Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.01.2007 | Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

    Das müssen Vermieter wissen

    von RA Frank Georg Pfeifer, Düsseldorf

    Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist am 18.8.06 in Kraft getreten (BGBl. I 06, S. 1897). Mit dem Gesetz werden verschiedene EG- Richtlinien in nationales Recht umgesetzt. Bestimmte Benachteiligungen bei Begründung, Durchführung, Kündigung und Abwicklung von Schuldverhältnissen sollen so verhindert oder beseitigt werden. Der folgende Beitrag fasst zusammen, was Sie wissen müssen, um Rat suchende Vermieter optimal zu beraten. In den nächsten Ausgaben von „Mietrecht kompakt“ werden wir über die Folgen eines Verstoßes gegen das AGG sowie über weitere Praxisprobleme berichten.  

     

    Checkliste: Die 12 häufigsten Vermieterfragen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz

    1. Welche Benachteiligungsmerkmale sieht das AGG vor? 

    Nach § 1 AGG sind dies Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle Identität. Zwar ist der Katalog der Benachteiligungsmerkmale in § 1 AGG abschließend geregelt, doch ist für die Zukunft völlig offen, ob die Gerichte in Zweifelsfällen eine Regelungslücke im AGG bejahen. Es ist denkbar, dass zu deren Ausfüllung andere Benachteiligungsmerkmale analog angewendet werden, die im europäischen Recht geregelt sind. Solche zusätzlichen Merkmale wären etwa: Hautfarbe, nationale Herkunft oder Volkszugehörigkeit, Sprache, politische oder sonstige Anschauung, soziale Herkunft, Vermögen oder Geburt, genetische Merkmale und Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit.  

     

    2. Wer wird geschützt? 

    Geschützt ist der Einzelne, aber auch dessen Angehörige oder die mit ihm zusammenlebenden Personen, Kinder, Ehegatten, Lebenspartner usw. Während Art. 3 GG (Gleichheitssatz) ein Abwehrrecht gegen den Staat gibt, das nur mittelbar im Wege der Drittwirkung auf zivilrechtliche Beziehungen einwirkt, zielt das AGG unmittelbar auf die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander. Soweit das Schwergewicht des § 2 AGG auf dem Schutz des Arbeitnehmers liegt, könnte das zu der Annahme führen, das AGG gelte nur für Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Auch wird nur Wohnraum in § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG ausdrücklich erwähnt.  

     

    Der Anwendungsbereich des AGG ist indes weit gezogen. Denn mit dem dortigen Begriff „Dienstleistung“ werden auch Geschäftsbesorgungsverträge, Finanzdienstleistungen, Kredit- und Versicherungsverträge, Leasingverträge etc. erfasst (BR-Drucksache 329/06, S. 32). Geschützt ist daher auch der, der als Einzelhändler (= Unternehmer i.S.d. § 14 BGB) ein Ladenlokal anmieten möchte. Dies gilt auch, wenn die Gewerberaumvermietung für den Vermieter kein Massengeschäft nach § 19 Abs. 5 AGG ist (a.A. Warnecke, DWW 06, 273). Daher fällt auch – begrenzt durch Ausnahmeregelungen, etwa § 20 AGG – die Vermietung von Geschäftsraum unter das AGG (Zorn, WuM 06, 591). Inwieweit etwa größere Unternehmen oder sogar Großunternehmen in den Schutzbereich des AGG einzubeziehen sind, kommt auf den Einzelfall an. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen müssen (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG).  

     

    Das Benachteiligungsverbot gilt auch bei preisfreiem oder öffentlich gefördertem Wohnraum, gewerblicher Zwischenvermietung, Wohnheimen, öffentlich-rechtlicher Wohnraumzuweisung nach Sozialrecht oder § 2 HausratVO, Geschäftsraum, Grundstücken, Nachmietergestellung (Zorn, WuM 06, 594) und sogar bei privater Untermiete (vgl. aber zu Letzterem § 19 Abs. 5 S. 1und 2 AGG). 

