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  • 23.08.2010 | WEG

    Trittschallschutz: Wohnungseigentümer bei der Sanierung von Bodenbelägen richtig beraten

    von RA Norbert Monschau, FA Mietrecht und WEG-Recht, Erftstadt

    Will ein Wohnungseigentümer den vorhandenen Bodenbelag austauschen, sind die jeweiligen Anforderungen an den Trittschallschutz zu beachten. Mit der folgenden Checkliste lassen sich die dabei auftretenden Einzelfallprobleme einordnen und rechtssicher lösen.  

     

    Checkliste: Trittschallschutz bei Austausch des Bodenbelags
    • Sonder- oder Gemeinschaftseigentum: Die Zuordnung des Bodenbelags ist für die Beurteilung der Instandhaltung und Kostentragung relevant. Die Kosten des Sondereigentums trägt der jeweilige Sondereigentümer; die des Gemeinschaftseigentums tragen alle Wohnungseigentümer.

     

    Bodenbeläge, wie Fliesen, Parkett, Laminat, Teppich, Linoleum o.ä., die sich im Bereich einer Eigentumseinheit befinden, stellen in der Regel Sondereigentum nach § 5 Abs. 1 und 2 WEG dar (OLG Düsseldorf ZMR 02, 613). Grund: Der Belag kann beseitigt oder verändert werden, ohne einen anderen Wohnungseigentümer über das nach § 14 Nr. 1 WEG zulässige Maß hinaus zu beeinträchtigen (BayObLG WuM 94, 151; OLG Hamm ZMR 01, 842). Demgegenüber gehören der Estrich und Isolierschichten zum Gemeinschaftseigentum, wenn ihnen - was meistens der Fall ist - für die Trittschalldämmung wie auch die Wärmeisolierung und gegebenenfalls für die Statik Bedeutung zukommt (OLG Düsseldorf NJW-RR 01, 1594; OLG Hamm ZMR 07, 296).

     

    • Rechtlicher Rahmen: Auszugehen ist davon, dass grundsätzlich jeder Wohnungseigentümer gemäß § 13 Abs. 1 WEG mit dem in seinem Sondereigentum stehenden Oberbodenbelag nach Belieben verfahren kann, soweit nicht das Gesetz oder die Rechte Dritter entgegenstehen. Die Grenze bildet das Rücksichtnahmegebot des § 14 Nr. 1 WEG, wonach der Wohnungseigentümer von seinem Sondereigentum nur insoweit Gebrauch machen darf, als dadurch anderen Eigentümern kein Nachteil entsteht, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht. Wird dieses Maß überschritten, kann der Wohnungseigentümer auf Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 15 Abs. 3 WEG, § 1004 BGB).

     

    Bei einer Auswechslung des Bodenbelags kann ein solcher Nachteil in einem schlechteren Trittschallschutz bestehen (OLG Köln NZM 01, 135). Der Einzelne haftet daher nur, wenn eine die Situation verschlechternde Maßnahme durchgeführt wurde (OLG Köln NZM 01, 135; OLG Hamm NZM 01, 1137). Der Maßstab für den technischen Standard des Gebäudes wird durch den Zustand bei Begründung des Wohnungseigentums bestimmt, soweit dieser nicht durch die Vereinbarungen oder Beschlüsse der Eigentümer modifiziert wurde. Daher sind weiter zu prüfen:

     

    • Vorrangige Vereinbarungen: Haben die Wohnungseigentümer ein bestimmtes Schallschutzniveau gemäß § 10 Abs. 2 S. 2 WEG vereinbart, ist dieser Maßstab vorrangig. Dementsprechend sind die Gemeinschaftsordnung und die Teilungserklärung hinzuzuziehen. Mitunter kann eine solche Vereinbarung erst durch Auslegung ermittelt werden, was nicht selten bei Einwilligungsvorbehalten der Fall ist (OLG Köln ZMR 98, 161; OLG München NJW 08, 592).

     

    • Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG bei fehlenden Vereinbarungen: Nach § 14 Nr. 1 WEG darf durch den Gebrauch des Sondereigentums keinem anderen Wohnungseigentümer ein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil entstehen.
    • Hinzuziehung der DIN 4109: Nach der Rechtsprechung kann im Rahmen der gebotenen Einzelfallabwägung bei § 14 Nr. 1 WEG auch auf technische Vorschriften (DIN-Normen, VDI-Richtlinien etc.) abgestellt werden. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben. Ist bei einem Austausch des Bodenbelags der Trittschallschutz zu beurteilen, werden in der Praxis die DIN 4109 herangezogen. Diese DIN liegen in verschiedenen Fassungen von 1944, 1962 und 1989 vor, entsprechen aber nach einhelliger Auffassung nicht mehr dem heutigen Stand der Technik (Hogenschurz, MDR 03, 201). Geht es um weitergehende Schallschutzanforderungen an Bauwerken, z.B. Einhaltung eines üblichen Komfortstandards, sind die Schalldämm-Maße der DIN 4109 von vornherein nicht geeignet, als anerkannte Regeln der Technik zu gelten (BGH NJW 07, 2983).

