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  • 01.03.2006 | AGB

    Renovierung bei Wohnraum: eine unendliche Geschichte?

    von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

    Für Formularklauseln bei Wohnraum ist Folgendes typisch: Es werden keine Aussagen zur Anfangsrenovierung bei Beginn des Mietverhältnisses getroffen, die laufenden Renovierungsarbeiten werden auf den Mieter abgewälzt und zur Ausführung der Schönheitsreparaturen besteht ein „weicher“ Fristenplan. Der Mieter wird nicht durch eine besondere Klausel zur Endrenovierung verpflichtet. Angefangenen Renovierungszeiträumen wird unter Bezugnahme auf die Renovierungsfristen durch eine Abgeltungsklausel Rechnung getragen. Dies entsprach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung (zuletzt BGH MK 05, 41, Abruf-Nr. 050474). Das Arbeiten mit „starren“ Fristen innerhalb der Abgeltungsklausel wird jetzt vom LG Hamburg für unzulässig gehalten (ZMR 05, 791, Abruf-Nr. 060339 – entgegen dortiger Einschätzung rechtskräftig!). Dies gibt Anlass, das nach §§ 305 ff. BGB durch Formularklauseln regelbare Szenario der Renovierungspflichten bei Wohnraum zusammenzufassen und daraus Beratungshinweise für Abgeltungsklauseln bei laufenden und neu abzuschließenden Mietverhältnissen zu konturieren.  

     

    Ausgangsszenario der Rechtsprechung

    Als gesicherte Erkenntnis lassen sich folgende Regeln zusammentragen, die die Rechtsprechung in Bezug auf Schönheitsreparaturen ausgebildet hat:  

     

    Checkliste: Schönheitsreparaturen – Übertragung, Ausführung und Abgeltung
    • Anfangsrenovierung: Klauseln, die den Mieter zur Anfangsrenovierung auf seine Kosten verpflichten, sind unwirksam. Der Mieter soll nur für den Renovierungsbedarf einstehen müssen, der sich während seiner eigenen Nutzung ergibt. Eine Abwälzung wird aber für zulässig gehalten, wenn der Vermieter dem Mieter hierfür ein Entgelt zahlt (Börstinghaus, DWW 05, 92; BGH NJW 98, 3114; KG DWW 05, 68; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., III Rn. 1075, V Rn. 207). Daraus ergeben sich drei zulässige Gestaltungsalternativen:
    • Der Mieter zieht in eine unrenovierte Wohnung ein. Er renoviert selbst freiwillig – ohne vertragliche Verpflichtung – und auf eigene Kosten.
    • Der Vermieter bezahlt eine Anfangsrenovierung, zu der er den Mieter vertraglich verpflichtet hat.
    • Der Vermieter vermietet bereits renoviert.

     

    • Laufende Renovierungsarbeiten: Der Mieter darf zu laufenden Renovierungsarbeiten während des vollzogenen Mietverhältnisses für die Dauer seiner Nutzung verpflichtet werden. Das kann auf der Grundlage eines „weichen“ Fristenplans erfolgen, bei dem die Renovierungsintervalle nur als Regel gelten und nicht starr in jedem Fall einzuhalten sind (BGH MK 04, 163, Abruf-Nr. 042062). Hinzutreten muss immer ein tatsächlich entstandener Renovierungsbedarf (BGH MK 05, 116, Abruf-Nr. 051042). Die Fristenpläne müssen stets ab dem Beginn des Mietverhältnisses laufen, damit der Mieter nicht für die Abnutzung seines Vorgängers einstehen muss (BGH NJW 98, 3114).

     

    • Endrenovierung: Formularklauseln, die unabhängig von Fristenplänen und unabhängig von eingetretenem Renovierungsbedarf zur Endrenovierung bei Auszug verpflichten, sind unzulässig.

     

    Daher kann sich eine Renovierungspflicht bei Mietende nur ergeben, wenn die Endrenovierungsklausel auf die Fristenintervalle während des laufenden Mietvertrags Bezug nimmt und fordert, dass daneben ein Renovierungsbedarf entstanden ist (BGH NJW 98, 3114; NJW 03, 2234; NJW 03, 3192).

