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  • 05.02.2009 | Schlichtungsklausel

    Schlichtungsklausel gilt im Zweifel auch bei Einwendungen gegen Gültigkeit des Vertrags

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    Eine weit gefasste Schlichtungsklausel in einem Pachtvertrag ist im Zweifel dahin auszulegen, dass sie auch für den Streit über die Wirksamkeit des Vertrags gelten soll (BGH 29.10.08, XII ZR 165/07,
    Abruf-Nr. 090095).

     

    Sachverhalt

    § 10 des Grundstückspachtvertrags (PV) lautet: „Schiedsgericht: Meinungsverschiedenheiten über Auslegung und Durchführung des Vertrags sollen auf dem Verhandlungsweg beigelegt werden. Vor Anrufung eines Gerichts muss ein Schlichtungsversuch vor dem Schiedsgericht unternommen werden.“ Dem Abschluss des PV war ein Beschluss der Gemeinde als Verpächterin vorausgegangen, den die untere Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 81 Abs. 1 der Kommunalverfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern beanstandete. Die Klägerin hält den PV deswegen für unwirksam und hat ohne Schlichtungsversuch Räumungsklage erhoben. Die Beklagten haben die Einrede der Schlichtungsvereinbarung erhoben. Die Klage wurde in allen Instanzen als unzulässig abgewiesen.  

     

    Praxishinweis

    Den Streit, ob es sich bei der in § 10 PV getroffenen Regelung um eine Schieds- oder um eine Schlichtungsvereinbarung handelt, beantwortet der BGH in letzterem Sinn. Grund: Während eine Schiedsvereinbarung nur vorliegt, wenn Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, verlangt § 10 PV, dass die Parteien vor Anrufung eines Gerichts einen Schlichtungsversuch vor dem Schiedsgericht unternehmen. Damit ist lediglich die sofortige Klagbarkeit ausgeschlossen (vgl. BGH NJW 84, 669; NJW 99, 647). Die Bezeichnung der Schlichtungsstelle als „Schiedsgericht“ ist angesichts des klaren Regelungswillens der Parteien, das Schlichtungsverfahren einem gerichtlichen Verfahren nur vorzuschalten und dieses gerade nicht endgültig auszuschließen, als unschädliche Falschbezeichnung zu bewerten.  

     

    Wichtig: Der BGH teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Schlichtungsklausel auch bei einem Streit über die (schwebende) Unwirksamkeit des PV gilt, sodass eine etwaige (schwebende) Unwirksamkeit der übrigen vertraglichen Vereinbarungen nicht gemäß § 139 BGB die Unwirksamkeit der Schlichtungsklausel zur Folge hat. Grund: Der Wortlaut der Klausel eröffnet einen weiten Anwendungsbereich. Danach muss bei Streitigkeiten über die Durchführung des Vertrags zunächst ein Schlichtungsversuch unternommen werden. Zu Streitigkeiten über die Durchführung des Vertrags gehtören aber auch Streitigkeiten darüber, ob der Vertrag überhaupt zur Durchführung gelangt, weil eine Partei seine Unwirksamkeit behauptet. Folge: Im Zweifel wollten die Parteien mit der weiten Fassung die umfassende Zuständigkeit der Schlichtungsstelle. Andernfalls hätte es eine Partei in der Hand, mit der Behauptung, der Vertrag sei unwirksam, stets die Unanwendbarkeit der Schlichtungsklausel herbeizuführen und damit das vereinbarte Schlichtungsverfahren zu umgehen. In gleicher Weise hat der BGH bereits früher für im Anwendungsbereich weit gefasste Schiedsverträge erkannt (BGHZ 53, 315; 69, 260).