Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung/Steuerfahndung

    Was ist zu beachten bei einer Durchsuchung der Steuerberaterkanzlei im Steuerstrafverfahren?

    von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer

    | Vermehrt geraten Berater selbst in den Fokus der Ermittlungen der Steuerfahndung. Insofern ist es wichtig, seine Rechte und Pflichten bzw. die damit verbundenen Problemfelder zu kennen, um hierauf richtig reagieren zu können. Aber auch, wenn ein Steuerberater selbst nicht verdächtigt ist, sich an der Hinterziehung ihres Mandanten beteiligt zu haben, kann es zur Durchsuchung seiner Kanzleiräume kommen. Der folgende Beitrag möchte einen Überblick zu dieser Materie geben. |

    1. Steuerberater als Verteidiger/Tätigkeit im rein steuerlichen Mandat bzw. Steuerberater als Beschuldigter/nur Mandant ist beschuldigt

    Die rechtliche Situation unterscheidet sich u. a. danach, ob der Steuerberater nur im steuerlichen Bereich für seinen Mandanten tätig geworden ist oder als Verteidiger im Steuerstrafverfahren.

     

    Des Weiteren unterscheidet sich die rechtliche Situation danach, ob sich das Strafverfahren nur gegen den Mandanten wendet, dann liegt im Fall der Durchsuchung der Kanzleiräume eine auf § 103 StPO gestützte Ermittlungsmaßnahme vor, oder ob der Steuerberater selbst Beschuldigter ist, dann erfolgt die Durchsuchung auf der rechtlichen Grundlage des § 102 StPO.

     

    Wird der Steuerberater nicht als Beschuldigter geführt, so sind bei einer auf § 103 StPO gestützten Durchsuchung erhöhte Anforderungen zu beachten ‒ im Unterschied zu einer solchen beim Beschuldigten, die auf Grundlage von § 102 StPO erfolgt, was die Verhältnismäßigkeitsprüfung anbelangt (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 103, Rz. 1a). Insofern ist gegenüber einem Steuerberater ein Herausgabeverlangen nach § 95 Abs. 1 StPO die mildere Maßnahme der Ermittlungsbehörde, bevor zur Durchsuchung der Kanzleiräume geschritten werden darf (LG Saarbrücken 12.3.13, 2 Qs 15/13, StBW 13, 948 mit Anmerk. Gehm).

     

    Im Unterschied zur Durchsuchung beim Verdächtigen nach § 102 StPO muss hinsichtlich der Beweisstücke, zu deren Auffindung die Durchsuchung durchgeführt wird, ein konkreter Auffindungsverdacht bei einer auf § 103 StPO gestützten Durchsuchung beim Steuerberater bestehen.

     

    Sowohl Durchsuchungen nach § 102 als auch solche nach § 103 StPO beziehen sich aber nicht nur auf die Gewinnung von Beweismitteln in Papierform, sondern erstrecken sich auch auf elektronische Dokumente, wobei auch Daten auf Mobiltelefonen grundsätzlich ausgelesen werden dürfen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 103, Rz. 10a und § 103, Rz. 3; vgl. auch Nr. 58 Abs. 1 S. 2 AStBV [St] 2020). Beim Berufsgeheimnisträger wie einem Steuerberater kann dies in den Fällen des § 103 StPO aber nur die absolute Ausnahme unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sein. Zudem ist es unverhältnismäßig, die gesamten Datenbestände eines Rechtsanwalts bzw. Steuerberaters auszulesen (BVerfG 12.4.05, 2 BvR 1027/02, NJW 05, 1917).

     

    PRAXISTIPP | Vorangeschickt werden soll, dass, wenn der Steuerberater oder Rechtsanwalt nicht selbst Beschuldigter ist, die Durchsuchungen von Kanzleiräumen nur ultima ratio sein kann (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 357).

     

    2. Verfassungsrechtliche Relevanz

    Ein angestellter Steuerberater kann sich grundsätzlich nicht auf das Recht der Unversehrtheit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG berufen, wenn die Kanzleiräume seines Arbeitgebers durchsucht werden (BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1562/17, NZWiSt 18, 375). Anders sieht dies bei einem selbstständigen Steuerberater aus. Insofern kann sich dann auch die Frage stellen, ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim Eingriff in dieses Grundrecht gewahrt ist (BVerfG 18.3.09, 2 BvR 1036/08, NJW 09, 2518; Beyer, NWB 13, 2497, 2498; Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 377).

