· Fachbeitrag · Wertsicherungsklausel
Feststellung der Unwirksamkeit wirkt nur ex nunc
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
(BGH 13.11.13, XII ZR 142/12, Abruf-Nr. 141133) |
Sachverhalt
Die Wertsicherungsklausel des auf fünf Jahre mit fünfjähriger Verlängerungsoption geschlossenen Pachtvertrags vom 7.10.99 lautet:
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Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt festgelegte Index der Lebenshaltungskosten aller privaten Haushalte im früheren Bundesgebiet (Basis 1985 = 100) im Verhältnis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder zu dem bei der letzten Mietänderung festgestellten Index um mehr als fünf Prozent nach oben oder unten, ändert sich die Miete im gleichen Verhältnis. Die neue Miete ist mit Beginn des nächsten, auf die Überschreitung des der Fünf-Prozent-Grenze folgenden Kalendermonats an zu zahlen. Sollte die Wertsicherungsklausel von der Landeszentralbank nicht genehmigt werden, verpflichten sich die Vertragsparteien, eine Vereinbarung in den Vertrag aufzunehmen, die den in diesem Vertrag vereinbarten Bestimmungen am nächsten kommt und genehmigungsfähig ist. |
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf Geschäftsraummietverträge mit Preisklauseln, die noch unter der Geltung des § 2 PaPkG oder des § 3 WährG vereinbart wurden und für die zum Inkrafttreten des Preisklauselgesetzes (14.7.07) kein Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gestellt war.
Abtretung durch den Zwangsverwalter zulässig?
Der BGH, der die Frage in NZM 06, 677 noch offen gelassen hat, entscheidet erstmals, dass die nach § 152 Abs. 1 ZVG bestehende Aufgabe des Zwangsverwalters die Befugnis einschließt, die zur Verwaltungsmasse gehörenden Rechtsansprüche abzutreten. Grund: Der Verwalter tritt in die Abwicklung der gesamten grundstücksbezogenen Rechtsbeziehungen einschließlich der Befugnis zur Ausübung bestehender Gestaltungsrechte und der Begründung neuer Rechtsverhältnisse ein. Das umfasst auch die Befugnis zur Verfügung über Pacht- und Mietforderungen. Ob diese pflichtgemäß erfolgt, ist keine Frage ihrer Wirksamkeit, sondern einer eventuellen Haftung des Verwalters.
Schriftformmangel infolge mündlicher Nebenkostenabrede
Die Schriftform des § 550 BGB ist nur gewahrt, wenn sich die für den Vertrags-abschluss notwendige Einigung über alle wesentlichen Vertragsbedingungen - insbesondere Mietgegenstand, Miete, Dauer und Parteien des Mietverhältnisses - aus einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde ergibt. Durch mündliche Vereinbarung einer an die Verpächterin zu entrichtenden Nebenkostenpauschale/-vorauszahlung von monatlich 5.113 EUR anstelle der ursprünglich vereinbarten Direktabrechnung mit den Versorgungsunternehmen wurden die Zahlungspflichten der Pächterin gegenüber der Verpächterin erheblich erweitert. Dies hat zur Folge, dass auch die Bedingungen, unter denen bei Zahlungsverzug eine Kündigung hätte ausgesprochen werden können, erheblich verändert wurden. Grund: Pacht i.S. von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB ist die Grundpacht zuzüglich der geschuldeten Nebenkostenvorauszahlung (BGH MK 08, 206, Abruf-Nr. 082974). Um § 550 BGB (weiterhin) zu genügen, hätte die Nachtragsvereinbarung ebenfalls unter Wahrung der Schriftform (BGH MK 13, 119, Abruf-Nr. 130738) geschlossen werden müssen. Der Pachtvertrag galt damit als auf unbestimmte Zeit geschlossen und war für die Vertragsparteien auch vor Ablauf der ursprünglichen Bindungsfrist kündbar.
Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel infolge Schriftformmangels
Damit erfüllte der Pachtvertrag spätestens seit 6.6.01 nicht mehr die Voraussetzungen, unter denen die Preisklausel nach § 2 Abs. 2 PaPkG i.V. mit § 4 PrKV als genehmigt galt. Grund: Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 PrKV musste der Verpächter für die Dauer von mindestens zehn Jahren auf das Recht zur ordentlichen Kündigung verzichten oder der Pächter das Recht haben, die Vertragsdauer auf mindestens zehn Jahre zu verlängern. Auf den mündlich geänderten Vertrag wirkt die Genehmigungsfiktion des § 2 Abs. 2 PaPkG i.V. mit § 4 PrKV auch nicht fort, die für den ursprünglichen Vertrag gegolten haben mag, soweit deren Voraussetzungen erfüllt waren. Grund: Der mündlich abgeänderte Vertrag ist ein anderer, eigenständig zu prüfender Genehmigungsgegenstand.
