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  • · Fachbeitrag · Buchführung

    Gewinn mindern durch Rückstellungsbildung

    von Dipl.-Finw. Karl-Heinz Günther, Übach-Palenberg

    | Rückstellungen sind ein beliebtes Gestaltungsmittel, Aufwendungen steuerlich „vorzuziehen“ und schon in einem Gewinnermittlungszeitraum zu erfassen, indem sie noch gar nicht angefallen sind. In GStB 17, 104 ff. hatten wir bereits grundsätzlich über einige Rückstellungsarten und über zu beachtende steuerliche Rückstellungsverbote berichtet. Auf weitere „Dauerbrenner“ in diesem Bereich wird nachfolgend näher eingegangen. |

    1. Rückstellung für Prozesskosten

    Eine Rückstellung für eine ungewisse Verbindlichkeit darf nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann gebildet werden, wenn

    • eine betrieblich veranlasste und in der Vergangenheit wirtschaftlich verursachte,
    • aber dem Grunde oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten besteht.
    • Des Weiteren muss nicht nur wahrscheinlich sein, dass die Verbindlichkeit besteht oder entstehen wird. Der Schuldner muss auch ernsthaft damit rechnen, aus der Verbindlichkeit in Anspruch genommen zu werden (vgl. BFH 19.10.05, XI R 64/04). Doch was bedeutet das im Falle eines Prozesses?

     

    Geht der vermeintliche Gläubiger im Klagewege gegen den Steuerpflichtigen vor, ist entscheidend, ob nach den am Bilanzstichtag objektiv gegebenen - und bis zur Aufstellung der Bilanz subjektiv erkennbaren - Umständen mehr Gründe für als gegen das Bestehen der Verbindlichkeit sprechen. Die Gefahr der Inanspruchnahme wirkt dabei solange fort, bis der Anspruch nicht rechtskräftig abgewiesen wird. Denn selbst wenn der Steuerpflichtige zunächst obsiegt, besteht für ihn weiter das Risiko, aufgrund einer Entscheidung der nachfolgenden Instanz in Anspruch genommen zu werden (BFH 30.1.02, I R 68/00, BStBl II 02, 688).

     

    PRAXISHINWEIS | Ergeht nach dem Bilanzstichtag, aber vor Bilanzaufstellung ein klageabweisendes Urteil, so hat dies keine wertaufhellende, sondern wertbegründende Wirkung. Hat der Steuerpflichtige eine Prozessrückstellung gebildet und wird die Klage im März 2017 vor Aufstellung der Bilanz für 2016 abgewiesen, ist die Rückstellung erst in der Bilanz zum 31.12.17 aufzulösen (BFH 30.1.02, I R 68/00).

     

    2. Garantierückstellungen

    Besteht eine gesetzliche Garantie- oder Gewährleistungspflicht (§§ 434, 437, 633, 634 BGB), ist die Bildung einer Rückstellung geboten, sofern der Unternehmer ernstlich mit einer Inanspruchnahme rechnen muss. Dies betrifft insbesondere Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen und Händler. Daneben kann sich eine solche Verpflichtung auch aus einer vertraglichen Gewährleistungsklausel ergeben.

     

    Voraussetzung ist, dass der Schaden am Bilanzstichtag bereits geltend gemacht wird oder eine künftige Inanspruchnahme wahrscheinlich ist. Die bloße Möglichkeit der Inanspruchnahme allein reicht dagegen nicht aus.

     

    Beachten Sie | Hinsichtlich der Rückstellungshöhe muss der Unternehmer auf Erfahrungswerte zurückgreifen, die seine Schätzung des vermutlich auf ihn zukommenden Betrags untermauern. Hierbei spielen die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen eine nicht unwesentliche Rolle. D. h., wenn nach den Erfahrungen der Vergangenheit eine Inanspruchnahme nur teilweise oder nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgte, ist dies bei der Rückstellungsbemessung zu berücksichtigen.

     

    MERKE | Ferner ist § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG zu beachten. Danach dürfen neben den Einzelkosten notwendige Gemeinkosten nur einbezogen werden, soweit sie angemessen sind. Hierzu zählen auch Zinsen, sofern sie sich durch Kostenschlüsselung verursachungsgerecht zuordnen lassen (BFH 11.10.12, I R 66/11, BStBl II 13, 676).