     

    Das BVerfG geht zudem davon aus, dass zumindest bei einer auf § 103 StPO gestützten Durchsuchung der Steuerberater nicht in seinem Grundrecht auf freie Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG betroffen ist, da von dieser Durchsuchungsart unterschiedslos jedermann betroffen sein könne. Auch könne sich der Steuerberater in diesen Fällen regelmäßig nicht auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) berufen, da die Ermittlungsmaßnahmen nicht auf seine persönlichen Daten bezogen seien, sondern auf mandantenbezogene Daten, wobei das BVerfG hier sogar soweit geht, dass dies für den E-Mail-Verkehr der Berater gelte (BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1562/17, NZWiSt 18, 375).

    3. Ermittlungs- bzw. Beschlagnahmeverbote

    Der Steuerberater sollte immer vom Worst Case ausgehen und bereits bei der Aktenführung darauf achten, dass ggf. die Strafverfolgungsorgane diese in die Hände bekommen. Insofern sollte alles vermieden werden, was in die Richtung deutet, selbst im strafrechtlich relevanten Bereich agiert zu haben. Ganz im Gegenteil ist im Zuge eines Risikomanagements zu dokumentieren, dass man beispielsweise den Mandanten im steuerlichen Mandat entsprechend über seine steuerlichen Pflichten belehrt hat.

     

    3.1 Einschränkungen nach § 160a StPO

    Es stellt sich die Frage, inwiefern die Vorschrift des § 160a StPO Ermittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsorgane bei einem Rechtsanwalt bzw. Steuerberater entgegensteht, denn aus dieser Vorschrift ergeben sich Beweiserhebungs- und Verwertungsverbote im Steuerstrafverfahren, was diesen Personenkreis anbelangt (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 1, 4, 11 und 18).

     

    Dabei beinhaltet § 160a Abs. 1 StPO ein absolutes Beweiserhebungs- und -verwertungsverbot respektive sogar ein -verwendungsverbot für weitere Ermittlungen, wohingegen § 160a Abs. 2 StPO lediglich ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messendes relatives Beweiserhebungsverbot bzw. -verwertungsverbot enthält (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 3ff., 9, 9a und 11).

     

    PRAXISTIPP | Von dieser Vorschrift sind jedoch keine Unterlagen geschützt, die nicht Produkt des Mandats sind, also etwa wenn die Kanzleiräume nur genutzt würden, um Beweismittel im Steuerstrafverfahren dem Zugriff der Steuerfahndung zu entziehen (Rübenstahl, ZWH 18, 273, 285; Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 368).

     

    Das BVerfG hat zudem entschieden, es sei aus verfassungsrechtlicher Sicht wegen der Gewährleistung einer effektiven Strafverfolgung nicht bedenklich, die Vorschrift des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO, nach der im Zuge eines absoluten Beweiserhebungsverbots Ermittlungsmaßnahmen gegen einen Rechtsanwalt unzulässig sind, die voraussichtlich zu Erkenntnissen führen würden, über die er das Zeugnis verweigern dürfte, wegen der Subsidiaritätsregel des § 160a Abs. 5 StPO im Bereich der Beschlagnahme nach § 94 StPO bzw. der dieser vorausgehenden Sicherstellung zur Durchsicht nicht für anwendbar zu betrachten, denn insofern ist § 160a StPO gegenüber § 97 StPO subsidiär. Dabei erstreckt sich § 160a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO auch auf Strafverteidiger (BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1505/17, 2 BvR 1780/17, NJW 18, 2385; vgl. auch Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 17).

     

    Da sich die Mandanten in Steuerstrafverfahren unter den näheren Voraussetzungen des § 392 AO auch vom Steuerberater verteidigen lassen können, greift mithin dann auch § 160a Abs. 1 StPO. Allerdings hängt der solchermaßen gegebene Schutz vor strafrechtlichen Ermittlungen von der konkreten Verteidigerstellung ab. Er bezieht sich mithin auf die in diesem Zusammenhang anvertrauten und bekanntgewordenen Tatsachen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 3; LG Bonn 21.6.12, 27 Qs 2/12, NJW-Spezial 12, 602; Beukelmann, NJW-Spezial 12, 504). Außerhalb einer Verteidigerstellung gilt für Steuerberater aber nur das relative Beweiserhebungsverbot nach § 160a Abs. 2 StPO. Unerheblich ist, ob das Mandatsverhältnis tatsächlich zustande kam, sodass bereits die entsprechende Anbahnung geschützt ist (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 7a).

