20.01.2020 · IWW-Abrufnummer 213648
Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 10.01.2020 – 1 Sa 8/19
Eine Violinistin, die jeweils auf entsprechende Anfrage des Betreibers eines Orchesters und ihre entsprechende Zusage hin teils als Aushilfe in Vertretungsfällen und teils als Verstärkung bei größeren Produktionen in einem Orchester eingesetzt wird, ist nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses tätig. Dies gilt auch dann, wenn die Zusammenarbeit der Parteien über zwanzig Jahre angedauert und der Beschäftigungsumfang zuletzt ca. 1/5 einer Vollzeitbeschäftigung erreicht hat.
In der Rechtssache
- Beklagte/Berufungsklägerin -
Proz.-Bev.:
gegen
- Klägerin/Berufungsbeklagte -
Proz.-Bev.:
hat das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg - 1. Kammer - durch den
Präsidenten des Landesarbeitsgerichts Dr. Natter, die ehrenamtliche Richterin Franzke und den ehrenamtlichen Richter Stocker auf die mündliche Verhandlung vom 04.11.2019
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 27.04.2017 - 3 Ca 11/16 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die am xx.xx.19xx geborene, geschiedene und drei Kindern unterhaltsverpflichtete Klägerin absolvierte in den achtziger Jahren ein Studium der Musik in B.. Anschließend war sie fünf Jahre lang in einem Orchester in B. als Violinistin beschäftigt. Im Jahr 1994 kam die Klägerin mit ihrem damaligen Ehemann, X.Y., nach Deutschland. Herr Y. trat in ein Arbeitsverhältnis als (...) an der Badischen Philharmonie P. ein. Die Klägerin war seit dem Jahr 1994 neben der Betreuung ihrer im Jahr 1996, 2000 und 2003 geborenen Kinder in unterschiedlichem Umfang an der Badischen Philharmonie als Aushilfe tätig. Im Jahre 2010 wurde die Ehe geschieden.
Bei der Badischen Philharmonie P. handelt es sich um ein sogenanntes C-Orchester mit 40 Planstellen. Die Beklagte betreibt das Orchester unter dem Dach des Stadttheaters P.. Die Produktionen des Orchesters umfassen Opern, Operetten, Musicals und Sinfoniekonzerte. Jährlich werden vier bis fünf Sinfoniekonzerte aufgeführt. Da die Größe des Orchesters zuweilen nicht ausreicht, um bestimmte Produktionen zu bewältigen, werden sogenannte Verstärkungen hinzugezogen. Hierbei handelt es sich um freiberuflich tätige Musiker, die als "Gäste" das Orchester ergänzen (vgl. Anlagen B 1 und 2). Außerdem zieht das Orchester immer wieder zu Urlaubs- und Krankheitsvertretungen freiberuflich tätige Musiker heran. Teilweise werden freiberuflich tätige Musiker auch unmittelbar von den fest angestellten Orchestermitgliedern gebeten, wegen dringender privater Termine für sie einzuspringen. Für die Aushilfen und Verstärkungen gibt es einen Pool von rund 30 Musikern, darunter 15 Streicher.
Die Klägerin war seit dem Jahr 1994 ständig in unterschiedlichem Umfang als Verstärkung und Aushilfe bei zahlreichen Produktionen zumeist in der zweiten Violine tätig. Um das Jahr 2000 erfolgte der Einsatz teilweise auf der Grundlage von Arbeitsverhältnissen, die teils zeitbefristet und teils befristet für einzelne Veranstaltungen abgeschlossen wurden (Anlagen K 2, K 8 bis K 12). Nach dem Jahr 2002 schlossen die Parteien keine schriftlichen Arbeitsverträge mehr ab. Die Anfragen, ob die Klägerin zur Aushilfe und zur Verstärkung zur Verfügung stehe, erfolgte in aller Regel telefonisch durch den Mitarbeiter im Betriebsbüro, V.M.. Nur in einem einzelnen dokumentierten Fall erfolgte die Anfrage bei der Klägerin per Mail. So fragte die Leiterin des Betriebsbüros, Frau L., bei der Klägerin mit Mail vom 4. September 2012 an, ob diese bei der Bühnenmusik von "Don Giovanni" einspringen könne (Anl. B 3 und B 4).
Herr M. teilte der Klägerin im Fall der Aushilfe mit, für welchen konkreten Termin sie einspringen solle. Im Falle der Verstärkung teilte er ihr die bereits vor dem Beginn der Spielzeit festgesetzten Aufführungstermine und Probentermine mit. Nach der Darstellung der Klägerin hielt sie sich die Termine für die Symphoniekonzerte im Vorfeld frei, um im Falle einer Anfrage von Herrn M. zur Verfügung stehen zu können. Die Anfragen der Beklagten lehnte die Klägerin, von einem Fall abgesehen, nicht ab. Bei der im Jahr 2009 aufgeführten Oper "Falstaff" teilte sie sich den Einsatz mit einer anderen Musikerin, Frau M. Ko.. In früheren Zeiten wurde die Klägerin zu sämtlichen Probenterminen eingeladen; im späteren Verlauf nahm die Klägerin meist nur noch an den Endproben teil. Nach Darstellung der Klägerin wurden die Probentermine in seltenen Fällen verlegt oder zusätzliche Probentermine angesetzt. Nach Darstellung der Beklagten war dies überhaupt nicht bzw. nur ganz selten der Fall. Den fest angestellten Musikern übersandte das Betriebsbüro den jeweiligen monatlichen Orchester-Dienstplan per Mail (beispielhaft Anl. B 8). Die Klägerin konnte die ausgehängten Dienstpläne in den Räumlichkeiten des Stadttheaters einsehen, wenn sie sich vor Ort befand.
