Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mitarbeitermobilität/Lohnabrechnung

    Ausländische Grenzgänger: Das sind die Regelungen zur Grenzgängerregelung mit der Schweiz

    von Martina Kaul, Director, Steuerberaterin, WTS GmbH, Frankfurt am Main

    | Gerade Arbeitnehmer, die im Ausland grenznah zu Deutschland wohnen, pendeln oft zur Arbeit nach Deutschland, ggf. mit einer zusätzlichen Vereinbarung über tageweise Home-Office-Tätigkeit im Ausland. Dadurch nimmt die Anzahl der ausländischen Grenzpendler bzw. -gänger tendenziell zu. LGP nimmt das zum Anlass, die steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen in einer Beitragsserie unter die Lupe zu nehmen. In diesem Beitrag geht es um Grenzgänger aus der Schweiz, die für einen deutschen Arbeitgeber tätig werden. |

    Regelungen zur Grenzgängerregelung mit der Schweiz

    Das Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Deutschland und der Schweiz sieht als Grundsatz die Besteuerung im Tätigkeitsstaat vor. Ein Arbeitnehmer, der in der Schweiz wohnt und arbeitstäglich nach Deutschland pendelt, um dort für seinen inländischen Arbeitgeber tätig zu werden, wird demnach also grundsätzlich steuerpflichtig in Deutschland.

     

    Eine Abweichung von diesem Tätigkeitsstaatsprinzip stellt die sog. Grenzgängerregelung in Art 15a DBA D/CH dar. Sind die Voraussetzungen dieser Grenzgängerregelung erfüllt, erfolgt die Besteuerung eines Schweizer Grenzgängers nicht regulär im Tätigkeitsstaat Deutschland, sondern in seinem Ansässigkeitsstaat der Schweiz.

    Voraussetzungen für Anwendung der Grenzgängerregelung

    Der Schweizer Grenzgänger wird ein großes Interesse daran haben, dass die Voraussetzungen für die Grenzgängerregelung erfüllt sind. Denn die Besteuerung in der Schweiz ist im Vergleich zur Besteuerung in Deutschland recht niedrig. Im Gegenzug haben die deutschen Finanzämter ein erhöhtes Interesse daran, dass die Grenzgängerregelung eben nicht zur Anwendung kommt, um das Besteuerungsrecht in Deutschland zu behalten. Deshalb hinterfragen die Ämter in der Grenzregion zur Schweiz deshalb nicht selten, ob die Voraussetzungen für die Grenzgängereigenschaft auch effektiv vorliegen.

     

    Damit ist es umso wichtiger, dass sowohl Grenzgänger als auch inländischer Arbeitgeber die Voraussetzungen zur Erfüllung der Grenzgängereigenschaft genau kennen.

     

    Keine Grenzzone im DBA D/CH definiert

    Das DBA mit der Schweiz sieht keine Grenzregion vor, in der der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz haben muss und in der sich der Firmensitz des Arbeitgebers befindet. Das ist also anders als bei der Anwendung der Grenzgängerregelung mit Frankreich oder Österreich.

     

    Arbeitstägliches Pendeln und die 60-Tage-Regelung

    Grundsätzlich muss ein Grenzpendler arbeitstäglich pendeln, also nach Feierabend aus Deutschland an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehren. Sollte ein arbeitstägliches Pendeln nicht möglich sein, der Arbeitnehmer also nicht nach jedem Arbeitstag an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehren, kann er gleichwohl seinen Grenzgängerstatus behalten:

     

    • Das setzt voraus, dass der Arbeitnehmer
      • an maximal 60 Tagen während des Kalenderjahrs
      • aus beruflichen Gründen
      • nicht an seinen Wohnsitz in der Schweiz zurückkehrt.

