Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Prozessrecht

    Tod einer Partei: Aussetzung des Verfahrens nach dessen Aufnahme nur bei besonderem Interesse

    von RA und VRiLG a.D. Uwe Gottwald, Vallendar

    Erklärt der Erbe kurz nach dem Tod einer Partei von sich aus durch anwaltlichen Schriftsatz, den Rechtsstreit aufzunehmen, ist das Verfahren auf anschließenden Antrag des Gegners nur nach § 246 Abs. 1 Hs. 2  ZPO unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm auszusetzen, wenn er noch ein erkennbares besonderes Interesse an einer solchen Aussetzung, etwa wegen eines Streits um die Rechtsnachfolge, hat (OLG Schleswig 18.3.13, 3 W 18/13, NJW-Spezial 13, 296, Abruf-Nr. 132938).

     

    Sachverhalt

    Der (jetzige) Kläger hatte nach dem Tod der früheren Klägerin am 17.11.12 mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 30.11.12 dem Gericht angezeigt, dass er als Sohn der früheren Klägerin diese allein beerbt, einen Erbscheinsantrag gestellt habe und das Verfahren aufnehme. Dieser Schriftsatz ist dem Beklagten B umgehend zugestellt worden. Dessen Prozessbevollmächtigter hat kurz darauf einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO gestellt. Das LG hat diesen Antrag mit der Begründung, es bestehe kein Raum für die Aussetzung des Verfahrens, zurückgewiesen. Daraufhin legte B Beschwerde ein, die das OLG zurückgewiesen hat.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach Aufnahme des Verfahrens durch den Erben besteht auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der §§ 246, 250 ZPO für eine Aussetzung des Verfahrens kein Raum. § 246 Abs. 1 Hs. 1 ZPO dient in erster Linie dem ungestörten Fortgang des Prozesses bei anwaltlicher Vertretung. § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO schützt auch das Interesse des Prozessbevollmächtigten der verstorbenen Partei, die Rechtsnachfolge klären zu lassen und Weisungen von dem Rechtsnachfolger einzuholen. Zwar ermöglicht die Norm auch einen Aussetzungsantrag des Gegners, da auch er ein Interesse daran haben kann, den Rechtsstreit nicht sofort fortsetzen zu müssen. Dann muss aber unklar sein, wer als Erbe an die Stelle der bisherigen Prozesspartei tritt.

     

    Der Erbe rückt im Moment des Todes des Erblassers (hier: als Prozesspartei) unabhängig von der Erteilung eines Erbscheins in die Rechtsposition des Erblassers durch Universalsukzession ein, § 1922 BGB. Es kann ihm nicht verwehrt sein, einen von seinem Rechtsvorgänger begonnenen Rechtsstreit unverzüglich aufzunehmen. Schließlich setzt die Aufnahme des Verfahrens durch den Erben keine Vorlage eines Erbscheins voraus, der ohnehin nicht in materieller Rechtskraft erwächst. Nach der Erklärung der Aufnahme des Rechtsstreits ist in der Regel kein Raum mehr für ein Aussetzungsverlangen des Gegners nach § 246 Abs. 1 Hs. 2 ZPO. Anderes gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine tatsächlich strittige Rechtsnachfolge der verstorbenen Partei bestehen. Da B keinen Streit über die Erbfolge geltend gemacht hat, fehlt es an einem schutzwürdigen Interesse an der Aussetzung.

     

    Praxishinweis

    Eine gesetzliche Regelung findet der Tod einer Partei in § 239 ZPO. Zu den Parteien gehören im Zivilprozess der Kläger, der Beklagte und der streitgenössische, nicht aber der einfache Nebenintervenient. Der Tod des einfachen Streitgenossen (der ja Kläger oder Beklagter sein kann) wirkt nur für seinen Prozess. Der Tod des notwendigen Streitgenossen für alle. Da die Unterbrechung nach § 239 ZPO das Bestehen eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen verstorbener Partei und dem Gegner voraussetzt, muss der Tod nach Rechtshängigkeit und vor Eintritt der Rechtskraft des Urteils erfolgt sein. Grundsätzlich tritt im Fall des Todes einer Partei nach § 239 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger nach § 250 ZPO ein. Die Unterbrechung endet mit der Zustellung der Erklärung der Aufnahme an den Gegner. Sie ist auflösend bedingt für den Fall der Zurückweisung der Aufnahme durch den Gegner bei streitiger Rechtsnachfolge (Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 239 Rn. 8).

     

    Neben der Unterbrechung regelt § 239 ZPO einen Fall des gesetzlichen Parteiwechsels. An die Stelle der Partei, die gestorben ist - gleich ob Kläger oder Beklagter - treten der oder die Rechtsnachfolger in das bestehende Prozessrechtsverhältnis ein. Dazu bedarf es keiner Parteihandlung. Der Prozess wird (ohne Rücksicht auf die Unterbrechung) von den Rechtsnachfolgern der verstorbenen Partei fortgesetzt. Der Rechtsnachfolger ist zur Aufnahme des Verfahrens nicht nur berechtigt, sondern unter Umständen auch verpflichtet. Für den Erben trifft dies jedoch nicht vor der Annahme der Erbschaft (§ 239 Abs. 5 ZPO) zu. Rechtsnachfolger ist der Erbe (§ 1922 BGB), bei einer Mehrheit von Erben jeder der Miterben.

