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  • 29.03.2011 | Beschädigung der Mietsache

    Schadenersatzanspruch des Vermieters: So muss die Vorteilsausgleichung erfolgen

    von RiAG Axel Wetekamp, München

    Hat der Mieter Schäden an der Mietsache verursacht, muss er dem Vermieter Schadenersatz leisten. So weit so gut. Probleme ergeben sich meist erst bei der Berechnung der Schadenshöhe. Ist ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen? Wie lang ist überhaupt die Lebensdauer einzelner Gegenstände? Der folgende Beitrag zeigt anhand von Beispielen, was bei der Vorteilsausgleichung beachtet werden muss.  

    1. Begriff und Bedeutung der Vorteilsausgleichung

    Dass der Mieter Schadenersatz leisten muss, wenn er die Mietsache schuldhaft beschädigt, bedarf keiner Regelung im Mietvertrag. Es handelt sich um vertragswidrigen Gebrauch im Sinne einer Pflichtverletzung (§ 280 BGB), der über den durch den Vermieter nach § 535 BGB zu gewährenden vertragsmäßigen Gebrauch hinausgeht und andererseits vom Begriff der Schönheitsreparaturen nicht erfasst wird. Hinsichtlich der Höhe eines Schadenersatzanspruchs sind vor allem zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Der Gegenstand, der ersetzt werden soll, muss dem beschädigten Gegenstand nach Art und Güte entsprechen. Der Umfang des Anspruchs richtet sich nach den Kosten der Wiederbeschaffung einer wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzsache (BGHZ 115, 364). Dies ist problematisch, wenn bei Mietverhältnissen, die nach langen Jahren zu Ende gehen, gleichwertige Gegenstände nicht mehr erhältlich sind und ein Ersatz durch ein veraltetes Bauteil auch nicht erstrebenswert wäre.  

     

    Beispiele
    • Der Mieter hat einen Wasserhahn beschädigt, der durch eine technisch verbesserte Version ausgetauscht werden soll.

     

    • Ein vorhandener Teppichboden ist nach Art und Qualität nicht mehr erhältlich und soll durch einen Laminatboden ersetzt werden.
    • Technische oder qualitative Verbesserung: In diesen Fällen gilt, dass - unbeschadet des anzusetzenden Abzugs „neu für alt“ - eine fiktive Berechnung betreffend den Wert des beschädigten Teils vorzunehmen ist und sich der Ersatzanspruch des Vermieters entsprechend reduziert.

     

    • Verschleiß: Bei Gegenständen, denen nach der Verkehrsauffassung begrenzte Lebensdauer zugemessen wird, ist der Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen. Vom Schadenersatzanspruch des Vermieters ist daher ein Abzug „neu für alt“ zu machen, der sich nach dem Alter des Gegenstands zum Zeitpunkt des Schadensfalls richtet (Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 10. Aufl., § 538 BGB Rn. 373).

     

    • Weiternutzung: Nutzt der Mieter den Gegenstand nach dem Schadens-eintritt weiter und dauert das Mietverhältnis an, ist der Abzug nicht nach dem Zeitablauf bis zum Schadenseintritt, sondern nach der Gesamtnutzungsdauer bis zur Beendigung der Nutzung durch den Mieter und Geltendmachung des Schadens durch den Vermieter zu berechnen (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 538 BGB Rn. 374).

     

    War der Gegenstand bei Beginn des Mietverhältnisses nicht neu, ist die Gesamtnutzungsdauer zugrunde zu legen.

     

    Beispiel

    Ein Mietvertrag wird 2008 abgeschlossen. Das Haus wurde 1995 erbaut. Die Sanitäreinrichtungen stammen aus der Erbauungszeit. Es ist bei Beginn des gegenständlichen Mietverhältnisses eine bereits abgelaufene Nutzungsdauer von 13 Jahren zugrunde zu legen. Bei einer herkömmlichen Badewanne (Gesamtnutzungsdauer etwa 30 Jahre) ist ab Mietbeginn eine Restnutzungsdauer von 17 Jahren anzunehmen. Entsprechend würde sich bei erheblicher Beschädigung der Wanne, die eine Erneuerung erfordert, der Schadenersatzanspruch des Vermieters reduzieren.  