     

     

    Grundsätzlich muss die Höhe der Rückstellung im Rahmen einer Einzelbewertung ermittelt werden. Allerdings sind Pauschalrückstellungen zulässig, wenn die individuelle Ermittlung unmöglich, schwierig oder unzumutbar ist. Unter diesen Voraussetzungen kann es den GoB entsprechen, wegen vertraglicher oder gesetzlicher Gewährleistungsansprüche eine pauschale Rückstellung zu bilden (BFH 15.9.04, I R 5/04, BStBl II 09, 100). Garantierückstellungen sind im Regelfall anhand der Erfahrungswerte im Rahmen eines sich an den betrieblichen Verhältnissen orientierenden Prozentsatzes zu bewerten. Sie verringern sich im Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen.

     

    Beachten Sie | Künftige Einnahmen sind dabei saldierend zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG). Dies betrifft insbesondere Ansprüche aus einer Garantieversicherung, aus Gewährleistungs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie gegenüber in den Auftrag involvierter Unternehmer. Rückstellungen für mehrjährige Garantie- oder Gewährleistungsverpflichtungen sind abzuzinsen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG).

    3. Abbruchverpflichtung

    Abbruchverpflichtungen, die die vom Pächter eines Grundstücks während der Pachtzeit errichteten Gebäude oder Einrichtungen betreffen, berechtigen als konkrete vertragliche Pflichten zu einer Rückstellung (BFH 28.2.00, VIII R 13/99, BStBl II 00, 612). Die zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Beträge sind zeitanteilig linear anzusammeln, wobei die Summe der in früheren Jahren angesammelten Beträge zum Bilanzstichtag auf die aktuellen Preisverhältnisse anzuheben ist (R 6.11 Abs. 2 EStR).

     

    Wird das einer Beseitigungspflicht für Bauten auf fremdem Grund und Boden zugrunde liegende Miet- oder Pachtverhältnis über das zunächst festgelegte Vertragsende hinaus fortgesetzt, ist dieser verlängerte Nutzungszeitraum auch dem Rückstellungsausweis zugrunde zu legen (BFH 2.7.14, I R 46/12, BStBl II 14, 979). Außerdem sind derartige Ansammlungsrückstellungen auch abzuzinsen (BFH 5.11.11, IV R 32/07, BStBl II 12, 98).

    4. Rückstellungen bei Handels- und Versicherungsvertretern

    Für den Ausgleichsanspruch eines Handelsvertreters nach § 89b HGB kann keine Rückstellung gebildet werden, da der Ausgleichsanspruch rechtlich erst mit Beendigung des Vertragsverhältnisses entsteht (BFH 24.1.01, I R 39/00, BStBl II 05, 465). Entsprechendes gilt für einen mit Ablauf des Vertretungsverhältnisses entstehenden Anspruch auf Fortzahlung von Provisionen, wenn dadurch die Einhaltung eines künftigen Wettbewerbsverbots abgegolten werden soll (BFH 24.1.01, I R 39/00, BStBl II 05, 465).

     

    Dagegen ist eine Rückstellung grundsätzlich möglich, wenn dem Handelsvertreter für die Zeit nach der Beendigung des Vertretungsverhältnisses die Fortzahlung einer Provision zugesagt wird, die nicht für ein Wettbewerbsverbot geleistet wird (BMF 21.6.05, BStBl I 05, 802).

     

    PRAXISHINWEIS | Aufwendungen infolge der weiteren Vertragsbetreuung durch Versicherungsvertreter sind rückstellungsfähig. Hinsichtlich des Umfangs der künftigen Betreuungsleistungen und der darauf basierenden Rückstellungshöhe trifft allerdings den Steuerpflichtigen die Darlegungs- und Beweislast.

     

    Hinsichtlich der Ermittlung der Rückstellungshöhe hat das BMF folgende Grundsätze aufgestellt (BMF 20.11.12, BStBl I 12, 1100):

     

    • Es sind nur Versicherungsverträge zu berücksichtigen, für die nach dem Bilanzstichtag aufgrund rechtlicher Verpflichtungen noch Betreuungsleistungen zu erbringen sind, für die aber kein weiteres Entgelt in Anspruch genommen werden kann. Die Restlaufzeiten sind anzugeben. Bei der Anzahl der maßgebenden Verträge ist auch der Erfahrungssatz einzubeziehen, dass ein Teil der Verträge vorzeitig aufgelöst wird.

     

    • Rückstellungsfähig sind nur Leistungen für die Nachbetreuung bereits abgeschlossener Verträge. Werbeleistungen mit dem Ziel neuer Vertragsabschlüsse dürfen dagegen nicht angesetzt werden.

