10.09.2010 | Schuldanerkenntnis
Materielle Einwände nicht möglich
1. Hat ein Arbeitnehmer Unterschlagungen im Arbeitsverhältnis zugegeben und vor einem Notar ein Schuldanerkenntnis unterzeichnet, kann er grundsätzlich nicht mit Erfolg gegen die Wirksamkeit des Anerkenntnisses einwenden, die Methoden zu seiner Überführung seien unzulässig gewesen. |
2. Die Sittenwidrigkeit eines notariellen Schuldanerkenntnisses, das ein Arbeitnehmer im Hinblick auf ihm von Seiten des Arbeitgebers angelastete Vermögensdelikte abgegeben hat, folgt nicht allein daraus, dass der anerkannte Schaden nicht hätte bewiesen werden können, oder dass der anerkannte Betrag die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Anerkennenden deutlich übersteigt. Vielmehr müssen zusätzliche, dem Gläubiger zuzurechnende Umstände hinzukommen, die zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. |
(BAG 22.7.10, 8 AZR 144/09, Abruf-Nr. 102666) |
Sachverhalt
Der Kläger war vier Jahre lang bei der Beklagten als Verkäufer im Getränkemarkt beschäftigt. Nachdem durch Inventuren erhebliche Fehlbestände an Leergut aufgefallen waren, nahm die Beklagte Langzeitauswertungen vor und installierte Ende Juni 2006 eine für den Kläger nicht erkennbare Videokamera über seinem Arbeitsplatz an der Getränkemarkt-Kasse. Nach Darstellung der Beklagten ergab die Videoauswertung Unterschlagungen des Klägers binnen dreier Arbeitstage in Höhe von 1.120 EUR. Die Kassenauswertung ergab für zwei Monate einen Schaden von über 10.000 EUR. Damit wurde der Kläger Ende Juli 2006 konfrontiert. Er gab zu, seit vier Jahren regelmäßig Geld genommen und dies mit fingierten Pfandbonzetteln verdeckt zu haben. Nach anfänglich kleinen täglichen Beträgen, die nicht aufgefallen seien, habe er zeitweise zwischen 500 und 600 EUR täglich entnommen. Der Kläger bestätigte handschriftlich, innerhalb von vier Jahren einen Gesamtschaden von wenigstens 110.000 EUR verursacht zu haben. Später unterzeichnete er ein von einem Notar formuliertes Schuldanerkenntnis wegen von ihm begangener vorsätzlicher unerlaubter Handlungen in Höhe von 113.750 EUR zuzüglich Zinsen. Ihm wurde eine monatliche Ratenzahlung in Höhe von 200 EUR eingeräumt. Er unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Ende Dezember 2006 ließ der Kläger seine Willenserklärung im notariellen Schuldanerkenntnis aus allen Gesichtspunkten anfechten und verlangte klageweise die Urkunde wegen Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts heraus.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis
Das BAG hat die Einwände des Schuldners zurückgewiesen. Einwände gegen die Höhe des von ihm verursachten Schadens oder gegen die Art und Weise, wie er überführt wurde, könne der Schuldner gegen das notarielle Schuldanerkenntnis nicht ins Feld führen. Mit Unterzeichnung des Anerkenntnisses habe er solche bekannten Einwände aufgegeben.
Der Inhalt der notariellen Urkunde stelle sich auch nicht als sittenwidrig dar. Zwar sei die Summe hoch, im Verhältnis zu dem vorausgegangenen Geständnis des Klägers und zu den Feststellungen, die die Beklagte gemacht hatte, sei der Schadensbetrag aber vorsichtig kalkuliert. Die Beklagte habe auch keine Geschäftsunerfahrenheit des Klägers ausgenutzt. Die Drohung mit einer Strafanzeige erscheine angesichts des vom Kläger selbst eingeräumten Sachverhalts nicht als unverhältnismäßig. Grundsätzlich könne ein unterzeichnetes notarielles Schuldanerkenntnis nicht erfolgreich mit den Argumenten angegriffen werden, die vor Unterschrift gegen die Forderung des Gegners hätten erhoben werden können.
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