Über die Einsätze der Klägerin als Aushilfe und Verstärkung fertigte die Beklagte im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits eine Aufstellung an (Anl. B 5). Hiernach bezog die Klägerin seit der Spielzeit 2008 Einkünfte zwischen 3.800,00 € und 8.180,00 €. Zwischen den Parteien ist streitig, ob diese Aufstellung sämtliche Einsätze der Klägerin enthält. Zusätzlich zu den aufgeführten Einsätzen nahm die Klägerin gelegentlich an Benefizveranstaltungen teil, ohne ein Honorar zu beanspruchen. Für Proben erhielt die Klägerin einen Betrag von 80,00 €; Aufführungen vergütete die Beklagte mit 120,00 €. Nach Darstellung der Klägerin belief sich ihr monatlicher Bruttoverdienst im Jahr 2015 auf durchschnittlich 681,00 € und im Jahr 2014 auf 640,00 €; die Beklagte errechnete Beträge von 680,00 € und 699,00 €. Neben diesen Einkünften erzielte die Klägerin Vergütungen aus ihrer Tätigkeit als Musiklehrerin. Die bei der Beklagten erzielten Einkünfte machten rund die Hälfte ihres Gesamteinkommens aus. Dieses belief sich etwa im Jahr 2012 auf 9.290,00 €, im Jahr 2013 auf 9.070,00 € und im Jahr 2014 auf 13.471,00 € (Anlagen K 5 bis 7).
Ab März 2016 erhielt die Klägerin keine Anfragen mehr, ob sie zur Aushilfe und zur Verstärkung einspringe. Nach Darstellung der Beklagten beruhte diese Entscheidung auf Vorbehalten des damaligen Generalmusikdirektors gegenüber den künstlerischen Leistungen der Klägerin.
Mit ihrer am 20. Juli 2016 eingegangenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht. Außerdem forderte sie die Herausgabe von Lohnabrechnungen und die Beschäftigung im Umfang von mindestens zehn Arbeitsstunden pro Woche. Sie trug vor, sie habe in den vergangenen Jahren zwischen 80 und 100 Dienste als Aushilfe und Verstärkung geleistet. Zwischen ihr und der Beklagten bestehe ein Arbeitsverhältnis auf Abruf. Der Umfang ihrer Beschäftigung belaufe sich in etwa auf eine 1/4-Stelle. Die Beklagte habe sie als Springerin fest in den Betriebsablauf eingebunden. Sie sei von Herrn M. auf die Teilnahme an den Produktionen angesprochen worden. Sie habe hierbei nicht entscheiden können, an welchen Proben sie teilnehme. Immer wieder sei sie für ganze Produktionen eingesetzt worden. Die Aufstellung der Beklagten (Anl. B 5) sei fehlerhaft, weil sie sich nicht an der üblichen Terminologie von "Diensten" orientiere. Der Probenplan sei gelegentlich geändert worden. Sie habe aber Schwierigkeiten, einzelne Proben zu benennen. Die Anfrage von Frau L. betreffe einen Sonderfall, weil sie zunächst nicht angefragt worden sei, sondern sich im Urlaub befunden habe.
Ein Arbeitsverhältnis mit einem Orchestermusiker könne schon dadurch begründet werden, dass der Musiker immer wieder regelmäßig für einzelne Engagements verpflichtet werde. Die Höhe der Vergütung habe sie nicht aushandeln können. In finanzieller Hinsicht sei sie auf die Einkünfte bei der Beklagten angewiesen gewesen. Die Beklagte habe gewusst, dass sie die "Einladungen" nicht ohne Not habe ausschlagen können. Die Beklagte behaupte selbst nicht, dass sie Einladungen ausgeschlagen habe. Sie sei seit dem Jahr 1994 regelmäßig zu allen Sinfoniekonzerten eingeladen worden.
Die Klägerin beantragte:
Die Beklagte beantragte,
Sie trug vor, zwischen den Parteien bestehe ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin habe eine selbstständige Tätigkeit als Orchesteraushilfe ausgeübt. In den Programmheften sei die Klägerin allenfalls als "Gast" oder überhaupt nicht aufgeführt worden. Die langjährige Tätigkeit der Klägerin spiele für die Statusabgrenzung keine Rolle. Aus den kurzfristigen Beschäftigungen in einem Arbeitsverhältnis könnten keine Schlüsse für die Statusabgrenzung gezogen werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die Beschäftigung eines als Aushilfe tätigen Orchestermusikers auch im Rahmen einer freien Mitarbeit möglich. Die Klägerin habe nicht an allgemeinen Diensten, Orchesterversammlungen oder Personalversammlungen teilgenommen. Von einer durchgehenden Beschäftigung könne keine Rede sein. Die Anfragen seien auf bestimmte Termine und Proben gerichtet gewesen. Die Klägerin sei berechtigt gewesen, alle Anfragen abzulehnen. Dies ergebe sich aus der E-Mail Korrespondenz mit Frau L.; Frau L. habe der Klägerin keine verbindlichen Anweisungen erteilt.
