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  • · Nachricht · Sterbehilfe

    Genehmigung des Betreuungsgerichts bei Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen

    | Der u.a. für Betreuungssachen zuständige XII. Zivilsenat des BGH hatte die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen das Betreuungsgericht den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen genehmigen muss ( BGH 17.9.14, XII ZB 202/13 ). |

     

    Die 1963 geborene Betroffene erlitt 2009 eine Gehirnblutung mit der Folge eines apallischen Syndroms i.S. eines Wachkomas. Sie wird über eine Magensonde ernährt. Eine Kontaktaufnahme mit ihr ist nicht möglich. Der Ehemann und die Tochter der Betroffenen, die zu ihren Betreuern bestellt sind, haben beim Betreuungsgericht beantragt, den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen zu genehmigen. Hilfsweise haben sie die Feststellung beantragt, dass die Einstellung der künstlichen Ernährung nicht genehmigungsbedürftig sei. Sie stützen ihren Antrag darauf, dass sich die Betroffene vor ihrer Erkrankung gegen eine Inanspruchnahme von lebenserhaltenden Maßnahmen für den Fall einer schweren Krankheit ausgesprochen habe. Das AG hat den Antrag und den Hilfsantrag abgewiesen, das LG die Beschwerde der Betreuer zurückgewiesen. Die vom LG zugelassene Rechtsbeschwerde der Betreuer war erfolgreich. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LG.

     

    Nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene aufgrund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt. Eine solche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist jedoch nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen in einer bindenden Patientenverfügung (§ 1901a Abs. 1 BGB) niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Liegt keine wirksame Patientenverfügung vor, muss der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten feststellen, § 1901a Abs. 2 BGB. Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedarf nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht, § 1904 Abs. 4 BGB. In den verbleibenden Fällen, in denen eine gerichtliche Genehmigung erforderlich ist, ist diese gem. § 1904 Abs. 3 BGB vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung dem Willen des Betroffenen entspricht. Das Betreuungsgericht muss dabei nach § 1901a Abs. 2 BGB zwischen den Behandlungswünschen und dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen unterscheiden. Behandlungswünsche können etwa alle Äußerungen eines Betroffenen sein, die Festlegungen für eine konkrete Lebens- und Behandlungssituation enthalten, aber den Anforderungen an eine Patientenverfügung i.S. des § 1901a Abs. 1 BGB nicht genügen. Auf den mutmaßlichen Willen des Betroffenen ist nur abzustellen, wenn sich sein erklärter Wille nicht feststellen lässt. Für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens gelten strenge Beweismaßstäbe, die der hohen Bedeutung der betroffenen Rechtsgüter - dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und dem Schutz des Lebens - Rechnung tragen müssen. Die bei der Ermittlung und der Annahme eines Behandlungswunsches oder des mutmaßlichen Willens zu stellenden strengen Anforderungen gelten nach § 1901a Abs. 3 BGB unabhängig davon, ob der Tod des Betroffenen unmittelbar bevorsteht oder nicht. Auf der Grundlage dieser zum 1.9.09 in Kraft getretenen gesetzlichen Regelungen hat der BGH die angefochtene Entscheidung aufgehoben. Das LG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass hier wegen des nicht unmittelbar bevorstehenden Todes der Betroffenen noch strengere Beweisanforderungen für die Feststellung des mutmaßlichen Patientenwillens gelten, als in anderen Fällen. Bei seiner erneuten Prüfung wird das LG etwaige geäußerte Behandlungswünsche der Betroffenen unter Anlegung des zutreffenden Prüfungsmaßstabs neu ermitteln müssen.

     

    Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. Nr. 144/2014; http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2014&Sort=3&nr=69076&pos=2&anz=146

    Quelle: ID 43018869