     

    • Abgeltungsklausel: Abgeltungsklauseln (Quotenklauseln) unterlagen bisher keinen Bedenken, auch wenn sie an starre Fristen als Berechnungsgrundlage anknüpften (BGH, RE, DWW 88, 314; OLG Stuttgart NJW 82, 1294). Obwohl der BGH für die laufenden Renovierungsintervalle weiche Fristen gefordert hatte, bestätigte er diese ältere Rechtsprechung bezüglich der Zulässigkeit starrer Fristen innerhalb der Abgeltungsklauseln mehrfach (BGH MK 04, 154, Abruf-Nr. 041910; NZM 04, 903). Dies lässt sich logisch und dogmatisch kaum erklären. Deshalb scheint sich ein Wandel in der h.M. zu den Abgeltungsklauseln im Wohnungsmietrecht anzubahnen. Das LG Hamburg hat eine Klausel, die auf starren Fristen beruht, erstmals rechtskräftig verworfen (a.a.O., s.o., S. 39). Auch der für das Wohnraummietrecht zuständige 8. Senat des BGH würde nach den Äußerungen eines Mitglieds heute nicht noch einmal so entscheiden (hinweisend: Börstinghaus, DWW 05, 92). In der Literatur ist die Wirksamkeit einer Quotenklausel mit „starren“ Fristen ebenfalls mehrfach hinterfragt worden (für die Unwirksamkeit: Wiek, WuM 05, 10; Harsch, WuM 04, 706; Fischer, WuM 05, 284).Auch wenn der BGH die inzwischen rechtskräftige Entscheidung des LG Hamburg nicht zu überprüfen haben wird, ist doch mittelfristig mit einem Umschwung auch in seiner Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Abgeltungsklauseln nur noch mit „weichen“ Fristen zu rechnen. Danach sind die Zulässigkeitskriterien einer solchen Klausel wie folgt zusammenzustellen:

     

    • Die Fristen und Prozentsätze müssen sich an den üblichen Renovierungsfristen (Mustermietvertrag 76) ausrichten und dürfen nur als Regel, nicht als starre Größe gelten.
    • Ein völliger Kostenersatz ist unzulässig, da er der Vornahmepflicht zur Renovierung gleich käme.
    • Der Kostenvoranschlag des Vermieters darf nicht verbindlich vorgegeben werden. Dem Mieter ist die Möglichkeit einzuräumen, selbst einen Kostenvoranschlag beizubringen.
    • Dem Mieter darf nicht untersagt werden, zur Abwendung seiner Zahlungspflicht vor Ende des Mietverhältnisses selbst zu renovieren (BGH NZM 04, 903).

     

    Praxishinweis: Es empfiehlt sich, Abgeltungsklauseln bei Wohnungsmietverträgen künftig mit „weichen“ Fristen zu versehen, die eine Regel vorgeben, von der nur ausnahmsweise abgewichen werden kann, wenn der Wohnungszustand im Hinblick auf die malermäßige Instandhaltung besonders gepflegt erscheint und deswegen eine Verlängerung der Renovierungsintervalle angezeigt ist.
     

    Vertrauensschutz für alte Klauseln in bestehenden Verträgen

    Im Hinblick auf die noch vorherrschende Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit von Abgeltungsklauseln mit starren Berechnungsfristen ist an einen Vertrauensschutz des Klauselverwenders innerhalb bestehender Rechtsverhältnisse zu denken. Der BGH selbst hat einen solchen Vertrauensschutz im Fall einer sich grundlegend ändernden Rechtsprechung bereits anerkannt (BGH 7.3.03, II ZR 56/02, n.v., Abruf-Nr. 030971, zur Haftung des eintretenden Gesellschafters). Gerade für den Fortbestand von Formularklauseln bei sich ändernder Rechtsprechung und bei sich ändernder Gesetzeslage ist auf die Rechtsprechung und die Literatur zu § 28 AGBG zurückzugreifen. Die Vorschrift sah als Überleitungsregelung zur Einführung des AGBG Zulässigkeit, Umfang und Grenzen eines Eingriffs des neuen AGB-Rechts auf bestehende Verträge vor. Zwar sollte das AGBG grundsätzlich auch auf Altverträge anzuwenden sein, doch sollten Eingriffe nur insoweit vorgenommen werden dürfen, als der unveränderte Fortbestand der Altverträge „in unerträglichem Widerspruch“ zu den grundlegenden Wertungsmaßstäben des AGBG stünde (grundlegend BGH BGHZ 91, 375; OLG Hamburg ZMR 95, 531; Löwe/v. Westphalen/Trinkner, AGBG, § 28, Rn. 8). Die heutige Überleitungsvorschrift zur Transformation des AGBG in §§ 305 ff. BGB mit dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zum 1.1.02 – Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB – ist § 28 AGBG nachgebildet, so dass diese Grundsätze auch hier anzuwenden sind.