Wertsicherungsklausel ab 14.9.07 auflösend bedingt?
Seit Inkrafttreten des PrKG (14.9.07) richtet sich die Wirksamkeit der Klausel nach diesem Gesetz. Grund: Aus § 9 PrKG folgt, dass nur für solche Preisklauseln, die nach früherem Recht schon genehmigt waren oder deren Genehmigung nach früherem Recht bereits beantragt war, die Genehmigung fortgilt bzw. die bislang geltenden Vorschriften weiter anzuwenden sind. Das heißt: Andere Preisklauseln, deren schwebende Unwirksamkeit sich bis zum 13.9.07 aus dem Genehmigungserfordernis nach § 2 Abs. 2 PaPkG i.V. mit § 3 PrKV ergab, können seit dem 14.9.07 nicht mehr durch ein Genehmigungsverfahren, sondern nur noch nach den Vorschriften des Preisklauselgesetzes Wirksamkeit erlangen (Nachweise Urteilsgründe Rn. 24).
Nach § 8 PrKG tritt die Unwirksamkeit einer Preisklausel zum Zeitpunkt des rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen dieses Gesetz ein, soweit nicht eine frühere Unwirksamkeit vereinbart ist. Die Rechtswirkungen der Preisklausel bleiben bis zum Zeitpunkt der Unwirksamkeit unberührt. Damit gelten Preisklauseln - abweichend von der früheren Rechtslage - als auflösend bedingt wirksam (Neuhaus, MDR 10, 848).
Praxishinweis
Bis zum 31.12.98 unterlagen Preisklauseln nach § 3 WährG der Genehmigungspflicht durch die Deutsche Bundesbank bzw. die Landeszentralbanken. Seit dem 1.1.99 war diese Regelung abgelöst durch das Preisangaben- und Preisklauselgesetz (PaPkG) und die zu dessen Durchführung erlassene Preisklauselverordnung (PrKV). An deren Stelle ist seit 14.9.07 das Preisklauselgesetz (PrKG) getreten, mit dem das behördliche Genehmigungssystem abgeschafft und das Indexierungsverbot einschließlich bestehender Ausnahmeregelungen in ein System der Legalausnahme überführt ist. War für eine Preisklausel bis zum 13.7.07 kein Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gestellt, gilt das neue PrKlG, auch wenn die Preisklausel während der Geltung des § 2 PaPkG oder des § 3 WährG vereinbart worden ist. Die bisherigen Vorschriften des § 2 PaPkG sowie der PrKV sind in den Fällen weiterhin anzuwenden, in denen eine Preisklausel vereinbart und ein Genehmigungsantrag beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bis zum Stichtag gestellt wurde (BT-Drucksache 16/4391, S. 29).
Der BGH stellt klar, dass Preisklauseln, die dem Anwendungsbereich des PrKlG unterfallen, bis zur rechtskräftigen Feststellung ihrer Unwirksamkeit auflösend bedingt wirksam sind. Das heißt: Klauseln, die nach früherem Recht bis zur Erteilung der Genehmigung als schwebend unwirksam galten, bzw. bei denen die Genehmigungsfähigkeit - wie hier - durch Nichtbeachtung der Form des § 550 BGB nachträglich entfallen ist, werden im Anwendungsbereich des PrKG als anfänglich wirksam behandelt, auflösend bedingt durch die gerichtliche Feststellung des Verstoßes.
Merke | Vorbehaltlich einer abweichenden Parteiabrede, tritt die Unwirksamkeit der Preisklausel gemäß § 8 PrKG erst vom Zeitpunkt des durch ein Gericht rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen die Regelungen des PrKG und nur mit Wirkung für die Zukunft ein.
Das heißt: Eine auf eine unwirksame Preisklausel gestützte Mieterhöhungsklage kann der Mieter nicht erfolgreich bereits mit der Widerklage (§ 256 Abs. 2 ZPO) auf Feststellung der Unwirksamkeit der Preisklausel bekämpfen. Zahlungen, Forderungen oder andere Rechtswirkungen, die aus der vereinbarten Preisklausel resultieren und bis zum Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit der relevanten Preisklausel geleistet wurden bzw. bestanden haben, bleiben wirksam. Sie sind zu erfüllen und können nicht nach § 812 BGB kondiziert werden (BT-Drucksache 16/4391, S. 29).
Da ein Verstoß der vereinbarten Wertsicherungsklausel gegen das PrKG bisher nicht gerichtlich festgestellt ist, konnte der BGH offen lassen, ob das PrKG, wie es verschiedentlich unter dem Blickwinkel der Gesetzgebungskompetenz angenommen wird (Nachweise Urteilsgründe Rn. 31) mit dem Grundgesetz vereinbar ist.