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  • · Fachbeitrag · Nachlassverfahren

    Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 17 Abs. 2 FamFG, sofern Anwalt den Belehrungsmangel erkennen musste

    | Der BGH (19.4.23, IV ZB 23/22, Abruf-Nr. 235579 ) hat sich im Rahmen einer zugelassenen Rechtsbeschwerde mit der Vermutung eines fehlenden Verschuldens bei fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung gem. § 17 Abs. 2 FamFG beschäftigt und den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumnis betont. |

     

    Im Verfahren vor dem Nachlassgericht setzte dieses mit Beschluss vom 31.5.22 das Verfahren gem. § 21 Abs. 1 S. 1 FamFG aus. Dieser, dem Beteiligten zu 1, selbst Rechtsanwalt und seinerseits im Verfahren anwaltlich vertreten, am 2.6.22 zugestellte Beschluss war mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, wonach der Beschluss mittels einer binnen einer Frist von einem Monat einzulegenden Beschwerde anfechtbar sei. Mit einem am 30.6.22 beim Nachlassgericht eingegangenen Schriftsatz legte der Beteiligte zu 1 sofortige Beschwerde ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels.

     

    Das Beschwerdegericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde hat der BGH zurückgewiesen. Die Frist für die Einlegung der Beschwerde von zwei Wochen ab Zustellung (§ 21 Abs. 2 FamFG i. V. m. § 569 Abs. 1 S. 1 und 2 ZPO) sei nicht gewahrt; die Beschwerde unzulässig.

     

    Zwar werde nach § 17 Abs. 2 FamFG ein Fehlen des Verschuldens bei der Versäumung einer gesetzlichen Frist vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung fehle oder ‒ wie hier ‒ fehlerhaft sei. Erforderlich sei dabei allerdings ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis (BGH ZEV 12, 150). An einem solchen fehle es im Blick darauf, dass der Beteiligte zu 1 selbst Rechtsanwalt und zudem im Verfahren anwaltlich vertreten worden sei.

     

    Auch ein Rechtsanwalt dürfe zwar grundsätzlich auf die Richtigkeit einer durch das Gericht erteilten Rechtsmittelbelehrung vertrauen. Gleichwohl müsse aber von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kenne. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsmittelbelehrung könne er deshalb nicht uneingeschränkt, sondern nur in solchen Fällen in Anspruch nehmen, in denen die inhaltlich fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung zu einem unvermeidbaren, zumindest aber zu einem nachvollziehbaren und damit verständlichen Rechtsirrtum des Rechtsanwalts geführt habe.

     

    MERKE | Das Vertrauen in die Richtigkeit der Rechtsmittelbelehrung gilt nicht uneingeschränkt (vgl. auch OLG Bremen NJW-RR 21, 1160).

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2023 | Seite 129 | ID 49616534