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  • · Fachbeitrag · Medizinrecht

    Einsichtsrecht in Patientenunterlagen vererblich

    von RA Dr. Robert Kazemi, Bonn

    Der Erbe eines Patienten hat gegen den behandelnden Arzt einen Anspruch auf die zumindest zeitweilige Herausgabe medizinischer Präparate, wenn die Herausgabe zur Prüfung von Schadenersatzansprüchen unabdingbar, die Herausgabe dem Arzt zumutbar ist und von einer ordnungsgemäßen Rückgabe ausgegangen werden kann (OLG München 6.12.12, 1 U 4005/12, n.v., Abruf-Nr. 131684).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K verlangt von der beklagten Praxis B die Herausgabe medizinischer Präparate. K ist Witwer/Alleinerbe der verstorbenen Patientin E. 
E war bei einem Gynäkologen in Behandlung. Der Gynäkologe führte im Rahmen einer Krebsvorsorgeuntersuchung am Gebärmutterhals der E einen Abstrich durch und sandte das Material an B zur Befundung. Die Untersuchung der B ergab keinen pathologischen Befund. Etwa ein Jahr später wurde bei E ein großer Tumor am Gebärmutterhals festgestellt. E verstarb wenige Monate danach. K bat B anwaltlich um Zusendung der Präparate für eine Nachbefundung. B lehnte dies ab und bot eine Untersuchung in der Praxis an. Das LG hat B zur Herausgabe der Präparate verurteilt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die zulässige Berufung der B ist unbegründet. Der Überlassungsanspruch nach § 811 Abs. 1 S. 1 BGB analog steht dem aktiv legitimierten K zu. Nach ständiger BGH-Rechtsprechung begründet das Einsichtsrecht in Patientenunterlagen neben einem höchstpersönlichen auch einen vermögensrechtlichen Anspruch, der auf den Erben gemäß § 1922 BGB übergeht. K legt dar, die Einsicht diene der Überprüfung von Schadenersatzansprüchen. Der Grundsatz, dass dem Patienten nach § 811 Abs. 1 BGB nur ein Einsichtsrecht/Anspruch auf Überlassung von Kopien zusteht (BGH NJW 83, 328), bedarf einer Ausnahme, wenn andernfalls seine Rechte abgeschnitten würden (OLG München NJW 01, 2806). Die Überlassung der Präparate ist B auch zumutbar, da sie bei B nicht mehr benötigt werden. Das Gebot der ärztlichen Schweigepflicht geht über den Tod hinaus. B kann sich aber nicht erfolgreich hierauf berufen, da sie mit einer Nachbefundung einverstanden ist.

     

    Praxishinweis

    Erst am 26.2.13 trat das Patientenrechtegesetz in Kraft, mit dem das ärztliche Behandlungsverhältnis umfassend im Abschnitt „Behandlungsvertrag“ (§§ 630a bis 630h BGB) kodifiziert wurde. Die Ausführungen des OLG sind auch vor diesem Hintergrund zutreffend. Neu ist, dass sich der Anspruch des Erben auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen direkt aus § 630g Abs. 3 S. 1 BGB ergibt. Auch die nächsten Angehörigen können einen Anspruch auf Einsichtnahme haben. Erfreulicherweise stärkt das Gericht die Stellung des vertretenden Rechtsanwalts: Er biete als Organ der Rechtspflege eine besondere Gewähr dafür, dass übermittelte Originale nicht verloren gehen.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 95 | ID 39080150