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  • · Fachbeitrag · Wachstumschancengesetz

    Gesetzgeber schließt Gestaltungslücke durch Vermächtnis bei beschränkter ErbSt-Pflicht

    von Dipl.-Finw. (FH), Thomas Rennar, Hannover

    | Der BFH hat jüngst eine steueroptimierende Gestaltungslücke durch Vermächtnis bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (Wohnsitz bzw. dauernder Aufenthalt im Ausland) bestätigt. Demnach unterliegt das Vermächtnis an einem inländischen Grundstück nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Diese Gestaltungslücke hat der Gesetzgeber mit dem nunmehr verkündeten Wachstumschancengesetz (BGBl I 24, 2024) geschlossen. |

    1. Steuerliche Grundlagen und Gestaltungslücke in Bezug auf Vermächtnis bei beschränkter ErbSt-Pflicht

    Der Erblasser kann durch Testament einem anderen, ohne ihn als Erben einzusetzen, einen Vermögensvorteil zuwenden (sog. Vermächtnis; § 1939 BGB). Der Erblasser kann auch durch Vertrag einen Erben einsetzen, Vermächtnisse und Auflagen anordnen sowie das anzuwendende Erbrecht wählen (Erbvertrag). Als Erbe (Vertragserbe) oder Vermächtnisnehmer kann sowohl der andere Vertragschließende als auch ein Dritter bedacht werden. Mit einem Vermächtnis kann der Erbe oder ein Vermächtnisnehmer beschwert werden. Soweit nicht der Erblasser anderes bestimmt hat, ist der Erbe beschwert. Sind mehrere Erben oder mehrere Vermächtnisnehmer mit demselben Vermächtnis beschwert, so sind im Zweifel die Erben nach dem Verhältnis der Erbteile und die Vermächtnisnehmer nach dem Verhältnis des Werts der Vermächtnisse beschwert (§§ 2147 f. BGB).

     

    Durch das Vermächtnis wird für den Bedachten somit das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstands zu fordern (§ 2174 BGB). Der BFH (23.11.22, II R 37/19, BFH/NV 23, 641) hat kürzlich in Abkehr seiner früheren Judikatur (BFH 10.5.17, II R 53/14, BStBl II 17, 1200) entschieden, dass der vermächtnisweise Erwerb des Anspruchs auf Übertragung des Miteigentumsanteils an einem im Inland belegenen Grundstück weder der unbeschränkten noch der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, welches ausländische Recht auf das Vermächtnis anwendbar ist und ob das Vermächtnis nach dem ausländischen Erbstatut dingliche Wirkung entfaltet.

     

    MERKE | Wird somit im Wege eines Vermächtnisses ein Anspruch auf Übertragung eines inländischen Grundstücks erworben und sind die Voraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ErbStG nicht gegeben, unterliegt dieser Sachleistungsanspruch nicht der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG. Dies betrifft insbesondere Einzelfälle mit Wohnsitz bzw. dauerndem Aufenthalt im Ausland.

     

    2. Gesetzgeber schließt Gestaltungslücke durch das Wachstumschancengesetz

    Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BFH sind die Voraussetzungen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht bei einem Erwerb von Inlandsvermögen durch Vermächtnis somit nicht erfüllt (vgl. BFH 23.11.22, II R 37/19, BFH/NV 23, 641).

     

    MERKE | Die beschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ErbStG setze insoweit den Erwerb von Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG voraus. Durch Vermächtnis erwerbe der Vermächtnisnehmer jedoch nur einen Anspruch auf Übertragung eines inländischen Grundstücks. Dieser sei ausdrücklich nicht das inländische Grundstück, sondern vielmehr der schuldrechtliche Sachleistungsanspruch auf Verschaffung von Eigentum an diesem Grundstück (§ 2174 BGB). Bei diesem Anspruch handele es sich weder um inländisches Grundvermögen i. S. d. § 121 Nr. 2 BewG noch sei der Anspruch einer der anderen in § 121 BewG abschließend aufgezählten Kategorien zuzuordnen.

     

    Mit dem Wachstumschancengesetz hat der Gesetzgeber diese Lücke aber nun geschlossen. Damit unterliegt der Erwerb von Inlandsvermögen durch Vermächtnis nunmehr ebenfalls der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Somit werden inländische und ausländische Vermächtnisnehmer von Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG gleichgestellt, da der Erwerb von Inlandsvermögen durch ein Vermächtnis der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegen würde, sofern das Vermögen bei einem Inländer anfallen würde. Zudem wird die vor der o. g. Entscheidung des BFH herrschende Rechtsanwendung wiederhergestellt.

     

    In § 2 Abs. 1 S. 1 Nr.  3 S. 1 ErbStG werden nach dem Wort „besteht“ die Wörter „oder einen Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen i. S. d. § 121 des Bewertungsgesetzes umfasst“ eingefügt. Die Steuerpflicht tritt somit zukünftig auch ein in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall, der in Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG besteht oder einen Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG umfasst.

     

    FAZIT | Der BFH hatte jüngst in Abkehr von seinen bisherigen Rechtsprechungsgrundsätzen bestätigt, dass ein Vermächtnis an einem inländischen Grundstück dem Grunde nach nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BFH war zumindest in inzidenter Ableitung von einer grundlegenden Steuerbarkeit seit 2017 auszugehen. Diese Gestaltungslücke hat der Gesetzgeber mit dem nunmehr verkündeten Wachstumschancengesetz geschlossen. Damit gehören Praxisgestaltungen bei sog. Inbound-Fällen auf den Prüfstand, d. h. bei im Inland nicht ansässigen natürlichen Personen, die etwaige Vermögenswerte im Inland hinterlassen. Nach der Neuregelung des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 ErbStG n. F. tritt die Steuerpflicht nämlich künftig auch in allen anderen Fällen für den Vermögensanfall ein, der in Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG besteht oder einen Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG umfasst. Die Neuregelung ist auf Erwerbe anzuwenden, für die die Erbschaftsteuer nach dem Datum des Tages der Verkündung des Wachstumschancengesetzes entsteht. Dieses war insoweit der 27.3.24.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2024 | Seite 131 | ID 50062722