunft erstinstanzlich verpflichteten Beklagten einen Betrag von 1.000 EUR. Hier hätte der Beklagte mindestens für zehn Jahre Bankauskünfte einholen, auswerten und zusammenstellen müssen. Dies wäre mit erheblichen Bankgebühren, Fahrt-, Telefon- und weiteren Erkundigungskosten verbunden gewesen. Zudem sind dem Auskunftspflichtigen selbst die notwendigen Zeiten zur Auskunftserteilung angemessen zu vergüten (Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn. 16 „Auskunft“).
Kein Verzeichnis über beim Erbfall vorhandene Sachen und Forderungen
Die Voraussetzungen des § 2027 Abs. 1, § 2018 BGB sind nicht erfüllt. Danach ist der Erbschaftsbesitzer verpflichtet, dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu erteilen. Erbschaftsbesitzer ist nach der Legaldefinition in § 2018 BGB derjenige, der aufgrund eines ihm in Wirklichkeit nicht zustehenden Erbrechts etwas aus der Erbschaft erlangt hat. Der Erbschaftsbesitz erfordert eine objektive und - häufig übersehen - eine subjektive Komponente (Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2018 Rn. 5, 6). Es bedarf objektiv einer Besitzerlangung von Gegenständen aus dem Nachlass und subjektiv einer sog. Erbrechtsanmaßung des Anspruchsgegners. D.h., die Besitzerlangung an Nachlassgegenständen muss in einer Haltung erfolgt sein, die sich ein nicht vorhandenes Alleinerbrecht anmaßt (Palandt/Weidlich, a.a.O.). Dazu hat der beweisbelastete Kläger nichts vorgetragen. Es ist nichts ersichtlich, dass der Beklagte sich selbst ein Alleinerbrecht angemaßt hätte. Ohne eine solche Vorgehensweise fehlt es aber an einem „Erbschaftsbesitz“ aufseiten des Beklagten.
Ein Auskunftsanspruch rechtfertigt sich auch nicht aus § 2027 Abs. 2 BGB. Danach hat die gleiche Auskunftspflicht derjenige, der, ohne Erbschaftsbesitzer zu sein, eine Sache aus dem Nachlass in Besitz nimmt, bevor der Erbe den Besitz tatsächlich ergriffen hat. Die Norm gibt schon keinen Anspruch auf die verlangte Auskunft bzgl. der Nachlassaktiva zum Stichtag des Erbfalls. Sie gibt lediglich die - vorliegend nicht geforderte - Mitteilung zum aktuellen Aktivbestand des Nachlasses einschließlich der seit dem Erbfall angefallenen Surrogate und Früchte (Juris PK/Ehm, BGB, 6. Aufl., § 2027 Rn. 10). Im Hinblick auf die Voraussetzungen der Norm greift diese nicht ein, wenn der Anspruchsgegner zu Lebzeiten des Erblassers Besitz an einer Sache erlangt hat. So lag es aber im vorliegenden Fall.
Auch § 2028 Abs. 1 BGB, der die Auskunftspflichten des Hausgenossen eines Erblassers nach dem Erbfall regelt, rechtfertigt nicht eine Verurteilung im erwähnten Sinne. Diese Norm sieht gerade keine Erstellung eines Bestandsverzeichnisses durch den Auskunftspflichtigen vor.
Ebenfalls nicht einschlägig ist § 2314 Abs. 1 BGB. Diese Anspruchsgrundlage steht nur dem enterbten Pflichtteilsberechtigten zur Seite (siehe nur BGH NJW 93, 2737). Sie berechtigt nach ständiger Rechtsprechung nicht zum Auskunftsverlangen unter Miterben (s.o., vgl. zu hier nicht vorliegenden Ausnahmen: Damrau/Riedel, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl., § 2314 Rn. 3 m.w.N.).