Es treffe zu, dass die Klägerin in einem gewissen Umfang in die Arbeitsabläufe des Orchesters eingebunden gewesen sei. Dies liege jedoch in der Natur der Sache und spreche nicht für ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin sei auch kurzfristig verpflichtet worden. Sie habe in diesem Fall die Musicals oder Operetten ohne vorherige Proben vom Blatt gespielt. Durchschnittlich habe die Klägerin 66 Einsätze pro Spielzeit geleistet. Von einer 1/4-Stelle könne nicht die Rede sein. Die Aufteilung der Dienste mit Frau K. spreche gegen eine zeitliche Weisungsgebundenheit.
Mit Urteil vom 27. April 2017 gab das Arbeitsgericht der Klage in vollem Umfang statt. Zur Begründung führte das Arbeitsgericht aus, die Klägerin sei nicht nur für einzelne musikalische Aufgaben beschäftigt, sondern immer wieder für Produktionen gebucht worden. Aufgrund der kontinuierlichen Beschäftigung der Klägerin über einen Zeitraum von 22 Jahren hinweg sei von einer Regelmäßigkeit der Heranziehung auszugehen. Die Klägerin habe ihre Arbeitszeit nicht frei bestimmen können. Sie habe nicht auswählen können, ob sie nur an einzelnen Terminen für Proben und Aufführungen teilnehme. Zudem seien Probetermine nachträglich verschoben worden. Nur in einem Fall habe die Klägerin eine Anfrage der Beklagten abgelehnt. Dies sei ein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Gleiches gelte für den Umstand, dass in den Jahren 2002 und 2003 befristete Arbeitsverträge abgeschlossen worden seien.
Da zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe, treffe die Beklagte die Pflicht, Lohnabrechnungen zu erstellen. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien sei ein Arbeitsverhältnis auf Abruf. Da eine Vereinbarung über die zu erbringenden Arbeitszeiten der Klägerin nicht getroffen worden sei, habe sie Anspruch auf eine Beschäftigung und Vergütung i.H.v. 10 Wochenstunden.
Gegen das ihr am 28. Juni 2010 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 18. Juli 2017 Berufung ein und begründete diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 28. September 2017. Das Berufungsverfahren wurde zunächst der 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts zugewiesen. Die Beklagte trug im Rahmen der Berufung vor, entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts genüge die langjährige und regelmäßige Beauftragung der Klägerin nicht für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Zu Unrecht stelle das Arbeitsgericht auch darauf ab, dass die Klägerin an zeitlich vorgegebenen Proben habe teilnehmen müssen. Es liege in der Natur der Sache, dass eine Aushilfskraft an der fraglichen Probe oder Aufführung teilnehmen müsse. Das vertraglich vereinbarte Erscheinen der Klägerin sei eine unerlässliche Voraussetzung gewesen. Nach weiteren Nachforschungen könnten sich die Verantwortlichen des Theaters an keinen einzigen Fall einer Verlegung von Proben erinnern. Der Umstand, dass die Klägerin die meisten Einladungen angenommen habe, sei ebenfalls kein Indiz für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Die Korrespondenz mit Frau L. belege, dass unverbindliche Anfragen gestellt worden seien. Bei dem Abschluss von befristeten Arbeitsverhältnissen habe es sich um absolute Ausnahmefälle gehandelt.
Die Beklagte beantragte:
Die Klägerin beantragte,
Sie trug vor, sie sei, wirtschaftlich von der Beklagten abhängig, über einen Zeitraum von 22 Jahren im Wesentlichen gleichförmig als Tuttistin beschäftigt worden. Die Möglichkeit zur Ablehnung von Engagements sei theoretisch gewesen. Die Vorgaben der Beklagten hinsichtlich der Probetermine sprächen für eine Weisungsgebundenheit. Die Beklagte unterscheide nicht hinreichend zwischen der Tätigkeit als Aushilfe und der als Verstärkung. Bei größeren Produktionen habe sie sich dem Probenplan einschließlich der Änderungen unterwerfen müssen. Sie habe weder Einfluss auf das Programm noch auf die gespielten Stücke. Es habe immer wieder eine Änderung der Probenpläne gegeben. Aus dem Mailverkehr mit Frau L. ergäben sich keine Indizien gegen ein Arbeitsverhältnis.