     

    • Beispiel

    A hat Kapitaleinkünfte im Ausland erwirtschaftet und diese trotz Steuerpflicht im Inland nicht einkommensversteuert. Da er befürchtet, demnächst entdeckt zu werden, bittet er den Steuerberater B, ihn zu vertreten. Dieser verweist ihn an den Kollegen C, da dieser sich mit Erstattung von Selbstanzeigen besser auskennt. Bereits das Anbahnungsgespräch zwischen A und B ist von § 160a Abs. 1 StPO geschützt. Damit dürfte die Steuerfahndung nicht bei B ermitteln, um Informationen über die Hinterziehungstaten des A zu gewinnen.

     

    Aufgrund der bereits erwähnten Subsidiaritätsregel des § 160a Abs. 5 StPO genießt aber die Kommunikation zwischen Steuerberater und Mandant bereits über § 97 Abs. 1 StPO Beschlagnahmefreiheit, ohne dass es der in § 160a Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Verhältnismäßigkeitsprüfung, ob die konkrete Ermittlungsmaßnahmen zulässig sind, bedarf (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 17; Nr. 58 Abs. 1 S. 1 und 2 AStBV [St] 2020). Denn anders als Rechtsanwälte genießen eben Steuerberater nicht per se das absolute Beweiserhebungs- und Verwendungsverbot des § 160a Abs. 1 StPO, sondern nur das relative Beweiserhebungs- respektive -verwertungsverbot des § 160a Abs. 2 StPO, das unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes davon abhängt, ob eine Straftat von erheblicher Bedeutung im Raum steht. Mithin ist im Zuge dessen abzuwägen, ob das Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen Strafrechtspflege gegenüber dem öffentliche Interesse an den vom Steuerberater wahrgenommenen Aufgaben und des individuellen Interesses seines Mandanten an der Geheimhaltung der ihm anvertrauten Tatsachen überwiegt (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 9, 9a.). Dabei ist der Schutz des § 160a Abs. 2 StPO nur auf die konkrete Steuerberatungstätigkeit beschränkt, bloße Buchführungsübernahme für den Mandanten soll nicht ausreichen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 9).

     

    • Beispiel

    A übergibt seinem Steuerberater B Belege, damit dieser für ihn die Buchungsarbeit übernimmt. Die Steuerfahndung verlangt von B diese Belege heraus. Da allein die Übernahme der Buchführung nicht für den Schutz nach § 160a Abs. 2 StPO ausreicht (gleiches gilt, wie noch auszuführen sein wird, im Hinblick auf § 97 StPO), ist B zur Herausgabe dieser Belege nach § 95 StPO verpflichtet. Würde sich hingegen die Herausgabe auf Unterlagen beziehen, die in einem Steuerberatungsmandat Verwendung in Form der Erstellung einer Steuererklärung finden, wäre das Herausgabeverlangen nach teilweise vertretener Meinung rechtswidrig und B könnte gegen eine richterliche Anordnung Beschwerde nach § 304 StPO erheben bzw. bei einem nichtrichterlichen Herausgabeverlagen gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beantragen (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 95, Rz. 12).

     

    Ist der Steuerberater jedoch selbst verdächtigt, sich an der Steuerhinterziehung beteiligt zu haben bzw. sich einer Begünstigung oder Strafvereitelung in diesem Zusammenhang schuldig gemacht zu haben, entfällt der Schutz des § 160a StPO. Allerdings ist, wenn der Steuerberater gleichzeitig Strafverteidiger ist, weiterhin auch dann nach § 148 StPO die Telekommunikation mit seinem Mandanten geschützt und Ermittlungen nach

    • § 100c (akustische Wohnraumüberwachung) bzw.
    • § 100f (akustische Überwachung außerhalb des Wohnraums) und
    • § 110a (Einsatz verdeckter Ermittler)

     

    sind weitgehend ausgeschlossen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 15).