     

    • Sollte das Beschäftigungsverhältnis nicht das gesamte Kalenderjahr andauern (z. B. bei unterjähriger Tätigkeitsaufnahme), wird die 60-Tage Grenze zeitanteilig gekürzt. Gleiches gilt für Teilzeitbeschäftigte, die keine Fünf-Tage-Woche haben.

     

    Zu den für die Grenzgängereigenschaft unschädlichen Tagen gehören

    • privat veranlasste Nicht-Rückkehrtage in die Schweiz und
    • Tage im Schweizer Home-Office.

     

    • Eine berufsbedingte Nichtrückkehr liegt vor, wenn die Rückkehr an den Wohnsitz in der Schweiz aus beruflichen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Als unzumutbar gilt dabei
      • bei Benutzung eines Pkw eine Straßenentfernung (einfache Strecke) von mehr als 100 km und
      • bei Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn die schnellste Verbindung zu den allgemein üblichen Pendelzeiten mehr als 1,5 Stunden beträgt (einfache Strecke).
    •  
    • Wichtig | Auch wenn aufgrund der Entfernung oder der Pendelzeit eine Unzumutbarkeit vorliegt, muss der Arbeitnehmer gleichwohl nachweisen, dass er tatsächlich nicht zurückgekehrt ist.

     

    Zu den Nicht-Rückkehr-Tagen, die für die Grenzgängereigenschaft schädlich sind, gehören

    • Dienstreisetage mit Übernachtung im Ansässigkeitsstaat Schweiz (außerhalb des Wohnsitzes),
    • mehrtägige Dienstreisen (auch langfristige Einsätze). Bei mehrtägigen Dienstreisen sind Wochenenden oder Feiertage keine Nicht-Rückkehrtage. Voraussetzung: Die Arbeit ist an diesen Tagen nicht ausdrücklich vereinbart und der Arbeitgeber gewährt für die an diesen Tagen geleistete Arbeit weder einen anderweitigen Freizeitausgleich noch ein zusätzliches Entgelt. Trägt der Arbeitgeber allerdings die Reisekosten, werden bei mehrtägigen Geschäftsreisen alle Wochenend- und Feiertage als Nicht-Rückkehrtage angesehen.
    •  
    • Wichtig | Eintägige Dienstreisen im Ansässigkeits- oder Tätigkeitsstaat führen nicht zu Nicht-Rückkehrtagen, nur mehrtägige Dienstreisen (auch langfristige Einsätze). Eintägige Dienstreisen in Drittstaaten führen nach der Konsultationsvereinbarung stets zu Nicht-Rückkehrtagen. Allerdings gibt es hierzu teilweise abweichende Auffassungen in der Rechtsprechung.
    •  
    • PRAXISTIPP | Um hier auf der sicheren Seite zu sein, sollte der Grenzgänger aus der Schweiz für seine Planung die eintägigen Dienstreisen in Drittstaaten vorsichtshalber als schädliche Tage einkalkulieren.

       

    Rechtsfolgen bei Anwendung der Grenzgängerregelung

    Sind die Voraussetzungen für die Anwendung der Grenzgängerregelung erfüllt, steht dem Ansässigkeitsstaat Schweiz das Besteuerungsrecht zu.

     

    Quellensteuereinbehalt im Lohnsteuerabzugsverfahren in Deutschland

    Die Vergütung ist in Deutschland allerdings nicht vollumfänglich von der Besteuerung ausgenommen. Bei einem Schweizer Grenzgänger erfolgt in Deutschland ein Quellensteuereinbehalt im Lohnsteuerabzugsverfahren in Höhe von 4,5 Prozent der Vergütung.

    Zum Ausgleich wird in der Schweiz die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Schweizer Steuer um ein Fünftel reduziert.

     

    In Deutschland hat der Schweizer Grenzgänger mangels Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalts grundsätzlich keine Verpflichtung, eine Einkommensteuererklärung einzureichen. Etwas anderes ergibt sich nur dann, wenn der Grenzgänger bspw. aufgrund privater Einkünfte aus deutschen Quellen (z. B. Vermietungseinkünfte aus in Deutschland gelegenen Immobilien) einer Deklarationspflicht nachkommen muss.