Weil jeder Miterbe selbst, z.B. durch Vorlage des Erbscheins, sich die erforderlichen Auskünfte zum Aktivbestand verschaffen kann, steht dem Kläger auch kein subsidiärer allgemeiner Auskunftsanspruch aus § 242 BGB zu.
Keine Vorlage eines Bestandsverzeichnisses über erbschaftliche Geschäfte
Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, ein Bestandsverzeichnis darüber vorzulegen, welche erblichen Geschäfte er für die E seit 2001 geführt hat:
§ 2028 BGB begründet eine Auskunftspflicht dessen, der sich mit dem Erblasser zum Zeitpunkt des Erbfalls in einer häuslichen Gemeinschaft befunden hat. Diese Anspruchsnorm richtet sich aber nur auf die Mitteilung derjenigen „erbschaftlichen Geschäfte“, die der Hausgenosse seit dem Erbfall geführt hat. Für die Zeit vor dem Erbfall sind „erbschaftliche Geschäfte“ schon denknotwendig ausgeschlossen. Gerade um die letztgenannten Geschäfte ging es hier aber.
Die Auskunftspflicht des Beauftragten nach § 666 BGB greift hier ebenfalls nicht. Gem. dem Klageantrag begehrte der Kläger Auskunft über erbschaftliche Geschäfte des Beklagten. Soweit sich für die Zeit vor dem Erbfall im Mai 2010 infolge der Bankbevollmächtigungen des Beklagten Auskunftsansprüche der Erbengemeinschaft aus § 666 BGB gegen den Beklagten ergeben könnten, wären sie inhaltlich gerade nicht auf erbschaftliche Geschäfte gerichtet. An den insoweit gestellten Antrag war das Berufungsgericht nach § 308 Abs. 1 ZPO gebunden. Hinzu kam, dass der Kläger für ein aus § 666 BGB abgeleitetes Auskunftsverlangen gehalten gewesen wäre, die Voraussetzungen und den Umfang eines (auf die Erbengemeinschaft übergegangenen) Auftragsverhältnisses zwischen der E einerseits und dem Beklagten andererseits darzulegen.
Kein Verzeichnis über Verbleib der Erbschaftsgegenstände
Zwar könnte sich aus § 2028 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Auskunft über den Verbleib von Erbschaftsgegenständen gegen den Beklagten als Hausgenossen der E ergeben. Allerdings kann auf Basis des § 2028 Abs. 1 BGB gerade kein Bestandsverzeichnis verlangt werden (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2028 Rn. 2).
Praxishinweis
Bei der Formulierung des Klageantrags einer (ggf. in Form der Stufenklage erhobenen) Auskunftsklage ist die begehrte Rechtsfolge den Auskunftsansprüchen des BGB zu entnehmen. Formal kann zwischen „einfachen“ Auskünften (z.B. in § 2028 BGB) und der Auskunft durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses (z.B. § 2027 Abs. 1 i.V. mit § 260 BGB) differenziert werden. Weiter können Auskunftsansprüche in zeitlicher Hinsicht dahingehend unterschieden werden, ob sie sich auf die Zeit seit dem Erbfall (§ 2028 Abs. 1 bezüglich erbschaftlicher Geschäfte; § 2027 Abs. 2 BGB), auf die Zeit bis zum Erbfall (z.B. § 666 BGB, jedenfalls bei Fehlen einer postmortalen Geschäftsführung) oder auf den Erbfall selbst (§ 2027 Abs. 1 BGB bezüglich „Bestand des Nachlasses“) beziehen. Im Ergebnis hatte der Klägervertreter die materiell-rechtlich teilweise begründeten Auskunftsansprüche nicht mit dem (formal bzw. zeitlich) richtigen Antrag verfolgt, teilweise zum richtigen Antrag den erforderlichen Sachvortrag unterlassen - ein klarer Haftungsfall. Richtigerweise hätte der Klageantrag (Auskunftsstufe) in der hiesigen Prozesssituation lauten müssen:
Musterformulierung / Antrag Auskunftsklage |
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über
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