     

    Indizwirkung: Gleichwohl sind die DIN 4109 in der Praxis ein wesentliches Kriterium bei der Abwägung nach § 14 Nr. 1 WEG und haben Indizwirkung. Tendenziell wird bei einer Überschreitung der DIN 4109 von einem nicht zu duldenden Nachteil i.S. von § 14 Nr. 1 WEG ausgegangen (OLG Frankfurt NZM 06, 903), während es umgekehrt bei deren Einhaltung häufig an einer erheblichen Beeinträchtigung fehlt. Prozessual bewirkt die Indizwirkung der DIN 4109 eine Beweiserleichterung: Nun muss der Beeinträchtigte darlegen und beweisen, dass wissenschaftlich begründete Zweifel an der Richtigkeit der Grenzwerte bestehen (BGH NJW 04, 310) und sich daraus erhebliche Nachteile ergeben.

     

    • Stichtag: Im Hinblick auf die unterschiedlichen Fassungen der DIN 4109 stellt sich die Frage, auf welchen Stichtag abzustellen ist. Insoweit ist zu unterscheiden: Handelt es sich um kleine Sanierungsarbeiten, ist der technische Standard bei Ersterrichtung maßgeblich, bei weitergehenden Arbeiten der Zeitpunkt des Umbaus.

     

    • Besonderes Gepräge der Wohnungseigentumsanlage: Da im Rahmen der Abwägung nach § 14 Nr. 1 WEG alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind, etwa örtliche Gegebenheiten, Lage und Charakter des Gebäudes sowie vom Bauträger zugesagter Schallschutz, prüft die jüngere Rechtsprechung, ob ein besonderer Vertrauensschutz besteht. Dabei wird beurteilt, ob sich das „besondere Gepräge“ der Anlage vor deren Umbau durch die baulichen Veränderungen verschlechtert hat oder ob sonstige unzumutbare Lärmbelästigungen entstanden sind (OLG München NZM 08, 133). Besteht ein solcher Vertrauensschutz, bestimmt das „besondere Gepräge“ des betroffenen Gebäudes den maximal zulässigen Trittschall.

     

    In neueren Entscheidungen wird in Abgrenzung zum Begriff des „besonderen Gepräges“ der Begriff der „Zufallsausstattung“ verwendet, der Folgendes bedeutet: Ist ein zunächst vorhandener Bodenbelag nicht als ein das ursprüngliche Schallschutzniveau vorprägender Umstand anzusehen (Zufallsausstattung), kann gleichwohl aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall die Treuepflicht der Wohnungseigentümer es gebieten, den ursprünglich vorhandenen Bodenbelag für das Schallschutzniveau als vorprägend anzusehen, mit der Folge, dass der verändernde Eigentümer einen bestimmten Grenzwert für den Trittschallschutz einzuhalten bzw. diesen zu unterschreiten hat (OLG Düsseldorf NZM 08, 288).

     

    • Inhalt des Anspruchs: Wird die Grenze des Zumutbaren überschritten, bestehen Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB i. V. mit § 15 Abs. 3 WEG. Der Anspruch geht dahin, dass der Antragsgegner ein bestimmtes Lärmschutzmaß in dB (A) herzustellen hat, wobei die Auswahl geeigneter Maßnahmen dem Schuldner überlassen bleibt (OLG Düsseldorf NZM 01, 958; KG NZM 07, 845). Ein Anspruch auf die Wahl eines bestimmten Bodenbelags besteht ausnahmsweise nur, wenn sich ein bestimmter Schallschutz erst bei der Wahl eines bestimmten Bodenbelags einstellt (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Ein Beseitigungsanspruch kommt in Betracht, wenn sich der bisherige Schallschutz durch nicht sach- und fachgemäße Baumaßnahmen oder eine nicht ausreichende Schallisolierung verschlechtert (OLG Köln NZM 01, 135).

     

    Quelle: Ausgabe 09 / 2010 | Seite 158 | ID 137935