     

    3. Sind alle Benachteiligungsmerkmale gleichermaßen zu berücksichtigen? 

    Nein. Das Benachteiligungsverbot wegen „Rasse und ethnischer Herkunft“ gilt unabhängig von der Anzahl der vermieteten Wohnungen, also auch, wenn nur eine Wohnung vermietet wird (zur Einliegerwohnung s.u.). Für die anderen Benachteiligungsmerkmale des AGG gilt § 19 Abs. 1, 3bis 5 AGG: Wer mehr als 50 Wohnungen zum nicht nur vorübergehenden Gebrauch vermietet, darf einen Mieter auch – also über Rasse und ethnische Herkunft hinausgehend – nicht wegen der anderen o.g. Merkmale benachteiligen. Bei weniger als 50 Wohnungen sind derartige Benachteiligungen aber zulässig. Denn dann liegt kein Massengeschäft nach § 19 Abs. 1 AGG vor, so dass nur § 19 Abs. 2i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG zu beachten ist. Wichtig: Die Zahl von 50 Wohnungen gilt nicht absolut, sondern „in der Regel“. Daher kann die Grenze auch bei weniger als 50 Wohnungen zu ziehen sein (Lützenkirchen, MietRB 06, 252).  

     

    Für Privatvermieter bedeutsam ist vor allem § 19 Abs. 5 AGG. Danach gilt das Benachteiligungsverbot nicht für zivilrechtliche Schuldverhältnisse, bei denen ein besonderes Nähe- oder Vertrauensverhältnis der Parteien oder ihrer Angehörigen begründet wird. Bei Mietverhältnissen kann dies der Fall sein, wenn die Parteien oder ihre Angehörigen Wohnraum auf demselben Grundstück nutzen, z.B. im Zweifamilienhaus. Nur in diesem Sonderfall ist eine mietrechtliche Benachteiligung wegen Rasse und ethnischer Herkunft zulässig. Bei einem weiträumigen Grundstück könnte einem abgelehnten Bewerber aber der Nachweis möglich sein, dass Berührungspunkte ausgeschlossen sind (Hinz, ZMR 06, 828). Dann entfiele die durch § 19 Abs. 5 S. 2 AGG eingeräumte Privilegierung des Vermieters.  

     

    4. Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das AGG? 

    Das Gesetz sieht in § 21 AGG als Sanktion einen Folgenbeseitigungsanspruch und Schadenersatz vor (hierzu ausführlich in einer der nächsten Ausgaben von MK). Es wird kein Bußgeldverhängt.  

     

    5. Wer trägt die Beweislast? 

    Im Prozess muss der vorgeblich benachteiligte Mietbewerber/Mieter Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Dann trägt der Vermieter die Beweislast, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (§ 22 AGG). Der Vermieter muss letztlich beweisen, dass er sich korrekt verhalten hat.  

     

    6. Was ist unter „Rasse“ und „ethnische Herkunft“ zu verstehen? 

    Der Begriff Rasse dient zur Abwehr rassistischer Vorurteile (BR-Drucksache 329/06, S. 31). Ethnische Herkunftmeint die Identität einer Gruppe, die sich aus kulturellen, historischen, sozialen und sprachlichen Eigenheiten ergibt und sich in Hautfarbe, Sprache, Abstammung, Nationalität, Volkstum zeigen kann. Eine solche Gruppe kann auch die Minderheit in einem Land bilden (z.B. die Basken in Spanien).  

     

    7. Was ist unter „Religion“ zu verstehen? 

    Bei der Religion geht es um „bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens“ (BAG NJW 96, 143). Es muss sich um anerkannte Religionsgemeinschaften handeln. „Sekten“ gehören nicht dazu (BAG, a.a.O., zu Scientology). Bei Religionsgemeinschaften aus fernen Ländern sind Bewertungsprobleme denkbar. Der Begriff der Weltanschauung bezieht sich auf Gemeinschaften wie Anthroposophen, nicht auf bestimmte politische Überzeugungen. Die Grenzen zwischen Religion und Weltanschauung sind aber fließend.  

     

    8. Was ist unter Alter i.S.d. AGG zu verstehen? 

    Beim Alter kommt es nicht nur auf hohes Alter an, ebenso sind Diskriminierungen junger Menschen denkbar. Manche Ungleichbehandlung ist auch sozial erwünscht: z.B. Preisnachlässe für ältere Menschen, verbilligte Schülertickets usw. Jungen, arbeitsfähigen Menschen darf man sicher verwehren, kostengünstig in ein öffentlich subventioniertes Altersheim aufgenommen zu werden.  

