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  • 01.02.2007 | Der praktische Fall

    Typische Streitpunkte rund um vermietetes Sicherungseigentum

    Der BGH hat mit Urteil vom 26.9.06 (XI ZR 156/05, Abruf-Nr. 063503) zu wichtigen Streitfragen im Zusammenhang mit Ansprüchen des Sicherungseigentümers auf Herausgabe gezogener Nutzungen gegen den die sicherungsübereignete Sache vermietenden Grundstückseigentümer Stellung genommen. Seine Ausführungen liefern wichtige Hinweise für die Mandatsbearbeitung.  

     

    Mieter M. kaufte in 4/97 unter Eigentumsvorbehalt eine Bowlingbahn und ließ sie in die von ihm gemieteten Räume einbauen. In 12/97 übertrug er das Sicherungseigentum an die klagende Sparkasse S. Die Bezahlung des Kaufpreises erfolgte in 9/98. Später erwarben die Beklagten B. das Eigentum an den Mieträumen und setzten das Mietverhältnis mit M. fort. Nach dessen Insolvenz kündigten sie das Mietverhältnis, übten das Vermieterpfandrecht an allen eingebrachten Sachen aus und vermieteten die Räume an G., die die Bowlingbahn weiterbetrieb. Die Revision der B. gegen das der Klage der S. auf Nutzungsentschädigung teilweise stattgebende Berufungsurteil hatte vorläufigen Erfolg.  

     

    Bei einer Fallgestaltung wie hier sind unterschiedliche Ansprüche des Sicherungseigentümers auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen denkbar und eingehend zu prüfen:  

     

    Checkliste: Ansprüche auf Herausgabe gezogener Nutzungen richtig prüfen
    • Herausgabeanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, § 818 Abs. 1 BGB: Der „nicht so berechtigte“ Besitzer kann zur Herausgabe von Nutzungen, die er unter Überschreitung eines ihm gesetzlich zugewiesenen Besitzrechts gezogen hat, aus Eingriffskondiktion verpflichtet sein (BGH NJW 02, 60). Nutzungen sind die Früchte einer Sache oder eines Rechts sowie die Vorteile, die der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewährt (§ 100 BGB). Hierzu zählt auch die durch den Besitzer der Sache gezogene Miete.

     

    Ein Bereicherungsanspruch setzt voraus, dass S. das Sicherungseigentum an der Bowlingbahn wirksam erworben hat. Ist nicht nur eine einzelne Sache, sondern eine Sachgesamtheit zur Sicherheit übereignet worden, ist dem Bestimmtheitsgrundsatz nur genügt, wenn klar ist, auf welche einzelnen Gegenstände aus der Sachgesamtheit sich der Übereignungswille der Parteien erstreckt. Hinreichende Bestimmtheit liegt daher nur vor, wenn es infolge der Wahl einfacher äußerer Abgrenzungskriterien für jeden, der die Parteiabreden in dem für den Eigentumsübergang vereinbarten Zeitpunkt kennt, ohne Weiteres ersichtlich ist, welche individuell bestimmten Sachen übereignet worden sind (BGH NJW 92, 1161; BGHZ 73, 253). Der Sicherungsübereignungsvertrag genügt hier diesem Grundsatz. In ihm werden als Gegenstand der Übereignung die in einem bestimmten Bowlingcenter aufgestellten Bowlingbahnen mit Zubehör bezeichnet. Darin kommt hinreichend bestimmt zum Ausdruck, dass alle in dem Center befindlichen Gegenstände übereignet werden sollen, die Bestandteil der Bahnen sind oder funktional zu deren Betrieb benötigt werden.

     

    Die Bahn ist mit dem Einbau in das Bowlingcenter durch M. auch nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) geworden. Der BGH hat dies zu Recht verneint. Nach § 95 BGB gehören Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden worden sind, nicht zu den Bestandteilen des Grundstücks. Ob eine Sache zu einem vorübergehende Zweck mit einem Grundstück verbunden wird, beurteilt sich in erster Linie nach dem Willen des Erbauers, sofern dieser mit dem nach außen in Erscheinung getretenen Sachverhalt in Einklang zu bringen ist. Verbindet ein Mieter oder Pächter Sachen mit dem Grund und Boden, spricht regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies mangels besonderer Vereinbarung nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (BGH ZMR 05, 205).

     

    Nach dem Sachverhalt hat B. die Mieträume zum „Betrieb einer Bowlingbahn mit Restaurant“ vermietet. Der BGH bestätigt seine Rechtsprechung, dass die Auslegungsregel des § 314 BGB a.F. (jetzt: § 311c BGB) auf Miet- und Pachtverträge entsprechend anzuwenden ist (NJW 00, 354; BGHZ 65, 86). Folge: Ist die Sache – wie hier – mit ihrem Zubehör vermietet, erstreckt sich die vereinbarte Miete (anteilig) auch hierauf. Den ihr danach obliegenden Gegenbeweis, dass die Bowlingbahn nicht mitvermietet war, hat B. nicht geführt.

     

    Eine Eingriffskondiktion i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB setzt einen Eingriff in den Zuweisungsgehalt eines Rechtsguts voraus, dessen wirtschaftliche Verwertung dem Kondiktionsgläubiger vorbehalten ist (BGHZ 107, 117). Daran fehlt es. Art und Umfang des Verwertungsrechts des Sicherungsnehmers richten sich in erster Linie nach den der Sicherungsübereignung zugrunde liegenden Vereinbarungen (BGH WPM 79, 1326). Diese räumte der S. kein Recht auf die Nutzungen ein. S. sollte nur berechtigt sein, die Bowlingbahn mit Eintritt des Verwertungsrechts herausverlangen und freihändig, auch durch Abtretung des Herausgabeanspruchs oder durch öffentliche Versteigerung, zu verwerten.

     

    Andere Verwertungsarten als die Veräußerung (z.B. Nutzungsziehung, Verfall des Sicherungseigentums oder Selbsteintritt des Sicherungsnehmers) werden von der Verwertungsbefugnis ohne besondere Vereinbarung nicht umfasst. Das Recht zur Ziehung von Nutzungen stand deshalb bis zu einem berechtigten Herausgabeverlangen der S. dem ursprünglichen Mieter M. als Sicherungsgeber zu.

     

    • Herausgabeanspruch aus § 816 Abs. 1, § 687 Abs. 2 S. 1, § 681 S. 2, § 667 BGB: Trifft ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand eine Verfügung, die dem Berechtigten gegenüber wirksam ist, ist er diesem gemäß § 816 Abs. 1 S. 1 BGB zur Herausgabe des durch die Verfügung Erlangten verpflichtet. Die Anwendung der Vorschrift scheitert daran, dass die Vermietung einer Sache keine Verfügung (i.S.e. Übertragung, Belastung, Änderung oder Aufhebung) über das Eigentum an der Sache ist. Einer entsprechenden Anwendung des § 816 Abs. 1 BGB steht entgegen, dass die Miete keinen Gegenwert darstellt, den die Beklagten anstelle der Klägerin als Sicherungseigentümerin erzielt haben (BGHZ 131, 297). Diese hatte, wie dargelegt, kein Recht, die Bowlingbahn durch eine Vermietung zu nutzen. Mit dieser Begründung besteht auch kein Anspruch aus unechter Geschäftsführung gemäß § 687 Abs. 2, S. 1, § 681 S. 2, § 667 BGB auf Herausgabe der (anteiligen) Miete.

     

    • Herausgabeanspruch aus § 1214 Abs. 2 BGB: Steht dem Pfandgläubiger das Recht zu, die Nutzungen zu ziehen, ist er gemäß § 1214 Abs. 1 BGB verpflichtet, für deren Gewinnung zu sorgen und hierüber Rechenschaft gegenüber dem Verpfänder abzulegen. Nach § 1214 Abs. 2 BGB hat der zur Nutzung berechtigte Pfandgläubiger diese dem Pfandschuldner gutzubringen. Der BGH bestätigt die Rechtsprechung des RG (RGZ 105, 408), dass die Vorschrift auf Pfandgläubiger, die – wie hier die Beklagte – Nutzungen ohne vertragliche Ermächtigung ziehen, entsprechend anwendbar ist. Das heißt: Auch diese müssen die Nutzungen dem Pfandschuldner, dessen Geschäft die Nutzung des Pfandes war, anrechnen. Pfandschuldner i.S.d. § 1214 Abs. 2 BGB war aber nicht die Sicherungseigentümerin S., sondern der (frühere) Mieter M. der Beklagten als Schuldner und Sicherungsgeber. Nur diesem hätte ein Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen zugestanden.

     

    • Herausgabeanspruch gemäß § 990 Abs. 1, § 987 Abs. 1 BGB: War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben, haftet er dem Eigentümer von der Zeit des Erwerbs an nach §§ 990, 987 Abs. 1 BGB auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen. Gleiches gilt, wenn der Besitzer später von seiner Nichtberechtigung erfahren hat, von der Erlangung der Kenntnis an. Liegen diese Voraussetzungen vor – Feststellungen zum (mittelbaren) Besitz der Beklagten an der Bowlingbahn und zu ihrer Bösgläubigkeit in Bezug auf ein Besitzrecht i.S.d. § 990 Abs. 1 BGB sind durch das Berufungsgericht (OLGR 05, 653) nachzuholen –, muss die Beklagte gemäß §§ 100, 99 Abs. 3 BGB die auf die Vermietung der Bowlingbahn anteilig entfallende Miete herausgeben. Zahlt der neue Mieter für die Nutzung des Restaurants mit Bowlingbahn einen einheitlichen Mietzins, ist deren Mietanteil gemäß § 287 ZPO zu schätzen.

     

    • Vindikationslage trotz Verjährung des Wegnahmerechts aus § 539 Abs. 2 BGB: Gemäß § 539 Abs. 2 BGB ist der Mieter berechtigt, eine Einrichtung wegzunehmen, mit der er die Mietsache versehen hat. Das Wegnahmerecht des Mieters geht mit Rückgabe der Mietsache in einen Anspruch auf Gestattung der Wegnahme über (§ 258 S. 2 BGB). Das heißt: Den Vermieter trifft keine Herausgabepflicht, er ist aber zur Duldung der Wegnahme verpflichtet. Ist der Duldungsanspruch des Mieters verjährt (§ 548 Abs. 2 BGB), erlangt der Vermieter ein dauerndes Recht zum Besitz und schuldet dem Mieter weder eine Nutzungsentschädigung, noch haftet er ihm auf Schadenersatz oder Bereicherungsausgleich, wenn dessen Eigentum an der zurückgelassenen Einrichtung – z.B. durch Veräußerung – untergeht (BGH NJW 87, 2861; NJW 81, 2564). Der BGH stellt klar, dass diese Grundsätze nur im Verhältnis der Mietvertragsparteien gelten (26.9.06, XI ZR 156/05, Abruf-Nr. 063503). Zwar ist mit Eintritt der Verjährung ein dauerndes Recht der Beklagten zum Besitz der Bowlingbahn gegenüber ihrem früheren Mieter M. entstanden. Hieraus folgt aber kein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 Abs. 1 S. 1 BGB gegen den mit dem Mieter nicht identischen Eigentümer.