· Fachbeitrag · Finanzgerichtliche Verfahren
Festsetzung des Streitwerts in Kindergeldsachen
von Dipl.-Finw. Walter Jost, Rehlingen
| Wurde um eine Kindergeldfestsetzung von unbestimmter Dauer gestritten, bestimmte sich bisher der Streitwert gem. § 52 Abs. 1 S. 1 GKG nach den strittigen Kindergeldbeträgen bis zur Erhebung der Klage zzgl. eines Jahresbetrags (§ 42 Abs. 1 S. 1 GKG). Mittlerweile ist § 42 Abs. 1 S. 1 GKG gestrichen und inhaltlich im Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen neu geregelt worden. Sind damit Einkommenseinbußen des Steuerberaters verbunden, da der Jahresbetrag nicht mehr anzusetzen ist? Oder darf der Jahresbetrag trotz Wegfalls der Vorschrift weiter dem Streitwert hinzugeschlagen werden? |
Hintergrund
In der Finanzgerichtsbarkeit wurde der Jahresbetrag analog zu § 42 Abs. 1 S. 1 GKG angesetzt. Der BFH griff hierbei den Rechtsgedanken der Regelung im GKG für Unterhaltsleistungen als wiederkehrende Leistungen auf. Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 S. 1 GKG ist jedoch durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz) vom 17.12.08 (BGBl I 08, 2586) mit Wirkung ab dem 1.9.09 aus dem GKG gestrichen und inhaltlich im Gesetz über Gerichtskosten in Familiensachen neu geregelt worden.
Die Entscheidungen des FG Saarland
Zu den eingangs gestellten Fragen hat das Finanzgericht des Saarlandes zwei - gleichlautende - Entscheidungen getroffen (FG Saarland 8.10.12, 2 K 1256/10, n.v.; 9.2.12, 2 K 1592/10, StE 2012, 539). Es lässt sich dabei von dem Gedanken leiten, dass in zahlreichen Fällen der Festsetzung des Kindergelds nicht von vornherein feststeht, auf welche Dauer diese gerichtet ist. Es steht vielfach eine Überprüfung der Verwaltungsentscheidung an, die aber durchaus auch in die Zukunft gerichtet sein kann.
Wenn die abschließende Verwaltungsentscheidung den Antragszeitraum nicht abdeckt, hält es das FG Saarland für gerechtfertigt, als Grundlage der Berechnung den - dann bestimmten, festen - Zeitraum vom Beginn des Begünstigungszeitraums bis zur letzten Verwaltungsentscheidung heranzuziehen. Dies allein würde dem Interesse des Antragstellers jedoch nicht genügen, da er auch für die Zukunft (über die letzte Verwaltungsentscheidung hinaus) Kindergeld beansprucht. Dieses rechtliche Interesse ist - wie schon bisher - durch die Einbeziehung des Jahreswerts an Kindergeld abzudecken.
Im Gegensatz zur alten Regelung heißt die „Formel“ also nicht mehr „strittige Kindergeldbeträge bis einschließlich des Monats der Klageerhebung zzgl. Jahresbetrag“, sondern „strittige Kindergeldbeträge bis einschließlich des Monats der Verwaltungsentscheidung zzgl. Jahresbetrag“. Der Streitwert ist somit - sofern der Monat der Verwaltungsentscheidung von dem Monat der Klageerhebung abweicht - um einen Monat reduziert. Der Jahresbetrag aber bleibt bestehen.
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Mit Bescheid vom 7.9.09 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergelds für zwei Kinder (das 2. und 3. von 5 Kindern) Ihrer Mandanten ab Mai 2009 auf. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit Einspruchsentscheidung vom 8.4.10 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen haben Sie am 6.5.10 Klage erhoben. Ziel der Klage ist die Bewilligung von Kindergeld ab Mai 2009. Das FG gab Ihrem Anliegen durch Urteil vollumfänglich statt. Der Streitwert errechnet sich wie folgt:
Die weiteren finanziellen Auswirkungen, z.B. dass Ihre Mandanten für ihr 4. und 5. Kind nunmehr einen geringeren Anspruch auf Kindergeld haben, da sie jetzt als 2. und 3. Kind „gezählt“ werden, bleiben bei der Berechnung des Streitwerts außer Betracht. |
Geht es in einem Verfahren um Kindergeld wegen Überschreitung des Grenzbetrags, so ist immer nur der Jahresbetrag des strittigen Jahres anzusetzen. Ein darüber hinaus beantragter Zeitraum bleibt unberücksichtigt.
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Die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit hebt das Kindergeld für den Sohn (1. Kind) Ihres Mandanten ab Januar 2011 wegen Überschreitung des Grenzbetrags auf und verlangt von ihm die Rückzahlung des Kindergelds in Höhe von 2.208 EUR. In diesem Fall bleibt es bei dem Streitwert von 2.208 EUR. Ein zusätzlicher Jahresbetrag kann nicht angesetzt werden, da ein konkreter Zeitraum betroffen ist. Auch in anderen Fällen, in denen es um bestimmte Zeiträume geht - z.B. April bis Dezember 2012 -, kommt der Jahresbetrag nicht in Betracht. |
PRAXISHINWEIS | Die neue Rechtsprechung des FG Saarland ist noch nicht gefestigt. Ob andere Finanzgerichte bzgl. des Ansatzes des Jahreswerts ebenso entscheiden, ist also nicht sicher. Überprüfen Sie daher - insbesondere im Kostenfestsetzungsverfahren - unbedingt die Streitwertansätze der Gerichte und erheben Sie ggf. Erinnerung gegen eine im Kostenfestsetzungsbeschluss anderslautende Festsetzung des Streitwerts. Die Erinnerung ist binnen 14 Tagen nach Zustellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses zu erheben. |
Zum Autor | Dipl.-Finw. Walter Jost, Autor von „Gebühren- und Kostenrecht im FG- und BFH-Verfahren - Ratgeber für Steuerberater und Rechtsanwälte“, 3. Aufl. 2011