     

    • Beispiel

    Steuerberater B hat seinem Mandanten A Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet. Die Steuerfahndung durchsucht auf Grundlage von § 102 StPO deshalb seine Kanzleiräume. Die Ermittlung und ggf. Beschlagnahme kann sich daher auch auf alle Unterlagen dieser Beratungstätigkeit beziehen, die im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung steht. Hätte B aber bereits die Strafverteidigung des A übernommen gehabt, würde dies zwar den Ermittlungen nicht entgegenstehen. Lediglich dürfte die Kommunikation des B mit A in diesem Verteidigungsverhältnis nicht ausgeforscht werden (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 148, Rz. 8).

     

    Eine Durchsuchung ist unzulässig, soweit sie sich auf Gegenstände bezieht, die § 160a StPO unterfallen (Nr. 58 Abs. 2 i. V. m. Nr. 149 Abs. 3 AStBV [St] 2020).

     

    3.2 Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO

    Wie erwähnt, schützt § 97 StPO grundsätzlich auch Steuerberater davor, dass Unterlagen eines Mandatsverhältnisses beschlagnahmt werden. Lediglich die Erledigung der Buchführung soll dabei wiederum nicht ausreichend für diesen Schutz sein (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 97, Rz. 40; LG Saarbrücken 12.3.13, 2 Qs 15/13, StBW 13, 948 mit Anmerk. Gehm).

     

    Jedoch ist nach teilweise vertretener Meinung die Beschlagnahmefreiheit gegeben, wenn der Mandant Buchungsbelege zur Erstellung des Jahresabschlusses und Erstellung von Steuererklärungen dem Steuerberater übergibt (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 97, Rz. 40). Nach anderer Meinung ist die Beschlagnahme möglich für alle Unterlagen, die der Steuerpflichtige nach § 146 Abs. 2 S. 1 AO aufzubewahren hat (LG Halle 7.6.17, 2 Qs 1/2017, DStR 18, 215). Die Finanzverwaltung vertritt letztere Meinung, obgleich ihr bewusst ist, dass diese Rechtsauffassung umstritten ist (Nr. 58 Abs. 1 und 5 AStBV [St] 2020). D. h., die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass im Besteuerungsverfahren § 97 StPO nicht greift, sodass bei gleichzeitig schwebenden Steuerstrafverfahren Unterlagen, die aufgrund steuerlicher Vorschriften vorzulegen sind, auch vom Berater nach § 104 Abs. 2 AO herauszugeben sind. Anders verhält es sich nur, wenn die Vorlage (allein) zur Durchführung des Steuerstrafverfahrens verlangt wird. Bei Vorlagepflicht nach § 104 Abs. 2 AO sind Zwangsmittel zur Durchsetzung nach § 328 AO anwendbar (Nr. 58 Abs. 5 AStBV [St] 2020). Letzteres kann aber wegen § 393 Abs. 1 S. 2 AO nicht gelten, wenn der Berater selbst einer Beteiligung an der Steuerstraftat verdächtig ist.

     

    Jedenfalls sind die Unterlagen des Steuerpflichtigen, die sich beim Steuerberater befinden, dann nicht mehr von § 97 StPO geschützt, wenn sie zur Erledigung des entsprechenden Auftrags des Mandanten nicht mehr benötigt werden (Kirsch, NZWiSt 13, 154, 155f.; Beyer, NWB 13, 2497, 2498; LG Saarbrücken 12.3.13, 2 Qs 15/13, StBW 13, 948 mit Anmerk. Gehm).

     

    Die h.M. geht insofern wiederum davon aus, dass allein die Übergabe zur Verwahrung nicht zur Beschlagnahmefreiheit führe, es gibt insofern kein „Asyl“ für entsprechende Unterlagen beim Steuerberater (LG Saarbrücken 12.3.13, 2 Qs 15/13, StBW 13, 948 mit Anmerk. Gehm; Nr. 58 Abs. 1 S. 3 AStBV [St] 2020).

     

    Geht es um ein steuerstrafrechtliches Mandat, in dem der Steuerberater tätig wird, so greift das Beschlagnahmeverbot des § 97 StPO nur in einem bereits schwebenden bzw. unmittelbar bevorstehendem Strafverfahren, in dem das besondere Vertrauensverhältnis Verteidiger zu Mandanten besteht (BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1505/17, 2 BvR 1780/17, NJW 18, 2385). Erfasst werden hier aber alle Mitteilungen zwischen Mandanten und Verteidiger sowie zum Zweck der Verteidigung vom Mandanten oder einem Dritten übergebene Unterlagen (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 97, Rz. 36; vgl. auch Nr. 58 Abs. 1 S. 1 und 2 AStBV [St] 2020).

