· Fachbeitrag · Testamentseröffnung
Recht auf Bekanntgabe - aber keineAnschriftenermittlung durch gerichtlichen Zwang
von RA Ernst Sarres, FA Erbrecht und Familienrecht, Düsseldorf
| Hat das Nachlassgericht die letztwillige Verfügung eröffnet, geht es darum, den Berechtigten, z. B. dem Vermächtnisnehmer, dem Pflichtteilsberechtigten oder anderen Beteiligten, die wesentlichen Schriftstücke unverzüglich zuzustellen. Diese sind beim Pflichtteilsberechtigten i. d. R. neben dem Eröffnungsprotokoll die beglaubigte Abschrift der eröffneten Verfügung selbst. Der Beitrag zeigt an Beispielen, woran die Bekanntgabe an die Berechtigten scheitern kann und worauf diese achten müssen. |
1. Verzögerte Bekanntgabe an den Pflichtteilsberechtigten
Gem. § 348 Abs. 3 FamFG muss das Gericht den Beteiligten den Inhalt der Verfügung von Todes wegen schriftlich bekannt geben. Zu diesem Zweck muss das Gericht auch die Anschriften der Beteiligten ermitteln.
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Der verwitwete V und seine Tochter T haben keinen Kontakt mehr. V setzt seine Geliebte G zur Alleinerbin ein. Das beim Gericht verwahrte Testament des V, der im Oktober 15 verstarb, wurde im November 15 ordnungsgemäß eröffnet. Das Gericht informiert die T nicht, da ihre Anschrift nicht in der Nachlassakte vermerkt ist. Eine Anschriftenermittlung wird nach wenigen Wochen wegen Personalwechsels abgebrochen. Die T erfährt im Januar 16 zufällig vom Tod des V. Auf Nachfrage erhält sie im Februar 16 Abschriften von der Verfügung von Todes wegen. T rügt das Verhalten des Gerichts, weil ihrem Pflichtteilsanspruch Verjährung drohe und sie diesen erst verspätet geltend machen könne. Zu Recht?
Lösung: T ist hier vom Recht auf Bekanntgabe begünstigt, da das Testament auch ihre Rechtslage als Pflichtteilsberechtigte unmittelbar berührt. Die Recherchen standen hier offenbar am Anfang und wurden aus organisatorischen Gründen eingestellt. Ein gerichtliches Fehlverhalten ist daher nicht offenkundig.
Merke | Praxisüblich ist schon seit Langem die stille Eröffnung von Testamenten durch das Gericht. Das Nachlassgericht eröffnet Verfügungen von Todes wegen also i. d. R. nicht mehr in Anwesenheit der Beteiligten. Dies dient auch der Vereinfachung der Nachlassverfahren.
Gem. § 199 Abs. 1 BGB begann hier der Lauf der Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch der T Ende 2016, da sie erst im Februar 16 von den fristauslösenden Umständen, vom Erbfall, der letztwilligen Verfügung und ihrer Pflichtteilsberechtigung Kenntnis erlangte. Die Verjährungsfrist endete damit gem. § 195, § 199 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf 2018.
Praxishinweis | Nach dem bekannten oder erst später bekannt gewordenen Erbfall sollten Sie für den Pflichtteilsberechtigten vorsorgen und sich zwecks Zustellung der eröffneten Schriftstücke selbst an das Gericht wenden. |
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