· Fachbeitrag · Finanzgerichtliche Verfahren
Prozesskosten- und Beratungshilfe: Neuerungen für den Steuerberater zum 1.1.14
von RAin und FAStR Ulrike Fuldner, Aschaffenburg
| Am 1.1.14 ist die Reform der Prozesskosten- und Beratungshilfe in Kraft getreten. Steuerberater müssen Mandanten bei ersichtlicher Bedürftigkeit ungefragt auf die Möglichkeit der Prozesskosten- und Beratungshilfe hinweisen. Sie sind auch grundsätzlich verpflichtet, Mandate im Rahmen der Prozesskosten- und Beratungshilfe zu übernehmen. Gründe genug, sich näher mit den wesentlichen Neuerungen auseinanderzusetzen. |
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Wird ein gerichtliches Verfahren notwendig, so können Kläger oder Beklagte bei geringem Einkommen und Vermögen Prozesskostenhilfe (PKH) in Anspruch nehmen (§§ 114 ff. ZPO). Dann werden die Kosten der Prozessführung, d.h. die Kosten des eigenen Anwalts/Steuerberaters und eventuelle Gerichtskosten, ganz oder teilweise vom Staat getragen. In der Praxis wird die PKH für den Steuerberater lediglich bei finanzgerichtlichen Prozessen relevant bzw. unter Umständen bei einer Vertretung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 SGG (s. auch BSG 14.11.13, B 9 SB 5/12 R, Urteil unter www.dejure.org: Beschränkte Vertretungsbefugnis von Steuerberatern in Verwaltungsverfahren).
§ 142 Abs. 1 FGO verweist auf die §§ 114 ff. ZPO. Der vom Steuerpflichtigen selbst gestellte PKH-Antrag ist zulässig, weil für diesen kein Vertretungszwang nach § 62 Abs. 4 FGO besteht. Für die Bewilligung müssen aber einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Der Mandant muss kostenarm sein
Ein Anspruch auf PKH besteht nicht, wenn eine Rechtsschutzversicherung eintritt. Unter Berücksichtigung des § 115 Abs. 2 ZPO n.F. kommt eine Bewilligung der PKH unter Umständen nur unter Ratenzahlung in Betracht: Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen.
Das Finanzgericht überprüft die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich Vermögen des Steuerpflichtigen aufgrund der von diesem abzugebenden Erklärung (amtliches Formular) sehr genau. Bei einer Prüfung der Einkommensverhältnisse werden vom monatlichen Bruttoeinkommen Steuern, Vorsorgeaufwendungen (gesetzliche und angemessene private Versicherungsbeiträge), berufsbedingte Aufwendungen (z.B. Fahrtkosten, Arbeitsmittel) sowie angemessene Wohn- und Heizkosten in Abzug gebracht. Lebensversicherungen sind z.B. als Vermögen i.S. des § 115 Abs. 3 ZPO im Rahmen der Schongrenzen von § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB VIII zur Finanzierung der Verfahrenskosten einzusetzen. Ein im Eigentum des Antragstellers stehender Pkw ist bei der Beurteilung eines Antrags auf PKH einzusetzendes Vermögen, soweit nicht Anhaltspunkte für dessen Unverwertbarkeit nach § 90 Abs. 2, 3 SGB XII vorliegen oder eine Verwertung aus anderen Gründen unzumutbar ist (OLG Hamm 11.9.13, 2 WF 145/13, Urteil unter www.dejure.org). Der Vermögenseinsatz durch Veräußerung des Hauses ist in der Regel unzumutbar, wenn der Antragsteller eine Wohnung des Hauses als Familienwohnung selbst bewohnt (LAG Köln 8.10.13, 1 Ta 154/13, Beschluss unter www.dejure.org). Dann kommt aber eine Beleihung des Objekts im Rahmen der Beleihungsgrenzen in Betracht.