Mit Urteil vom 14. Dezember 2017 - 7 Sa 39/17 - änderte die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts das Urteil des Arbeitsgerichts ab und wies die Klage ab. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht aus, die fehlende Weisungsgebundenheit der Klägerin ergebe sich entscheidend aus dem Umstand, dass dem jeweiligen Vertragsangebot der Beklagten bereits die Einzeldienste nach Anzahl, Dauer und zeitlicher Lage beigefügt gewesen seien. Die Annahme eines solchen Angebotes verpflichte die Klägerin zur Vertragserfüllung und schließe insoweit eine Weisungsgebundenheit aus. Eine Verlegung von Proben sei nach Vertragsabschluss erfolgt. Weder sei die Klägerin verpflichtet gewesen, dem nachzukommen, noch habe der Beklagten das Recht zur einseitigen Änderung der vertraglichen Abrede zugestanden.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 18. September 2018 - 9 AZN 127/18 - das Urteil vom 14. Dezember 2017 auf und verwies den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurück. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Daraufhin entschied die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts mit Urteil vom 14. November 2018 - 7 Sa 82/18 - erneut, dass das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen sei. Zur Begründung führte das Landesarbeitsgericht ergänzend aus, aus den Anlage K 9 bis K 15 ergebe sich, dass zwischen den Parteien die Mitwirkung der Klägerin als krankheitsbedingte Vertretung oder als Verstärkung im Rahmen einer bestimmten Produktion an einer zeitlich festgelegten Veranstaltung vereinbart worden sei. Auch Proben seien zwischen der Klägerin und Herrn M. abgesprochen worden.
Auf die erneute Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hob das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 21. Mai 2019 - 9 AZN 146/19 - auch das Urteil vom 14. November 2018 auf und verwies den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landesarbeitsgerichts zurück. Zur Begründung führte das Bundesarbeitsgericht aus, das Landesarbeitsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör erneut in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Das Landesarbeitsgericht habe sich nicht mit dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 auseinandergesetzt, wonach die Probetermine nicht zum Gegenstand von rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen gemacht worden seien.
Im Rahmen des fortgesetzten, nunmehr der 1. Kammer zugewiesenen, Berufungsverfahrens trägt die Klägerin vor, Herr M. habe bei seinen Anfragen gewusst, dass sie sich die Termine für die Symphoniekonzerte freihalte. Die Gespräche zwischen Herrn M. und ihr hätten im Wesentlichen in einer Terminabstimmung bestanden. Nach Beginn der Probenphase könne es Änderungen bei den Proben geben. Sie sei den geänderten Terminen stets nachgekommen. Den Dienstplan habe sie in den Räumlichkeiten des Theaters zur Kenntnis nehmen können. Der Dienstplan drücke die Anordnung des Theaters gegenüber dem gesamten Orchester in schriftlicher Form aus. Durch ihre fortlaufende Heranziehung sei ein Dauerarbeitsverhältnis entstanden. Selbst wenn man aber Kettenbefristungen annehmen wolle, habe es sich um Zweckbefristungen gehandelt, so dass die Klagefrist erst nach der schriftlichen Unterrichtung beginne. Die Feststellung des Arbeitnehmerstatus werde ab dem 1. Januar 2014 begehrt.
Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe das Vorliegen eines durchgängigen Arbeitsverhältnisses nicht hinreichend dargelegt. Das Vorbringen der Klägerin beziehe sich vorwiegend auf die Sinfoniekonzerte. Dabei sei die Klägerin überwiegend bei Opern, Operetten und Musicals eingesetzt worden. Bei der Statusabgrenzung sei nach drei Phasen zu unterscheiden: Die Einstudierungsphase, die Probenphase und die Aufführungsphase. Hierbei gebe die Aufführungsphase der Dienstleistung das Gepräge. In der Mehrzahl der Fälle habe die Klägerin nur an wenigen der angesetzten Proben teilgenommen. Hinsichtlich der Aufführungstermine habe kein Weisungsrecht bestanden. Die Klägerin habe sich zu keinem Zeitpunkt auf eine feste Stelle beworben. In diesem Fall hätte sie sich nach der Probespielordnung einem so genannten Probespiel stellen müssen. Schließlich sehe der einschlägige Tarifvertrag eine Teilzeitarbeit nur zu einem Volumen von mindestens 50 % vor. Sie bestreite, dass die Klägerin Herrn M. stets eine Zusage gegeben habe. Sie bestreite außerdem, dass sich die Klägerin die Termine für die Sinfoniekonzerte freigehalten habe. Die Klägerin habe keiner ständigen Dienstbereitschaft unterlegen.
Seit September des Jahres 2017 wurde die Klägerin im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde von der Beklagten innerhalb der Probezeit beendet.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 64 Abs. 6 ArbGG, § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle über die mündlichen Verhandlungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64 Abs. 2 Buchst. c) ArbGG statthaft. Sie ist auch gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG, § 519, 520 ZPO in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Gegenstand der Berufung sind die ursprünglichen Klageanträge der Klägerin, hierbei der Klageantrag zu 1 mit der Maßgabe, dass das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses ab dem 1. Januar 2014 begehrt wird.
II.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Kammer kann sich nicht der Auffassung des Arbeitsgerichts anschließen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden hat bzw. noch besteht. Infolgedessen sind die, als uneigentliche Hilfsanträge auszulegenden, Klageanträge zu 2 und 3 nicht mehr zu Entscheidung angefallen.