    Was die Begründung eines Abzugs „neu für alt“ betrifft, wird vertreten, dass der Gegenstand nach Ablauf seiner Nutzungszeit „wertlos“ sei, also ein Schaden nicht mehr entstehen könne (LG Münster WuM 02, 50), teilweise wird auch argumentiert, dass der Gegenstand „wirtschaftlich abgeschrieben“ sei, wobei allein dies für den Nichtansatz eines Restwerts noch nicht ausreichend sein soll (OLG Düsseldorf MDR 89, 353; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., XIII Rn. 49). Möglich ist auch anzunehmen, dass der Umgang des Mieters mit dem Gegenstand nach Ablauf der Nutzungsdauer nicht mehr kausal für die Notwendigkeit ist, ihn zu ersetzen (Schmidt-Futterer/Langenberg, a.a.O., § 538 BGB Rn. 373). Der Vermieter müsste den Gegenstand bereits selbst auf eigene Kosten ersetzen.  

     

    2. Technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer

    Grundsätzlich ist es schwierig, die Nutzungsdauer eines Bestandteils der Mietsache zu bewerten. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es nicht nur auf das Alter, sondern auch auf die Qualität und den Pflegezustand des Gegenstands ankommt. Andererseits ist gerade, weil hinsichtlich der Qualität und der Pflege eines Bestandteils nach den Erfahrungen der Praxis die Meinungen der Parteien oft erheblich differieren, eine gewisse Pauschalierung unvermeidlich.  

     

    Vorsicht ist geboten, soweit der Begriff der technischen Nutzungsdauer verwendet wird. Darunter versteht man einen Zeitraum, nach dessen Ablauf für die Bestandserhaltung mehr aufzuwenden ist, als die Herstellungskosten des Bauteils ausmachen (www.expertebte.de).  

     

    Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Die technische Nutzungsdauer liegt in aller Regel unter der wirtschaftlichen Nutzungsdauer, die bei der Frage, von welchem Abzug beim Schadenersatzanspruch des Vermieters auszugehen ist, die realistischeren Ergebnisse liefert.  

     

    Beispiel

    Das Institut für Fenstertechnik in Rosenheim gibt die technische Nutzungsdauer von Doppelfenstern der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts mit 30 bis 35 Jahren an (vgl. unten). Die wirtschaftliche Nutzungsdauer kann durchaus bei 40 oder 45 Jahren liegen.  

     

    Die Kosten der Bestandserhaltung bei alten Doppelfenstern, die schon lange nicht mehr hergestellt werden, werden nach Ablauf von 30 Jahren die Kosten einer Erneuerung durch moderne Isolierglasfenster übersteigen. Trotzdem können die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, z.B. die Frage, inwieweit Zuschüsse oder günstige Kredite für die Fenstererneuerung zu erlangen sind, die wirtschaftliche Nutzungsdauer auf etwa 45 Jahre hinausschieben.  

     

    Das Problem zeigt sich auch bei der Berechnung von - z.B. die Fenstererneuerung betreffenden - Modernisierungskosten. Hier führt der von der Rechtsprechung verlangte Abzug der (fiktiven) Instandsetzungskosten dazu, dass bei realistischer Betrachtungsweise kein umlegbarer Modernisierungsaufwand verbleibt (LG Berlin GE 03, 123).  

     

    Übersicht: Höhe des Abzugs im Einzelfall
    • Teppichboden: Hierbei wird üblicherweise von einer durchschnittlichen Lebensdauer von zehn Jahren ausgegangen (AG Böblingen WuM 98, 33). Falls ein total beschädigter fünf Jahre alter Teppichboden ersetzt werden muss, reduziert sich der Anspruch des Vermieters bei Ersatz durch einen gleichwertigen Teppichboden auf die Hälfte.
    • PVC-Bodenbeläge: Das AG Kassel (WuM 96, 757) geht von einer 20-jährigen, üblichen Nutzungsdauer aus. Es werden aber auch kürzere Zeiträume je nach Qualität des PVC-Bodens angenommen, so teilweise nur acht bis zehn Jahre (LG Wiesbaden WuM 91, 540) oder 15 Jahre (AG Staufen WuM 92, 430).
    • Fertigparkett-Versiegelung: Ihre Nutzungsdauer wird ebenfalls unterschiedlich angenommen. Teilweise wird von 15 bis 20 Jahren ausgegangen (LG Wiesbaden WuM 91, 540), teilweise von nur zehn Jahren (AG München, Az. 453 C 3076/00, nicht veröffentlicht).
    • Abschleifen eines Parkettbodens: Dies soll nach LG Wiesbaden (WuM 91, 540) alle 15 bis 20 Jahre erforderlich sein.
    • Einbauküche: Die Nutzungsdauer wird zwischen 14 und 20 Jahren, höchstens jedoch mit 25 Jahren angenommen (LG Berlin GE 01,1404).
    • Wandfliesen: Bei ihrer Erneuerung hat das LG Köln (WuM 97, 41) bei einem Alter von 30 Jahren einen Abzug von 50 Prozent vorgenommen, wobei hier einerseits eine erheblich höhere Lebensdauer, andererseits der sich verändernde Geschmack, was Fliesen betrifft, zu berücksichtigen ist.
    • Doppelfenster: Die technische Nutzungsdauer von Doppelfenstern der 60er Jahre wurde mit 30 bis 35 Jahre angegeben (AG München, 413 C 4208/96, nicht veröffentlicht. Hier lag ein Gutachten des Instituts für Fenstertechnik in Rosenheim zu Grunde). Die wirtschaftliche Nutzungsdauer wird etwa um 5 bis 10 Jahre höher liegen (vgl. oben).
    • Rolläden: Die durchschnittliche Nutzungsdauer wird wie folgt angenommen: Kunststoffrollläden 25 Jahre, Holzrollläden 35 Jahre, Aluminiumrolläden 35 Jahre (www.expertebte.de).
    • Drehkippbeschläge und Türschlösser: Sie sollen eine Lebensdauer von 25 Jahren haben

