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  • · Fachbeitrag · Prozessrecht

    Keine Bestellung eines Ergänzungspflegers für Erbausschlagung eines Minderjährigen

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Anlässlich eines Verfahrens auf Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind ist diesem zur Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses i.S. von § 41 Abs. 3 FamFG nur ein Ergänzungspfleger zu bestellen, wenn die Voraussetzungen für eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB festgestellt sind (BGH 12.2.14, XII ZB 592/12, MDR 14, 420, Abruf-Nr. 140743).

     

    Sachverhalt

    Für das betroffene minderjährige Kind wurde das Jugendamt zum Vormund bestellt. Dieser begehrt die gerichtliche Genehmigung einer für das Kind erklärten Erbausschlagung in einer Nachlassangelegenheit. Das AG hat für das Kind eine Ergänzungspflegschaft zur Entgegennahme des noch zu erlassenden Beschlusses und für die Erklärung eines Rechtsmittelverzichts bzw. die Einlegung eines Rechtsmittels gegen diesen Beschluss für den Minderjährigen angeordnet. Das OLG hat die Beschwerde des Vormunds zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Vormund erfolgreich mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde.

     

    Entscheidungsgründe

    Gem. § 1822 Nr. 2 BGB muss das Familiengericht dem Vormund genehmigen, eine Erbschaft für den Minderjährigen auszuschlagen. Nach § 41 Abs. 3 FamFG ist ein Beschluss, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts zum Gegenstand hat, auch demjenigen bekannt zu geben, für den das Rechtsgeschäft genehmigt wird. Nach § 1796 BGB kann das Familiengericht dem Vormund die Vertretung für einzelne Angelegenheiten oder für einen bestimmten Kreis von Angelegenheiten entziehen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse namentlich des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht.

     

    Vorliegend kann dem Vormund nicht die Vertretungsmacht gem. § 1796 Abs. 2 BGB entzogen werden bezüglich der Bekanntgabe des Genehmigungsbeschlusses bzw. der aus der Bekanntgabe folgenden Konsequenzen (Einlegung eines Rechtsmittels oder Erklärung eines Rechtsmittelverzichts). Geht es um die Genehmigung einer Erbausschlagung für ein minderjähriges Kind, ist Folgendes streitig: Bedarf es für die Entgegennahme des Genehmigungsbeschlusses i.S. von § 41 Abs. 3 FamFG, zur Rechtsmitteleinlegung oder zur Erklärung eines Rechtsmittelverzichts der Bestellung eines Ergänzungspflegers? Der BGH schließt sich - entgegen der wohl bisher h.M. (vgl. KG FamRZ 10, 1171; Musielak/Borth, FamFG, 4. Aufl., § 41 Rn. 11; differenzierend: Büte, FuR 11, 361) - der Auffassung an, dass ein Ergänzungspfleger nur zu bestellen ist, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht (so auch OLG Brandenburg ZEV 11, 594; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 18. Aufl., § 41 Rn. 4a; MüKo/Ulrici, FamFG, 2. Aufl., § 41 Rn. 14 ff.).

     

    Aus § 41 Abs. 3 FamFG folgt nicht, dass das Vertretungsrecht des Vormunds gemäß § 1793 Abs. 1 S. 1 BGB über die in § 1796 BGB bezeichneten Fälle hinaus zu entziehen ist. Nach § 1796 Abs. 2 BGB soll die eine Ergänzungspflegschaft auslösende Entziehung des Vertretungsrechts nur erfolgen, wenn das Interesse des Mündels zu dem Interesse des Vormunds in erheblichem Gegensatz steht. Ein Ausschluss des Vertretungsrechts aus verfahrensrechtlichen Gründen jenseits des hier nicht einschlägigen § 1795 BGB oder § 1796 BGB kommt nicht in Betracht. Für eine solche generelle Entziehung des Vertretungsrechts ohne Betrachtung der Umstände des Einzelfalls fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

     

    Im Übrigen besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Im Genehmigungsverfahren muss das AG von Amts wegen die Umstände des Einzelfalls prüfen, insbesondere ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung der Erbausschlagung zum Wohle des Kindes vorliegen. Erhält das Gericht im Rahmen dieser Ermittlungen Kenntnis von einem möglichen Interessenwiderstreit, ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1796 Abs. 2 BGB immer noch möglich. Ein Bedürfnis dafür, das der Kontrolle dienende Verfahren sowie das kontrollierende Gericht seinerseits einer generellen weiteren Kontrolle durch einen anderen Vertreter des Rechtsinhabers zu unterstellen, besteht grundsätzlich nicht (s. auch MüKo/Ulrici, a.a.O., Rn. 15).

     

    Praxishinweis

    Mit dieser Entscheidung hat sich der BGH wohl gegen die frühere h.M. gestellt (vgl. Beschluss des Vorgerichts OLG Celle FamRZ 13, 651 = ZEV 13, 199). Aus praktischen Erwägungen ist dies für das Massengeschäft der Ausschlagung von überschuldeten Nachlässen zu begrüßen (vgl. zu den praktischen Erwägungen KG FamRZ 10, 1171, das im Ergebnis allerdings nach der bisherigen h.M. entschieden hat).

     

    MERKE | Wichtig ist, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG im Regelfall das rechtliche Gehör nicht durch denjenigen vermittelt werden kann, dessen Handeln überprüft werden soll (ZEV 00, 148 = FamRZ 00, 731). Nur für die einseitige gegenüber dem Gericht vorzunehmende Erbausschlagung hat der BGH vorliegend die Bestellung eines Ergänzungspflegers abgelehnt. Die Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung unterscheidet sich von der vom BVerfG entschiedenen Fallgestaltung darin, dass dort der - zugleich als Vertreter tätige - Nachlasspfleger an dem später zu genehmigenden Erbauseinandersetzungsvertrag aktiv beteiligt war. Dagegen begehrte der Vormund vorliegend allein die Genehmigung der Erbausschlagung für das minderjährige Kind. Es ging also nicht um die Genehmigung einer vertraglichen Gestaltung, an der der gesetzliche Vertreter aktiv mitgewirkt hat, sondern lediglich um die Genehmigung einer einseitigen, gegenüber dem Nachlassgericht vorzunehmenden Erklärung (vgl. § 1945 Abs. 1 BGB).

     

    Wenn ein Kind 14 Jahre alt und nicht geschäftsunfähig ist, muss grundsätzlich kein Ergänzungspfleger bestellt werden. Denn dieses Kind kann gem. § 60 FamFG das Beschwerderecht ohne gesetzliche Vertretung ausüben.

     
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 74 | ID 42602256