     

    In diesen Fällen wird die Wegzugsbesteuerung angewendet

    Eine Begrenzung der Abzugssteuer auf 4,5 Prozent kommt trotz Erfüllung der Voraussetzungen für die Anwendung der Grenzgängerregelung nicht in Betracht, wenn der Arbeitnehmer

    • mindestens fünf Jahre in Deutschland aufgrund eines Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts unbeschränkt steuerpflichtig war,
    • nicht die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt und
    • durch Wohnsitzaufgabe in Deutschland seine steuerliche Ansässigkeit in der Schweiz begründet.

     

    Folge: Deutsche Arbeitstage bleiben vollumfänglich steuerpflichtig in Deutschland. Der deutsche Arbeitgeber hat für das Jahr des Wegzugs des Arbeitnehmers und für die folgenden fünf Jahre „regulär“ Lohnsteuer auf die Vergütung zu berechnen und abzuführen. Es erfolgt keine Begrenzung auf 4,5 Prozent.

    Beantragung einer amtlichen Bescheinigung ist nötig

    Der Grenzgänger ist verpflichtet, seine Ansässigkeit in der Schweiz durch eine amtliche Bescheinigung der zuständigen Schweizer Kantonalbehörde nachzuweisen. Dies erfolgt mit dem Antragsformular Gre 1a.

     

    Die Bescheinigung gilt für ein Jahr. Die Bescheinigung wird dem Grenzgänger ohne Antrag für das jeweilige Folgejahr von der zuständigen Steuerbehörde erteilt.

     

    • Beispiel

    M ist in der Schweiz ansässig und für ein deutsches Unternehmen tätig. Sie pendelt arbeitstäglich zwischen Deutschland und der Schweiz.

     

    Lösung: M erfüllt die Grenzgängereigenschaft, weil sie arbeitstäglich zwischen Deutschland und der Schweiz pendelt. Damit wird M vollumfänglich steuerpflichtig in der Schweiz. In Deutschland behält der Arbeitgeber 4,5 Prozent Quellensteuer ein. Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird der Bruttobetrag der Vergütung bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Schweizer Steuer um ein Fünftel herabgesetzt.

     

     

    • Abwandlung des Beispiels

    Der deutsche Arbeitgeber von M erkennt, dass M als deutsche Staatsbürgerin mindestens fünf Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war und im Jahr 2024 ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hat und in die Schweiz gezogen ist.

     

    Lösung: In diesem besonderen Fall greift Artikel 4 Abs. 4 des DBA D/CH, die sog. Wegzugsbesteuerung. Die Wegzugsbesteuerung sieht vor, dass M mit dem anteiligen Gehalt für deutsche Arbeitstage im Jahr des Wegzugs (2024) und für die folgenden fünf Jahre, also bis 2029, steuerpflichtig in Deutschland bleibt. Der Arbeitgeber in Deutschland hat daher ganz regulär Lohnsteuer auf das anteilige Gehalt für deutsche Arbeitstage abzuführen.

     

    Die Rechtsfolgen bei Verlust der Grenzgängereigenschaft

    Verliert der Arbeitnehmer seinen Grenzgängerstatus, bspw. weil er mehr als 60 schädliche Nicht-Rückkehrtage hat, finden die allgemeinen Regelungen des DBA zwischen Deutschland und der Schweiz Anwendung.

     

    Anteilige Steuerpflicht in Deutschland für deutsche Arbeitstage

    Demnach wird der Grenzgänger beschränkt steuerpflichtig in Deutschland mit dem anteiligen Gehalt für deutsche Arbeitstage. Der inländische Arbeitgeber hat darauf entsprechend deutsche Lohnsteuer zu berechnen und abzuführen. Dieser Lohnsteuereinbehalt hat grundsätzlich abgeltende Wirkung. Der Arbeitnehmer ist also nicht dazu verpflichtet, eine Einkommensteuererklärung in Deutschland abzugeben (unterstellt, dass der Arbeitnehmer keine weiteren privaten Einkünfte aus deutschen Quellen erzielt, die zu einer Erklärungspflicht in Deutschland führen).

     

    PRAXISTIPP | Der Arbeitnehmer kann auf Antrag als fiktiv unbeschränkt einkommensteuerpflichtig betrachtet werden. In diesem Fall kann er vom Familiensplitting und dem Abzug von Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen profitieren, was einem lediglich beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer grundsätzlich verwehrt wird. Die Beantragung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht ist allerdings nicht in jedem Fall vorteilhaft, da in der Schweiz steuerpflichtige Einkünfte im Rahmen des sog. Progressionsvorbehalts, also zur Ermittlung des persönlichen Steuersatzes, herangezogen werden. Es wird daher empfohlen, bei Wegfall der Grenzgängereigenschaft im Zweifel eine Vergleichsberechnung durchzuführen, um festzustellen, ob im individuellen Fall die fiktiv unbeschränkte Steuerpflicht vorteilhaft ist oder eben nicht.

     

    Besteuerungsrecht für Arbeitstage in der Schweiz oder Drittstaaten

    Das Besteuerungsrecht für Arbeitstage in der Schweiz oder Drittstaaten steht der Schweiz als Ansässigkeitsstaat zu. In der Schweiz hat der Arbeitnehmer eine Einkommensteuererklärung einzureichen.

    Die Geschäftsführerklausel im DBA D/CH

    Neben der Grenzgängerregelung enthält das DBA D/CH eine weitere Sonderregelung für Geschäftsführer/leitende Angestellte ‒ die sog. Geschäftsführerklausel. Sie sieht vor, dass ein in der Schweiz ansässiger Arbeitnehmer, der Geschäftsführer oder leitendender Angestellter einer deutschen Gesellschaft ist, losgelöst vom Tätigkeitsort vollumfänglich steuerpflichtig in Deutschland ist.

     

    Die Grenzgängerregelung hat zwar Vorrang vor der Geschäftsführerklausel. Gleichwohl kann letztere zur Anwendung kommen, wenn die Voraussetzungen für die Grenzgängerregelung nicht mehr erfüllt sind. Steuerlich betrachtet wäre dies sicherlich eines der ungünstigsten Szenarien für einen Geschäftsführer einer deutschen Gesellschaft mit Wohnsitz in der Schweiz.

     

    FAZIT | Aus Sicht eines Grenzgängers aus der Schweiz, der für einen deutschen Arbeitgeber tätig wird, ist die Anwendung der Grenzgängerregelung aus steuerlicher Sicht sehr attraktiv. Denn bei Anwendung der Grenzgängerregelung liegt das Besteuerungsrecht nicht mehr im Tätigkeitsstaat Deutschland, sondern in der Schweiz, die eine im Vergleich zu Deutschland niedrigere Steuer erhebt. In Deutschland wird lediglich eine Quellensteuer von 4,5 Prozent auf die Vergütung erhoben. Grenzgänger sollten daher genau darauf achten, dass sie die Voraussetzungen für die Grenzgängereigenschaft erfüllen. Der Verlust kann ‒ gerade für Geschäftsführer oder leitende Angestellte ‒ sehr teuer werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Beitrag Teil 1: Ausländische Grenzpendler im Inland: Das sind die allgemeinen steuerlichen Regeln, LPG 6/2024, Seite 115 → Abruf-Nr. 49992276
    • Beitrag Teil 2: Ausländische Grenzgänger: Das sind die Regelungen zur Grenzgängerregelung mit Frankreich → Abruf-Nr. 49991926
    Quelle: ID 49994473

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents