01.12.2006 | Zwangsvollstreckung
Gasversorgung darf ohne Durchsuchungsbeschluss gesperrt werden
Der Zutritt zu einer Wohnung, um die Gasversorgung zu sperren, stellt keine Durchsuchung i.S.v. Art. 13 Abs. 2 GG, §§ 758, 758a ZPO dar. Dem Richtervorbehalt zum Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) ist in einem solchen Fall dadurch genügt, dass dem Schuldner in einer von einem Richter erlassenen Entscheidung aufgegeben wurde, dem Gläubiger den Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten und die Einstellung der Gasversorgung zu dulden (BGH 10.8.06, I ZB 126/05, n.v., Abruf-Nr. 063049). |
Sachverhalt
Die Schuldnerin wurde verurteilt, den mit einem Ausweis versehenen Beauftragten der Gläubigerin Zutritt zu ihrer Wohnung zu gestatten und die Einstellung der Gasversorgung durch Sperrung des Gaszählers zu dulden. Der Gerichtsvollzieher (GV) weigerte sich, an der Vollstreckung mitzuwirken, um den zu erwartenden Widerstand der Schuldnerin zu überwinden. Er berief sich darauf, der zu vollstreckende Anspruch enthalte eine Duldungsverpflichtung, deren Durchsetzung einer Ermächtigung durch das Prozessgericht bedürfe. Erinnerung und sofortige Beschwerde der Gläubigerin blieben ohne Erfolg. Der BGH hat den GV antragsgemäß angewiesen, an der Vollstreckung mitzuwirken.
Praxishinweis
Nach § 758 ZPO ist der GV befugt, Wohnung und Behältnisse des Schuldners zu durchsuchen, soweit die Vollstreckung es erfordert. Hierzu darf er verschlossene Haus- und Zimmertüren sowie Behältnisse öffnen lassen und bei Widerstand des Schuldners Gewalt anwenden. Da die Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG unverletzlich ist und Durchsuchungen gemäß Art. 13 Abs. 2 GG nur durch den Richter angeordnet werden dürfen, regelt § 758a Abs. 1 ZPO, dass die Wohnung des Schuldners ohne dessen Einwilligung nur aufgrund einer Anordnung des örtlich zuständigen Amtsrichters durchsucht werden darf. Dies gilt nach Abs. 2 nicht für die Vollstreckung eines Titels auf Räumung oder Herausgabe von Räumen und nicht für die Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 901 ZPO. Da keiner dieser Ausnahmefälle vorlag, hätte der GV den Auftrag mangels vorgelegter richterlicher Anordnung zu Recht abgelehnt, wenn der von der Gläubigerin erteilte Vollstreckungsauftrag auf die Vornahme einer Durchsuchung i.S.d. Art. 13 Abs. 2 GG, §§ 758, 758a ZPO gerichtet gewesen wäre.
Der BGH hat dies zu Recht verneint. Wie der Gesamtzusammenhang der in Art. 13 Abs. 1, 2und 7 GG enthaltenen Regelungen zeigt, stellt nicht jeder Eingriff in die grundgesetzlich gewährleistete Unverletzlichkeit der Wohnung eine Durchsuchung dar. Diese liegt vielmehr nur vor, wenn ein Betreten der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen oder zur Ermittlung eines nicht bereits offenkundigen Sachverhalts, d.h. dem Aufspüren dessen dient, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht herausgeben oder offen legen will (BVerfGE 51, 97; NJW 00, 943). Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Durchsuchung gehört also, dass der Wohnungsinhaber den Sachverhalt, um dessen Ermittlung es sich handelt, geheimhalten möchte. Hierum geht es im Streitfall nicht. Ist der Schuldner verurteilt, dem Gläubiger Zutritt zur Wohnung zu gewähren und in ihr bestimmte vorgegebene Handlungen zu dulden, handelt es sich nicht um eine Durchsuchung. Der BGH zieht eine Parallele zu dem Fall, dass ein Gericht den von ihm beauftragten Sachverständigen zum Betreten einer Wohnung ermächtigt. Auch dort liegt keine Durchsuchung i.S.d. Art. 13 Abs. 2 GG vor (BVerfGE 75, 318). Damit bedurfte es im Hinblick auf das bereits titulierte Zutrittsrecht der Gläubigerin zu der Wohnung der Schuldnerin keiner gesonderten richterlichen Ermächtigung mehr.
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses MK Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 16,30 € / Monat
Tagespass
einmalig 10 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig