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  • · Fachbeitrag · Insolvenzrecht

    Insolvenzanfechtung von Steuerberaterhonoraren

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Ein Steuerberater kann einer juristischen Person oder Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit auch nahe stehen, wenn dem Berater durch die Übernahme der laufenden Buchführungs- und Kontierungsarbeiten alle erheblichen Daten über die wirtschaftliche Lage des Auftraggebers üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen. Er verfügt dann über den gleichen Wissensvorsprung, den sonst ein mit der Aufgabe befasster leitender Angestellter des Schuldnerunternehmens hätte (BGH 15.11.12, IX ZR 205/11, Urteil unter www.dejure.org).

    Hintergrund

    Insolvenzanfechtungen können erleichtert durchgeführt werden, wenn Anfechtungsgegner nahestehende Personen sind. Es wird dann im Rahmen des § 130 InsO vermutet, dass diese die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder auch den Eröffnungsantrag kannten. Welche Personen als nahestehend gelten, sagt § 138 InsO. Neben den Ehegatten und Lebenspartnern sind auch enge Verwandte damit gemeint. Bei juristischen Personen sind dieses u.a. die Mitglieder des Vertretungs- oder Aufsichtsorgans, also auch die Geschäftsführer des Unternehmens.

     

    Sachverhalt

    Der BGH hatte nunmehr zu entscheiden, ob auch ein Steuerberater eine „nahestehende Person“ i.S. des § 138 Abs. 2 Nr. 2 InsO sein kann. Die Beklagten sind Gesellschafter einer Steuerberatersozietät, die seit längerer Zeit eine GmbH & Co. KG betreute. Unter anderem erledigte die Sozietät laufende Buchführungs- und Kontierungsarbeiten des Zeitraums Januar bis April 2007. Die Mandantin glich die erteilten Rechnungen am 12.6.08 endgültig aus. Am 4.9.08 wurde jedoch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Mandantin beschlossen. Der Insolvenzverwalter verlangt mit seiner Klage die an den Steuerberater geleisteten Honorarzahlungen zur Masse zurück.

     

    Entscheidung

    Laut Gericht kann eine nahestehende Person auch ein freiberuflicher oder gewerblicher Dienstleister sein, dem alle über die wirtschaftliche Lage der auftraggebenden juristischen Person relevanten Daten üblicherweise im normalen Geschäftsgang zufließen. Der Dienstleister habe nämlich denselben Wissensvorsprung wie ein sonst die Aufgabe ausführender leitender Angestellter.

     

    Normalerweise trifft den Insolvenzverwalter die volle Beweislast, will er Leistungen des Schuldners an Dritte anfechten. Allerdings sieht das Gesetz bei verschiedenen Konstellationen eine Beweislastumkehr vor. Diese ist etwa nach § 133 Abs. 2 S. 2 InsO möglich, wenn der Zahlungsempfänger die drohende wirtschaftliche Krise erkennt und auch weiß, dass der Zuwendende andere Gläubiger durch die Zahlung benachteiligen will.

     

    Diesen Sachverhalt sah der Senat schon deswegen nicht als gegeben an, weil mit den Überweisungen tatsächlich bestehende Zahlungspflichten erfüllt worden waren, mithin also keine Benachteiligungsabsicht bestand.

     

    Hingegen kommt eine Beweislastumkehr nach § 130 Abs. 3 InsO auch dann infrage, wenn der Zuwendungsempfänger dem Schuldner zur Zeit der Zahlung „nahe stand“. Dies setzt voraus, dass der Betreffende aufgrund einer den Gesellschaftsorganen oder hervorgehobenen Gesellschaftern vergleichbaren gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung die Möglichkeit hatte, sich detailliert über die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Unternehmens zu unterrichten (§ 138 Abs. 1 Nr. 4 InsO).

     

    Bei Angehörigen der steuerberatenden Berufe ist eine solche hervorgehobene Stellung nur dann zu bejahen, wenn sie durch ihre Tätigkeit für die Mandantin eine besondere Informationsmöglichkeit über deren geschäftlichen Zustand haben. Erforderlich ist weiter, dass gerade die konkreten Mandatsbedingungen einen größeren Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse ermöglichen, als ihn andere - außenstehende - Personen erlangen können.

     

    Dies ist dann der Fall, wenn dem Berater aufgrund der aus dem Mandat resultierenden Rechtsstellung alle für die wirtschaftliche Lage des Mandanten relevanten Daten im normalen Geschäftsgang zufließen. Besteht - wie hier - ein Buchhaltungsmandat, greift die Beweislastumkehr des § 130 Abs. 3 InsO nur dann ein, wenn der Auftrag dem Mandatsträger den typischen Wissensvorsprung vermittelt, den sonst nur Organe oder leitende Angestellte des Unternehmens aufweisen. Zwingende Voraussetzung ist also eine hohe Informationsdichte.

     

    Nach Auffassung des BGH haben die Vorinstanzen Umfang und Ausprägung des konkret geschlossenen Mandatsverhältnisses nicht ausreichend aufgeklärt, was jetzt nachgeholt werden muss.

     

    Beachten Sie | Der BGH hatte in früheren Entscheidungen Freiberufler nicht als nahestehende Personen qualifiziert (z.B. BGH 11.12.97, IX ZR 278/96). An diesem Grundsatz hält das Gericht zwar weiterhin fest, es hat aber nun bei Auslagerung der Buchhaltung seine Auffassung geändert.

     

    PRAXISHINWEIS | Auch wenn der Berufsangehörige aufgrund der ursprünglichen Mandatsbedingungen die Stellung einer nahestehenden Person erlangt hat, kann er diese Position durch Kündigung oder Änderung des Dienstvertrags wieder ändern. Korrekturen können also entweder durch eine explizite Vertragsänderung erfolgen oder aber damit begründet werden, dass der bisherige Informationsfluss ohne rechtliche Korrekturen tatsächlich versiegt ist oder zumindest auf längere Zeit unterbrochen wurde. Hierfür ist der Berater aber in vollem Umfang beweispflichtig. Eine sorgfältige Dokumentation des Mandatsverlaufs ist zur Vermeidung von Anfechtungen somit unabdingbar.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2013 | Seite 60 | ID 37747090