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  • 25.10.2010 | Anfechtung des Mietvertrags

    Ladenmieter muss vor Vertragsschluss über „extreme“ Umstände aufklären

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Der Mieter ist verpflichtet, den Vermieter vor Abschluss eines Gewerberaummietvertrags über außergewöhnliche Umstände aufzuklären, mit denen der Vermieter nicht rechnen kann und die offensichtlich für diesen von erheblicher Bedeutung sind (BGH 11.8.10, XII ZR 123/09 Abruf-Nr. 103379).

     

    Sachverhalt

    Die Beklagte verkauft in dem von der Klägerin zum Betrieb eines Einzelhandels mit Textilien, Schuhen und Accessoires gemieteten Ladengeschäft nahezu ausschließlich Waren der Marke „Thor Steinar“. Hierüber klärte die Beklagte die Klägerin vor Vertragsschluss nicht auf. Die bezeichnete Marke wird in den öffentlichen Medien und in einer Internetveröffentlichung des Brandenburger Verfassungsschutzes mit einer rechtsextremistischen Gesinnung in Verbindung gebracht. Im Deutschen Bundestag und einigen Fußballstadien ist das Tragen von Kleidung dieser Marke verboten. Seit der Eröffnung kam es wiederholt zu Demonstrationen und Farbbeutelanschlägen auf das Ladengeschäft. Die Klägerin erklärte die Anfechtung des Mietvertrags wegen arglistiger Täuschung und vorsorglich die fristlose Kündigung des Mietvertrags. Ihre Räumungs- und Schadenersatzklage (Anwaltskosten) ist in allen Instanzen erfolgreich.  

     

    Entscheidungsgründe

    Die Beklagte hat die Klägerin arglistig getäuscht, indem sie diese vor Vertragsschluss nicht über ihre Absicht aufgeklärt hat, in den Mieträumen nahezu ausschließlich Waren der Marke „Thor Steinar“ zu verkaufen. Eine Rechtspflicht zur Aufklärung bei Vertragsverhandlungen auch ohne Nachfrage besteht, wenn der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für seine Willensbildung offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, z.B. Tatsachen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können. Gleiches gilt, wenn die Tatsache geeignet ist, dem Vertragspartner erheblichen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. Die Aufklärung über eine solche Tatsache kann der Vertragspartner redlicherweise aber nur verlangen, wenn er im Rahmen seiner Eigenverantwortung nicht gehalten ist, sich selbst über diese Tatsache zu informieren.  

     

    In der Gewerberaummiete obliegt es grundsätzlich dem Vermieter, sich selbst über die Gefahren und Risiken zu informieren, die allgemein für ihn mit dem Abschluss eines Mietvertrags verbunden sind. Er muss allerdings nicht nach Umständen forschen, für die er keinen Anhaltspunkt hat und die so außergewöhnlich sind, dass er mit ihnen nicht rechnen kann. Er ist deshalb auch nicht gehalten, Internetrecherchen zum Auffinden solcher etwaiger außergewöhnlicher Umstände durchzuführen. Für die Frage, ob und in welchem Umfang eine Aufklärungspflicht besteht, kommt es danach wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an. Das Berufungsgericht hat ausgehend von diesen Grundsätzen rechtsfehlerfrei eine Aufklärungspflicht der Beklagten wegen der besonderen Umstände des Falls bejaht.