     

    PRAXISTIPP | Wenn das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO greift, so führt dies dazu, dass auch die Durchsicht entsprechender Unterlagen nach § 110 StPO unzulässig ist (BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1505/17, 2 BvR 1780/17, NJW 18, 2385).

     

    Eine gezielte Durchsuchung nach nach § 97 StPO beschlagnahmefreien Gegenständen ist demzufolge unzulässig (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 367f. m.w.N.). Insofern ist bereits die Durchsuchungsanordnung rechtswidrig (Nr. 58 Abs. 2 AStBV [St] 2020; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 103, Rz. 7). Ansonsten gilt aber nach teilweise vertretener Meinung, dass, da § 97 StPO keine Regelung zur Verwertung enthält, insofern auf § 160a StPO mit seiner Differenzierung zwischen Strafverteidigung und Betreuung eines steuerlichen Mandats abzustellen sei (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 97, Rz. 46ff. sowie in Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 160a, Rz. 17; BVerfG 27.6.18, 2 BvR 1405/17, 2 BvR 1780/17, NJW 18, 2385; vgl. auch BVerfG 6.11.14, 2 BvR 2928/10, BeckRS 2014, 59255). Die Finanzverwaltung selbst vertritt in Nr. 149 Abs. 4 AStBV (St) 2020 die Meinung, dass ein Verstoß gegen § 97 StPO stets zu einem Verwertungsverbot im Steuerstrafverfahren führe.

     

    Die Beschlagnahmefreiheit entfällt nach § 97 Abs. 2 S. 3 StPO allerdings wiederum, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass sich der Strafverteidiger bzw. Steuerberater an der Steuerhinterziehung beteiligt bzw. eine Begünstigung oder Strafvereitelung in diesem Zusammenhang begangen hat (Nr. 58 Abs. 4 AStBV [St] 2020).

     

    Wird gegen § 97 StPO verstoßen, so kann gerichtliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO beantraget bzw. mit der Beschwerde nach § 304 StPO vorgegangen werden (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 383 m.w.N.). Entsprechend kann gegen die Anordnung der Durchsuchung selbst vorgegangen werden, wenn diese rechtswidrig ist (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 382f. m.w.N.).

    4. Folgen einer rechtswidrigen Durchsuchung

    Eine rechtwidrige Durchsuchung führt aber ansonsten nicht zwangsläufig dazu, dass die dort sichergestellten Beweise im Steuerstrafverfahren nicht verwertbar sind. Dies ist nur bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürhaften Verfahrensverstößen der Fall (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rz. 19).

     

    Hinsichtlich des strafprozessualen Verwertungsverbots hat zudem das BVerfG entschieden, dass aus dem Prozessgrundrecht auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren sich kein Rechtssatz des Inhalts ableiten lässt, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig ist (BVerfG 30.6.05, 2 BvR 1502/04, NJW 05, 3205). Das BVerfG weist auch darauf hin, dass strafprozessuale Verwertungsverbote eine Ausnahme darstellen, da grundsätzlich die Gerichte nach §§ 244 Abs. 2, 261 StPO berechtigt und verpflichtet sind, die Beweisaufnahme auf alle zur Verfügung stehenden Beweismittel zu erstrecken, um die funktionstüchtige Strafrechtspflege zu ermöglichen. Im Einzelfall kann sich demnach nur ein Verwertungsverbot bei Abwägung der betroffenen Belange ergeben, wenn der Beweis unter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften erhoben wurde (BVerfG 20.5.10, 2 BvR 1413/09, NJW 10, 2937).

     

    Was das Besteuerungsverfahren anbelangt, so führt auch hier ein rechtswidriger Durchsuchungsbeschluss nur dann zu einem steuerlichen Verwertungsverbot, das auch nicht durch erneute Ermittlungsmaßnahmen geheilt werden kann, wenn die Fehlerhaftigkeit schwerwiegend ist bzw. bewusst oder willkürlich begangen wurde (BFH 4.12.12, VIII R 5/10, BStBl II 14, 220; 15.4.15, VIII R 1/13, wistra 15, 479; vgl. auch zu Verstößen gegen § 105 Abs. 2 StPO BFH 28.4.14, X B 3/14, BFH/NV 14, 1357).