Um vollständige und richtige Angaben zu erhalten, kann das Gericht im Bedarfsfall auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt einfordern (§ 118 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F.). Um Verzögerungen zu vermeiden, ist es sinnvoll, eine solche Glaubhaftmachung bereits dem Antrag beizufügen. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist keine glaubhaften Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).
|
Der PKH-Antrag einer GmbH mit wenigen Gesellschaftern kann keinen Erfolg haben, wenn weder dargelegt wird, dass die Verfahrenskosten von den Gesellschaftern als am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten nicht aufgebracht werden können, noch dass die Unterlassung der Rechtsverfolgung allgemeinen Interessen zuwiderlaufen würde (Sächsisches FG 30.10.13, 6 K 1103/13, rkr., Urteil unter www.dejure.org). |
Das Prozessgericht kann nach § 118 Abs. 2 S. 2 ZPO Auskünfte einholen. Dies stellt jedoch keine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die Befreiung vom Steuergeheimnis i.S. des § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO dar. Auskunftsersuchen von Prozessgerichten über Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Steuerpflichtigen, der einen Antrag auf Bewilligung von PKH gestellt hat, kann deshalb nur entsprochen werden, wenn der Steuerpflichtige seine Zustimmung zur Auskunftserteilung gegeben hat (LfSt Bayern 25.1.12, S 0130.2.1-80/1 St42).
Rechtsstreit muss Aussicht auf Erfolg haben
Ein aktiv geführter Prozess bzw. die passive Gegenwehr hat Aussicht auf Erfolg, wenn der vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; laut BFH (24.9.13, III S 21/13 (PKH), Urteil unter www.dejure.org) darf bei der Abwägung keine abschließende Prüfung vorgenommen werden.
Handelt es sich bei der beabsichtigten Rechtsverfolgung um die Zulassung der Revision, so fehlt es an der erforderlichen Erfolgsaussicht, wenn weder der Antrag noch eine summarische Prüfung von Amts wegen Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO erkennen lassen.
Klage oder Rechtsverteidigung darf nicht mutwillig sein
Die Klage oder Rechtsverteidigung gegen den Klageanspruch (bei Revision des Finanzamts gegen ein FG-Urteil zugunsten des Steuerpflichtigen) darf nicht mutwillig sein. Der neue § 114 Abs. 2 ZPO definiert ab 1.1.14 die Mutwilligkeit.
|
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. |
Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse müssen PKH rechtfertigen
Antragsteller müssen die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO unter Beifügung der entsprechenden Belege innerhalb der maßgeblichen Rechtsmittelfrist beim FG bzw. BFH vorlegen (BFH 26.11.08, VII S 39/08 (PKH), Beschluss unter www.dejure.org). Laut § 117 Abs. 1 S. 2 ZPO (i.V. mit § 142 FGO) ist in dem PKH-Antrag „das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen“ (BFH 12.6.08, VI S 6/08 (PKH), Beschluss unter www.dejure.org).
PRAXISHINWEIS | Oft begründen Finanzgerichte und der BFH ihre ablehnenden Entscheidungen zur PKH umfassend. Selbst wenn sie die Kostenarmut verneinen, werden Ausführungen zu den Erfolgsaussichten der Klage gemacht. Im Zweifel sollte die Partei daher durch den Steuerberater Klage erheben und PKH beantragen. Nach der summarischen Prüfung seitens des Gerichts zu den - negativen - Aussichten der Klage kann diese jederzeit zurückgenommen werden. Allerdings fallen dann neben den Beraterkosten (1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG) zwei Gerichtsgebühren nach Nr. 6111 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG an. |
§ 120a Abs. 1 ZPO n.F. regelt, dass das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern soll, wenn sich die für die PKH maßgebenden persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben. Verbessern sich vor Ablauf von vier Jahren die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, muss sie dies dem Gericht von sich aus unverzüglich mitteilen (§ 120a Abs. 2 ZPO n.F.). Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zugrunde gelegten Bruttoeinkommen 100 EUR nicht nur einmalig übersteigt. Dies gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen. Auf diese Verpflichtungen wird die bedürftige Partei gemäß § 120a Abs. 2 S. 4 ZPO bereits bei der Antragstellung auf dem Formular nach § 117 Abs. 3 S. 2 ZPO hingewiesen.
