· Nachricht · Grundbuchberichtigung
Verlangen nach Erbschein trotz öffentlichen Testaments
| Das Kammergericht ( KG 9.7.24, 1 W 27/24, Abruf-Nr. 243461 ) hat über die Frage entschieden, ob bei der Erbeinsetzung namentlich nicht bezeichneter Kinder (als Nacherben) in einem öffentlichen Testament die Vorlage eines Erbscheins zur Berichtigung des Grundbuchs erforderlich ist (§ 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 GBO). |
Das KG hat im Rahmen einer Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts (GA) entschieden, dass das GA für den Nachweis der geltend gemachten Erbfolge einen Erbschein nach dem Erblasser A (oder alternativ ein Europäisches Nachlasszeugnis) verlangen könne. Der Anteil der Vorerbin B sei nicht nach § 1922 Abs. 1 BGB auf ihre Erben übergegangen, sondern gemäß § 2111 Abs. 1 S. 1, § 2139 BGB auf die von dem Erblasser A bestimmten Nacherben. Deren Erbfolge sei durch das notarielle Testament nicht hinreichend nachgewiesen. Dem Testament könne nicht entnommen werden, wer die Kinder der Vorerbin B seien. Mit der Vorlage der Geburtsurkunden der Beteiligten sei nur zu beweisen, dass diese von B abstammen, nicht jedoch, dass keine weiteren Kinder vorhanden seien oder waren (§ 2069 BGB).
Eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten, sie seien die einzigen Kinder der B, genüge nicht zum Nachweis dieser negativen Tatsache im Grundbuchverfahren (a. A. Demharter, GBO, 33. Aufl., § 35 Rn. 41 m. w. N.; vgl. auch Senat, NJW-RR 12, 847, 846), auch wenn das Nachlassgericht eine solche eidesstattliche Versicherung ohne weitere Ermittlungen der Erbscheinserteilung zugrunde legen würde. Denn im Gegensatz zum Nachlassgericht (§ 352 Abs. 3 S. 3 FamFG) sei das GA für den vorliegenden Fall nicht befugt, eine eidesstattliche Versicherung abzunehmen (vgl. BGH MDR 22, 509 Rn. 32). Diese biete nur dann eine höhere Richtigkeitsgewähr, wenn sie gemäß § 156, § 161 StGB strafbewehrt sei (BGH a. a. O.). Das sei für die nur richterrechtlich zugelassene eidesstattliche Versicherung im Grundbuchverfahren nicht der Fall (Art. 103 Abs. 2 GG). Eine Erklärung der Beteiligten in der Form des § 29 Abs. 1 S. 1 GBO, sie seien die einzigen Kinder der B, bewiese nur, dass sie diese Erklärung abgegeben haben, nicht deren inhaltliche Richtigkeit.
Der Nachweis, dass keine weiteren Kinder vorhanden sind oder waren, sei nicht nur dann zu erbringen, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Gegenteil bestehen. § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO laufe durch ein allgemeines Nachweiserfordernis bei der Erbeinsetzung von Abkömmlingen nicht leer. Für den Nachweis der Erbfolge sei die Vorlage der in § 35 Abs. 1 S. 1 GBO genannten Urkunden die Regel und § 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO die Ausnahme (vgl. BGH ZEV 24, 162 Rn. 11 zum Testamentsvollstreckerzeugnis). Die Ausnahme ist nicht zu erweitern, wenn ‒ wie hier ‒ keine Beweisnot bestehe.
FAZIT | Ein zum Nachweis der Erbfolge vorgelegtes notarielles Testament hat das GA (zwar) auch dann auszulegen, wenn rechtlich schwierige Fragen beurteilt werden. Auf eine Auslegung kann aber nur dann zurückgegriffen werden, wenn sie zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Schon in der bisherigen Rechtsprechung wurde davon ausgegangen, dass ein Erbschein verlangt werden kann, wenn es an einer namentlichen Benennung vor Erben, Ersatz- und Nacherben fehlte (OLG Köln MittRhNotK 88, 44). |