     

    Zur Abgrenzung der Begriffe „jung“ und „alt“ kann in Zweifelsfällen auf etliche Bestimmungen des Sozialrechts zurückgegriffen werden (z.B. § 7 SGB VIII: Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist; junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist; junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist; oder § 26 Abs. 2 S. 2 II. WoBauG: junge Ehepaare bis 40, ältere Menschen ab 60 Jahre.)  

     

    9. Was fällt unter Behinderung? 

    Bei der Behinderung wird an § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX und § 3 des Gesetzes zur Gleichstellung behinderter Menschen angeknüpft: Menschen sind danach behindert, „wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (BR-Drucksache 329/06, S. 31 unten).  

     

    10. Was versteht das Gesetz unter Benachteiligung und Belästigung? 

    Das Gesetz definiert in § 3 AGG die Art der Benachteiligungen:  

     

    • unmittelbare Benachteiligung: Sie liegt vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation.
    • mittelbare Benachteiligung: Sieliegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können.
    • Belästigung: Sieist eine Benachteiligung, wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem in§ 1 AGG genannten Grund in Zusammenhang stehen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Achtung: Bei einer Belästigung in diesem Sinn könnte eine Einschreitenspflicht des Vermieters bestehen, wenn er davon Kenntnis erhält, dass ein Mieter wegen eines Benachteiligungsmerkmals des § 1 AGG gemobbt wird, etwa durch rassistische Beschimpfung (AG Dortmund DWW 96, 282; AG Bad Segeberg WuM 00, 601; OLG Koblenz MDR 93, 671).

     

    11. Wann kann es zu der Benachteiligung kommen? 

    Das Verbot einer Benachteiligung gilt bei Begründung, Durchführung und Beendigung von Schuldverhältnissen, also bei Abschluss, Laufzeit und Kündigung einschließlich Abwicklung (vgl. aber die Übergangsvorschriften § 33 Abs. 2und 3 AGG).  

     

    Beim Mietabschluss kann es zu einer Benachteiligung kommen hinsichtlich  

    • der Weigerung, mit speziellen Mietbewerbern aus dem Land X einen Vertrag zu schließen,
    • der Auswahl des Mieters in Form der unzulässigen Bevorzugung (ein Indiz könnte sein, dass in einem Wohnblock alle Nationalitäten vertreten sind, nur niemals Mieter aus dem Land X, obwohl diese sich genau so häufig als Mieter bewerben) oder
    • einschränkender Vertragsklauseln und Gebrauchsregelungen oder überhöhter Miete (Börstinghaus, MietPrax-Aktuell, 1/06, F.1).

     

    Beispiel

    Aufgrund eines Merkmals des § 1 AGG wird dem Mieter M. schon im Mietvertrag die Installation einer Parabolantenne verwehrt, die anderen Mietern gestattet ist. Wird eine solche Einschränkung von vornherein im Mietvertrag festgelegt, verstößt sie gegen § 138 BGB und ist nichtig (Eisenschmid, Juris-PR 18/06, Anm. 4 IV). Bei Formularverträgen kommt noch 307 BGB hinzu (zu einem solchen Antennenverbot vgl. LG Mannheim ZMR 92, 342).  

     

    Praxishinweis: Bei mehreren ausländischen Mietaspiranten sollte der Vermieter genau dokumentieren, aufgrund welchen rechtmäßigen Ziels und welcher sachlicher Rechtfertigung (vgl. § 3 Abs. 2 AGG) er sich für Mieter X. statt Y. entschieden hat (höhere Bonität, etc.; Hinz, ZMR 06, 744).

     

    Während der Laufzeit kommen unterschiedlich rasche Abmahnungen, Einschränkungen des Mietgebrauchs, strengere Verbote, weniger großzügige Erlaubnisse in Betracht, etwa, wenn der Vermieter sich aufgrund seiner Moralvorstellungen weigert, dem Mieter die Aufnahme eines gleichgeschlechtlichen Lebenspartners in die Wohnung zu gestatten (AG Nürnberg WuM 93, 609.)  