     

    PRAXISTIPP | Zu beachten ist, dass ein Verwertungsverbot im Steuerstrafverfahren nicht automatisch ein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren nach sich zieht (BFH 23.1.02, XI R 10, 11/01, BStBl II 02, 328; 8.1.14, X B 112, 113/13, X B 112/13, X B 113/13, BFH/NV 14, 487; Madauß, NZWiSt 14, 296).

     

    5. Verhaltenshinweise

    Für den Fall, dass tatsächlich gegen den Berater selbst ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wird, sollte sich schon im Vorfeld Gedanken darüber gemacht werden, wer als in diesem Bereich versierter Verteidiger in Betracht kommt. Da das Steuerstrafverfahren eine sehr spezielle Rechtsmaterie ist, wird die beste Wahl ein gerade in diesem Bereich schwerpunktmäßig tätiger Strafverteidiger sein (vgl. auch Steuerberaterverband Hamburg, Verbandsnachrichten 2/20, 19, 21).

     

    5.1 Durchsuchungsbeschluss prüfen/förmliche Beschlagnahme

    Als erstes sollte man sich in der anlaufenden Durchsuchungsmaßnahme den Durchsuchungsbeschluss aushändigen lassen und sich vergewissern, ob dieser sich auf § 102 oder § 103 StPO stützt, man also bereits Beschuldigter ist oder nicht. Dabei sollte aber immer bedacht werden, dass sehr schnell der Wechsel in die Rolle eines Beschuldigten erfolgen kann.

     

    Wird man nicht als Beschuldigter geführt, sollte man darauf bestehen, dass alle Unterlagen förmlich beschlagnahmt werden, die die Ermittlungspersonen an sich nehmen. Dies schon deshalb, dass nicht hernach beim Mandanten der Eindruck entsteht, sein Berater hätte ihn quasi den Behörden ausgeliefert. Denn die mandatsbezogene Verschwiegenheitspflicht besteht erst einmal fort. Gleichzeitig sollte aber, damit nicht von unbeteiligten Mandanten die Daten von der Steuerfahndung eingesehen werden, der Steuerfahndung die verlangten Unterlagen bereit gestellt werden (Beyer, NWB 13, 2497, 2499).

     

    5.2 Widerstand ist kontraproduktiv

    Da Verdunkelungsgefahr nach § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO ein Grund ist, Untersuchungshaft anzuordnen, sollte bereits bei der Durchsuchungsmaßnahme alles vermieden werden, was etwa von der Steuerfahndung in die Richtung gedeutet werden könnte, dass Beweismaterial vernichtet wird respektive werden soll bzw. Zeugen beeinflusst werden sollen. Zudem ist auch der Steuerberater grundsätzlich bei ordnungsgemäßer Durchsuchung duldungspflichtig (Steuerberaterverband Hamburg, Verbandsnachrichten 2/20, 19, 22).

     

    Des Weiteren berechtigt die ordnungsgemäße Durchsuchungsanordnung die Strafverfolgungsorgane dazu, unmittelbaren Zwang anzuwenden (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rz. 13). Widersetzt man sich dieser mit Gewalt, so läuft man nur Gefahr, sich nach § 113 StGB strafbar zu machen (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 374).

     

    Nach § 106 Abs. 1 StPO darf der Steuerberater bei Durchsuchung seiner Kanzlei anwesend sein. Dies ist dringend anzuraten, um zu verhindern, dass Daten anderer Mandanten, die nicht im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung stehen, von den Ermittlungen miterfasst werden.

     

    5.3 Vom Schweigerecht Gebrauch machen

    Zulässig ist es stets, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen. Dieses Recht kann sich aus der Stellung als Verteidiger bzw. Steuerberater ergeben (§ 53 Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO) oder daraus, dass man sich durch eine Aussage der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde (§ 55 StPO) oder man bereits Beschuldigter ist (§ 136 Abs. 1 StPO). Von seinem Schweigerrecht Gebrauch zu machen gilt um so mehr, wenn der Steuerberater bereits als Beschuldigter geführt wird. Man sollte sich aber hüten, partiell sich zur Sache einzulassen und dann bei unangenehmen Fragen der Ermittlungspersonen zu schweigen, da dann eher die Gefahr besteht, dass das Schweigen zum Nachteil des Beschuldigten ausgelegt wird.