1. Das Arbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klage zulässig ist.
a) Soweit die Klägerin für die Zukunft die Feststellung begehrt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, ist eine derartige Statusfeststellungsklage nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BAG 20. Juli 1994 - 5 AZR 169/93 - Rn 31) zulässig. Dies gilt auch dann, wenn bereits im Verlaufe des Statusprozesses erkennbar wird, dass später über einzelne Arbeitsbedingungen gestritten werden könnte (etwa im vorliegenden Fall etwa über die Höhe der Vergütung der Klägerin). Der Antrag der Klägerin ist im Übrigen dahingehend auszulegen, dass sie die Feststellung eines einheitlichen unbefristeten Arbeitsverhältnisses begehrt. Denkbar wäre im Streitfall auch das Zustandekommen einzelner, auf die jeweilige "Einladung" bezogene befristete Arbeitsverhältnisse. Dies würde jedoch nicht dem klägerischen Begehren entsprechen, durch eine Dauerrechtsbeziehung zur Beklagten künftig wirtschaftlich abgesichert zu sein.
b) Die Klage ist ebenfalls zulässig, soweit die Klägerin ihren Arbeitnehmerstatus für die Vergangenheit festgestellt wissen möchte. Die Feststellung des Beginns des Arbeitsverhältnisses kann für etwaige hieran anknüpfende Ansprüche der Klägerin Bedeutung gewinnen (etwa die betriebliche Altersversorgung). Damit ist auch für die begehrte vergangenheitsbezogene Feststellung das erforderliche rechtliche Interesse gegeben (BAG 17. April 2013 - 10 AZR 272/12 - Rn. 29).
2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts bestand bzw. besteht zwischen den Parteien seit dem Jahr 2014 kein Arbeitsverhältnis.
a) Unstreitig haben die Parteien seit dem Jahr 1994 zahlreiche Dienstverträge (und darüber hinaus um die Jahrtausendwende auch vereinzelt befristete Arbeitsverträge, vgl. die Anlagen K 2, K 8 bis K 12), bezogen auf einzelne Einsätze oder eine Mehrheit von Einsätzen, geschlossen. Hiernach hat sich die Klägerin der Leistung von Diensten als Violinistin (Tuttistin) verpflichtet. Schriftliche Verträge haben die Parteien, abgesehen von den früher vereinbarten befristeten Arbeitsverträgen, nicht geschlossen. Es ist aber unstreitig, dass die Parteien seit vielen Jahren regelmäßig in einem Austauschverhältnis stehen. Die Klägerin erhielt für die erbrachten Dienstleistungen für jeden Einsatz Honorare, hierbei zuletzt für jede Probe 80,00 € und für jede Aufführung 120,00 €.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die zwischen den Parteien vereinbarten Rechtsverhältnisse rechtlich nicht als ein einheitliches Arbeitsverhältnis, sondern als eine Vielzahl von freien Dienstverhältnissen einzuordnen.
aa) Ausgangspunkt ist hierbei die seit 1. April 2017 geltende Vorschrift des § 611a Abs. 1 BGB, mit der der Gesetzgeber im Wesentlichen die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung kodifiziert hat (Bundestags-Drucksache 18/9232 S. 31). Hiernach unterscheidet sich ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt.
Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist letztere maßgeblich, weil sich aus der praktischen Handhabung der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen Rechten und Pflichten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben (st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 21. Mai 2019 - 9 AZR 295/18 - Rn. 13; BAG 21. November 2017 - 9 AZR 117/17 - Rn. 23).
bb) Diese allgemeinen Grundsätze hat das Bundesarbeitsgericht für den Bereich der Musikschaffenden in verschiedenen Entscheidungen konkretisiert: In einem Urteil vom 14. Februar 1974 (5 AZR 298/73 - Rn. 21) wertete es den Umstand, dass sich der damalige Kläger über einen langen Zeitraum hinweg für die Beklagte in Bereitschaft gehalten hatte, als Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Zudem forderte das Bundesarbeitsgericht einen Sachgrund für die Wahl der Rechtsform eines freien Mitarbeiterverhältnisses (Rn. 34). Dieser Gesichtspunkt ist allerdings in späteren Entscheidungen nicht mehr aufgegriffen worden. Er fände auch in § 611a BGB keine Stütze.
In der folgenden Entscheidung vom 3. Oktober 1975 (5 AZR 427/74 - Rn. 28) vertrat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, dass es bei der Wahrnehmung der einzelnen Orchesterdienste keine typischen Unterschiede zwischen einem Arbeitnehmer und einem freien Mitarbeiter gebe. Das Merkmal der Weisungsgebundenheit sei insoweit als Abgrenzungsmerkmal untauglich. Maßgeblich sei, ob die Orchesterleitung die Musiker unabhängig von ihrer Rechtsstellung nach ihren Bedürfnissen eingeteilt und die Dienstliste den Musikern bekanntgegeben habe. Auf den Gesichtspunkt der einseitigen Heranziehung stellte das Bundesarbeitsgericht auch im Urteil vom 7. Mai 1980 (5 AZR 593/98) ab.