Sowohl das Unterlassen einer Änderungsmitteilung als auch eine zwar erstattete, aber inhaltlich unrichtige Änderungsmitteilung führen zur rückwirkenden Aufhebung der PKH (§ 124 Abs. 4 ZPO n.F.).
Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse kann insbesondere dadurch eintreten, dass die Partei durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung etwas erlangt (z.B. Steuererstattungsanspruch). Das Gericht soll nach der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens prüfen, ob eine Änderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen mit Rücksicht auf das durch die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung Erlangte geboten ist (§ 120a Abs. 3 ZPO n.F.).
Das Gericht soll die Bewilligung der PKH aufheben, wenn die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Abs. 1 S. 3 ZPO nicht oder ungenügend abgegeben hat (§ 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F.). Die rückwirkende Entziehung der PKH setzt nicht voraus, dass die falschen Angaben des Antragstellers zu einer objektiv unrichtigen PKH-Bewilligung geführt haben (BGH 10.10.12, IV ZB 16/12, Abruf-Nr. 123476).
Aktueller Stand des Beratungshilfegesetzes (BerHG)
Das Beratungshilfegesetz ermöglicht Rechtsuchenden, die über kein oder nur geringes Einkommen oder Vermögen verfügen, zur Wahrnehmung ihrer Rechte außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens die Inanspruchnahme von Rechts- und Steuerberatung sowie entsprechende Vertretung durch einen Berater ihrer Wahl gegen eine kleine finanzielle Eigenleistung (15 EUR). Die Beratungshilfe besteht in Beratung und - soweit erforderlich - in der Vertretung (z.B. gegenüber dem Finanzamt im Einspruchs- oder Vollstreckungsverfahren). Eine Vertretung ist erforderlich, wenn der Rechtsuchende nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann (§ 2 Abs. 1 BerHG).
Die Voraussetzungen für die Bewilligung sind im Wesentlichen identisch mit denen der PKH. Die Inanspruchnahme der Beratungshilfe darf nicht mutwillig erscheinen. Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit sind die Kenntnisse und Fähigkeiten des Antragstellers sowie seine besondere wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen (§ 1 Abs. 3 BerHG n.F.). Dem Rechtsuchenden darf keine andere ihm zumutbare Möglichkeit für eine Hilfe zur Verfügung stehen.
Beratungshilfe wird in allen rechtlichen Angelegenheiten und damit auch im Steuerrecht gewährt (§ 2 Abs. 2 S. 1 BerHG n.F.). Sie kann auch durch Steuerberater oder -bevollmächtigte in Anspruch genommen werden. Letztere sind gemäß § 65a StBerG verpflichtet, ein Beratungshilfemandat zu übernehmen. Sie können die Beratungshilfe im Einzelfall aus wichtigem Grund ablehnen.
Hinweis | Wenn sich der Rechtsuchende wegen Beratungshilfe unmittelbar an den Steuerberater etc. wendet, kann der Antrag auf Bewilligung der Beratungshilfe nachträglich gestellt werden - spätestens vier Wochen nach Beginn der Beratungshilfetätigkeit.
Die Vergütung des Steuerberaters als Beratungsperson richtet sich nach den für die Beratungshilfe geltenden Vorschriften des RVG. Die Beratungshilfegebühr von 15 EUR (Nr. 2500 VV RVG) schuldet nur der Rechtsuchende (§ 44 S. 2 RVG). Die Beratungsgebühr in Höhe von 35 EUR (Nr. 2501 VV RVG) entsteht, wenn die Beratung nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängt. Die Geschäftsgebühr (85 EUR) entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (Nr. 2503 VV RVG).