     

    Nach der hier vertretenen Auffassung fließt in die oft angegebenen kurzen technischen Nutzungszeiten auch das Vorhandensein technischer Inno-vationen nach Ablauf dieser Zeiten ein. Insoweit wäre die technische Nutzungsdauer mitbestimmt vom Erscheinen entsprechender Neuerungen, die gegebenenfalls auch veränderten rechtlichen Vorgaben und Anforderungen der Praxis entsprechen.  

     

    Beispiel

    Die Lebensdauer von Pumpen für Heizungsanlagen wird mit 15 Jahren angegeben (www.expertebte.de). Hier kann man davon ausgehen, dass nach Ablauf dieser Zeit neue Modelle mit Verbesserungen bei der Energieeinsparung und/oder dem Wirkungsgrad vorliegen.  

    Vor allem soweit Böden betroffen sind, wird sich die Frage stellen, ob überhaupt die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs überschritten sind und Beschädigung vorliegt. Aber auch bei Beschädigung wird der Zweck, zu dem die Räume vermietet worden sind, beim Ansatz der Nutzungsdauer nicht unberücksichtigt bleiben können.  

     

    Beispiel

    PVC-Boden in einer Küche unterliegt angesichts der intensiven Nutzung durch fließendes Wasser und den Gebrauch von Lebensmitteln sowie dem Verschleiß durch das Aufstellen schwerer Küchengroßgeräte einer kürzeren durchschnittlichen Nutzungsdauer als z.B. PVC-Boden in einer Diele.  

    3. Rechtsfragen

    Grundsätzlich gilt, dass der Vermieter dafür darlegungs- und beweispflichtig ist, dass die Voraussetzungen für den Abzug neu für alt nicht vorliegen (OLG Koblenz WuM 03, 445). Es stellt sich weiter die Frage, ob der Mieter das Erfordernis des Abzugs überhaupt behaupten muss oder ob ein Schadenersatzanspruch des Vermieters hier nicht schlüssig geltend gemacht worden ist, wenn er keinen Abzug vornimmt.  

     

    Auf die fehlende Schlüssigkeit wegen unterlassenem Abzug neu für alt muss das Gericht nach § 139 BGB grundsätzlich hinweisen. Mitunter wird die Auffassung vertreten, dass es eines Hinweises dann nicht bedürfe, wenn die Mieterseite bereits den fehlenden Abzug moniert hat.  

     

    Beispiel

    Der Vermieter macht nach Ablauf eines langjährigen Mietverhältnisses Schadenersatzansprüche wegen Beschädigung der Böden und Sanitäreinrichtungen geltend. Einen Abzug bei der Höhe seiner Forderungen nimmt er nicht vor. Ist schriftliches Vorverfahren angeordnet und reagiert der Mieter nicht auf die zugestellte Klage, kann das Gericht auf Antrag nach § 331 Abs. 2 ZPO Versäumnisurteil nur erlassen, wenn die Klage dies rechtfertigt, diese also schlüssig ist. Andernfalls müsste die Klage abgewiesen werden (vgl. hierzu auch BGH WuM 06, 696).  

    Der notwendige Abzug bezieht sich nicht nur auf den Sachwert des beschädigten Bauteils, sondern auch auf die erforderlichen Arbeiten zur Herstellung der Verwendungsfähigkeit der neuen Sache (OLG Koblenz, a.a.O.).  

     

    Quelle: Ausgabe 04 / 2011 | Seite 64 | ID 143429