Diesen rechtlichen Gesichtspunkt vertiefte das Bundesarbeitsgericht in den Folgeentscheidungen vom 22. August 2001 (5 AZR 502/99 - Rn. 17) und vom 9. Oktober 2002 (5 AZR 405/01 - Rn. 24). In beiden Entscheidungen vertrat es die Auffassung, die Beschäftigung als Orchestermusiker sei nicht nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses, sondern auch im Rahmen von freier Mitarbeit möglich. Maßgebend sei, ob der Orchestermusiker seine Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten könne oder insoweit einem umfassenden Weisungsrecht der Orchesterleitung unterliege. Auszugsweise heißt es in beiden Entscheidungen:
Diese Aussagen hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 7. Februar 2007 (5 AZR 270/06) erneut aufgegriffen. Hierbei hat das Bundesarbeitsgericht hervorgehoben, dass bei musikalischen Produktionen die Aufführung als Vertragsgegenstand im Vordergrund stehe. Bei der Prüfung der Weisungsgebundenheit müsse die dienende Funktion der Proben angemessen berücksichtigt werden. Im konkreten Fall leitete es aus der Vertragsklausel, die Premiere um eine gewisse Zeit zu verschieben, kein zeitliches Weisungsrecht ab. Allerdings betraf der Streitfall eine punktuelle Zusammenarbeit der Parteien bei einer einzelnen Produktion.
cc) Von denselben Grundsätzen geht auch das Bundessozialgericht bei der Feststellung eines sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses aus. Auch das Bundessozialgericht stellt darauf ab, ob der jeweilige Künstler einem Weisungsrecht unterliegt, das wegen der Notwendigkeit des Zusammenwirkens im Ensemble über die Festlegung gewisser "Eckpunkte" der Aufführungen wie deren Beginn und Ende sowie den groben Inhalt der künstlerischen Tätigkeit hinausgeht (BSG 20. März 2013 - B 12 R 13/10 R - Rn. 21). Bei der Mitwirkung an Orchesteraufführungen ergebe sich wegen den mit der vertraglich vereinbarten Dienstleistung verbundenen Notwendigkeiten sowohl die zeitliche und örtliche Abhängigkeit als auch eine gewisse Vorgabe der künstlerischen Darbietung aus der besonderen Eigenart der Tätigkeit (BSG 14. März 2018 - B 12 KR 3/17 R - Rn. 15). Die Gebundenheit an den Ort der Spielstätte, die festgesetzte Spielzeit und den "groben" Inhalt einer Darbietung sei der Tätigkeit eines Bühnenkünstlers immanent. Es handele sich hierbei nicht um konkrete arbeitskraftbezogene Weisungen.
dd) Die Kammer folgt den neueren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundessozialgerichts und legt sie der nachfolgenden Würdigung des Sachverhalts zugrunde. Bindungen in örtlicher und fachlicher Hinsicht sind hiernach der Tätigkeit eines Orchestermusikers immanent. Er kann seine Tätigkeit nur dann erbringen, wenn sich das Ensemble an einem bestimmten Ort unter der künstlerischen Leitung eines Orchesterleiters zusammengefunden hat. Als maßgebliches Abgrenzungskriterium bleibt somit, ob der Orchestermusiker in zeitlicher Hinsicht seine Arbeitszeit noch im Wesentlichen frei gestalten kann oder ob er insoweit einem umfassenden Weisungsrecht der Orchesterleitung unterliegt. Die Orchesterleitung muss einseitig über die Arbeitszeit des Musikers verfügen können. Ein Bereithalten des Musikers zur Aufnahme von Diensten reicht für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses allein nicht aus. Soweit das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 14. Februar 1974 auf diesen Gesichtspunkt abgestellt hat, geschah dies im Rahmen einer einzelfallbezogenen Würdigung des damaligen Sachverhalts.
c) Nach diesen rechtlichen Maßstäben kann im Streitfall eine arbeitsrechtliche Weisungsgebundenheit der Klägerin nicht festgestellt werden.
aa) Der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Violinistin nur in den Räumlichkeiten des Stadttheaters und nur im Rahmen der künstlerischen Konzeption des Orchesterleiters erbringen konnte, führt - wie oben ausgeführt - nicht zu einer örtlichen und fachlichen Weisungsgebundenheit im arbeitsrechtlichen Sinn.
bb) Was die zeitliche Weisungsgebundenheit angeht, so ist zwischen der Tätigkeit der Klägerin als Aushilfe und derjenigen als Verstärkung zu unterscheiden.
(1) Bei rund der Hälfte ihrer Einsätze war die Klägerin als Aushilfe tätig. Hierbei haben beide Parteien den Ablauf in ihren Schriftsätzen vom 7. und 24. Oktober 2019 übereinstimmend wie folgt geschildert: Herr M. fragte bei der Klägerin telefonisch an, ob sie bei einem bestimmten Aufführungstermin einspringen könnte. Sagte die Klägerin zu, so spielte sie das jeweilige Werk "vom Blatt". Dass die Klägerin zuvor an den Proben nicht teilgenommen hat, wurde in Kauf genommen. Der Umstand, dass Herr M. gerade bei der Klägerin anfragte, ergab sich aus dem Umstand, dass die Klägerin ortsnah wohnte und ihre musikalischen Fähigkeiten aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit bekannt waren.