     

    Bei der Kündigung kann die „Sozialauswahl“ der Mieter eine Rolle spielen, z.B. wenn bei einer Eigenbedarfslage dem 85 Jahre alten und sehr kranken Mieter, nicht aber einer Familie mit einem volljährigen Kind gekündigt wird (AG Gelsenkirchen ZMR 99, 179). Hier läge eine Altersbenachteiligung vor, weil die den jungen oder alten Mieter unterschiedlich treffenden Umzugsbelastungen nicht oder nicht sorgfältig genug gegeneinander abgewogen wurden. Ebenso denkbar ist der Fall, dass bei Störungen durch mehrere Mieter nicht dem Hauptverantwortlichen (AG Köln WuM 94, 207), sondern einem am Rande Beteiligten gekündigt wird, weil er aus dem Land X stammt.  

     

    Bei der Abwicklung kann überpenibel beachtete Renovierung, zögerliche Kautionsrückzahlung oder berechtigter, aber zu harsch durchgesetzter Schadenersatzanspruch in Betracht kommen.  

     

    12. Gibt es Ausnahmen vom Benachteiligungsverbot? 

    In § 20 AGG wird über das oben Gesagte hinausgehend (S. 4, Frage 3) die Zulässigkeit unterschiedlicher Behandlung geregelt. Danach liegt keine Verletzung des Benachteiligungsverbots vor, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Wegen „Rasse und ethnischer Herkunft“ ist die Benachteiligung hier aber weiterhin unzulässig. Der Begriff „Weltanschauung“ soll aus § 20 AGG gestrichen werden (BT-Drucksache 16/3007, S. 8 und 20).  

     

    Offen ist, ob die Herkunft (nicht: ethnische Herkunft) eines Mietbewerbers aus einem Entwicklungsland mit strengen Devisenbestimmungen dem Vermieter die Möglichkeit geben muss, die Auswahl nach schärferen Kriterien vorzunehmen. Denn in solchen Fällen besteht das Risiko, dass der Mieter nach Rückkehr selbst bei gutem Willen evtl. bestehende Zahlungspflichten nicht erfüllen darf.  

     

    Ein sachlicher Grund nach § 20 AGG liegt insbesondere in der Vermeidung von Gefahren, Verhütung von Schäden oder anderen vergleichbaren Zwecken (AG Lemgo NZM 99, 1047), im Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit; ebenso, wenn besondere Vorteile gewährt werden – z.B. reale, keine fingierten Preisnachlässe – und ein Interesse an der Durchsetzung der Gleichbehandlung fehlt.  

     

    In § 20 Abs. 1 Nr. 4 AGG wird die Ausübung der Religionsfreiheit geregelt. Gerade die Frage der Religion zeigt, dass verschiedene Benachteiligungsmerkmale aber miteinander kollidieren können, etwa, wenn zur „Hochzeitsfeier“ ein Saal einer katholischen Kirchengemeinde angemietet wird und sich später herausstellt, dass es sich um die Begründung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft handelt. Dann darf die Kirchengemeinde unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Erfüllung des Vertrags verweigern (AG Neuss NZM 03, 975.)  

     

    Die Feststellung eines solchen Rechtfertigungsgrundes bedarf nach der amtlichen Begründung „einer wertenden Feststellung im Einzelfall nach den Grundsätzen von Treu und Glauben“ (BR-Drucksache 329/06, S. 46.) Damit ist aber nicht vollständig auf § 242 BGB abgestellt, da der Wortlaut des § 242 BGB noch die Verkehrssitte nennt.  

    Wenn aber eine unterschiedliche Behandlung aus mehreren Gründen erfolgt, dann – so § 4  

    AGG – greift die Rechtfertigungsvorschrift des § 20 AGG nur ein, wenn „sich die Rechtfertigung auf alle diese Gründe erstreckt, derentwegen die unterschiedliche Behandlung erfolgt.“ Anders gesprochen: Jede Ungleichbehandlung ist für sich auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen.  

     

    Ähnlich wie § 20 AGG eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigt, erklärt § 5 AGG eine solche für zulässig, wenn durch positive Maßnahmen bestehende Nachteile kompensiert werden.  