     

    5.4 Verteidiger hinzuziehen

    Da nach § 137 StPO das Recht besteht, einen Verteidiger frühzeitig beizuziehen, also bereits während der Ermittlungen (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 137, Rz. 3), sollte mit diesem umgehend ggf. noch während der Durchsuchungsmaßnahme Kontakt aufgenommen werden. Sinnvoll ist, die die Durchsuchung leitenden Personen darüber in Kenntnis zu setzen, dass man seinen Verteidiger anrufen will. Denn grundsätzlich können für andere Telefonate während der Durchsuchung Telefonsperren verhängt werden, damit der Durchsuchungszweck nicht gefährdet wird. Denn denkbar wäre es ja, dass der Steuerberater beispielsweise seinen Mandant, gegen den auch wegen Steuerhinterziehung, zu der er Beihilfe geleistet haben soll, ermittelt wird, anruft und ihn auffordert, entsprechende Unterlagen verschwinden zu lassen (Gehm, Kompendium Steuerstrafrecht, 3. Aufl. 17, 376). Um hier keinen falschen Verdacht aufkommen zu lassen, ist die Kontaktaufnahme mit dem Verteidiger offen zu kommunizieren.

     

    PRAXISTIPP | Auch wenn der Steuerberater nicht als Beschuldigter, sondern noch als Zeuge geführt wird, hat er nach § 68b StPO das Recht, anwaltlichen Beistand beizuziehen (Nr. 49 Abs. 8 AStBV [St] 2020).

     

    5.5 Zeugen hinzuziehen?

    Ist bei der Durchsuchung weder die Staatsanwaltschaft/Bediensteter der Bußgeld- und Strafsachenstelle des FA noch ein Richter zugegen, so sind Zeugen nach § 105 Abs. 2 StPO zuzuziehen. Dies gilt auch bei der Durchsuchung von Steuerberaterkanzleien (LG Landshut 31.8.11, 6 Qs 92/11, NJW-Spezial 12, 601). Ein Verstoß gegen diese Regelung hat allerdings weder für das Steuerstraf- noch das Besteuerungsverfahren ein Verwertungsverbot zur Folge (Nr. 150 Abs. 1 S. 3 AStBV [St] 2020; Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rz. 11). Wegen des Mandatsgeheimnisses ist aber bei der Zuziehung von Zeugen große Zurückhaltung geboten (Steuerberaterverband Hamburg, Verbandsnachrichten 2/20, 19, 23). Da der von der Durchsuchung betroffene Steuerberater auf die Zeugenzuziehung verzichten kann (Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 105, Rz. 12), wird sich ein solcher Verzicht regelmäßig anbieten.

     

    5.6 Beschlagnahmeverzeichnis prüfen

    Werden Beschlagnahmen durchgeführt, sollte man sich das von den Ermittlungsbehörden nach § 107 StPO zu erstellende Verzeichnis über die solchermaßen mitgenommenen Gegenstände (vgl. Nr. 63 Abs. 9 AStBV [St] 2020) nicht nur aushändigen lassen, sondern prüfen, ob dieses vollständig ist. Damit weiterhin die steuerliche Beratung sichergestellt ist, sollten Kopien der wichtigsten Unterlagen gefertigt werden.

     

    5.7 Mandanten zeitnah informieren

    Nach der Durchsuchung sollte der Mandant zeitnah hierüber informiert werden, dies gilt sowohl in den Fällen, in denen der Steuerberater selbst als Beschuldigter geführt wird, als auch bei auf Grundlage von § 103 StPO bei ihm erfolgten Ermittlungen.

     

    In beiden Konstellationen sollte der Mandant nicht vom Steuerberater, der mit der Bearbeitung des steuerlichen Mandats zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tatbegehung bereits befasst war, als Verteidiger im Steuerstrafverfahren vertreten werden. Ist der Berater selbst atverdächtig, ist dies bereits bei zusammenverhandelten Strafverfahren nicht nur bereits strafprozessual aufgrund der Regelung des § 138a Abs. 1 Nr. 1 StPO kaum möglich, auch ist ggf. ein schwer lösbarer Interessenkonflikt gegeben. Bei Fällen, in denen der Berater selbst nicht tatverdächtig ist, ist daran zu denken, dass er ggf. als Entlastungszeuge für den Mandant in Betracht kommt. Auch diese Position verträgt sich schwerlich mit der eines Strafverteidigers, weshalb nach strittiger Meinung auch nach seiner Zeugenaussage ein Auftreten als Verteidiger ausscheide (Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 48, Rz. 18).

    Quelle: ID 46882107