     

    • Maßgebend ist der jeweilige Zeitaufwand für die Betreuung je Vertrag und Jahr. Hierfür sind die einzelnen Betreuungstätigkeiten mit dem Zeitaufwand genau zu beschreiben. Dabei ist anzugeben, wie oft die einzelnen Tätigkeiten über die Gesamtlaufzeit des jeweiligen Vertrags zu erbringen sind und wie hoch die Personalkosten je Stunde Betreuungszeit sind.

     

    Beachten Sie | Sofern der Steuerpflichtige nicht über Unterlagen zur Höhe der Nachbetreuungsleistungen verfügt, kann die Rückstellungshöhe geschätzt werden. Der geschätzte Betreuungsaufwand muss sich dann allerdings im unteren Rahmen bewegen (BFH 12.12.13, X R 25/11, BStBl II 14, 517). Außerdem muss die Rückstellung nach dem Zeitraum bis zur erstmaligen Erfüllung der Bestandspflegepflicht abgezinst werden (BFH 19.7.11, X R 26/10, BStBl II 12, 856).

     

    Eine Rückstellung kommt allerdings nur dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige zur Betreuung der Versicherungen rechtlich verpflichtet ist. Entsprechend hat der BFH daher die Rückstellungsbildung bei einem für einen Versicherungsmakler tätigen Handelsvertreter verneint, der nicht selbst Vertragspartner der Maklerverträge wird, da ihn aus diesen Maklerverträgen keine Nachbetreuungspflicht trifft (BFH 27.2.14, III R 14/11, BStBl II 14, 675).

    5. Rückerstattungsverpflichtungen

    Ein Verkäufer kann wegen seiner Verpflichtung zur Rückerstattung des Kaufpreises keine Rückstellung bilden, wenn er am Bilanzstichtag mit einer Wandlung des Kaufvertrags nicht rechnen muss (BFH 28.3.00, VIII R 77/96, BStBl II 02, 227). Anders ist es jedoch, wenn bereits am Bilanzstichtag eine Vertragsauflösung durch Rücktritt oder Wandlung wahrscheinlich ist. In diesem Fall ist eine Rückstellung wegen des Risikos der drohenden Vertragsauflösung zu bilden. Ist der Verkäufer aufgrund eines Rücktrittsrechts oder eines Wandlungsrechts verpflichtet, die bereits verkaufte oder übergebene Sache wieder zurückzunehmen, steht § 5 Abs. 4b S. 1 EStG der Rückstellungsbildung nicht entgegen. Die Rückstellung ist in Höhe der Differenz zwischen dem zurückzugewährenden Kaufpreis und dem Buchwert des veräußerten Wirtschaftsguts zu bilden. Sie neutralisiert damit den Veräußerungsgewinn (BMF 21.2.02, BStBl I 02, 335).

    6. Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen

    Besteht für Hersteller von Produkten eine Rücknahme- und Entsorgungsverpflichtung nach dem Unbrauchbarwerden der Produkte (z. B. für Automobilhersteller und Hersteller von Batterien und Elektrogeräten), ist aufgrund dieser gesetzlichen Verpflichtung in Höhe des zu erwartenden Aufwands eine Rückstellung zu bilden (BFH 10.1.07, I R 53/05, BFH/NV 07, 1102). In derartigen Fällen ist der Aufwand bereits mit dem Verkauf der Ware wirtschaftlich verursacht und nicht erst bei Verbrauch der Ware beim Kunden (BFH 15.3.99, I B 95/98, BFH/NV 99, 1205).

    7. Schadenersatzverpflichtungen

    Rückstellungen für Schadenersatzverpflichtungen sind zulässig, wenn die Inanspruchnahme durch den Geschädigten wahrscheinlich ist. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme besteht erst, wenn der Geschädigte die Tat kennt oder es zumindest unmittelbar bevorsteht, dass er Kenntnis erlangen wird. Dies gilt sowohl für gesetzliche als auch für vertragliche Schadenersatzansprüche (BFH 25.4.06, VIII R 40/04, BStBl II 06, 749).

     

    Beachten Sie | Es reicht nicht aus, dass der Steuerpflichtige bei seiner beruflichen/betrieblichen Tätigkeit einem gewissen Risiko von Schadenersatzansprüchen ausgesetzt ist. Es bedarf vielmehr konkreter Anhaltspunkte, die auf eine wahrscheinliche Inanspruchnahme hindeuten. Auch ein Mitunternehmer hat in seiner Sonderbilanz eine Schadenersatzrückstellung zu bilden für Ansprüche, die die Mitunternehmerschaft gegen ihn geltend machen will (BFH 22.6.06, I R 56/04, BStBl II 06, 838).

    Quelle: Ausgabe 06 / 2017 | Seite 216 | ID 44640336