     

    Beispiel 1: Positive Maßnahmen als Kompensation für Nachteile

    Ein Orden richtet ein Wohnheim mit Zugang für alle männlichen Theologiestudenten ein und subventioniert die Mieten. In der Satzung und in den Mietvertragsformularen ist festgelegt, dass zur Vorbereitung auf den Zölibat nur männliche Studenten katholischen Glaubens aufgenommen werden.  

     

    Hier ist es zulässig, Studentinnen und Angehörige anderer Religionen als Mieter abzulehnen. Unzulässig wäre die Ablehnung eines katholischen Schwarzafrikaners, wenn sie auf dessen Herkunft gestützt würde.  

     

    Beispiel 2: Positive Maßnahmen als Kompensation für Nachteile

    Zum Schutz vor Nachstellungen werden spezielle, besonders gut beleuchtete und leicht einsehbare Frauenparkplätze vom Betreiber in einem Parkhaus eingerichtet. Hier ist es zulässig, Männern den Zugang zu diesen Parkplätzen zu verbieten.  

     

     

     

    Checkliste: AGG – die XX häufigsten Vermieterfragen und ihre Beantwortung

    1. Welche Benachteiligungsmerkmale sieht das AGG vor? 

    Nach § 1 AGG sind dies Rasse und ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter sowie sexuelle Identität. Zwar ist der Katalog der Benachteiligungsmerkmale in § 1 AGG abschließend geregelt, doch ist für die Zukunft völlig offen, ob die Gerichte in Zweifelsfällen eine Regelungslücke im AGG bejahen. Es ist denkbar, dass zu deren Ausfüllung andere Benachteiligungsmerkmale analog angewendet werden, die im europäischem Recht geregelt sind. Solche zusätzlichen Merkmale wären etwa: Hautfarbe, nationale Herkunft oder Volkszugehörigkeit, Sprache, politische oder sonstige Anschauung, soziale Herkunft, Vermögen oder Geburt, genetische Merkmale und Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit.  

    2. Wer wird geschützt? 

    Geschützt ist der Einzelne, aber auch dessen Angehörige oder die mit ihm zusammen lebenden Personen, Kinder, Ehegatten, Lebenspartner usw. Während Art. 3 GG (Gleichheitssatz) ein Abwehrrecht gegen den Staat gibt, das nur mittelbar im Wege der Drittwirkung auf zivilrechtliche Beziehungen einwirkt, zielt das AGG unmittelbar auf die Rechtsbeziehungen der Bürger untereinander ab.  

     

    Soweit das Schwergewicht des § 2 AGG auf dem Schutz des Arbeitnehmers liegt, könnte das zu der Annahme führen, das AGG gelte nur für Verbraucher i.S.d. § 13 BGB. Auch wird nur Wohnraum in § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG ausdrücklich erwähnt.  

     

    Der Anwendungsbereich des AGG ist indes weit gezogen. Denn mit dem dortigen Begriff „Dienstleistung“ auch Geschäftsbesorgungsverträge, Finanzdienstleistungen, Kredit- und Versicherungsverträge, Leasingverträge etc. erfasst. (BT-Drucksache 329/06, S. 32). . Geschützt ist daher auch der, der als Einzelhändler (= Unternehmer i.S.d. § 14 BGB) ein kleines Ladenlokal anmieten möchte. Dies gilt auch, wenn die Gewerberaumvermietung für den Vermieter kein Massengeschäft nach § 19 Abs. 5 AGG ist. (a.A. Warnecke, DWW 06, 273). Daher fällt auch – begrenzt durch Ausnahmeregelungen, etwa § 20 AGG – die Vermietung von Geschäftsraum unter das AGG. Inwieweit etwa größere Unternehmen oder sogar Großunternehmen in den Schutzbereich des AGG einzubeziehen sind, kommt auf den Einzelfall an. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Räumlichkeiten der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen muss (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG).  

     

    Das Benachteiligungsverbot gilt also auch bei preisfreiem oder öffentlich gefördertem Wohnraum, bei der gewerblichen Zwischenvermietung, bei Wohnheimen, bei der öffentlich-rechtlichen Wohnraumzuweisung nach Sozialrecht oder § 2 HausratVO und sogar bei der privaten Untermiete (vgl. aber zu Letzterem § 19 Abs. 5 S. 1und 2 AGG).  

     

     

    Quelle: Ausgabe 01 / 2007 | Seite 3 | ID 88492