Kennzeichnend für die Dienstleistung der Klägerin als Aushilfe ist, dass der Zeitraum ihrer Dienstleistung konkret festgelegt war. Wäre die Klägerin verhindert gewesen, hätte sie zwangsläufig absagen müssen. Beiden Parteien war klar, dass die Dienstleistung der Klägerin mit der zeitlichen Bindung "steht und fällt". Entgegen der Interpretation der Klägerin beinhalteten die Telefonate zwischen Herrn M. und ihr damit nicht eine bloße Terminsabstimmung, sondern hatten einen rechtsgeschäftlichen Inhalt. Beiden Parteien war klar, dass ohne eine rechtliche Bindung der Klägerin an den Zeitpunkt ihrer Dienstleistung diese Dienstleistung keinen Sinn machte.
(2) Zu ungefähr weiteren 50 % ihrer Tätigkeit wurde die Klägerin als Verstärkung angefragt. Hierbei handelte es sich um einen Einsatz bei der jeweiligen Produktion, also bei Opern, Operetten, Musicals und Sinfoniekonzerten. Unstreitig standen die Aufführungstermine für die jeweiligen Produktionen bereits vor der jeweiligen Spielzeit fest. Gleiches galt auch für die jeweiligen Proben, die in den Orchesterdienstplänen festgelegt wurden. Streitig ist zwischen den Parteien geblieben, in welchem Umfang Proben verlegt wurden oder in welchem Umfang weitere Proben angesetzt wurden. Diese Frage wurde in der Berufungsverhandlung ausführlich thematisiert. Auf Nachfrage erklärte die Klägerin, es habe sich um seltenere Fälle gehandelt. Der Streit der Parteien reduziert sich somit auf die Frage, ob Verlegungen nicht oder ganz selten (so die Beklagte) oder in seltenen Fällen (so die Klägerin) stattfanden. In den früheren Spielzeiten erfolgte die Einladung der Klägerin für sämtliche Proben der jeweiligen Produktion; in den späteren Spielzeiten beschränkte sich die Einladung auf die Endproben.
Ebenso wie bei der Anfrage der Klägerin als Aushilfe lassen sich die Absprachen zwischen Herrn M. und der Klägerin nicht auf eine bloße Terminsabstimmung reduzieren. Beiden Parteien war bewusst, dass die Klägerin an den vereinbarten Proben und Aufführungen teilzunehmen hatte. Wie bei der Aushilfe sollte der Klägerin nicht freistehen, ob sie die Termine wahrnahm oder nicht. Anders als die Klägerin meint, hatten aufgrund des bestehenden Rechtsbindungswillens der Parteien die Absprachen zwischen ihr und Herrn M. einen rechtsgeschäftlichen Inhalt.
(3) In beiden Fallgestaltungen verfügte Herr M. nicht einseitig über die Arbeitszeit der Klägerin. Er teilte die Klägerin nicht zu den Orchesterdiensten wie die fest angestellten Musiker ein, indem er ihr wie diesen den Orchesterdienstplan bekannt gab. Er hätte die Klägerin im Falle einer Absage nicht wegen Vertragsbruchs gerügt oder abgemahnt, sondern schlicht eine/n andere/n Musiker/in aus dem Pool angefragt. Dies gilt für Proben und Aufführungen in gleicher Weise. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die Aufführungen die Dienstleistung eines Orchestermusikers auch arbeitsrechtlich so prägen (so die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 S. 4 ff), dass die Proben in den Hintergrund treten.
cc) Die sonstigen Umstände des Einzelfalles lassen sich ebenfalls nicht für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses anführen.
(1) Dass sich die Klägerin (von der Beklagten bestritten) den Zeitraum vor den Sinfoniekonzerten freihielt, um bei Anfragen von Herrn M. zur Verfügung zu stehen, und dessen Anfragen bis auf einen Fall niemals ablehnte, beinhaltet kein Indiz für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Herr M. teilte die Klägerin nicht einseitig ein, sondern fragte vor jedem Einsatz als Aushilfe und Verstärkung an, ob diese zur Verfügung stehe. Dass die Klägerin die angebotenen Einsätze nicht ablehnte, ja geradezu auf die Anfragen von Herrn M. wartete, war schlicht ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation geschuldet. Aufgrund dieser Situation ging auch Herr M. davon aus, dass die Klägerin regelmäßig auch zusagen werde. Davon, dass er aber rechtlich eine Dienstbereitschaft der Klägerin erwartete, kann nicht gesprochen werden. Denn im Falle einer Absage der Klägerin hätte Herr M. ohne Weiteres auf einen relativ großen Pool von 15 Streichern zurückgreifen können. Für Herrn M. war es aus den erwähnten Gründen ein Vorzug, die Klägerin ansprechen zu können. Er war aber nicht auf eine Zusage der Klägerin angewiesen. Unter diesen Umständen lässt sich eine Verpflichtung zur ständigen Dienstbereitschaft nicht annehmen.
