26.03.2009 | Eigenbedarf
Vermieter muss bei Novation des langjährigen Mietvertrags nicht über Eigenbedarf aufklären
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
1. Die Rechtskraft eines Urteils, mit dem eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigung des Vermieters mit der Begründung abgewiesen wird, die Kündigung sei im Hinblick darauf, dass der Mieter bei Abschluss des Mietvertrags nicht auf den bereits absehbaren Eigenbedarf hingewiesen worden sei, „jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich", steht einer erneuten Eigenbedarfskündigung nicht entgegen. |
2. Weist der Vermieter anlässlich der Novation eines langjährigen Mietvertrags nicht auf einen möglichen Eigenbedarf für seine heranwachsende Tochter hin, steht einer Kündigung des Vermieters, mit der das Mietverhältnis zum Ablauf von rund vier Jahren nach der Erneuerung des Mietvertrags beendet werden soll, nicht der Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegen. |
(BGH 21.1.09 VIII ZR 62/08, Abruf-Nr. 090720). |
Sachverhalt
Der Mietvertrag aus 8/94 wurde von den Parteien zunächst durch einen Zeitmietvertrag vom 1.9.99 (Mietende 8/04) ersetzt. In 11/03 vereinbarten sie in einem außergerichtlichen Vergleich einen neuen, unbefristeten Mietvertrag. In 11/04 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31.8.05 wegen Eigenbedarfs: Seine auswärts wohnende Tochter werde mit Ende 7/05 ihr Studium beenden und ihren Lebensmittelpunkt zurückverlegen. Die Räumungsklage wurde rechtskräftig abgewiesen. Grund: Die Kündigung sei „jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt ..." rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB). Unter dem 6.12.06 kündigte der Kläger erneut wegen Eigenbedarfs: Er benötige die Wohnung für seine Tochter, die nach Beendigung ihres Studiums mit in der elterlichen Wohnung (2 ½ Zimmer) lebe. Seine Räumungsklage war in den Instanzen erfolglos. Der BGH hat die Sache zur Klärung des Eigenbedarfs und der von der Beklagten vorgebrachten Härtegründe zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe/Praxishinweis zu Ls. 1
Gemäß § 322 Abs. 1 ZPO ist ein Urteil nur insoweit der Rechtskraft fähig, als darin über den durch Klage erhobenen Anspruch entschieden ist. Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines klageabweisenden Urteils sind Tatbestand und Entscheidungsgründe einschließlich des Parteivorbringens heranzuziehen. Grund: Aus der Urteilsformel allein lassen sich Streitgegenstand und damit Inhalt und Umfang der getroffenen Entscheidung nicht notwendig erkennen (BVerfG NJW 03, 3759). Sind die Gründe des klageabweisenden Urteils dahingehend zu verstehen, dass die Klage im Vorprozess nicht uneingeschränkt als unbegründet, sondern lediglich als derzeit unbegründet abgewiesen ist, steht die Rechtskraft dieses Urteils einer erneuten Klage nicht entgegen (vgl. BGHZ 35, 338; BGH BB 00, 2490). Hierbei ist unschädlich, wenn diese Einschränkung im Tenor der Entscheidung nicht zum Ausdruck gebracht wird. Folge: Für eine Räumungsklage ist die Identität der Klageanträge allein ohne Bedeutung. Nach ihrer rechtskräftigen Abweisung steht für die Parteien lediglich fest, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ein Anspruch auf Räumung nicht bestand. Dadurch ist der Eigentümer an einer neuen Klage, gestützt auf eine erneute Kündigung, nicht gehindert (BVerfG, a.a.O.).
Das AG hat im Vorprozess die Klage nicht schlechthin, sondern mit der einschränkenden Begründung abgewiesen, die Kündigung sei „jedenfalls zum fraglichen Zeitpunkt rechtsmissbräuchlich." Der Kläger wird aber „durch die hier entscheidungserheblichen Umstände nicht auf Dauer an der Selbstnutzung seines Eigentums gehindert", die Durchsetzung dieses Wunsches wird ihm lediglich vorübergehend versagt.
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