     

    Die Unterbrechungswirkung des § 239 ZPO tritt nicht ein, wenn die verstorbene Partei im konkreten Prozess von einem Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, § 246 Abs. 1 ZPO. In diesem Fall hat das Prozessgericht jedoch auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners, die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen. Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richten sich dann nach §§ 239, 241 bis 243 ZPO. In den Fällen des Todes und der Nacherbfolge ist die Ladung mit dem Schriftsatz, in dem sie beantragt ist, auch dem Bevollmächtigten zuzustellen (§ 246 Abs. 2 ZPO).

     

    MERKE | Die Vertretung einer Prozesspartei durch einen Rechtsanwalt bewirkt, dass das Verfahren, in dem eine Partei verstorben ist, ohne Unterbrechung weiter geht. Das Prozessgericht hat auf Antrag des Bevollmächtigten die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen.

     

     

    Ausgehend von dem Sachverhalt über den das OLG zu entscheiden hatte, war die eingetretene Unterbrechung nach § 239 Abs. 1 ZPO durch die wirksame Aufnahme seitens des Rechtsnachfolgers beendet und damit das Verfahren wieder in Gang gesetzt.

     

     

    Im Gegensatz zur Unterbrechung, deren Eintritt gesetzlich festgelegt und nicht von einem Antrag einer Prozesspartei abhängig ist, erfolgt die Aussetzung des Verfahrens in den gesetzlich geregelten Fällen immer nur auf Antrag einer Prozesspartei. Hier hat der Prozessbevollmächtigte des B den Aussetzungsantrag nach Aufnahme des Verfahrens durch den Rechtsnachfolger gestellt. Er ist grundsätzlich auch in diesem Verfahrensstadium zulässig. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Bestimmung des § 246 Abs. 1 ZPO hat auch das OLG den Antrag auf Aussetzung indes zu Recht als unbegründet erachtet. Die Bestimmungen der §§ 239 ff. ZPO regeln den Stillstand des Verfahrens als „tendenziell vorübergehend“ (MüKo/Gehrlein, ZPO, 4. Aufl., Vorbem. zu §§ 239 ff. Rn. 1). Dabei gehört es zum Wesen und Sinn eines jeden Zivilprozesses, möglichst beschleunigt betrieben zu werden.

     

    Wichtig |Jeder Stillstand ist im Verfahrensrecht eine Ausnahme. Daher ist - gerade unter der Prämisse der Beschleunigung - von der Möglichkeit der Aussetzung durch das Gericht zurückhaltend Gebrauch zu machen.

     

    Nur wenn ein Grund zur Aussetzung besteht, wenn also die Gegenpartei die Rechtsnachfolge der aufnehmenden Partei schlüssig in Abrede stellt, kann ein Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 1 ZPO Erfolg versprechen. Es empfiehlt sich folgende Formulierung:

     

    Musterformulierung / Aussetzungsantrag

    In dem Rechtsstreit

    ...

    beantrage ich für den Beklagten,

     

    das Verfahren nach § 246 Abs. 1 ZPO für die Dauer von zwei Monaten auszusetzen.

     

    Gründe:

    Durch die Zustellung des Schriftsatzes an meine Partei ist die Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 Abs. 1 ZPO beendet (§ 250 ZPO).

     

    Meine Partei hat indes ein schutzwürdiges Interesse an der Aussetzung des Verfahrens, denn der Aufnehmende dürfte in Wahrheit nicht der Rechtsnachfolger des verstorbenen Klägers sein. Erbe dürfte vielmehr der Bruder des Aufnehmenden, Herr ... , sein.

     

    Es sind durch das Nachlassgericht beim AG ... zwei privatschriftliche Testamente des Erblassers eröffnet worden. Richtig ist zwar, dass der Aufnehmende im zuletzt errichteten Testament als Alleinerbe eingesetzt ist. Dieses Testament könnte jedoch nichtig sein, da der Bruder des Aufnehmenden behauptet, der Erblasser sei zum Zeitpunkt der Errichtung des letzten Testaments wegen fortgeschrittener Demenz vom Typ Alzheimer nicht (mehr) testierfähig gewesen und er selbst Erbe geworden.

     

    Beweis: Zeugnis des ...

     

    Zur Aufklärung des Sachverhalts benötigt der Beklagte noch einige Zeit zur Prüfung, ob er in einen Zwischenstreit (§ 303 ZPO) über die Rechtsnachfolge des Aufnehmenden eintreten oder die Rechtsnachfolge anerkennen soll.

     

    Rechtsanwalt

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2013 | Seite 164 | ID 39669270