(2) Gegen den Arbeitnehmerstatus der Klägerin lässt sich zudem anführen, dass die Beklagte jedenfalls nicht durchweg auf eine persönliche Dienstleistung durch die Klägerin ankam. So vereinbarten die Parteien im Falle der Oper "Falstaff", dass sich die Klägerin die Tätigkeit als Verstärkung mit Frau K. teile. Zwar ist ein "Jobsharing" auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses möglich. Wenn aber wie im Streitfall auch andere Umstände auf das Vorliegen eines freien Mitarbeiterverhältnisses hindeuten, verstärkt die fehlende Verpflichtung zur persönlichen Dienstleistung die anderen Indizien.
(3) Für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses lässt sich schließlich nicht anführen, dass die Beklagte in früheren Zeiten ausdrücklich befristete Arbeitsverträge mit der Klägerin abschloss. Mit diesen Arbeitsverhältnissen wollte sich die Beklagte offenkundig ein weitergehendes Weisungsrecht vorbehalten, als ihr im Rahmen einer freien Mitarbeit zusteht. Seit dem Jahr 2002 hat die Beklagte hiervon keinen Gebrauch mehr gemacht, weil sie offenbar ein weitergehendes Weisungsrecht nicht für erforderlich hielt, um den Orchesterbetrieb im Falle der Aushilfe und der Verstärkung aufrecht zu erhalten.
dd) Im Rahmen der durch § 611a Satz 4 BGB ausdrücklich geforderten wertenden Gesamtbetrachtung überwiegen die gegen das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sprechenden Gesichtspunkte deutlich die gegenteiligen Umstände. So machte die Orchesterleitung allenfalls in seltenen Fällen (nach dem bestrittenen Vorbringen der Klägerin) von einem Weisungsrecht in zeitlicher Hinsicht durch die Verlegung von Proben oder das zusätzliche Ansetzen von Proben Gebrauch. Geht man insoweit vom Sachvortrag der Klägerin aus, so ist auch dieser Umstand durch die Eigenart des vorliegenden Arbeitsverhältnisses bedingt. Die Gesamtleistung eines Orchesterensembles macht es notwendig, entweder das gesamte Orchester oder zumindest bestimmte Gruppen des Orchesters zu einer verlegten oder zusätzlich angesetzten Probe zu laden. Mit den künstlerischen Ansprüchen wäre es nicht zu vereinbaren gewesen, die Klägerin von verlegten oder zusätzlichen Proben auszunehmen. Da derartige verlegte oder zusätzliche Proben nur in seltenen Fällen anberaumt wurden, prägten sie das Rechtsverhältnis der Parteien jedenfalls insgesamt nicht.
Auch dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin nur in einem Fall die angebotenen Dienste abgelehnt hat, kommt im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung keine streitentscheidende Bedeutung zu. Anders als in den von der Klägerin herangezogenen Cutter-Fällen (BAG 17. April 2013 - 10 AZR 272/12 - Rn. 27 und 10 AZR 668/12 - Rn. 26) kann die Kammer im Streitfall nicht die regelhafte Erwartung der Beklagten feststellen, die Klägerin werde die ihr angebotenen Dienste übernehmen. Auch unter Berücksichtigung der vom Bundesarbeitsgericht angeführten "Schattierungen und fließenden Übergänge" lässt sich im Streitfall keine Erwartung der ständigen Dienstbereitschaft annehmen. Herr M. hätte ohne Weiteres auf andere freiberuflich tätige Musiker zurückgreifen können, wenn ihm die Klägerin eine Absage erteilt hätte.
Bei dieser Sachlage können die langjährige Zusammenarbeit zwischen den Parteien und die von der Kammer durchaus gesehene schwierige wirtschaftliche Lage der Klägerin nicht zu einer anderen rechtlichen Betrachtung führen. Auch in anderen Zusammenhängen (vgl. nur das zunehmend auftretende Crowdworking und andere Fallgestaltungen der prekären Solo-Selbständigkeit) sind solche Erscheinungen zu beobachten. Eine langjährige Zusammenarbeit mit einem bestimmten Auftraggeber kann zu einer wirtschaftlichen Abhängigkeit führen, begründet aber für sich allein noch kein Arbeitsverhältnis. Es ist die Aufgabe des Gesetzgebers, insoweit die für eine angemessene soziale Absicherung von Selbständigen notwendigen Regelungen zu schaffen.
d) Der nachgereichte Schriftsatz der Klägerin vom 27. November 2019 erfordert keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Er enthält kein neues tatsächliches Vorbringen, sondern "nur" eine Auseinandersetzung mit der in der Berufungsverhandlung bekannt gegebenen Rechtsauffassung der Kammer.
III.
Die Klägerin hat gemäß § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie unterlegen ist. Die Pflicht zur Kostentragung umfasst auch die Kosten der beiden erfolgreich geführten Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren, weil die Klage letztlich erfolglos blieb. Für die Zulassung der Revision bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG keine Veranlassung. Die Kammer hatte über keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden. Vielmehr hat die Kammer eine Einzelfallwürdigung auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vorgenommen. Die Kammer ist auch von keiner divergenzfähigen Entscheidung eines anderen Gerichts abgewichen. Anders als die Klägerin meint, sieht sich die Kammer im Einklang mit den oben angeführten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts.